Von tanzenden Galaxien, Dunkler Materie und anderen kosmischen Rätseln (eBook)
304 Seiten
FinanzBuch Verlag
978-3-98609-540-6 (ISBN)
Dr. Marcel S. Pawlowski ist Astrophysiker. Nach dem Studium der Physik und seiner Promotion in Astrophysik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität Bonn war er fünf Jahre in den USA, zunächst als Postdoc an der Case-Western Reserve University in Cleveland Ohio. Er gewann dann ein prestigeträchtiges 'NASA Hubble Fellowship', mit der er an die University of California Irvine zog. Heute leitet er eine Forschungsgruppe zum Thema 'Kosmische Choreographien' am Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam. Er hält regelmäßig Vorträge auf internationalen Konferenzen. Sein virtueller Vortrag über Dunkle Materie und Zwerggalaxien hat bei YouTube über 68.000 Abrufe. Er hat eine Reihe von populärwissenschaftlichen Artikeln verfasst, unter anderem für Spektrum der Wissenschaft, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Physik in unserer Zeit. Pawlowski wird regelmäßig von deutschen und internationalen Medien (Print, Online, Radio, TV) interviewt, um seine Forschung vorzustellen oder um die Ergebnisse andere Wissenschaftler zu kommentieren.
Dr. Marcel S. Pawlowski ist Astrophysiker. Nach dem Studium der Physik und seiner Promotion in Astrophysik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität Bonn war er fünf Jahre in den USA, zunächst als Postdoc an der Case-Western Reserve University in Cleveland Ohio. Er gewann dann ein prestigeträchtiges "NASA Hubble Fellowship", mit der er an die University of California Irvine zog. Heute leitet er eine Forschungsgruppe zum Thema "Kosmische Choreographien" am Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam. Er hält regelmäßig Vorträge auf internationalen Konferenzen. Sein virtueller Vortrag über Dunkle Materie und Zwerggalaxien hat bei YouTube über 68.000 Abrufe. Er hat eine Reihe von populärwissenschaftlichen Artikeln verfasst, unter anderem für Spektrum der Wissenschaft, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Physik in unserer Zeit. Pawlowski wird regelmäßig von deutschen und internationalen Medien (Print, Online, Radio, TV) interviewt, um seine Forschung vorzustellen oder um die Ergebnisse andere Wissenschaftler zu kommentieren.
Kapitel 1
Was ist eine Galaxie?
Nebulöse Objekte im All
Man könnte salopp sagen: Ich erkenne eine Galaxie, wenn ich sie sehe. Das Bild, das einem bei dem Begriff Galaxie als Erstes in den Sinn kommt, ist vermutlich eine Spiralgalaxie: abgeflacht, mit einem hell leuchtenden Innenbereich und nach außen hin übergehend in bläulich-schimmernde Spiralarme, mit dunklen Staubwolken dazwischen. Aber das ist nur eine spezielle Art von Galaxie. Andere Galaxien sind optisch nicht so leicht zu identifizieren oder können ohne moderne Technik gar nicht erst gefunden werden. Eine wissenschaftlich tragfähige Definition ist ein subjektives Einschätzen dessen, was eine Galaxie ist, ohnehin nicht. In der Tat standen Astronomen vor nicht allzu langer Zeit noch vor demselben Problem, wie ein Ausflug in die Geschichte dieses Themas offenbart. Denn was Galaxien sind, und dass es überhaupt Galaxien außerhalb der Milchstraße gibt, ist gerade mal seit etwa 100 Jahren etabliert.
Man hatte zwar nach der Erfindung des Teleskops und der kontinuierlichen Weiterentwicklung dieser Beobachtungsinstrumente neben zahlreichen Sternen, einigen Planeten und einer Handvoll Monden im Sonnensystem auch andere Gebilde in den kosmischen Weiten aufgespürt. Die Natur dieser Gebilde war zunächst jedoch in mehrfacher Hinsicht nebulös. Zum einen ganz praktisch: Es handelte sich um diffusere Gebilde, im Gegensatz zu den punktartigen Sternen und Planeten. Daher etablierte sich für sie die Bezeichnung als Nebel, welche zunächst recht freizügig für alles verwendet wurde, das durch das Okular eines Teleskops eher schwammig-ausgedehnt erschien als kompakt-punktförmig (Gas- und Staubwolke, Emissionsnebel, Sternhaufen und eben auch das, was wir heute als Galaxien kennen).
Eine erste große Sammlung solcher Objekte am Nachthimmel war der Catalogue des Nébuleuses et des Amas d’Étoiles, der Katalog der Nebel und Sternhaufen, erschienen Ende des 18. Jahrhunderts. Besser bekannt als der Messier Katalog, nach seinem Ersteller, dem französischen Astronomen Charles Messier. Der Sohn eines Verwaltungsbeamten hatte eine Passion für die Astronomie und insbesondere für die Entdeckung von Kometen, seit er als Dreizehnjähriger den Großen Kometen von 1744 gesehen hatte, eine besonders spektakuläre Erscheinung am Himmel mit zeitweise sechs Schweifen. Messier war einer der ersten, die systematisch nach Kometen gesucht haben. Im Laufe seines Lebens entdeckte er etwa zwanzig solcher Objekte.
Kometen werden auch Schweifsterne genannt, da sie sich durch einen leuchtenden Schweif auszeichnen. Bei den Kometen selbst handelt es sich um kleine Objekte im Sonnensystem, mit Durchmessern von wenigen Kilometern. Sie bestehen aus Eis, Staub und Gestein. Kommt solch ein Objekt der Sonne nahe, dann beginnt es auszugasen: leicht flüchtige Substanzen sublimieren auf der der Sonne zugewandten Seite, und auch Staubteilchen, die im Eis des Kometen eingebettet sind, werden mitgerissen. So entsteht ein Koma, eine neblig-diffuse Hülle, die mit dem Objekt selbst den Kopf des Kometen darstellt. Kommt der Komet der Sonne noch näher, dann bildet sich auch noch der für diese Objekte charakteristische Schweif, der viele Millionen Kilometer lang sein kann. Er entsteht dadurch, dass die kleinen Bestandteile des Kometen – Gas und sehr feiner Staub – in einem starken Wind vom Strahlungsdruck der Sonne weggepustet werden. Deshalb zeigt der Gas-Schweif stets von der Sonne weg, folgt also nicht der Bahn des Kometen. Größere Staubteilchen sind hingegen weniger anfällig für diesen Strahlungsdruck und folgen daher eher dem Pfad des Kometen, sodass sie einen zweiten Schweif bilden können.
Charles Messier suchte den Himmel nach solchen diffusen Erscheinungen ab. Dabei fielen ihm aber auch einige Objekte auf, die zwar diffus waren, aber Nacht für Nacht an derselben Stelle des Himmels blieben. Da sich Kometen im Sonnensystem um die Sonne bewegen, musste es sich bei diesen Erscheinungen um andere Objekte in deutlich größerer Entfernung handeln. Irgendwann wurde es Messier offenbar zu bunt, immer wieder solche falschen Kometen zu beobachten, und er beschloss gemeinsam mit seinem Assistenten Pierre Méchain, eine systematische Sammlung dieser diffusen Erscheinungen zu erstellen.
Der so entwickelte Katalog wurde zwischen 1774 und 1781 veröffentlicht und enthält über 100 astronomische Objekte ganz unterschiedlicher Natur. Den größten Anteil stellen Sternhaufen dar. Diese umfassen sowohl offene Sternhaufen, was relativ lose Ansammlungen von Sternen bezeichnet (insgesamt 26), als auch sogenannte Kugelsternhaufen, was dichtere Konzentrationen von Sternen sind (29). Ebenfalls zahlreich vertreten in Messiers Katalog sind Galaxien (39), aber auch einige abgeworfene Hüllen aus Gas und Plasma von Sternen am Ende ihrer Entwicklung, die als planetare Nebel bezeichnet werden (obwohl sie nichts mit Planeten zu tun haben, 4). Eine Handvoll anderer Nebel (7) sind ebenfalls vertreten.
Trotz dieser irritierenden Vielfalt im Messier-Katalog bezeichnen Astronomen viele der Objekte auch heute noch nach ihrer Messier-Nummer. So handelt es sich bei M1 beispielsweise um den Krebsnebel, den Überrest einer Supernova-Explosion. M2 ist ein Kugelsternhaufen, eine dichte Ansammlung von, wie man heute weiß, etwa 150.000 Sternen. Auch unsere nächste große Nachbar-Spiralgalaxie Andromeda ist im Katalog vertreten und wird auch heute noch sehr häufig verkürzt als M31 bezeichnet. Die Natur dieser Objekte war im 18. Jahrhundert allerdings noch ungeklärt.
Das war auch 100 Jahre später noch so, als 1888 der New General Catalogue of Nebulae and Clusters of Stars, oder Neuer Gesamtkatalog von Nebeln und Sternhaufen, erschien, welcher vom dänischen Astronomen John Louis Emil Dreyer zusammengestellt wurde. Abgekürzt als NGC ist er auch heute noch namensgebend für Tausende astronomische Objekte.
Der NGC-Katalog hat 7840 Einträge und wurde in den folgenden 20 Jahren nochmals um 5386 Objekte erweitert in den Index Catalogues (kurz IC, ebenfalls namensgebend für viele der Objekte). Bei dieser Vielzahl und Vielfalt an diffusen Objekten drängte sich den Astronomen nun aber unweigerlich die Frage auf: Was ist das eigentlich alles für ein Zeug? Während wir heute wissen, dass auch dieser Katalog eine bunte Mischung aus Galaxien, Sternhaufen und Emissionsnebel enthält, war die Natur dieser Objekte damals nicht geklärt. Tatsächlich herrschte selbst vor nur gut 100 Jahren in der Astronomie noch kein Konsens darüber, was Galaxien eigentlich sind. Und so wussten wir auch nicht, wie groß sie sind, wie weit entfernt sie sind, woraus sie bestehen oder wie sie dorthin gekommen sind, wo wir sie beobachten.
Die Wissenschaftler hatten allerdings inzwischen diverse Vorstellungen und Hypothesen entwickelt. Sie waren sich aber – wie das so oft der Fall ist bei neuen Entwicklungen – zunächst nicht einig, welche davon denn nun zutrifft. Diese Auseinandersetzung gipfelte schließlich in der »Great Debate«, der Großen Debatte.
Die Große Debatte
Die Kontrahenten der Großen Debatte waren zwei amerikanische Astrophysiker: Harlow Shapley (damals 34 Jahre alt) vom Mount-Wilson Observatorium und Heber Doust Curtis (damals 47) vom Lick-Observatorium. Am Abend des 26. April 1920 trafen die beiden, aus Anlass eines Treffens der Nationalen Akademie der Wissenschaften, im Baird-Auditorium des National Museum of Natural History in Washington aufeinander. Es ging bei der Debatte um nichts anderes als um die Frage, wie groß das Universum sei, ob es auf die Milchstraße beschränkt oder sehr viel größer sei.13
Shapley hatte 1915 die »Big-Galaxy-Hypothesis«, die Große-Galaxie-Hypothese, formuliert. Diese interpretierte die Milchstraße als die einzige Galaxie im Universum und ging davon aus, dass sich die diffusen Nebel innerhalb dieser befinden. Die Nebel mussten also relativ klein und nahe gelegen sein, und das Universum würde nur die Milchstraße umfassen. Curtis hingegen vertrat die »Island Universe Theory«, die Weltinseltheorie. Dieser zufolge ist die Milchstraße nur eine von vielen Galaxien, und die Nebel sind andere Galaxien außerhalb der Milchstraße. Damit müssten sie weit entfernt liegen und entsprechend große Abmessungen haben und das Universum also sehr viel größer sein als die Milchstraße. Übrigens war schon der Philosoph Immanuel Kant Anhänger dieser Theorie und für die Schaffung des Begriffs »Welteninsel« verantwortlich.
Beide Seiten hatten gute Argumente, doch die zugrunde liegende wissenschaftliche Frage wurde nicht an jenem Abend beantwortet. Derartige Konflikte gegensätzlicher Hypothesen können häufig erst entschieden werden, wenn neue Beobachtungsdaten eindeutige Hinweise liefern. Aber die Debatte half auch dabei, die Argumente und möglichen wissenschaftlichen Tests herauszuarbeiten, welche die Frage schlussendlich beantworten sollten.
Nach ihrer Debatte veröffentlichten Curtis und Shapley je einen wissenschaftlichen Aufsatz, welcher jeweils die gegensätzlichen...
Erscheint lt. Verlag | 17.11.2024 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Weltraum / Astronomie |
Naturwissenschaften ► Physik / Astronomie ► Astronomie / Astrophysik | |
Schlagworte | Astronomie • Astrophysik • Dunkle Materie • Galaxie • Kosmologie • Kosmos • Planeten • Schwarzes Loch • Sterne • Universum • Weltall • Weltraum • Weltraumforschung • Zwerggalaxie |
ISBN-10 | 3-98609-540-3 / 3986095403 |
ISBN-13 | 978-3-98609-540-6 / 9783986095406 |
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