Geschichte der Textilherstellung -  Dieter Veit

Geschichte der Textilherstellung (eBook)

Technologien, Erfindungen, Handel, Mode - von der Steinzeit bis heute

(Autor)

eBook Download: PDF | EPUB
2024 | 1. Auflage
896 Seiten
Carl Hanser Fachbuchverlag
978-3-446-48035-3 (ISBN)
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Wann wurden die ersten Textilien hergestellt?
Wie kleideten sich die Menschen im alten Ägypten?
Welche Rolle spielte der Tuchhandel im Mittelalter?
Warum begann die Industrielle Revolution mit der Textilherstellung?
Warum kleiden wir uns heute alle in Polyester?
Wie wird die Zukunft der Textilherstellung aussehen?
Diese und viele weitere Fragen werden in dem reich bebilderten und fundiert geschriebenen Buch anschaulich beantwortet. Neben der Vorstellung aller wichtigen Fasern, Technologien zur Garn- und Flächenherstellung und Er ndungen von der Steinzeit bis heute geht es in dem Buch auch um die gesellschaftlichen Veränderungen, die mit der Herstellung und dem Handel von Textilien einhergingen.
Besonders hervorzuheben ist der globale Ansatz: Nicht nur Europa steht im Fokus, sondern auch die Entwicklungen in Asien, Afrika und Amerika werden behandelt. Sagen und Märchen mit Textilbezug, die Veränderung der Mode im Laufe der Jahrhunderte sowie gebräuchliche textile Redewendungen runden das Werk ab und stellen einen Bezug zu unserem Alltag her.

Dr.-Ing. Dieter Veit ist Akademischer Direktor und stellvertretender Institutsleiter am Lehrstuhl für Textilmaschinenbau und Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen.

1 Einleitung

Textilien begleiten uns ein Leben lang. Von der ersten Windel bis zum Leichentuch nutzen wir Textilien, um uns zu schützen, zu schmücken und als technische Hilfsmittel. Die ältesten erhaltenen Reste von Textilien datieren in die Zeit um ca. 40 000 v. Chr. Seither, vielleicht schon viel länger, begleiten sie uns und machen uns ein Leben in unterschiedlichen Klimazonen erst möglich. Textilien sind seit der späten Steinzeit allgegenwärtig und wurden zunächst vor allem zu Hause und von jeder Familie selbst hergestellt. Seither bestimmen sie unsere Gesellschaft und die Formen unseres Zusammenlebens und spielen auch in der darstellenden Kunst schon immer eine herausragende Rolle. Einige der ältesten bildlichen Darstellungen, die wir kennen, zeigen die Produktion von Garnen und Geweben. Schon früh entstand eine Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern, die in vielen Bereichen bis heute anhält.

E.J. Wayland Barber erforschte als eine der Ersten die Rolle der Frauen bei der Textilherstellung. Sie kommt zu dem Schluss, dass „die Textilindustrie älter ist als die Töpferei und vielleicht sogar als Ackerbau und Viehzucht. Weil sie sehr aufwändig war, verbrauchte die Erzeugung von Textilien wahrscheinlich in den gemäßigten Klimazonen weit mehr Stunden pro Jahr als die Töpferei und Nahrungsmittelproduktion zusammengenommen. Bis zur industriellen Revolution, und bis weit ins 20. Jh. hinein verbrachten Frauen in vielen bäuerlichen Gesellschaften jede verfügbare Zeit mit Spinnen, Weben und Nähen, während die Männer ihnen dabei halfen (in Europa Schafe scheren, Flachs häckseln, gelegentlich auch beim Spinnen und Weben). Die Frauen spannen, während sie die Herden hüteten, Wasser holten oder zum Markt gingen; sie webten während sie sich um den Ofen, die Kinder und den Kochtopf kümmerten. Die Männer konnten sich ausruhen, wenn die Ernte eingebracht war. Weil aber das Weben vor allem von Frauen betrieben wurde, war die Arbeit der Frauen nie erledigt. Als die homerischen Griechen plünderten, so heißt es, töteten sie alle Männer, brachten aber die Frauen als Gefangene nach Hause, um beim Spinnen und Weben zu helfen. So arbeiteten die Frauen deutlich länger als die Männer und stellten deutlich mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte in vielen Gesellschaften. Es war die industrielle Revolution, die dies änderte mit dem mechanischen Webstuhl, der Spinning Jenny und den großen Tuchfabriken. Heute, nur wenige Generationen später, haben wir vergessen, dass die Textilproduktion einst die zeitaufwändigste einzelne Industrie war.“ (Barber, 1990)

Diese von Barber postulierte Arbeitsteilung ist nur indirekt belegbar, zieht sich aber buchstäblich wie ein roter Faden durch die Kunstgeschichte, wie zahlreiche Abbildungen in diesem Buch zeigen. Interessanterweise war nicht nur die Textilherstellung bis in die Neuzeit vor allem Aufgabe von Frauen, auch die Erforschung der Geschichte der Textilherstellung wird heute überwiegend von Frauen betrieben. Eine sehr gute Übersicht zu ganz unterschiedlichen Ansätzen einer Vielzahl von Wissenschaftsdisziplinen bei der Erforschung historischer Textilien gibt (Strand et al., 2010).

Textilien sind spätestens seit dem Altertum auch ein Spiegelbild der sozialen Position der jeweiligen Trägerinnen und Träger. Sie sind daher enorm wichtig für unsere „Selbstdarstellung“. Die Art und Weise, wie dies zum Ausdruck gebracht wird, ist dabei einem steten Wandel unterworfen. Die „Mode“ änderte sich bis ins Mittelalter zum Teil über Jahrhunderte nur wenig, erst in der frühen Neuzeit begannen die heute immer kürzeren Modezyklen. Die Mode früherer Zeiten unterscheidet sich dabei oft fundamental von dem, was wir heute als „modern“ ansehen: Im Altertum trugen nur „Barbaren“ Hosen, und bis ins 17. Jh. hatten Männer kurze Röcke und mussten ihre Beine zeigen. Frauen trugen lange Kleider, und das Tragen von Hosen war ihnen bis ins 20. Jh. sogar verboten.

Werfen wir zunächst einen kurzen Blick auf die wichtigsten Entwicklungen der in diesem Buch beschriebenen Epochen.

1.1 Steinzeit

Etwa um 12 000 v. Chr. wurden die Menschen sesshaft, und damit hatten sie auch die Zeit und Muße, sich mit der Herstellung von Textilien zu beschäftigen. Die ältesten Funde stammen aus dieser Epoche. Als Fasermaterialien wurden – den Funden nach – vor allem Bastfasern (z.B. Flachs, Hanf) und Wolle verwendet. Vermutlich gab es damals bereits eine geschlechterspezifische Arbeitsteilung, die aber nicht so starr war wie lange Zeit angenommen: Die Frauen blieben tendenziell eher „zu Hause“ und stellten Textilien her, die Männer gingen auf die Jagd oder zur Feldarbeit.

In manchen Zivilisationen, z.B. im alten Ägypten, gab es bereits eine vorindustrielle Produktion in größeren Einheiten für die Versorgung des pharaonischen Hofs. Auf Wandmalereien werden Frauen meist beim Spinnen und Männer oft beim Weben gezeigt, allerdings war die Zuordnung der Geschlechter zu diesen Tätigkeiten noch nicht so festgelegt wie in späteren Zeiten, wie Bild 1.1 zeigt. Die hergestellten Textilien waren sowohl grob als auch außerordentlich fein, die edelsten Stoffe wurden als „gewebter Wind“ bezeichnet, weil man durch sie hindurchsehen konnte.

Bild 1.1 Textilherstellung bei den Ägyptern (de Garis Davies, 1930)

1.2 Altertum

Die Arbeitsteilung, dass Frauen spinnen und Männer weben, setzte sich im Altertum allmählich durch und blieb lange bestehen. In Darstellungen der Textilproduktion auf Vasen (Griechenland) und Grabmälern (Römer) werden daher Frauen meist beim Spinnen und Männer in der Regel beim Weben dargestellt, bei den Griechen webten allerdings auch die Frauen (Bild 1.2).

Obwohl die Infrastruktur für den Transport von Waren ausgebaut und die Dampfmaschine als mögliche Energiequelle bekannt war (Heron von Alexandria), gab es keine industrielle Produktion.

Bild 1.2 Griechinnen beim Spinnen und Weben (Pharos, 2017)

1.3 Mittelalter und frühe Neuzeit

Das Spinnen war bis zur Mechanisierung im 18. Jh., trotz einiger technischer Verbesserungen (z.B. Spinnrad), ein langwieriger Prozess. Es wurde weiterhin vor allem von Frauen wegen des gestiegenen Bedarfs an Garn an jedem Ort und ständig durchgeführt, sogar auf Reisen. Nicht nur die Zuschauerin, sondern auch die Frau im Hintergrund in der Bildmitte spinnt (Bild 1.3), während ihr Esel hinter ihr hertrottet.

Frauen aller Gesellschaftsschichten nutzten jede freie Minute, um zu spinnen (Bild 1.4, links). Nur so konnte der große Garnbedarf gedeckt werden. Im Mittelalter bildeten sich durch die zunehmende Verstädterung viele textile Handwerksberufe, z.B. Weber und Färber. Beide waren nahezu ausschließlich den Männern vorbehalten (Bild 1.4, rechts).

Bild 1.3 Frauen spinnen auch unterwegs (Valvasor, 1689)

Bild 1.4 Spinnende Kurfürstin Elisabeth Auguste von der Pfalz im 18. Jh. (Ziesenis, 1753) und Weberwerkstatt im 17. Jh. (Decker, 1659)

Im 12. Jh. gründeten sich die ersten Weberzünfte in ganz Europa, die die Herstellung, die Qualität und den Verkauf der Gewebe regelten. Bis zur Industrialisierung blieb das Weben ein Kleingewerbe. Aus dieser Zeit stammen eine Vielzahl der heutigen Nachnamen, die sich auf Textilberufe beziehen. Dazu zählen z.B. Weber, Ferber und Schröder (Schneider). Den Namen „Spinner“ gibt es nicht, weil die Garnerzeugung ausschließlich Frauenarbeit war und zu Hause durchgeführt wurde, ein Handwerksberuf des „Spinners“ entstand nie.

Auch das Stricken von Hand war eine Tätigkeit, die gelegentlich dargestellt wurde (Bild 1.5). Sie war immer Frauensache und wurde schon von Mädchen durchgeführt. Erst ab dem 16. Jh. gab es mechanische Wirkmaschinen.

Bild 1.5 Strickende Maria wird vom Engel besucht (Bertram, 1400) und strickendes Mädchen im 19. Jh. (Anker, 1884)

1.4 Industrialisierung im 18. Jahrhundert

Ab dem 16. Jh. eroberten viele europäische Länder von ihnen neu entdeckte Gebiete in Amerika, Asien und Afrika und richteten dort Kolonien ein. So konnten sie Rohstoffe billig und in großen Mengen importieren. Damit war die Basis für eine Massenproduktion von Textilien geschaffen.

Die Erfindung der Spinning Jenny in England durch James Hargreaves im Jahr 1764 läutete die Industrialisierung im Bereich der Textilerzeugung ein. Erstmals konnten Garne in großen Mengen mit wenigen Arbeitskräften hergestellt werden. Bald folgten weitere Verbesserungen an den...

Erscheint lt. Verlag 10.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Naturwissenschaften Chemie
ISBN-10 3-446-48035-8 / 3446480358
ISBN-13 978-3-446-48035-3 / 9783446480353
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