Der dritte Schimpanse (eBook)

Evolution und Zukunft des Menschen
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
512 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491492-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der dritte Schimpanse -  Jared Diamond
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Wie sich der Mensch innerhalb kurzer Zeit von einer Säugetierart unter vielen zu einem Eroberer der Welt aufschwang; und wie wir die Fähigkeit erwarben, all jenen Fortschritt über Nacht auszulöschen. In diesem mehrfach ausgezeichneten Buch erklärt Jared Diamond den Menschen und seine Fähigkeiten aus seiner Abstammung als ?dritter Schimpanse?.

Jared Diamond, 1937 in Boston geboren, ist Professor für Geographie an der University of California, Los Angeles. Sein Hauptforschungsgebiet ist die Evolutionsbiologie. In den letzten 25 Jahren hat er rund ein Dutzend Expeditionen in entlegene Gebiete von Neuguinea geleitet. Für seine Arbeit auf den Gebieten der Anthropologie und Genetik ist er mehrfach ausgezeichnet worden, u.a. mit dem Pulitzer-Preis. Nach ?Der dritte Schimpanse?, ?Arm und Reich?, ?Warum macht Sex Spaß??, seinem internationalen Bestseller ?Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder untergehen? und ?Vermächtnis. Was wir von traditionellen Gesellschaften lernen können? erschien zuletzt bei S. Fischer ?Krise. Wie Nationen sich erneuern können? (2019).Literaturpreise:Britain's Rhône-Poulenc Prize for Science Books 1998,Pulitzer-Preis 1998,Lannan Literary Award 1999,Dickson Prize für Wissenschaft 2006,Wolf-Preis für Agrarwissenschaft 2013

Jared Diamond, 1937 in Boston geboren, ist Professor für Geographie an der University of California, Los Angeles. Sein Hauptforschungsgebiet ist die Evolutionsbiologie. In den letzten 25 Jahren hat er rund ein Dutzend Expeditionen in entlegene Gebiete von Neuguinea geleitet. Für seine Arbeit auf den Gebieten der Anthropologie und Genetik ist er mehrfach ausgezeichnet worden, u.a. mit dem Pulitzer-Preis. Nach ›Der dritte Schimpanse‹, ›Arm und Reich‹, ›Warum macht Sex Spaß?‹, seinem internationalen Bestseller ›Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder untergehen‹ und ›Vermächtnis. Was wir von traditionellen Gesellschaften lernen können‹ erschien zuletzt bei S. Fischer ›Krise. Wie Nationen sich erneuern können‹ (2019). Literaturpreise: Britain's Rhône-Poulenc Prize for Science Books 1998, Pulitzer-Preis 1998, Lannan Literary Award 1999, Dickson Prize für Wissenschaft 2006, Wolf-Preis für Agrarwissenschaft 2013

Prolog


Der Mensch unterscheidet sich unverkennbar von allen Tierarten. Ebenso unverkennbar gehören wir zu den größeren Säugetierarten, bis ins kleinste Detail unserer Anatomie und Moleküle. Dieser Widerspruch ist das faszinierendste Merkmal unserer Art. Jeder kennt ihn, und dennoch begreifen wir immer noch nicht so recht, wie es zu ihm kam und was er bedeutet.

Auf der einen Seite trennt uns von allen anderen Arten eine scheinbar unüberbrückbare Kluft, die uns erst von »Tieren« als Kategorie sprechen läßt. Demzufolge teilen Schnecken, Schlangen und Schimpansen in unseren Augen entscheidende Merkmale miteinander, jedoch nicht mit uns, und fehlen ihnen Eigenschaften, die nur wir besitzen. Zu diesen einmaligen Charakteristika des Menschen gehört unter anderem, daß wir sprechen, schreiben und komplizierte Maschinen bauen. Zum Überleben brauchen wir nicht nur unsere bloßen Hände, sondern eine ganze Reihe von Hilfsmitteln, ohne die wir verloren sind. Die meisten Menschen tragen Kleidung und haben Freude an Kunstwerken, viele glauben an eine Religion. Wir bevölkern den gesamten Erdball, verfügen über einen Großteil seiner Energie und sonstigen Ressourcen und sind dabei, auch in die Tiefe der Meere und ins Weltall vorzudringen. Einzigartig sind wir aber auch, wenn es um unheilvolle Dinge wie Völkermord, Lust an der Folter, Drogenabhängigkeit und die tausendfache Ausrottung von Pflanzen und Tieren geht. Einige Tierarten mögen zwar eine oder zwei dieser Eigenschaften ansatzweise mit uns teilen (zum Beispiel den Gebrauch von Werkzeugen), aber selbst darin übertreffen wir Tiere bei weitem.

Aus praktischer und rechtlicher Sicht gelten Menschen folglich nicht als Tiere. Als Darwin 1859 behauptete, wir stammten von Affen ab, war es kein Wunder, daß die Menschen seine Theorie erst einmal für absurd hielten und darauf bestanden, daß der Mensch eine separate Schöpfung Gottes sei. Viele halten noch heute an diesem Glauben fest, in den Vereinigten Staaten sogar jeder vierte College-Absolvent.

Doch auf der anderen Seite sind wir ganz offenkundig Tiere, mit deren körperlichen Merkmalen, Molekülen und Genen. Sogar unser Platz im Tierreich läßt sich klar bestimmen. Äußerlich ähneln wir so sehr den Schimpansen, daß bereits im 18. Jahrhundert Anatomen, noch fest überzeugt von der Göttlichkeit der Schöpfung, die Gemeinsamkeiten erkannten. Stellen Sie sich nur einige ganz normale Menschen vor, die ihre Kleidung und sonstigen Habseligkeiten ablegen, ihre Sprache verlieren, nur noch grunzen könnten und in einen Zookäfig neben den Schimpansen gesperrt würden. An diesen sprachlosen Käfigmenschen könnten wir erkennen, was wir in Wirklichkeit sind: Schimpansen mit schwacher Behaarung und aufrechtem Gang. Ein Zoologe von einem fremden Stern würde nicht zögern, den Menschen als dritte Schimpansenart zu klassifizieren, neben dem Zwergschimpansen oder Bonobo von Zaire und dem gewöhnlichen Schimpansen, der im übrigen tropischen Afrika vorkommt.

Molekulargenetische Untersuchungen der letzten Jahre ergaben, daß wir über 98 Prozent unserer genetischen Anlagen mit den beiden anderen Schimpansen gemeinsam haben. Der genetische Abstand zwischen uns und den Schimpansen ist sogar noch geringer als der zwischen so eng verwandten Vögeln wie den Laubsängerarten Fitis und Zilpzalp. Somit schleppen wir den größten Teil unseres uralten biologischen Gepäcks noch immer mit uns herum. Seit Darwins Zeiten wurden die fossilen Überreste Hunderter von Lebewesen, welche die verschiedenen Übergangsstufen vom Affen zum modernen Menschen darstellen, entdeckt, so daß es heute bei vernünftiger Betrachtung unmöglich ist, das einst absurd Erscheinende zu leugnen: Die Evolution des Menschen vom Affen fand tatsächlich statt.

Doch die Entdeckung fehlender Zwischenglieder hat alles nur noch faszinierender gemacht, ohne das Rätsel ganz zu lösen. All unsere Besonderheiten müssen auf das Konto jener zwei Prozent unserer genetischen Anlagen gehen, die sich von denen der Schimpansen unterscheiden. Ziemlich rasch und vor noch gar nicht langer Zeit in unserer Evolutionsgeschichte erlebten wir mehrere geringfügige, aber höchst folgenreiche Veränderungen. Noch vor 100000 Jahren hätte der Zoologe aus dem Weltall den Menschen als eine Säugetierart unter vielen anderen eingestuft. Es stimmt, daß wir schon damals mehrere Besonderheiten in unserem Verhalten aufwiesen, vor allem die Beherrschung des Feuers und den Gebrauch von Werkzeugen. Aber das hätte den außerirdischen Besucher wohl nicht mehr beeindruckt als das erstaunliche Verhalten von Bibern und Laubenvögeln. Innerhalb einiger zehntausend Jahre – eines für einen einzelnen Menschen unendlich lang erscheinenden, aber gemessen an unserer Stammesgeschichte sehr kurzen Zeitraums – waren jene Eigenschaften zum Vorschein gekommen, die den Menschen so einzigartig, aber auch anfällig machen.

Welches waren jene wenigen Ingredienzen, die uns zu Menschen werden ließen? Da unsere Besonderheiten erst so kürzlich auftraten und mit so geringfügigen Veränderungen einhergingen, müssen sie oder zumindest Vorläufer von ihnen bereits im Tierreich vorhanden gewesen sein. Welches waren also die tierischen Vorläufer von Kunst und Sprache, Völkermord und Drogensucht?

 

Unser derzeitiger biologischer Erfolg als Spezies beruht auf besonderen Merkmalen des Menschen. Von den größeren Tierarten ist keine andere auf allen Kontinenten heimisch oder bevölkert sämtliche Lebensräume, von der Wüste und dem Polargebiet bis zum tropischen Regenwald. Kein größeres Wildtier kann es zahlenmäßig mit uns aufnehmen. Doch zu unseren Besonderheiten gehören auch zwei, die unser Überleben in Frage stellen: der Hang zum gegenseitigen Töten und zur Zerstörung der Umwelt. Beides kommt auch bei anderen Arten vor: Löwen und viele andere Tiere töten Angehörige der eigenen Art, und Elefanten trampeln die Vegetation nieder. Doch beim Menschen nimmt die Bedrohung ein viel größeres Ausmaß an – wegen unserer technologischen Potenz und der Explosion unserer Zahl.

Schon oft wurde der Weltuntergang für den Fall prophezeit, daß wir keine Einsicht zeigten und uns nicht zur Umkehr entschlössen. Neu daran ist heute, daß die Vorhersage aus zwei Gründen wahrscheinlich eintrifft. Erstens gibt es Atomwaffen, mit denen die Menschheit erstmals in ihrer Geschichte ein Mittel zur völligen Selbstvernichtung besitzt. Und zweitens eignen wir uns bereits 40 Prozent der Nettoproduktivität der Erde (d.h. der aus der Sonneneinstrahlung gewonnenen Nettoenergie) an. Da sich die Weltbevölkerung zur Zeit im Rhythmus von 41 Jahren verdoppelt, werden die biologischen Grenzen des Wachstums bald erreicht sein. Kriege um die begrenzten Ressourcen unseres Planeten erscheinen dann unausweichlich. Zudem werden bei anhaltendem Tempo der Artenausrottung im Laufe des nächsten Jahrhunderts die meisten Pflanzen- und Tierarten ausgestorben oder vom Aussterben bedroht sein – und das, obwohl wir viele dringend zum eigenen Überleben brauchen.

Warum soll man diese ebenso bekannten wie deprimierenden Fakten immer wiederholen? Und welchen Nutzen hat es, die tierischen Ursprünge der destruktiven Eigenschaften des Menschen zurückzuverfolgen? Wenn sie tatsächlich Teil unseres evolutionären Erbes sind, dann heißt das doch nicht daß sie genetisch festgelegt und also unveränderlich sind?

Doch in Wirklichkeit ist unsere Lage nicht hoffnungslos. Uns mag ja der Drang zum Töten von Fremden und Geschlechtsrivalen angeboren sein. Aber dennoch haben menschliche Gesellschaften immer wieder – und nicht ohne Erfolg – den Versuch unternommen, diese Instinkte unter Kontrolle zu bekommen und die meisten Menschen vor der Ermordung zu bewahren. Selbst wenn man die beiden Weltkriege mitberücksichtigt, sind im 20. Jahrhundert in den Industrieländern im Verhältnis viel weniger Menschen durch Gewalt ums Leben gekommen als in steinzeitlichen Stammesgesellschaften. In vielen modernen Bevölkerungen ist die Lebenserwartung deutlich höher als in der Vergangenheit. Umweltschützer verlieren auch nicht mehr jeden Kampf gegen Vertreter des Fortschritts um jeden Preis. Selbst eine Reihe von Erbkrankheiten, wie das Fölling-Syndrom und die Kinderdiabetes, können heute behandelt oder geheilt werden.

Wenn ich auf die drohenden Gefahren hinweise, möchte ich deshalb nur dazu beitragen, daß wir Fehler nicht wiederholen, sondern aus der Vergangenheit lernen und unser Verhalten korrigieren. Diese Hoffnung steht auch hinter der Widmung am Anfang des Buches. Meine Zwillingssöhne sind Jahrgang 1987 und werden im Jahre 2044 – so alt sein wie ich jetzt. Was wir heute tun, wird ihre Welt bestimmen.

Es geht mir in diesem Buch nicht um bestimmte Lösungsvorschläge. Es ist ja ohnehin ziemlich klar, was alles geschehen muß. Dazu gehören die Eindämmung des Bevölkerungswachstums, die Begrenzung oder besser Abschaffung der Atomwaffen, die Entwicklung friedlicher Methoden zur Beilegung internationaler Konflikte, die Verringerung der Umweltzerstörung und der Erhalt von Arten und natürlichen Lebensräumen. Viele hervorragende Bücher enthalten detaillierte Vorschläge dazu, von denen einige bereits hier und da in die Tat umgesetzt werden; nun kommt es »nur« darauf an, daß daraus der Normalfall wird. Wenn nur alle von der Richtigkeit und Wichtigkeit dieser Vorschläge überzeugt wären, könnten wir schon morgen mit ihrer Verwirklichung beginnen.

Indessen mangelt es jedoch an dem nötigen politischen Willen. Ihm nachzuhelfen ist eines der Anliegen dieses Buches. Unsere aktuellen Probleme haben tiefe Wurzeln und reichen bis zu...

Erscheint lt. Verlag 6.3.2021
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Naturwissenschaften Biologie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Entwicklung • Evolution • Geschichte • Menschheit • Menschheitsgeschichte • Sachbuch • Säugetier • Säugetierart • Schimpanse
ISBN-10 3-10-491492-3 / 3104914923
ISBN-13 978-3-10-491492-3 / 9783104914923
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