Laufabenteuer in Ladakh (eBook)
198 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7557-0421-8 (ISBN)
Dr. Konrad Smolinski, geboren 1981 in Erfurt, ist Diplom-Sportwissenschaftler mit Promotion in der Sportpsychologie. Seit 2004 arbeitet er als Personaltrainer, Berater, Coach und Referent für Läufer, Triathleten, Radsportler, Motocross-Fahrer sowie Unternehmen. Der Experte für Ausdauersport, psychische Beanspruchung und angewandte Sportpsychologie vereint seine beruflichen Erfahrungen aus Wissenschaft und Trainerpraxis mit der persönlichen Leidenschaft für Bewegung, Natur und Abenteuer.
Einleitung
Atemberaubende Landschaften wohin das Auge reicht. Begegnungen mit Menschen, die tiefste Zufriedenheit ausstrahlen. Andächtige Klöster, die den Besucher in die jahrhundertealte tibetisch-buddhistische Kultur entführen. Abenteuerliche Taxifahrten entlang tiefer Abgründe. Regional vollwertiges Essen aus der ladakhisch-tibetischen, aber auch indischen und chinesischen Küche. Unvergessliche Läufe und Wanderungen durch malerische Hochtäler hinauf auf Gipfel mit schwindelerregenden Höhen. Das und noch vieles mehr sollte mich während meiner Laufreise erwarten. Es gab aber noch einen weiteren bedeutenden Grund, der mich Ende August 2019 erneut in Indiens entlegenen Norden führte. An den Ort, an dem sich die Gebirgszüge Himalaya und Karakorum entlang des oberen Industals treffen. Noch einmal wollte ich die Khardung La Challenge, einen der höchsten Ultramarathons der Welt, bestreiten und mein Ergebnis aus dem Jahr 2017 übertreffen. Noch einmal wollte ich eine außergewöhnliche Laufleistung erbringen, an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit gehen.
Sicherlich kennst du auch diese Momente in deiner Biografie, die wie eine Autobahnausfahrt darüber bestimmen, wo es zukünftig für dich hingeht. „Abfahrten-Begebenheiten“, wie ich sie gern nenne, die den weiteren Verlauf eines Lebens entscheidend beeinflussen. Zufälle, die bei der Entwicklung unserer Persönlichkeit einen maßgeblichen Einfluss haben. Rückblickend hatte ich solche Momente bereits einige Male in meiner Vita. Das Kennenlernen meiner Ehefrau Mandy, die Geburt meiner Tochter Hannah, schulische, berufliche und sportliche Meilensteine oder auch Begegnungen mit inspirierenden Menschen. Eine sehr prägende Lebenserfahrung war für mich zweifellos die Abenteuerreise nach Ladakh im Jahr 2017. Vielleicht wäre mein Leben völlig anders verlaufen, wenn ich diese Reise und mit ihr diese eindrücklichen Erfahrungen nicht gemacht hätte. Eigentlich wollte ich lediglich einen Ultramarathon bestreiten. Gut, nicht irgendeinen, sondern den laut Veranstalter höchstgelegenen Ultramarathon der Erde. Ein bisschen Laufen – das kann doch nicht so schwierig sein, dachte ich. Unter einem Ultramarathon wird in Läuferkreisen alles bezeichnet, was über die Marathondistanz, also über 42,195 Meter, hinausgeht. Dabei ist die ursprüngliche, wertneutrale lateinische Bedeutung von Ultra „jenseits, über etwas hinausgehend“ (Sonntag, 2013). Insofern sind unter Ultramarathons lediglich Läufe jenseits der Marathondistanz von 42,195 Kilometern zu verstehen.
Bisher hatte ich alle meine sportlichen Ziele gut gemeistert, jeden meiner unzähligen Ausdauerwettkämpfe beendet. Das Laufen bedeutet für mich pure Leidenschaft. Also machte ich mir keine sonderlichen Gedanken, was mich auf solch einer Laufreise denn eigentlich alles erwarten könnte. Zunächst war alles so wie immer. Das Hamsterrad in meiner kleinen Welt drehte sich auf Hochtouren. Wenn man wie ich seit mehr als 15 Jahren als Personal Trainer und Coach für Läufer, Radsportler, Triathleten, Motocross-Fahrer und Athleten aus verschiedensten Sportarten aus voller Überzeugung und mit Leidenschaft arbeitet, dann sind Begriffe wie Wochenende, Feierabend oder Freizeit grundsätzlich eher selten. Ich arbeite nicht, ich lebe! Und dies so leidenschaftlich, wahrhaftig, ehrlich und integer wie mir möglich ist. Konsequent, in weitgehender Übereinstimmung mit den eigenen Idealen, Werten und der tatsächlichen Lebenspraxis. Das ist nicht immer der bequemsteWeg. Nicht für einen selbst und häufig auch nicht für die Mitmenschen. Naturgemäß gelingt mir das nicht jeden Tag gleich gut, aber ich versuche Tag für Tag etwas besser zu werden. Sport, vor allem das Laufen, Meditation, Achtsamkeit, ein paar wenige enge Freunde und allen voran meine Familie helfen mir dabei.
So packte ich 2017 meinen Koffer. Darin, wie immer, auch mein Notebook und meine Arbeitsutensilien. Für gewöhnlich arbeitete ich sieben Tage die Woche, ob Weihnachten, Ostern oder Feiertag, auch von unterwegs und natürlich auch im Urlaub. Schließlich wollen meine Athleten mit aktuellen Trainingsplänen und Kommunikation via Online-Coaching-Plattform bestens betreut sein. Die Vorstellung, auf dieser Reise die Dinge zu tun, von denen man sagt, dass man sie irgendwann mal machen möchte, aber sonst eben nicht die Zeit hat, gefiel mir.
In einem vorbereitenden Telefonat kurz vor der Abreise machte mein Reisekumpan und erfahrener Asienexperte Maik, auf den ich später noch näher eingehen werde, eine beiläufige Bemerkung, die mich nachdenklich stimmte: „Es kann durchaus sein, dass wir dort für mehrere Tage mal keinen Strom und auch kein Internet haben werden. Und auch sonst ist dort alles etwas anders als bei uns hier in Mitteleuropa.“ Außerdem sollte ich meine Reiseapotheke mit Wasseraufbereitungstabletten und Medikamenten gegen Magenbeschwerden und Durchfall bestücken. Okay!? Ich versuchte mir keine unnötigen Gedanken zu machen, legte noch eine letzte Nachtschicht ein, um alle Trainingspläne wenigstens für die kommenden zehn Tage im Voraus fertigzustellen und stieg recht unbekümmert in den Flieger.
Nicht nur aus sportlicher Sicht werde ich vermutlich bis an mein Lebensende mit einem breiten Lächeln auf den Lippen an diesen Aufenthalt zurückdenken. Der Gedanke, einfach einmal eine Auszeit von meinem vollgepackten Berufsleben nehmen zu können und überdies mit solch einem sportlichen Highlight zu verbinden, macht mich zutiefst dankbar. Diese Reise gab mir die Möglichkeit zu erfahren, wie unterschiedlich Lebensweisen, Lebensumstände, aber auch Lebensperspektiven sein können. Das Leben dort ist in keiner Weise mit unseren Gewohnheiten in Mitteleuropa zu vergleichen. Das durfte ich vor allem während unserer Aufenthalte in den Bergdörfern und in den zahlreichen buddhistischen Klöstern erleben. Es eröffnete mir einen völlig anderen Blick auf die Welt und ich erkannte, wie wertvoll es für die Entwicklung meiner Persönlichkeit sein kann, wenn ich die Dinge aus einem völlig anderen Blickwinkel zu sehen bekomme. Aus der Komfortzone heraus zu treten, um geografische, physische und mentale Grenzen zu überwinden, bedeutet persönliche Weiterentwicklung.
Wie risikofreudig Menschen sind, ist aus neurobiologischer Sicht abhängig vom Temperament, also von der Emotionalität der jeweiligen Person. Diese Persönlichkeitseigenschaften sind weitestgehend biologisch vorbestimmt und bleiben ein Leben lang relativ unverändert. Hingegen entwickelt sich der Charakter einer Person beständig weiter, der sich durch Ziele und Werte ausprägt.
Ich sah, wie einfach viele Menschen leben. Ohne großen Besitz und doch schienen sie so glücklich und zufrieden. Das ließ mich sehr nachdenklich werden. Was bedeutet eigentlich genau Lebensglück? Es ist keineswegs an materiellen Wohlstand gebunden, sondern vielmehr eine Frage der persönlichen Einstellung, Wahrnehmung und Reflexion. Die Welt ist eben, wie sie ist. Was zählt ist, was wir daraus machen. Nur wir Menschen ordnen den Ereignissen eine spezifische Bedeutung zu, jeder auf seine eigene Art und Weise. Ja, wir sind tatsächlich unseres eigenen Glückes Schmied und es kommt auf unsere innere Einstellung an. Die nächste Frage, die mir während dieser Reise mehrfach durch den Kopf ging, war: Wie definieren wir Reichtum? Ist es überhaupt noch zeitgemäß, nach materiellen Dingen zu streben, und nach dem Motto „höher, schneller, weiter“ zu leben? Welchen Preis zahlen wir als Menschheit mit unserer überwiegend verschwenderischen, egoistischen und dekadenten Lebensweise in Bezug auf unser Ökosystem Erde?
„There is nothing more beautiful than earth and human life. We have to
make earth heaven. We have to make this life the divine life.“
(Bhikkhu Sanghasena)
Meine Reise 2017 hat mir die Augen geöffnet, was Wettbewerb, Konkurrenzdenken und mitteleuropäischer Wohlstand mit uns machen. Die Welt wird immer komplexer, alles erscheint immer schneller, extremer, intensiver, lauter. Es geht vielfach um monetäre Anreize. Unsere Erziehung und Ausbildung sind fast ausschließlich auf materiellen Reichtum ausgerichtet. Aber was nützt mir all der Luxus, wenn ich mein persönliches Glück damit nicht finden kann und bis an mein Lebensende ein Suchender nach dem wahren Sinn des Lebens bleibe?
Während solch einer Reise ist man oft mit einfachen, fast schon banalen Dingen beschäftigt und hat keinen Kopf für das große Ganze. Doch die unzähligen wertvollen Eindrücke lassen einen nicht mehr los. Ich realisierte schnell, dass dies genau die Zeit ist, die mich noch lange nachhaltig prägen und auf die ich irgendwann einmal sehnsüchtig zurückschauen würde. Das Erlebte veranlasste mich dazu, nur zwei Jahre später noch einmal an jenen Ort zu reisen und im Nachgang dieses Buch zu schreiben.
Meine körperlichen und mentalen Erfahrungen, die ich bei diesem speziellen Ultramarathonlauf machen durfte, möchte ich mit dir teilen. Neben den sportlichen Erlebnissen und einigen persönlichen philosophischen Gedanken soll es in diesem Buch ebenso um...
Erscheint lt. Verlag | 18.1.2022 |
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Sprache | deutsch |
ISBN-10 | 3-7557-0421-8 / 3755704218 |
ISBN-13 | 978-3-7557-0421-8 / 9783755704218 |
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