Memmingen -  Christoph Engelhard

Memmingen (eBook)

Kleine Stadtgeschichte
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
160 Seiten
Verlag Friedrich Pustet
978-3-7917-6206-7 (ISBN)
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Vergleichbar mit anderen Städten in Oberschwaben gelang es Memmingen im 13. Jahrhundert, sich als eine Stadt des Heiligen Römischen Reiches zu etablieren. In der anschließenden Blütezeit erhielt die Altstadt ihre bis heute prägende Gestalt. Eine 1347 eingeführte Zunftverfassung sorgte für Ausgleich und Dialog - beides gute Argumente für die oberschwäbischen Bauern, sich 1525 in Memmingen zu einer 'Christlichen Vereinigung' zusammenzuschließen. Mit der Integration ins bayerische Staatswesen begann 1802 ein neuer Zeitabschnitt, in dem es einiger Anstrengungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bedurfte, um zu neuer Blüte zu gelangen. Was zeichnet eine Stadt wie Memmingen aus? Ganz bestimmt die guten und auch schlechten Erfahrungen, die ihre Bewohner*innen in den vergangenen Jahrhunderten gemacht haben.

Christoph Engelhard, geb. 1963, ist Stadtarchivar und 1. Vorsitzender des Historischen Vereins Memmingen. Zu seinen Aufgaben gehören die Betreuung historischer Archivbestände und die Herausgabe lokalhistorischer Forschungen.

Christoph Engelhard, geb. 1963, ist Stadtarchivar und 1. Vorsitzender des Historischen Vereins Memmingen. Zu seinen Aufgaben gehören die Betreuung historischer Archivbestände und die Herausgabe lokalhistorischer Forschungen.

Zünftisch verfasste Reichsstadt: Memmingen im späten Mittelalter


Das Jahr 1347 gilt als epochale Wende in der Memminger Stadtgeschichte; es steht am Beginn einer 200-jährigen Blütezeit, die – trotz einiger Krisen, Kriege und Seuchen – alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche umfasste und das Bild der Stadt bis zur Mitte des 16. Jhs. nachhaltig prägte. Wurde Memmingen im ausgehenden 13. Jh. mit einigen Freiheiten gegenüber der adeligen Feudalherrschaft des Umlandes privilegiert, erhielten die Bürger der Stadt nun eine verfassungsmäßige Teilhabe an der Gestaltung des Gemeinwesens. Zusammen mit den Familien der Salz-, Wein- und Textilienhändler, die sich zur Großzunft zusammenschlossen, bildeten die Zünfte der Handwerker die Basis der Stadtverfassung. An ihrer Spitze standen Zunftmeister, die die wirtschaftlichen, aber auch politischen und gesellschaftlichen Aufgaben der Zünfte koordinierten.

Als Schwur- und Eidgenossenschaft verpflichteten sich die Bürger zu gegenseitiger Treue und Gehorsam gegenüber dem Stadtregiment sowie zur Begleichung von (Vermögens-)Steuern und (Verbrauchs-)Abgaben zur Finanzierung gemeinschaftlicher Aufgaben. Rat und Amtspersonen erwiderten dies durch Ablage von Amtseiden.

1350 verlieh König Karl IV. das Ammann-Amt an Rat und Bürgerschaft – zunächst befristet, später nach mehrfacher Verlängerung und einjähriger Verpfändung endgültig. Die Kompetenz des Ammanns war von hoher Bedeutung, war er doch seit 1403 Träger des Blutbannes, konnte also ohne Zutun von Reichsgerichten Lebens- und Leibstrafen verhängen. Mit der Verleihung der Blutgerichtsbarkeit 1438 an die Reichsstadt unter Oberhoheit des Königs und seines Vertreters, des Reichslandvogtes, war die Entwicklung Memmingens zur Reichsstadt weitgehend abgeschlossen. Die Stadt hatte einen Sitz im Reichstag, war aber auch zur Zahlung von Reichssteuern und zur Abstellung von Landsknechten (»Reisigen«) für das Reichsheer verpflichtet.

HINTERGRUND

ZUNFTVERFASSUNG

Die ab 1347 geltende Zunftverfassung kennt – nach einigen Jahren der Konsolidierung – elf Handwerkerzünfte, nämlich in der Reihenfolge ihrer Leistungsfähigkeit und Pflicht zur Aushebung von Wehrpflichtigen: Kramer (mit Apothekern, Bleichern, Gürtlern, Seilern, Weinschenken); Metzger; Merzler und Müller; Schuhmacher; Zimmerer und Maurer; Weber; Schneider; Gerber; Bäcker und Bräuer; Schmiede, Schlosser, Uhrmacher und Zinngießer; Lodner und Färber. Die Kaufleute (»Geschlechter«) schlossen sich zur zwölften Zunft, der sog. Großzunft bzw. Gesellschaft zum Goldenen Löwen zusammen.

Der Rat setzte sich aus den zwölf Zunftmeistern und weiteren zwölf von den Zünften vorgeschlagenen Räten zusammen, die jährlich im Frühjahr von den sog. Elfern (Zunftvertretern) gewählt wurden. Die Zünfte bestimmten über die Besetzung der beiden wichtigsten Ämter der Stadt: Bürgermeister und Ammann. Die Amtszeiten waren häufig beschränkt, Wiederwahlen nach ein- oder zweijähriger Amtszeit (so beim Ammann) verboten, um zu verhindern, dass wie bislang wenige Familien zu sehr die Geschicke der Stadt beeinflussten. Bei grundlegenden Entscheidungen fanden sich Rat und Elfer zur Gemeinde zusammen. Sollte die Legitimation von Ratsbeschlüssen nochmals erhöht werden, traten jeweils zwei Vertreter aus jeder Zunft zum Großen Rat hinzu.

Formell besaßen alle zwölf Zünfte gleichermaßen Mitwirkungsrechte am Stadtregiment, waren also die Basis eines als gerecht angesehenen Partizipationsmodells. Die Verfassungswirklichkeit legte allerdings offen, dass sich die Mitglieder der Großzunft weit mehr als Handwerker öffentlichen Aufgaben widmeten bzw. für derartige zeitraubende Tätigkeiten abkömmlich waren. Ihre gesellschaftliche Vorrangstellung kam auch dadurch zum Ausdruck, dass ihre »Bürgerzech« in unmittelbarer Nähe des Rathauses stand, während sich die Versammlungshäuser der Handwerkerzünfte um den Weinmarkt gruppierten.

Mit Brief und Siegel wurde 1347 in Memmingen eine Zunftverfassung eingeführt. Die Pergamenturkunde galt bis 1551/52 als Grundgesetz der Reichsstadt. Das an ihr hängende Wachssiegel zeigt das damalige Stadtwappen: Gespalten, vorn (in Silber) ein durchgehendes (rotes) Tatzenkreuz, hinten (in Gold) ein halber (rot bewehrter schwarzer) Adler am Spalt (seit dem 16. Jh. Seiten gewechselt).

Zentral- und Gerichtsort im Netz schwäbischer Städte


Dem Ausbau einer geordneten königlichen Gerichtsbarkeit diente das seit 1342 quellenmäßig fassbare Landgericht Marstetten, das zunächst in Memmingen tagte, ehe es in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. nach Weißenhorn verlegt wurde. Memminger Bürger waren Beisitzer dieses Gerichts, ab 1424 war dieses sogar an die Stadt verpfändet. Sein Einflussbereich reichte vermutlich vom Bodensee und den Alpen bis an den Lech und die Donau, schloss in jedem Falle Oberschwaben und die Herrschaft Eisenburg (Amendingen, Eisenburg, Trunkelsberg, Schwaighausen) mit ein. Nach 1489 trat an seine Stelle die Landvogtei Schwaben, die damals allerdings bereits von einer Reichsinstitution zu einem habsburgischen Herrschaftsinstrument geworden war.

Mit der Legitimation Memmingens als Reichsstadt ging eine Stärkung der Zentralörtlichkeit in der Region einher. Die Stadt sorgte sich um die Handelswege und Illerübergänge. Brücke und Zoll zu Marstetten befanden sich jedoch in der Hand des Truchsess von Waldburg; spätestens 1510/11 errichtete Memmingen bei Egelsee eine weitere Brücke über die Iller.

Um bürgerliche Interessen gemeinsam zu vertreten, das Räuberunwesen zu bekämpfen, Ansprüche benachbarter Adeliger abzuwehren und sich vor Verpfändungen zu schützen, schlossen sich oberschwäbische Städte zu Bündnissen zusammen. Doch waren laut Goldener Bulle von 1356 derartige Städtebünde untersagt. König Karl IV. sah 1370 jedoch Möglichkeiten für ein Landfriedensbündnis gegen die regionalen Rittergesellschaften. Als er aber begann, einzelne Städte an Bayern oder Württemberg zu verpfänden, schlossen sich 1376 14 Reichsstädte einschließlich Memmingen zum Schwäbischen Städtebund unter Führung der Reichsstadt Ulm gegen fürstliche Ansprüche zusammen. Bis 1389 tobte ein Krieg zwischen Städten und Rittern, die sich zu Ritterbünden zusammenfanden – auch um ihrerseits dem Raubrittertum wie auch den Interessen der herzoglichen Familien (Habsburger, Wittelsbacher) Einhalt zu gebieten.

1422 waren Memminger Bürgersöhne an den Feldzügen gegen die Hussiten beteiligt, 1441 »mit der großen Büchs« beim Rachefeldzug im Hegau, 1449 gegen den Grafen Ulrich und 1452 gegen Hans von Rechberg, dessen Feste Ruckburg bei Bregenz ein Memminger Büchsenmeister in Schutt und Asche legte. Im Fürstenkrieg 1458–1463 kämpften Memminger gegen Albrecht Achilles, den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach.

1488 zogen wehrpflichtige Memminger Bürger – in Harnisch und blaue Röcke mit Streifen in den Stadtfarben schwarz-rot-weiß gekleidet – nach Brügge, um König Maximilian aus der dortigen Gefangenschaft zu befreien. Der König erinnerte sich wenig später der Solidarität des Reiches und war auch in seiner und des Heiligen Römischen Reichs Stadt Memmingen regelmäßig zu Gast. Ab 1490 war Memmingen eine Station an der ersten organisierten Postlinie zwischen Rom und den Niederlanden.

Um den Landfrieden nachhaltig zu wahren, vereinigten sich 1488 die Reichsstände Schwabens, darunter die großen Territorialstaaten, der Hohe Adel, die Prälaten der Reichsklöster und alle 20 Reichsstädte zum »Schwäbischen Bund«. Seine Organisation mit Versammlung, Räten und Bundeshauptleuten wurde zu einem wesentlichen und beispielhaften Element der Reichsreformen unter den Kaisern Friedrich III. und Maximilian I. Der Bund war aber auch ein habsburgisches Instrument gegen wittelsbachische Expansionsbestrebungen in Schwaben oder gegen die schweizerische Eidgenossenschaft im sog. »Schweizerkrieg« 1499. Ab 1500 bestanden neben Hauptleuten und Bundestag ein Bundesgericht und eine Kasse zur Finanzierung eines Bundesheeres, etwa gegen Herzog Ulrich von Württemberg 1519 oder gegen die aufständischen Bauern in Franken und Schwaben 1525.

Als der Schwäbische Bund 1534 zerbrach, übernahm der zu Beginn des 16. Jhs. errichtete schwäbische Reichskreis vollends Zuständigkeiten in den Bereichen öffentliche Sicherheit, Polizei, Zoll- und Münzwesen, Handelspolitik, Medizinalwesen, Reichssteuern und Landesverteidigung. Neben Fürsten, Adeligen und Klöstern saßen auch städtische Vertreter in den Kreistagen; Direktor des Augsburger Kreisviertels, zu dem u. a. die Reichsstadt Memmingen zählte, war der Bischof von...

Erscheint lt. Verlag 30.9.2021
Reihe/Serie kleine Stadtgeschichten
Zusatzinfo ca. 35 z. T. farbige Abbildungen
Verlagsort Regensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Regional- / Landesgeschichte
Naturwissenschaften Geowissenschaften Geografie / Kartografie
Schlagworte Bayern • Mittelalter • Oberschwaben
ISBN-10 3-7917-6206-0 / 3791762060
ISBN-13 978-3-7917-6206-7 / 9783791762067
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