Seeökosysteme (eBook)
1138 Seiten
Wiley-VCH (Verlag)
978-3-527-82975-0 (ISBN)
Walter Geller war bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2008 Leiter der Departments Seen- und Fließgewässerforschung im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Magdeburg und Professor der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg. Nach dem Studium der Biologie/Chemie und der Promotion in Freiburg war er als Postdoc im Betriebs- und Forschungslabor der Bodensee-Wasserversorgung/Stuttgart tätig, bevor er 1979 wissenschaftlicher Assistent an der Universität Freiburg wurde, wo er 1986 habilitierte. Er war ab 1992 Leiter des Magdeburger Instituts für Gewässerforschung, zunächst im Verbund des GKSS-Forschungszentrums Geesthacht, später im UFZ-Verbund. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Ökologie des Zooplanktons, die vergleichende Limnologie von glazialen Seen in Patagonien, Korsika und Deutschland, die Sanierung von Braunkohle-Folgeseen, sowie die Schadstoffbelastung und Hochwassergefährdung der Flusssysteme von Elbe und Mulde.
Michael Hupfer ist Forschungsgruppenleiter am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin. Nach dem Studium der Marinen Ökologie und der Technischen Hydrobiologie in Rostock und Dresden wurde er 1993 mit einer Arbeit zum internen Phosphorhaushalt von Seen und Talsperren an der TU Dresden promoviert. Danach war er an der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz als Postdoc und später am Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle tätig, bevor er 1996 an das IGB nach Berlin wechselte. Seit 2022 ist er Honorarprofessor auf dem Gebiet der Aquatischen Biogeochemie an der BTU Cottbus-Senftenberg. Schwerpunkte seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit sind der Stoffhaushalt und die Eutrophierung von Seen, Redoxprozesse in Grenzzonen sowie der Einfluss von Klima- und Landnutzungsänderungen auf Gewässerökosysteme.
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Verbreitung, Entstehung und Typisierung von Seen
1.1 Zahl und Größe der Seen
Die Erfassung der Seen weltweit und auch in Deutschland ist bei Weitem nicht abgeschlossen. Aktuelle Schätzungen zum Anteil der Seen an der gesamten Landfläche übersteigen deutlich die Angaben in den meisten Lehrbüchern, die von lediglich knapp 2 % Flächenanteil ausgingen. Besonders die kleinen Gewässer sind unzureichend erfasst, sodass Seen als tiefste Punkte in der Landschaft wahrscheinlich eine bislang unterschätzte Rolle für den regionalen und globalen Stoffhaushalt spielen.
1.1.1 Seen weltweit
Ordnet man die Binnenseen nach ihrer Größe, so ergibt sich ein systematischer Zusammenhang zwischen der Anzahl und der Größe. Insgesamt gibt es viele Seen in der Klasse der kleinen und nur wenige große Seen. Im globalen Maßstab ergibt sich bei doppelt-logarithmischer Auftragung der Zahl der Seen gegen ihre Flächensumme eine Steigung von –1 (Meybeck 1995; Lehner und Döll 2004). Dies bedeutet, dass jede Größenklasse etwa die gleiche Flächensumme hat. Der Zusammenhang zwischen Größe und Zahl erlaubt eine Extrapolation in den Bereich der sehr kleinen Seen, die im üblichen kartografischen Maßstab nicht mehr darstellt werden und daher nicht vollständig erfasst sind. Downing et al. (2006) haben die weltweite Gesamtzahl und die Flächen der Seen aufgrund der bekannten Daten neu geschätzt und dabei die Vielzahl der kleinen Seen und künstlichen Wasserreservoirs besonders berücksichtigt. Danach ergibt sich eine globale Summe der Seenflächen von 4,2 Mio. km2, die sich auf 304 Mio. natürliche Seen verteilt. Davon sind 277 Mio. Seen sehr klein und haben eine Fläche zwischen 0,1 und 1 ha. Die größeren Stauseen haben eine Wasserfläche von 260 000 km2. Die Fläche der kleinen landwirtschaftlichen Wasserreservoirs wird auf >77 000 km2 geschätzt. Damit sind ungefähr 3 % der Landoberfläche mit Wasser bedeckt.
Nach Meybeck (1995) gibt es in der Größenklasse mit Seeflächen von 0,1 - 1 Mio. km2 nur einen Binnensee, das Kaspische Meer (393 898 km²), etwa 1000 große Seen im Größenbereich von 100–1000 km2, entsprechend der Größe des Bodensees, und eine einstellige Millionenzahl von Seen zwischen 1–10 ha. Der Anteil der glazialen Seen >1 ha wird geschätzt auf 3,25 Mio. mit einer Gesamtfläche von 1,25 Mio. km2. Der weltweit tiefste See ist der Baikalsee (1642 m) in Russland gefolgt vom Tanganjikasee (1470 m) in Afrika. Der Flächenanteil der Oberflächengewässer an der Gesamtfläche liegt in seenreichen Ländern über 10 %, in seenarmen Ländern unter 1 %. Nach Meybeck (1995) beträgt der Weltdurchschnitt an den nicht gletscherbedeckten Landflächen 6,8 %, auf dem skandinavischen Schild 12,2 %, in Finnland 9,4 %, in Norwegen 13,9 %, in Schweden 8,6 %, im südbaltischen Tiefland 2,2 %, auf dem kanadischen Schild 10,3 % und in Patagonien 3,0 %. In Deutschland sind 1,8 % der Gesamtfläche mit Seen bedeckt, wobei dieser Wert durch die Vielzahl neu entstehender Tagebauseen in den Braunkohlegebieten weiter steigt.
1.1.2 Seen in Deutschland
Die Seen in Deutschland sind im Auftrag des Umweltbundesamtes in einer Dokumentation zusammenfassend dargestellt worden (Nixdorf et al. 2004). Abb. 1.1 zeigt eine Übersicht zur räumlichen Verteilung natürlicher und künstlicher Seen. Der Datensatz wurde unter verschiedenen Fragenstellungen statistisch ausgewertet (Hemm et al. 2002; Hemm und Jöhnk 2004). Danach sind in Deutschland 12 000 Standgewässer erfasst, davon 969 natürliche und künstliche Seen mit einer Flächengröße >50 ha einschließlich Baggerseen, Tagebauseen, Talsperren und Speicherbecken. Hemm und Jöhnk (2004) extrapolierten die Gesamtzahl der Seen mit einer Mindestgröße von 1 ha in Deutschland auf 30 000 (Abb. 1.2) gegenüber vorherigen Schätzungen von 15 000–20 000.
Abb. 1.1Zahl der erfassten stehenden Gewässer in den deutschen Bundesländern (Hemm und Jöhnk 2004).
Abb. 1.2Dichte der Seen (Anzahl pro 1 Mio. km2) in Größenklassen der Seefläche nach Hemm und Jöhnk (2004). Die Dichte der großen Seen der Welt (G) und der natürlichen Seen in Deutschland (D) folgen ungefähr derselben Verteilungsfunktion bei Bezug auf die normierte Fläche von 1 Mio. km2. Um die Zahl der Seen in Deutschland für eine gegebene Größenklasse zu bekommen, müssen die flächennormierten Werte der Seedichten mit 0,375 multipliziert werden (Fläche Deutschland: 357 000 km2). Die Daten für kleine Seen <5 ha sind unzureichend erfasst (K). Die Braunkohlentagebauseen verschiedener Größe haben eine andere Häufigkeitsverteilung. (B): verglichen mit den Naturseen gibt es relativ weniger kleine als große Tagebauseen.
Schleswig-Holstein gehört mit seinen über 300 Seen zu den seenreichen Bundesländern Deutschlands. In der Größe >50 ha gibt es in Schleswig-Holstein etwa 65 natürliche Seen sowie an der Nordseeküste Speicherbecken und Seen, die im Zuge der Landgewinnung in der Marsch entstanden sind. Die Gesamtfläche wird auf 245 km2 geschätzt (Mathes 2008). Für das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern wird eine Gesamtfläche der Standgewässer von 720 km2 angegeben (LUNG-MV 2001), die 3,1 % der Landesfläche darstellen. Größtes Seengebiet ist die Mecklenburgische Seenplatte, die sich weiter in das Bundesland Brandenburg zieht. Die Zahl der Standgewässer >1 ha beträgt ca. 2000, davon 1400 Kleinseen in der Größenklasse 1–10 ha und >500 künstliche Seen (Baggerseen, Fischteiche, Torfstiche, Flachspeicher). Die Zahl der kleinen, runden Sölle (wassergefüllte und trockene Toteislöcher) wird auf landesweit 60 000 geschätzt. In Berlin und Brandenburg gibt es ca. 3000 Seen >1 ha und insgesamt mehr als 10 000 Seen, mit einer Gesamtfläche von ca. 600 km2. In den glazial überformten Regionen prägen langsam fließende Flussabschnitte und durchflossene, meist flache Seen (Flussseen) die Gewässerlandschaft der Flüsse Spree/Dahme und Havel. Die Anzahl der Gewässer und der Seeflächen wird im seenreichen Bundesland Brandenburg durch die Flutung nicht mehr genutzter Tagebaue in der Lausitz stark zunehmen. Die beiden größten Seen in Niedersachsen, das Steinhuder Meer und der Dümmersee, entstanden als Thermokarstseen in Senkungstrichtern, die infolge postglazialer Erwärmung vor 12 000–14 000 Jahren aus lokalen Permafrost-Eiskörpern entstanden sind. Thermokarst-Seen sind verbreitet in den küstennahen Tieflandgebieten der arktischen Klimazone. In Hessen gibt es insgesamt 773 Seen und Talsperren mit einer Fläche von >1 ha, davon 81 >10 ha. Die Seen sind nicht natürlichen Ursprungs, sondern künstlich geschaffen. Einige sind durch Abgrabungen von Kies (Baggerseen) oder von Kohle (Tagebauseen) entstanden. Bei anderen wurden aus Gründen des Hochwasserschutzes oder der Niedrigwassererhöhung Fließgewässer aufgestaut und so Talsperren angelegt (HLUG 2007). Für das Gebiet Niederrhein in Nordrhein-Westfalen sind 21 Stillgewässer als Wasserkörper mit einer Fläche zwischen 0,5 und 1,2 km2 ausgewiesen. Von den 21 Wasserkörpern der Kategorie „Seen“ sind nur zwei natürlichen Ursprungs. Regional einzigartig sind die Eifel-Maare in Rheinland-Pfalz, die im Abschnitt über vulkanische Seen dargestellt werden. Die übrigen Seen in Rheinland-Pfalz, wenige Stauseen und die Westerwälder Seenplatte, haben nur eine geringe Ausdehnung. Alle größeren Standgewässer (>50 ha) in Sachsen sind künstlichen Ursprungs. Dazu gehören Talsperren und wasserwirtschaftliche Speicher. Durch die Flutung von Tagebauen entstehen gegenwärtig prägende Seenlandschaften in der Lausitz und im Mitteldeutschen Raum. In Sachsen-Anhalt dominieren ebenfalls die künstlichen Standgewässer vor allem mit den Talsperren im Harz und den Bergbauseen. Die größten Gewässer sind derzeit der aus mehreren Teilseen bestehende Goitzschesee (13,3 km2), der aus einem Tagebau bei Bitterfeld entstanden ist, und der aus der Saale gefüllte Geiseltalsee (18,5 km2). In der Altmark befindet sich mit dem Arendsee der größte natürlich entstandene See Sachsen-Anhalts (5,14 km2). In Thüringen gibt es keine größeren natürlichen Seen. Von den 171 Talsperren und Rückhaltebecken in Thüringen hat die Bleichlochtalsperre die größte Fläche (9,2 km2) und das größte Stauvolumen (215 Mio. m3). Die natürlichen Seen der beiden süddeutschen Länder Bayern und Baden-Württemberg...
Erscheint lt. Verlag | 24.10.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Naturwissenschaften ► Biologie ► Ökologie / Naturschutz |
Schlagworte | Biowissenschaften • Chemie • Geowissenschaften • Hydrologie • Ökologie • Ökologie / Populationen u. Lebensgemeinschaften • Ökologie / Süßwasser • Umweltforschung • Umweltmanagement • Umweltmanagement, Politik u. -Planung • Wasserchemie |
ISBN-10 | 3-527-82975-X / 352782975X |
ISBN-13 | 978-3-527-82975-0 / 9783527829750 |
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