Gesammelte Aufsätze zur Flora im Trierer Raum (eBook)

1968 bis 2023 von Hans Reichert

(Autor)

Sigrid Ertl (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2023
272 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-7363-9 (ISBN)

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Gesammelte Aufsätze zur Flora im Trierer Raum - Hans Reichert
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Das vorliegende Buch vereint 54 Aufsätze von Dr. Hans Reichert, die in den Jahrbüchern Trier-Saarburg (JTS) von 1968 bis 2023 erschienen sind.

Gefährdete Pflanzenarten im Trierer Land, Teil 1


Der Lochschlund

JTS 1983

Vorwort:

Eine große Anfrage im Landtag von Rheinland-Pfalz im Sommer 1980 galt der Gefährdung von Pflanzen- und Tierarten. Die Anfrage selbst und die umfangreiche Antwort des zuständigen Ministeriums legen Zeugnis davon ab, daß auch Politiker das Seltenwerden vieler einheimischer Pflanzen und Tiere besorgt wahrnehmen. Sind diese Sorgen berechtigt? Starben nicht zu allen Zeiten der Erdgeschichte Arten aus? Man denke nur an die Riesensippe der Saurier, die ziemlich plötzlich von der Bildfläche verschwand. Hat nicht der als Umweltzerstörer angeprangerte Mensch in Mitteleuropa die Zahl der Pflanzen- und Tierarten sogar vermehrt, indem er seit frühgeschichtlicher Zeit durch seine Rodungstätigkeit die Eintönigkeit der Urwälder unterbrach und mit Wiesen, Äckern, Gebüschen, Wegrändern, Lesesteinhaufen, Gärten, Teichen, Steinmauern und Hütten zahlreiche neue Lebensformen schuf? Es besteht bei Fachleuten Einigkeit darüber, daß dies der Fall war, und es gibt bereits Schätzungen über die Zunahme der Artenzahl. Erst im Zeitalter der Technik und der Industrialisierung kehrte sich die Entwicklung um. Die rasch zunehmende Bautätigkeit, die Intensivierung der Landwirtschaft und die Belastung der Umwelt mit Schadstoffen bedrohten zunehmend die Existenz empfindlicherer Pflanzen- und Tierarten.

Als wichtigste Ursache für das Seltenwerden und Aussterben hat sich die Zerstörung von Biotopen herausgestellt. Unter einem Biotop versteht man einen abgrenzbaren Raum, in dem eine bestimmte Gemeinschaft von Pflanzen und Tieren lebt. Zu den Biotopen, die dem Menschen bei der Nutzung der Landschaft oft im Wege sind, gehören z. B. Sümpfe, Heiden, Brachflächen, ausgefahrene Feldwege, verwilderte Bäche, stillgelegte Sandgruben und altes Gemäuer. Sein Bestreben geht meist dahin, solche Flächen „in Ordnung zu bringen“ oder „besser zu nutzen“. So legt er Sümpfe und nasse Wiesen trocken, forstet Brachflächen auf, begradigt Bäche und asphaltiert Feldwege. Weiß er aber mit einer Fläche gar nichts mehr anzufangen, kippt er Abfälle hin. Auch in einer Zeit gut organisierter Müllabfuhr ist dies leider gang und gäbe. Gerade auf die solchermaßen geschädigten und zerstörten Biotope ist aber eine große Zahl heimischer Lebewesen angewiesen. Eng angepaßte Arten können bei einer Biotopzerstörung nicht auf benachbarte Flächen ausweichen, sondern gehen zugrunde. Eine Schmetterlingsraupe, die an eine bestimmte Futterpflanzenart gebunden ist, verhungert, wenn man sie auf eine andere Pflanzenart setzt.

Mit dem Hinweis auf Darwins „Kampf ums Dasein“ könnte man sich auf den Standpunkt stellen, es sei ein natürlicher Vorgang, wenn sehr stark spezialisierte und dadurch anspruchsvolle und weniger robuste Arten aussterben; dies auch dann, wenn der Mensch seine Hand im Spiel hat. Man kann auch ihn als Naturfaktor betrachten.

Ein Menschenverächter mag folgenden Gedankengang anschließen: Das Naturwesen Mensch hat sich durch seine Intelligenzentwicklung gegenüber allen Lebewesen durchzusetzen vermocht. Nichts hindert es daran, sich maßlos zu vermehren. Wie alle Massenvermehrungen wird auch diese in einer Katastrophe enden, die zur Selbstausrottung führt. Dann wird die Erde wieder Ruhe haben. Auf dem Trümmerfeld, welches das Ende der kurzen Episode „Menschheitsgeschichte“ in der Erdgeschichte markiert, wird sich in Jahrmillionen Leben in neuer Artenfülle entwickeln. Es lohnt sich also nicht, gegen den Strom zu schwimmen. Je eher der Mensch von der Erde verschwindet, umso besser.

Dieser kurze Ausflug in die Gedankenwelt eines Misanthropen möge klarmachen, daß Naturschutz ein Gebot der Menschlichkeit ist. Es gilt, uns und unseren Nachkommen eine Welt der Vielfalt und der Schönheit zu erhalten, in der es sich leben und nicht nur überleben läßt. Die Fülle der Pflanzen- und Tierarten ist unverzichtbarer Bestandteil einer Umwelt, in der der Mensch Ruhe und Erholung findet und schöpferische Kräfte entwickeln kann. Religiöse Menschen werden darauf verweisen, daß uns die Schöpfung anvertraut ist wie ein kostbares Gut, mit dem es behutsam umzugehen gilt. Wem diese Begründungen nicht rational genug sind, der möge über folgendes nachdenken: Mit jeder aussterbenden Pflanzen- und Tierart geht eine Fülle genetischer Information verloren. Schon mehrfach haben Züchter die Eigenschaften von Kultursorten verbessert, indem sie Wildarten einkreuzten. Nach wie vor gibt es kompliziert aufgebaute Stoffe, die von Lebewesen billiger produziert werden, als dies im chemischen Labor möglich ist. An anscheinend nutzlosen Tieren haben technisch ausgebildete Biologen schon manchen Konstruktionstrick entdeckt, der zur Verbesserung von Geräten und Maschinen benutzt werden konnte.

Ökologen rechnen uns vor, daß Lebensgemeinschaften umso anfälliger gegen Störungen sind, je geringer die Artenzahl ist. Je weniger Arten, desto größer die Gefahr der Massenvermehrung von Schädlingen, umso größer der Bedarf für die Anwendung von Giftstoffen, die ihrerseits wieder zur Verminderung der Artenzahl beitragen – ein Teufelskreis! Die Artikelserie, die mit diesem Vorwort beginnt, soll diejenigen Pflanzenarten des Trierer Landes vorstellen, die am stärksten vom Aussterben bedroht sind. In der kürzlich erschienenen Roten Liste der verschollenen und gefährdeten Blütenpflanzen von Rheinland-Pfalz sind sie unter den Gefährdungskategorien 1 und 2 („vom Aussterben bedroht“ bzw. „stark gefährdet“) eingeordnet. In den Aufsätzen wird auch erläutert, welche Ursachen im einzelnen zur Bedrohung dieser Arten geführt haben.

Der Lochschlund (Anarrhinum bellidifolium)

Dieser unauffällige Rachenblütler aus der Verwandtschaft des Löwenmäulchens gehört zu den seltensten Pflanzen Deutschlands. Er kommt in keinem anderen Bundesland als in Rheinland-Pfalz vor, und auch hier nur an der unteren Saar, im Ruwertal, im Feller Tal und im Moseltal bei Neumagen. Auch außerhalb Deutschlands hat die Pflanze nur ein beschränktes Verbreitungsgebiet. Es umfaßt Spanien und Portugal, große Teile Frankreichs, die Westschweiz und den Alpensüdrand in Italien. Man kann also Südwesteuropa als die Heimat der Pflanze bezeichnen, und ihr Verbreitungsgebiet reicht im Trierer Land gerade noch nach Deutschland hinein. In der geographischen Verbreitung einer Pflanze spiegeln sich ihre klimatischen Ansprüche. Mit einiger Vorsicht kann man deshalb schlußfolgern, daß der Lochschlund auf die milden Winter Südwesteuropas und auf die hohe Luftfeuchtigkeit der dem Atlantik angenäherten Region angewiesen ist. Er meidet das Innere des Kontinents, das durch strengere Winter und trockenere Sommer gekennzeichnet ist. Andererseits sagen ihm offenbar auch die kühlen Sommer Nord- und Nordwesteuropas nicht zu; schon in Nordwestfrankreich wächst der Lochschlund nicht mehr, erst recht nicht in Norddeutschland, Großbritannien und Skandinavien.

MH

Aber auch innerhalb des Areals, das ihm großklimatisch zusagt, ist der Lochschlund wählerisch. Er gedeiht nur in Felsspalten, auf Hangschutt, an steinigen Böschungen und auf steinigen Brachäckern. Das sind Standorte, die nur lückenhaft von Pflanzen bewachsen und deshalb der Sonne ausgesetzt sind. Bei Sonnenschein werden diese Stellen stark erwärmt, was aber wegen der sommerlichen Niederschläge und gut Wasser speichernder, lehmiger Böden fast nie zu starker Trockenheit führt. Wer sich in der Landwirtschaft auskennt, wird bestätigen können, daß Stellen, die all diese Bedingungen erfüllen, rar sind. Lückenhafter Pflanzenwuchs ist fast nie von Dauer: Über kurz oder lang kommt auf Brachflächen Gebüsch auf, und Kräuter werden verdrängt. Die Vorkommen des Lochschlunds sind deshalb unbeständig. In der Umgebung von Trier kommt die Pflanze in der Regel auf Böschungen mit Schieferschutt vor, z. B. in alten Steinbrüchen, an Weinbergswegen und am Fuß felsiger Böschungen im Weinbergsgelände. So lange solche Schieferhalden locker und in Bewegung sind, siedelt sich der Lochschlund nicht an.

Er benötigt schon etwas zur Ruhe kommenden Rohboden. Es liegt auf der Hand, daß auf solchen Böden auch bald andere Pflanzen als Konkurrenten auftreten und dem Lochschlund den Platz streitig machen. Gefahren drohen ihm aber auch von Seiten des Menschen. Flurbereinigungsmaßnahmen in Weinbergslagen führen zum Verschwinden kleiner Brachflächen und Felsriegel. Herbizide driften bei Hubschrauberspritzungen ab und beeinträchtigen die Wildpflanzen auf all den kleinen Flächen, auf denen sie inmitten des bewirtschafteten Landes Zuflucht gefunden haben. Durch solche Einwirkungen sind in den letzten Jahren fast alle Vorkommen des Lochschlunds im unteren Saartal, bei Wawern, Ockfen usw. vernichtet worden. Die meisten Fundstellen liegen heute im Ruwertal bei Waldrach. Neu entdeckt wurden Vorkommen im Feller Tal und bei Neumagen.

Am wenigstens Gefahr...

Erscheint lt. Verlag 25.9.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Naturwissenschaften Biologie Botanik
Schlagworte Biotope • Botanik • Hans Reichert • NABU Trier • Pflanzenbestimmung
ISBN-10 3-7578-7363-7 / 3757873637
ISBN-13 978-3-7578-7363-9 / 9783757873639
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