Wanderbares Neusseland -  Melanie Bertsch

Wanderbares Neusseland (eBook)

3.000 Kilometer zu Fuß auf dem Te Araroa
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2020 | 1. Auflage
296 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-8281-6 (ISBN)
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Eine Geschichte über die Freiheit und die Herausforderungen eines Lebens aus dem Rucksack, ganz ohne unnötigen Ballast. Gehen erscheint uns einfach, denn das tun wir in der Regel jeden Tag und unbewusst. Doch was passiert, wenn es zum Alltag, zum Lebensinhalt wird? Ist der Mensch überhaupt dafür gemacht, so viel zu laufen? Auf einer fünfmonatigen Weitwanderung durch das abwechslungsreiche Neuseeland wandert Melanie Bertsch, zusammen mit ihrem Mann Henning, 3.000 Kilometer am Stück. Raus aus dem Arbeitsalltag und rein in die Natur: Lass dich mitnehmen auf eine Reise am anderen Ende der Welt und erhalte Einblicke in die Vorbereitungen sowie Höhen und Tiefen eines solchen Abenteuers - praktisch erprobte Tipps für Nachahmer inklusive. Kein weiterer Selbstfindungstrip, sondern ein Buch über die Weiterentwicklung zu Menschen, die wir sein wollen.

Melanie Bertsch, geboren 1988, hat Zahnmedizin in Heidelberg studiert. Nach dem fordernden und kräfteraubenden Studium, beschloss sie sich - zusammen mit ihrem Freund (heute Mann), eine Auszeit zu nehmen. 2.000 Kilometer zu Fuß entlang der Ostküste der USA (auf dem Appalachian Trail) später, ließ die beiden die Leidenschaft fürs Weitwandern nie wieder los. Und so folgte 2017 die zweite halbjährigen Fernwanderung, diesmal durch Neuseeland. Die Erlebnisse dieser Reise hat sie in diesem Buch verarbeitet. Heute lebt sie - inzwischen mit ihren beiden Kindern und Mann - in Esslingen am Neckar und arbeitet als Zahnärztin.

Einleitung


Deutschland, Sommer 2016


„Und wo schlaft ihr dann?“ Die Frage kommt von Christina, der Freundin einer alten Schulfreundin, bei der wir gerade auf der Terrasse sitzen. Der normale Arbeitsalltag ruht nach fünf Tagen, es ist Samstag. Wir sitzen im Garten und warten darauf, dass das Grillgut auf dem Feuer fertig wird. Ich lehne mich genüsslich im Klappstuhl zurück, atme Sommerluft und den Duft nach Gegrilltem ein und lächle meinen Mann an. Wir genießen die gesellige Pause von unseren Vorbereitungen. Zuhause, in unserer Zwei-Zimmer-Standard-Mietwohnung, herrscht das Chaos. Rucksäcke, Isomatten, Schlafsäcke und Wanderschuhe machen uns den Lebensraum streitig und warten auf ihre endgültige Auswahl oder Ausmusterung.

„Ja, wo schlaft ihr denn dann? Ihr werdet keine Wohnung mieten, oder? Wenn ich das richtig verstanden habe, dann reist ihr durch Neuseeland?“, fragt eine junge Frau im Blümchenkleid. Sie heißt Katrin.

„Nein, wir mieten keine Wohnung! Das wäre viel zu teuer. Dann könnten wir es uns nicht leisten ein halbes Jahr dortzubleiben. Und ja, wir werden zu Fuß durch Neuseeland reisen“, antwortet mein Mann Henning.

„Aber wo schlaft ihr dann?“, fragt jetzt wieder Christina. Sie und Katrin haben zusammen studiert.

„Wir nehmen im Rucksack ein Zelt mit und darin werden wir meistens schlafen“, antworte ich. „Ansonsten soll es auch viele Berghütten als Übernachtungsmöglichkeit geben.“

Ich spiele an einer Haarsträhne. Das mache ich gerne, um mich zu beruhigen. Meistens ist das Feedback, das wir zu unseren Reiseplänen bekommen positiv, aber manchmal auch ungläubig oder tendenziell angewidert. So wie in diesem Fall. Die Fragestellerin zieht die Augenbrauen hoch.

„Ihr wollt jede Nacht in einem Zelt schlafen? Ist das nicht gruselig?“, fragt sie nach und wirft einen Seitenblick auf ihre Freundin Katrin.

„Nicht jede Nacht“, antworte ich ausweichend. „Wir müssen ja auch mal duschen und Wäsche waschen, dann gehen wir in ein Hotel oder Hostel.“ Ich verschone sie und erwähne nicht, dass die Berghütten, die wir benutzen wollen, keinen Strom und kein fließendes Wasser haben und die Toilette ein Kompost-Plumpsklo sein wird; wenn wir Glück haben und überhaupt eine vorhanden ist. Für den Fall, dass keine Toilette in der Nähe ist, habe ich eine kleine blaue Titanschaufel, die irgendwo im Chaos darauf wartet in den Rucksack gepackt zu werden. Mit ihr kann ich ein Loch graben und mein Geschäft im Waldboden verbuddeln.

„Also ich weiß nicht - für mich wäre das nichts.“ Katrin schüttelt den Kopf. „Ich könnte bestimmt nicht schlafen mit nur einem Stück Stoff zwischen mir und der Welt.“

Christina pflichtet ihr bei: „Und ich könnte wohl wochenlang nicht aufs Klo. Ohne sauberes Badezimmer, das wäre für mich ein absoluter Alptraum. Ich gehe schon nicht auf öffentliche Toiletten in Restaurants oder so, wo andere Menschen das Klo ebenfalls benutzen. Im Hotel geht es ja grade noch so.“

Gut, dass ich die Klosituation nicht weiter ausgeführt habe.

Mit einem Blick in mein Gesicht fügt Christina noch schnell hinzu „… aber schön für euch, wenn das was für euch ist!“ Ich strahle sie an. Ja! Das wird großartig.

Ich denke an die Bilder auf Instagram, die ich vom Wanderweg in Neuseeland erst heute gesehen habe und freue mich drauf. Es macht mir nichts aus, dass andere das nicht ebenfalls machen wollen oder es ungemütlich finden.

„Wow toll!“, mischt sich nun der Nachbar ein, der bisher nur zugehört hatte. Mit „Hi, ich bin der David“ hatte er sich vorgestellt, als er durch die Terassentür in den üppig grünen Garten kam.

„Durch die Natur wandern, frische Luft atmen, abends das Zelt in einer wilden und spektakulären Landschaft aufstellen und ein Lagerfeuer machen, um darüber Würstchen zu braten… Ich beneide euch so, ich könnte das niemals machen!“

„Wieso nicht?“, frage ich ihn. Ich gehe nicht auf das Lagerfeuer ein und auch nicht auf die Würstchen, die es nicht geben wird, sie sind nicht lange genug haltbar. Aber auf die frische Luft und das Leben draußen freue ich mich. Und auf mein Zelt ebenfalls. Und auf den guten Schlaf, wenn man viel draußen ist und sich bewegt. Ach ja, und darauf, dass ich dann essen kann, was ich will, ohne Angst vor Fettpölsterchen zu haben.

„Ich habe gar nicht so viel Zeit!“, winkt David ab. Mit der Antwort habe ich gerechnet. Diese Antwort habe ich schon oft gehört, die lassen wir ihm aber nicht durchgehen. Jeder hat genau gleich viel Zeit, nämlich 24 Stunden jeden Tag.

Ein verschwörerischer Blick an meinen Henning und der legt auch schon los: „Die Zeit musst du dir nehmen“, erklärt er und setzt sich auf die kleine Mauer neben uns, um sich unserer Gesprächsrunde anzuschließen. „Wenn du das wirklich willst, wenn dir die Vorstellung gefällt, zu Fuß monatelang unterwegs zu sein und in der Natur zu leben, dich herauszufordern und deine Komfortzone zu verlassen – dann musst du das einfach machen!“ Seine Augenbrauen hüpfen begeistert auf und ab.

„Naaah“, winkt David ab und streichelt die schwarz-weiße Katze, die um seine Beine streicht. Aus der Geste, mit der er sich abwendet, schließe ich, dass er zwar die Vorstellung reizvoll findet, aber niemals den letzten Schritt machen und aufbrechen würde. Er würde immer eine Ausrede finden, warum es gerade jetzt nicht geht, denke ich bei mir und fühle mich schlecht, dass ich ihm diese Gedanken unterstelle. „Das geht doch nicht. Ich muss doch arbeiten. Mir schenkt niemand Geld zum sechs Monate Urlaubmachen.“ Er guckt weder Henning noch mich direkt an. Zum Glück. So kann er auch nicht sehen, dass ich verletzt bin, denn schließlich arbeiten wir auch. Wir finanzieren unsere Reise nach und durch Neuseeland selbst. Wir haben nichts geerbt und haben keine Sponsoren. Unser Reisedrang ist nur so groß, dass wir ihm alles andere untergeordnet haben.

Er erspart mir, auf dieses Argument eingehen zu müssen, denn er fügt gleich noch hinzu: „Außerdem bin ich zu alt und zu unsportlich. Das würde ich niemals schaffen. Ich würde nach zehn Kilometern tausend Blasen an den Füßen haben oder in den Bergen sterben.“ Er lacht laut auf, was die Katze erschreckt. Sie windet sich unter dem Stuhl durch und verschwindet hinter dem Buchsbaumbusch.

„So ein Quatsch!“, wende ich ein. „Erstens bist du doch nicht alt.“ Ich mustere ihn nochmal genau. Nein, also älter als Mitte Dreißig kann er auf keinen Fall sein. Wahrscheinlich eher Ende Zwanzig. So alt wie wir also. Das ist doch nicht alt?! Oder etwa doch?

„Und zweitens kann man das Laufen von acht Stunden am Tag nur bedingt trainieren. Man muss es einfach machen. Wenn du Laufen kannst, kannst du auch weit laufen.“

Learning by doing, heißt der alte Pfadfinderspruch.

Die Menschentraube, die sich inzwischen um uns versammelt hat, ist größer geworden und ich rutsche etwas unbehaglich auf meinem Klappstuhl rum. Manche starren mich an, andere schütteln belustigt den Kopf. Ist die Vorstellung mehr als zwei, drei Wochen zu wandern und im Zelt zu schlafen etwa so ungewöhnlich? Haben die noch nie einen der vielen Pilger getroffen, die jedes Jahr den Camino in Spanien laufen? So selten sind die doch nicht. Die nächste Frage lenkt mich von dem Gefühl ab, ein bunter Papagei in einem Zoo zu sein.

„Ist das nicht gefährlich?“, fragt einer der Neuankömmlinge der Partyrunde. Er hat sich mir noch nicht vorgestellt, aber ich bin ja auch nicht die Gastgeberin. Da ich seinen Namen nicht kenne, taufe ich ihn Opa-Hut. Nach der graukarierten Schirmmütze, die er als moderne Kopfbedeckung trägt. Ein echter Hipster.

„Gefährlich?“, frage ich verwirrt. „Was genau?“ Ich klammere mich an meine Flasche Radler, als könnte sie mir Halt geben. Ich wundere mich, denn bezüglich der Reise bin ich nicht unsicher. Anscheinend aber darüber, dass ich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehe.

„Wird man nicht ausgeraubt?“, fragt er ernsthaft besorgt.

„Ausgeraubt? Von wem denn?“, antworte ich laut und fest und mit geradem Rücken. Ich bilde mir ein, dass das selbstbewusst aussieht. Fake it till you make it. Ich verstehe die Frage allerdings immer noch nicht recht.

„Nein“, erwidert Henning freundlich lachend und kommt mir zu Hilfe. „Die einzigen anderen Menschen weit und breit werden andere Wanderer sein. Und die sind froh um jedes Gramm, das sie nicht selbst tragen müssen.“

„Was ist mit wilden Tieren?“ Dieser Hipster-Typ scheint ein echter Sicherheitsfanatiker zu sein.

„Es gibt keine giftigen oder für Menschen gefährlichen Tiere in Neuseeland“, antwortet wieder Henning. Kurze ungläubige Pause in der Menschentraube.

Gelächter dringt zu uns rüber. Ich schaue mich im Garten nach meiner Freundin und Gastgeberin um und nach dem Essen auf dem Grill. Der...

Erscheint lt. Verlag 15.12.2020
Sprache deutsch
ISBN-10 3-7526-8281-7 / 3752682817
ISBN-13 978-3-7526-8281-6 / 9783752682816
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