Das Erbe der Alpen (eBook)

Was unsere Bergwelt bedroht und warum wir sie retten müssen
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
304 Seiten
Gräfe und Unzer (Verlag)
978-3-8338-9103-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Erbe der Alpen -  Felix Neureuther
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Den Kulturraum der Alpen verstehen, die einzigartige Bergnatur erspüren und für die Zukunft erhalten - das ist die Herzensangelegenheit von Ex-Weltklasse-Skirennläufer Felix Neureuther. Denn die Alpen verändern sich rasant. Die Klimakrise nagt an den Gletschern, die Artenvielfalt ist in Gefahr, Felsstürze bedrohen Siedlungen. Dabei sind die Berge nicht nur Erholungsraum für Millionen von Urlaubern, sondern seit Jahrtausenden geprägt von Almbauern, mit einer Vielfalt an Handwerk, Musik und Küche. Als Botschafter der Berge spürt Felix Neureuther mit Experten wie Sven Plöger oder Alpinist Simon Messner dem geheimen Wissen der Alpen nach und zeigt innovative, zukunftsfähige Lösungen, um den nächsten Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen.

Felix Neureuther ist Deutschlands erfolgreichster Skirennläufer der Weltcupgeschichte. Seine Beliebtheit beruht nicht nur auf seinen großartigen Rennerfolgen, sondern auch auf seinen Engagements neben der Piste. Als Familienmensch engagiert er sich vor allem für eine gesunde Bewegung bei Kindern und widmet sich, schon seit vielen Jahren, mit gezielten Projekten dem Schutz der Berge und dem Erhalt des Naturwunders - eine große Herzensangelegenheit.

Felix Neureuther ist Deutschlands erfolgreichster Skirennläufer der Weltcupgeschichte. Seine Beliebtheit beruht nicht nur auf seinen großartigen Rennerfolgen, sondern auch auf seinen Engagements neben der Piste. Als Familienmensch engagiert er sich vor allem für eine gesunde Bewegung bei Kindern und widmet sich, schon seit vielen Jahren, mit gezielten Projekten dem Schutz der Berge und dem Erhalt des Naturwunders - eine große Herzensangelegenheit.

Hinweis zur Optimierung
Impressum
Vorwort
Die Schönheit der Alpen
Die Alpen - Hotspot der Biodiversität
Gelebte Tradition - Das Bergbauerntum und die Almwirtschaft
Das kulturelle Erbe der Alpen - Tradition bewahren, Identität stiften
Alpen im Fieber - Die Zukunft des Wintersports
Quellennachweis

EINE GESCHICHTE VOLLER BERGE


Manche Erkenntnis dauert, bis sie einem wirklich bewusst ist. Bei mir war das so beim Thema Berge. Klar, ich wollte Ski fahren, am besten die ganze Zeit. Diesen Drang, auf den Brettern zu stehen, konnte ich auch dank der Unterstützung meiner Eltern Rosi und Christian austesten und ausleben. Meine Mutter Rosi Mittermaier gewann 1976 bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck zwei Gold- und eine Silbermedaille. Mein Vater Christian Neureuther war Slalomspezialist und siegte bei insgesamt sechs Weltcuprennen. Doch welche Bedeutung die Berge für mein Leben haben, ist mir erst in den letzten Jahren klar geworden. Die Leidenschaft für sie liegt in der DNA unserer Familie, sie wird seit Generationen weitervererbt. Seit ich genauer hinschaue, finde ich überall die genetischen Bausteine, die auch bei mir die Liebe zu den Bergen vorherbestimmt haben. Dabei hätte ich schon vor 25 Jahren einen wichtigen Schlüssel dazu entdecken können. Denn mein Großvater väterlicherseits, Gottfried Neureuther, den seine Freunde und Bekannten „Goggi“ nannten, hatte sich zu meiner Firmung im Jahr 1998 ein ganz besonderes Geschenk einfallen lassen: Er wollte mir ein historisches Himalaya-Aquarell aus dem Jahre 1856 schenken, gemalt vor Ort vom Naturforscher und Geografen Hermann von Schlagintweit, dessen vor allem symbolischen Wert ich damals vermutlich nicht zu schätzen gewusst hätte.

Mein „Abba“, wie ich ihn nannte, hatte also im Sinne, beim Enkel zum wichtigen christlichen Initiationsfest auch die Beschäftigung mit dem Bergsteigen und der geheimnisvollen Welt der Berge in Gang zu setzen. Es ist für mich im Rückblick kaum zu glauben, dass Abba, selbst lange Zeit Arzt in leitender Funktion, trotz eines ärztlichen Verbotes, Treppen zu steigen, eben jene Litografie des furchtlosen Forschungsreisenden Schlagintweit aus dem Obergeschoss unseres Hauses in Gerold holte, um sie mir dann später feierlich überreichen zu können. Es sollte sein letzter Gang im Haus gewesen sein, denn Abba erlitt genau an dem Tag einen Schlaganfall. Das Bild hatte er noch auf den Küchentisch gelegt, zur Übergabe kam es aber nicht mehr, wie mein Vater auf der Rückseite der Originallitografie mit dem Titel „Aussicht vom Morgan-Pass nach Süden“ handschriftlich notierte. „Von Abba, Dr. Gottfried Neureuther, an Felix zur Firmung 1998. Am 5.7.98, am Tag der Einweisung ins Krankenhaus, hat Abba das Bild von ‚oben‘ trotz Treppenverbots heruntergeholt, um es Felix zu schenken. Er kam nicht mehr dazu, da er am 19.7.98 starb.“

DAS ERBE DER SCHLAGINTWEIT-BRÜDER


Erst jetzt kann ich ermessen, welchen Schatz mir mein Großvater vermacht hat, der selbst ein passionierter Bergsteiger und anerkannter Forscher zu medizinischen Fragen im Gebirge war. Das Bild hängt zwar seither bei uns im Flur, doch erst vor wenigen Jahren habe ich realisiert, dass ich in direkter Linie mit den Schlagintweits verbunden bin. Die Brüder Hermann, Adolph und Robert Schlagintweit waren wissenschaftliche Pioniere, sie vermaßen die Gletscher in den Alpen und später im Himalaya und bestimmten teils auch ihre Fließgeschwindigkeit. Ihr kaum zu bändigender Forscherdrang trieb sie auch zu bergsteigerischen Höchstleistungen. Im August 1851 machten sich Hermann und Adolph mit drei Bergführern ins Monte- Rosa-Massivs auf, darunter Peter Taugwalder, der später die dramatische Edward-Whymper-Erstbesteigung des Matterhorns gemeinsam mit seinem Sohn und Whymper überleben sollte. Ziel war der damals als „Höchste Spitze“ des Monte Rosa bezeichnete Gipfel, den sie am 22. August 1851 mittags erreichten. Als zweite Seilschaft überhaupt. Erst viele Jahre danach wurde festgestellt, dass der später als Ostspitze (4632 m) bezeichnete Gipfel nur die zweithöchste Erhebung des Grates im Monte-Rosa-Massiv ist. Bis zum höchsten Gipfel, heute als Dufourspitze (4634 m) bekannt und damals noch unbestiegen, kämpften sich die Männer nicht mehr durch. Es war damals auch gar nicht ersichtlich, welche Erhebung höher war.

Von der Besteigung berichtet die Schlagintweit-Nachfahrin Helga Alcock 1980 in einem Artikel über die drei Brüder im renommierten Himalayan Journal.2 Der Kanton Wallis 2014 und die Gemeinde Zermatt benannten die Ostspitze im Jahr 2014 in Dunantspitze um, zu Ehren des Gründers des Roten Kreuzes, Henry Dunant. Ich finde, die Schlagintweit-Brüder hätten den Gipfel auch verdient gehabt. Zumal sie vier Jahre später im Himalaya am Ibi Gamin – ein 7355 Meter hoher Gipfel im indischen Bundesstaat Uttarakhand – einen neuen Höhenrekord aufstellten. Sie erreichten am 19. August 1855 am Gletscher eine Höhe von 6758 Metern, wie sie in ihren wissenschaftlichen Berichten dokumentierten.3 Damals eine Sensation, denn ihr Mentor, Alexander von Humboldt, hielt den Höhenrekord (mit seiner schlussendlich nicht erfolgreichen) Besteigung des Chimborazo (6263 m) im Jahr 1802 in Ecuador mit den erreichten 5700 Metern mehr als 50 Jahre lang inne.4 Der Chimborazo galt zu seiner Zeit in der westlichen Hemisphäre als der höchste Berg der Welt. Man wusste es schlichtweg nicht besser. Humboldt war damals einer der erfahrensten Bergsteiger weltweit. Die Forschungsergebnisse seiner Besteigungen und Kartierungen in den Anden prägen noch heute unser Verständnis von den Vegetationszonen der Erde.

»Wie nahe wir als Familie an den Wissenschaftspionieren sind, erfuhr ich erst so richtig bei einem Termin im Alpinen Museum des Deutschen Alpenvereins in München.«

Stephanie Kleidt, Expertin für die Brüder Schlagintweit, legte mir einen von ihr erstellten Stammbaum vor, der über zwei DIN-A4-Seiten reicht und in dem sie mit roten Kästchen die für mich relevanten Familienmitglieder einrahmte. Über dem Stammbaum steht gewissermaßen der Urvater, der Münchner Augenarzt Josef August Schlagintweit (1791–1854). Er zeugte insgesamt 13 Kinder, die von drei Frauen stammten – die erste und die zweite Ehefrau starben früh. Der aus der dritten Ehe stammende Max August (1849–1935) heiratete Lina Sedlmayr, sie gebar fünf Kinder, darunter Clothilde Yolande. Clothilde Schlagintweit (1885–1953) ehelichte später einen Karl Neureuther und wurde somit zur Großmutter Christian Neureuthers. Es sind also nur vier Generationen bis zum Vater der Brüder Schlagintweit, denen das Alpine Museum 2015 eine große Ausstellung gewidmet hat. Sie hieß „Über den Himalaya. Die Expedition der Brüder Schlagintweit nach Indien und Zentralasien 1854 bis 1858“, und wenn ich heute in dem opulenten, fast 400 Seiten dicken Ausstellungsband blättere, dann bin ich voller Ehrfurcht vor den Leistungen der drei Brüder. Sie erstellten Dutzende Bände mit meteorologischen Messreihen, mit Manuskripten ihrer Beobachtungen und erstellten gut 750 Zeichnungen und Aquarelle, von denen 480 noch erhalten sind.5 Zudem erwarben sie Tausende Sammlungsstücke wie Gebetsketten und Musikinstrumente in den fremden Kulturen Zentralasiens und brachten sie mit zurück.

Es gibt in dem Ausstellungskatalog ein Bild, das Adolph und Hermann mit breitkrempigen Hüten, Lodenmänteln und mit langstieligen Eispickeln ausgerüstet zeigt und das vermutlich aus dem Jahr 1850 stammt.6 Die Gesichter wirken verwegen, die Blicke in die Ferne gerichtet, sie sehen aus wie zwei furchtlose Musketiere – nur nicht im Dienst der Infanterie, sondern der Wissenschaft. Adolph Schlagintweit hat seinen Entdeckergeist allerdings früh mit dem Leben bezahlt. Er überquerte im Frühsommer 1857 ohne seine Brüder ein weiteres Mal den Karakorum, wurde im chinesischen Turkestan unter nie ganz geklärten Umständen im August 1857 in der Stadt Kashgar hingerichtet – wohl auf Befehl eines lokalen Warlords und als Willkürakt.7 Mich fröstelt bei dem Gedanken, was in dem erst 28-jährigen Forscher in den letzten Stunden seines Lebens vorgegangen sein mag. Immerhin war es kein Geringerer als der große Geograf und Forschungsreisende Alexander von Humboldt (1769–1859), der Hermann und Adolph den Auftrag von König Friedrich Wilhelm IV. und der Britischen Ostindien-Kompanie vermittelte, eine wissenschaftliche Expedition in den Himalaya zu unternehmen, auf der sie auch der Bruder Robert begleitete.8 Doch die schützende Hand Humboldts, der damals als Naturforscher im In- und Ausland hoch angesehen war, reichte nicht bis nach Turkestan. Die überlebenden Brüder setzten verschiedene britische und russische Hebel in Bewegung, um Aufschluss über die Todesumstände zu bekommen. Erst 1859 bestätigte der Sultan des Bezirks die Hinrichtung, doch Kopf und Leichnam wurden nie identifiziert, auch von einem Grab ist nichts bekannt. So banal und furchtbar das klingen mag, aber Adolph Schlagintweit war damals schlichtweg zur falschen Zeit am falschen Ort.

Beim Termin zur Ahnenforschung im historischen Gebäude auf der Münchner Praterinsel hatte die Schlagintweit-Expertin Stephanie Kleidt Originale und Litografien aus dem Nachlass der Brüder mitgebracht. 17,5 Regalmeter misst er allein in der Staatsbibliothek. Kleidt erzählte meinem Vater und mir damals, dass die jungen Forscher Mappen dabeihatten, in denen sie alle Notizen und Zeichnungen reinlegten, in Schnipsel zuschnitten und später neu ordneten und zusammenfügten. Allein aus diesen Beobachtungsmanuskripten sind 43 Bände entstanden. Die Aquarelle hielten sie frei von Notizen, denn daraus hervorgegangen zur damaligen Zeit Kartenwerke. Die Blätter wurden dazu abgepaust, Konturen und Schraffuren nachträglich eingezeichnet.

Meinen Vater und mich interessierten gerade auch die vielfältigen Arbeiten der Schlagintweit-Brüder über die Geologie und Geografie der Alpen. Ehrfürchtig blätterten wir im 1850...

Erscheint lt. Verlag 3.10.2023
Reihe/Serie Edition Wissenschaft
Co-Autor Michael Ruhland
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Natur / Ökologie
Naturwissenschaften Geowissenschaften Geografie / Kartografie
Schlagworte Almbauern • Alpen • Artenvielfalt • Berge • Bergwelt • Botschafter der Berge • Brauchtum • Christian Neureuther • Heimat • Klimaschutz • Klimawandel • Kulturraum Alpen • Nachhaltigkeit • Nationalpark • Naturschutz • Rosi Mittermeyer • Schutz der Berge • Ski • Skiass • Skifahrer • Weltmeister
ISBN-10 3-8338-9103-3 / 3833891033
ISBN-13 978-3-8338-9103-8 / 9783833891038
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