Per Lastenrad durch die Galaxis (eBook)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
256 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-2838-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Per Lastenrad durch die Galaxis -  Ruth Grützbauch
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Ruth Grützbauch ist Astronomin und betreibt ein mobiles Planetarium, das in ein Lastenrad passt. In ihrem Buch erzählt sie die Geschichte des Kosmos erstmals als eine der Galaxien. Sie nimmt uns mit auf einen Roadtrip ans Ende des Universums. Dabei lernen wir, welcher Galaxientyp wir sind, was passiert, wenn Galaxien Tango tanzen, wo wir in der Atacamawüste ein Quantum Trost finden und wie wir dem Monster im Zentrum der Milchstraße Paroli bieten. Nebenbei erhalten wir zudem Antworten auf die ganz großen Fragen: Warum gibt es Etwas und nicht Nichts? Und wie wird das alles eines Tages enden?

Sind Sie bereit für ein unvergessliches Abenteuer? Schnallen Sie sich an!



Ruth Grützbauch ist Astronomin und hat zu Zwerggalaxien promoviert. Bis Sommer 2017 war sie als Wissenschaftsvermittlerin im Jodrell Bank Discovery Centre tätig, einem der größten Radioteleskope der Welt nahe Manchester. Seitdem ist sie mit ihrem Pop-up-Planetarium, das in ein Lastenrad passt, v.a. in Österreich unterwegs, um den Menschen die unendlichen Weiten des Weltraums näherzubringen. Seit Anfang 2020 gestaltet sie zusammen mit Florian Freistetter den Podcast »Das Universum«, der zu den erfolgreichsten deutschen Wissenschaftspodcasts gehört.

Prolog – Wie das Universum in ein Fahrrad passt


Es nieselt, of course. Das Jodrell Bank Discovery Centre südlich von Manchester, UK, ist heute, wie so oft, in eine schwere, graue, nasskalte Wolke eingehüllt. Das beinahe 90 Meter hohe Radioteleskop, das direkt neben mir auf der Wiese steht, wird zur Hälfte von den Wolken verschluckt – nur die vier an den Eiffelturm erinnernden Füße der gigantischen, 1500 Tonnen schweren Stahlkonstruktion auf ihren riesigen, schon leicht angerosteten Eisenbahnrädern, verraten, dass es überhaupt da ist.

Ich bin auf dem Weg ins Nachbargebäude, wo unser aufblasbares Planetarium darauf wartet, von mir in Betrieb genommen zu werden. Es ist 10 vor 10, der erste Reisebus hat gerade eingeparkt und einige Weltraumenthusiasten stürmen schon lautstark über den Parkplatz in Richtung Hauptgebäude. In 15 Minuten sind sie bei mir. Ich lege einen Zahn zu und nehme die Abkürzung über die Wiese, die – oh shit! – wieder mal knöcheltief unter Wasser steht. Kann es sein, dass es in Manchester wirklich noch nasser ist als im verregneten Leeds? Mit eingeweichten Zehen komme ich im Event Space an, wo das Planetarium friedlich eingerollt wie ein schlafendes Tier am Boden liegt. Ich werfe den Ventilator und den Projektor an, und in 10 Minuten ist der Weltraumsimulator aufgepumpt – eine dunkelblaue Halbkugel mit sechs Metern Durchmesser und fast vier Metern Höhe, in deren Innerem in die völlige Dunkelheit hinein eine realistische Simulation des Weltraums rundherum an die Kuppel projiziert wird, natürlich basierend auf echten Beobachtungsdaten und Modellrechnungen des Universums – wir sind ja ein Science Centre.

Ich schiebe mich durch die wobbelige Tür des Planetariums nach draußen (think »Luftburg« …), gerade als die ersten Kinder um die Ecke kommen und durch die Glastür die riesige blaue Bubble hinter mir erblicken. Ich kann ihr Gejapse zwar noch nicht hören, aber sehe ihre aufgerissenen Münder und Augen, ihr Gehüpfe und die strenge Geste der Pädagogin gleich hinter ihnen. Ich hole einmal tief Luft ‑ performance mode on – und öffne die Tür.

30 Augenpaare schauen mich erwartungsvoll an.

»Hello Everybody and welcome to Jodrell Bank Discovery Centre!« – »Warst du schon mal im Weltraum?« – »Nein, leider, sie lassen mich nicht! Nah, just kidding.« Wir sprechen kurz über Jodrell Bank, das 60 Jahre alte Teleskop (»older than Grandma!«) und den Unterschied zwischen Astronautinnen und Astronomen und was uns in der kommenden Dreiviertelstunde im Planetarium erwartet. Im Gänsemarsch verschwindet die Gruppe im Sternenzelt und ich schlüpfe schnell hinterher, bevor zu viel Luft entweicht. Der Übergang wirkt – sogar für mich, nach gefühlt hunderten Shows. Das Eintauchen ins Planetarium verursacht noch immer ein leicht kribbeliges Gefühl. Das komplett abgedunkelte Kuppelzelt schafft einen separaten Raum, der die Außenwelt so effektiv abschottet, dass man sie vergisst – obwohl uns ja nur ein dünnes Stück Stoff von ihr trennt. Wir schauen uns die Sternbilder an, fliegen zu den Planeten des Sonnensystems und durch die Milchstraße, und wenn wir Zeit haben, zoomen wir auch noch zur Andromedagalaxie, unserer Nachbargalaxie, und gleichzeitig das am weitesten entfernte Ding, das man ohne Teleskop am Himmel sehen kann. Das Licht ihrer fast 1 Billion Sterne war etwa zweieinhalb Millionen Jahre unterwegs zu uns, mit 300 000 Kilometern pro Sekunde durch den leeren Weltraum, nur um dann auf unsere Augen (bzw. Teleskope) zu fallen. Wir sehen diese Galaxie, wie sie zu einem Zeitpunkt ausgesehen hat, als es auf der Erde noch nicht einmal Menschen gab. Es ist ein dankbarer Job, die jungen Besucher:innen sind immer begeistert und wollen einfach alles wissen. Ihr Enthusiasmus färbt auf mich ab und entschädigt für das frühe Aufstehen und die fehlenden langen Nächte in Teleskop-Kontrollräumen auf einsamen Berggipfeln. Ja, die Entscheidung, aus der Forschung auszusteigen, war freiwillig, und ich bereue sie nicht, aber ab und zu vermisse ich mein altes Leben schon ein bisschen.

Die Kinder sind also leichte Beute. Aber was ist mit den Erwachsenen? Ich liege oft, nachdem die letzte Schulgruppe draußen ist, noch kurz unter dem Sternenhimmel und sauge die Weite und Stille in mich auf, bevor auch ich in die »echte Welt« zurückkehren muss. Das Planetarium gilt ja oft als nicht ernsthaft und wissenschaftlich genug für Erwachsene. Für mich ist das mobile Planetarium jedoch eine der beeindruckendsten Erfahrungen, die ich im Zusammenhang mit der Astronomie gemacht habe, abgesehen vielleicht vom echten Sternenhimmel in der chilenischen Wüste oder dem Sonnenaufgang nach einer Beobachtungsnacht auf dem Mauna Kea hoch über dem pazifischen Wolkenmeer. Vielleicht ist es das Unerwartete, das Improvisierte, die Möglichkeit (beinahe) überall in einer Viertelstunde den Weltraum aufbauen zu können, was mich daran so fasziniert.

Als mich Freunde aus Leeds in Jodrell Bank besuchen kommen (die mich übrigens vor dem schlechten Wetter in Manchester gewarnt haben, nur ich ungläubige Kontinentaleuropäerin dachte, schlimmer kann es ja nicht werden), kommt mir spontan die Idee: Ich zeige ihnen das Planetarium. Mal schauen, was sie von unserem Kinderspielzeug halten.

Wir machen zuerst eine Runde um das Lovell Telescope, das einst größte voll bewegliche Teleskop der Welt und mit seiner 76 Meter großen, strahlend weiß gestrichenen Teleskop-Schüssel ein echt beeindruckendes Gerät, und dann schmuggele ich sie ins Planetarium. Das ist hier normalerweise nur ein Programmpunkt für Schulklassen, und nicht für Besucher:innen des Discovery Centres zugänglich (Julia, my dear boss, wenn du das liest, I apologise!). Wir schlüpfen ins Zelt hinein, legen uns hin und ich zeige ihnen ein paar der Highlights. Nach 10 Minuten fange ich an, mir Sorgen zu machen: keine Fragen, kein Kommentar, alle sind sie mucksmäuschenstill. Ich sehe mich um und frage in die Runde hinein: »Are you bored?« Das löst sofort ihre Passivität und plötzlich sprudelt es aus ihnen heraus: »Ich hatte ja keine Ahnung, ich wusste das alles nicht!« »Ist das alles echt?« »Stell dir vor, so ein Planetarium gäbe es auf einem kleinen Musikfestival, oder auf einer Weihnachtsfeier!« »Auf Hochzeiten!« »Im Shoppingcenter!« »Einfach so auf dem Marktplatz am Samstagnachmittag!« »Das musst du unter die Leute bringen!« Ich bin erleichtert.

Auf dem Heimweg zurück nach Manchester stehen wir wie üblich ca. eine halbe Stunde im Stau. Ich schaue aus dem Fenster und träume von meinem zukünftigen Planetariums-Business: »Das All kommt zu euch, der Weltraum besucht den öffentlichen Raum.« (»A Planetarium pops up in Public Space. Public Space Pop‑Up Planetarium«). Unsanft werde ich von einem ruckartigen Bremsmanöver im Stop-and‑go-Verkehr aus meiner Phantasie gerissen. Die roten Rücklichter der langen Autoschlange leuchten mir aufdringlich ins Gesicht. 25 Jahre sind seit der Unterzeichnung des Kyoto Protokolls vergangen, und wir bewegen uns immer noch in Metallkisten fort, angetrieben von einem eigentlich extrem wertvollen Material mit phantastisch hoher Energiedichte, dessen Verbrennung unsere Städte verdreckt und den ganzen Planeten aufheizt, und all das nur aus Bequemlichkeit. Es ist klar, dass wir den motorisierten Individualverkehr so schnell wie möglich hinter uns lassen müssen. Darum wollte ich auch bei meinem gerade Gestalt annehmenden, zukünftigen Projekt auf keinen Fall auf einen Verbrennungsmotor angewiesen sein. Nur, wie sollte ich ein Planetarium ohne Auto durch die Gegend karren? Als passionierte Stadtradlerin und Dank einer großen Schwester, die in Amsterdam lebt, war dann auch dafür ziemlich schnell eine Lösung gefunden: Für das Planetarium muss ein Lastenrad her. Ein Cosmobike, nicht nur als Alleinstellungsmerkmal für das zukünftige Business, sondern als dringend notwendiges Bekenntnis zur Nachhaltigkeit.

Jetzt brauchte ich nur noch ein Planetarium. Schnell war mir aber auch klar, dass ich nicht über das notwendige Kleingeld verfügte, um mir einen mobilen Planetariumsprojektor zu kaufen – die sind für mehrere zehntausend Euro im einschlägigen Handel zu erwerben. Und eine Förderung dafür zu beantragen – hmm … ich war mir nicht sicher. Ich glaube, ich wollte es einfach nicht von den Entscheidungen anderer Leute abhängig machen. Das war mein Projekt. Also, warum nicht einfach selber eines bauen? Und siehe...

Erscheint lt. Verlag 11.10.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Weltraum / Astronomie
Naturwissenschaften Physik / Astronomie Astronomie / Astrophysik
Schlagworte Dunkle Materie • Florian Freistetter • Galaxien • Heino Falcke • Milchstraße • Planetarium • Podcast • Populärwissenschaft • science busters • Stephen Hawking • Teleskope • Universum • Urknall • Wissenschaft
ISBN-10 3-8412-2838-0 / 3841228380
ISBN-13 978-3-8412-2838-3 / 9783841228383
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