Gerd Albers (eBook)

Beiträge zum Städtebau in Wissenschaft und Praxis

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
270 Seiten
wbg Academic in der Verlag Herder GmbH
978-3-534-27282-2 (ISBN)

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Gerd Albers -  Gerd Albers
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Gerd Albers zählt zu den renommiertesten Autoren, Forschern und Lehrern in Fragen der Disziplin Städtebau. Trotz seinen international anerkannten und bis heute wegweisenden Aussagen zu Themen und Fragestellungen der städtebaulichen Planung gab es bisher keine der Fachöffentlichkeit zugängliche Sammlung seiner Schriften. Mit 'Gerd Albers - Beiträge zum Städtebau in Wissenschaft und Praxis' erscheint erstmals ein Fachbuch, in dem ausgewählte Texte von Gerd Albers in gesammelter Form erneut publiziert werden. Die Veröffentlichung enthält einen beispiellosen Fundus an Erkenntnissen und Empfehlungen im Themenfeld der städtebaulichen Planung und bietet, gerade mit Bezug zu heutigen städtebaulichen Herausforderungen, sowohl Fachleuten als auch allgemein städtebaulich interessiertem Publikum eine interessante Lektüre.

Geistesgeschichtliche Entwicklung des Städtebaus, Der Wandel der Wertmaßstäbe im 19. und 20. Jahrhundert


Erschienen in:

Vogler P. und Kühn E. (Hrsg.) (1957): Medizin und Städtebau, Ein Handbuch für Gesundheitlichen Städtebau, Verlag Urban & Schwarzenberg, S. 180–197, Verlag Urban & Schwarzenberg, München, Berlin und Wien.

I. Einführung


Ein geschichtlicher Überblick über das Gebiet des Städtebaues wird im Rahmen dieses Werkes nicht in erster Linie die gestalterische Entwicklung zum Gegenstand haben können. So aufschlußreich und bedeutungsvoll der formale Aspekt sein mag, so bedarf er doch der Ergänzung durch eine Betrachtungsweise, die den hinter den Formen wirkenden Kräften und Ideen, den ihnen zugrunde liegenden Wertungen und Geisteshaltungen gewidmet ist. So gesehen, wird die Geschichte des Städtebaues zu einem Beitrag zur Geschichte des menschlichen Selbstverständnisses.

Es soll hier versucht werden, einen Ansatz zu einem solchen Beitrag zu liefern. Der Umfang des Problems und die Fülle des Stoffes verlangen dabei eine Beschränkung in räumlicher, zeitlicher und methodischer Hinsicht. Methodisch erscheint es notwendig, sich auf die städtebauliche Literatur zu beschränken, zumal die Ausschöpfung der literarischen Quellen für das Ziel dieser Untersuchung eindeutigere Ergebnisse verspricht als die Interpretation der ausgeführten Werke, bei denen die ursprünglichen Planungsabsichten vielfach durch besondere, zum Teil zufällige Einflüsse und Bindungen überlagert werden. Über die reine Fachliteratur hinaus sollen auch solche Schriften einbezogen werden, die sich von anderen Blickpunkten aus mit dem Städtebauer und seinem Arbeitsgebiet beschäftigen.

Aus diesem Verfahren läßt sich zugleich der zeitliche Rahmen der Arbeit ableiten: die städtebauliche Problematik muß drängend und komplex genug geworden sein, um zur Entstehung einer eigenen Literatur zu führen, ehe die Untersuchung einsetzen kann. Dieser Zeitpunkt ist in Deutschland um 1870 erreicht, als die Konsequenzen der Industrialisierung mit aller Deutlichkeit sichtbar werden. Das außergewöhnliche Anwachsen der Städte, die zur Regel werdende Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte, der Strukturwandel von der Bürger- zur Arbeiterstadt lassen überhaupt erst einen wesentlichen Teil der Aufgaben entstehen, die heute dem Städtebau gestellt sind. So ist es gerechtfertigt, diese Zäsur der industriellen Revolution als Ausgangspunkt zu wählen.

Auch für die räumliche Beschränkung ergibt sich ein Anhalt aus dem vorher Gesagten. Es sind die Zentren der Industrialisierung, in denen eine bedeutende städtebauliche Literatur entsteht: die großen Länder Mittel- und Westeuropas und die Vereinigten Staaten von Amerika. Eine Konzentration auf die deutsch-, englisch- und französischsprachige Literatur erscheint daher begründet, zumal mit ihr der Großteil aller städtebaulichen Theorie erfaßt ist. Wenn in dieser Untersuchung abstrahierend von „dem Menschen“ gesprochen wird, so ist auch dieser Begriff auf die erwähnten räumlichen und zeitlichen Grenzen bezogen.

Innerhalb des so abgesteckten Rahmens geht es also nicht um die gestalterischen und technischen Ergebnisse, nicht um den „Fortschritt“ auf dem Gebiete des Städtebaues, sondern es geht um die Erforschung der geistigen Einstellung zu den städtebaulichen Aufgaben, um die Untersuchung der Wertsetzungen.

Daß es sich in der Tat um Wertsetzungen handelt, ist erst allmählich klarer erkannt worden. Gurlitt fordert 1920 – wie mir scheint, erstmalig –, der Städtebauer müsse vor allem ein Mann sein, der „den Wert der Dinge zu schätzen und gegeneinander abzuwägen“ wisse.1 Ähnlich verlangt in jüngster Zeit Bardet vom Städtebauer „unbestechliche Wissen, schöpferische Begeisterung und Wahl der Wertmaßstäbe“,2 und Mumford definiert Planung als einen Auswahlvorgang, der Wertung und Entscheidung fordere, und zwar auf der Grundlage einer „kritischen Vergegenwärtigung – und Revision – der gängigen Wertmaßstäbe“.3 Vielfach jedoch nimmt der Städtebauer den Rahmen, innerhalb dessen er seine Arbeit leistet, als gegeben hin, ohne die Abhängigkeit der technischen Lösung von den „gängigen Wertmaßstäben“ zu erkennen, geschweige denn an deren Revision zu denken; in anderen Fällen geht er von einer eigenen, abweichenden Wertordnung aus – manchmal ohne sie klarzulegen oder zu begründen –, und häufiger, als man vielleicht erwarten sollte, entpuppt sich der Städtebauer als ein Gesellschaftsreformer, der nicht nur die Städte, sondern mit ihnen die Welt verändern will.

Sobald man diese Zusammenhänge erkannt hat, liegt die Frage nahe, ob es dem Städtebauer allein überlassen bleiben sollte, die Wertmaßstäbe für seine Arbeit zu wählen: dieses Problem, das erst jetzt ins Bewußtsein der Öffentlichkeit zu dringen scheint, wird abschließend zu erörtern sein.

II. Chronologischer Überblick


[Das 19. Jahrhundert] Untersucht man die Frage, wie sich der Städtebau des 19. Jahrhunderts mit dem Anwachsen der Städte auseinandersetzt, so ergibt sich, daß eine Gesamtschau fast vollständig fehlt. Städtebau ist ein technisches Beginnen, das bezeichnenderweise „Stadterweiterung“ heißt – ein partikulares Problem. Vereinzelt nur begegnet man einer umfassenderen Sicht der Dinge wie sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Owen und Fourier zu eigen ist; beide erkennen zumindest in Umrissen die Forderung des industriellen Zeitalters nach einer neuen Lebensform. Ihre Vorschläge, die auf die Neugründung zahlreicher landwirtschaftlichindustrieller Siedlungen mit bis zu 2000 Einwohnern und sozialistischer Gesellschaftsordnung hinauslaufen, bleiben jedoch, von unbedeutenden Ansätzen abgesehen, Theorie. Die Wirklichkeit sieht ander aus und zeichnet sich zuerst in England mit voller Klarheit ab. Von ihr schreibt Schinkel:

„Die ungeheuren Bau-Massen in Manchester, bloß von einem Werkmeister ohne alle Architektur und nur für das nackteste Bedürfnis allein aus rotem Backstein, machen einen höchst unheimlichen Eindruck.“4

Weist auch das Wort „unheimlich“ über das rein ästhetische Urteil hinaus, so scheint doch Schinkel so wenig wie die anderen Architekten seiner Zeit erkannt zu haben, welche Aufgaben die neue wirtschaftliche und soziale Entwicklung gerade den Architekten stellte. Kennzeichnend dafür ist die im Jahre 1841 ausgesprochene Ablehnung des Berliner Architekten-Vereins, einen Wettbewerb für Arbeiterwohnungen durchzuführen, weil eine solche Aufgabe zu wenig architektonisches Interesse biete5.

Aber auch dort, wo das architektonische Interesse ansprechbar ist, beschränkt es sich auf das Einzelbauwerk, seine Formensprache und seinen Bedeutungsinhalt. Die Gestaltung der Stadt in ihrer Gesamtheit wird als Problem kaum gesehen, geschweige denn bewältigt.

Um die Jahrhundertmitte erhebt Riehl kritisch und mahnend seine Stimme gegen die Verstädterung; seine „Naturgeschichte des deutschen Volkes“ ist ein frühes Beispiel dessen, was Geddes ein halbes Jahrhundert später als Grundlage aller Planung fordert: eine eingehende Untersuchung der Landschaft, der Bevölkerung und ihrer Lebensformen.

Zunächst allerdings kommt die gewichtigste Kritik an der städtebaulichen Entwicklung aus den Reihen der Wohnungsreformer. Der umstrittene Berliner Bebauungsplan 1861–63, der Berlin zur „größten Mietskasernenstadt der Welt“6 macht, wird später von seinem Schöpfer mit einem Hinweis auf die sozialen Vorzüge der Mietskaserne verteidigt: sie werde die Durchdringung der verschiedenen Klassen und damit die Milderung der sozialen Gegensätze fördern.7

[1879] Indessen sind es gerade die Auswüchse dieser Wohnform, auf Grund derer die Gräfin Dohna vor allem anderen verlangt, die Stadtgemeinde in ihren verschiedenen Schichten solle menschlich wohnen, wobei sie den Begriff des Wohnens auf Grünflächen und Erholungsstätten ausgedehnt wissen möchte.8 Vom Städtebauer fordert sie als Grundlage seiner Arbeit eine „ungefärbte, redliche, humane Gesinnung auf christlichem Grunde“ und verlangt zugleich nach einer „gesunden Theorie über die Architektur der Großstädte sowie der Städte überhaupt“.9

Zwei Jahre später veröffentlicht Baumeister ein Buch, das als erster Ansatz zu einer solchen Theorie gewertet werden kann;10 es trägt zwar in erster Linie den Charakter eines technischen Lehrbuches, deutet jedoch zugleich eine Kritik am Stadtwachstum und eine Einbeziehung sozialer Fragestellungen an. Während die künstlerische Seite nur gestreift wird, da Schönheit „im vulgären Sinne“ Mehrkosten...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2020
Übersetzer Institut für Städtebau und Wohnungswesen
Verlagsort Darmstadt
Sprache deutsch
Themenwelt Naturwissenschaften Geowissenschaften Geografie / Kartografie
Schlagworte Bundesbaugesetz • Gerd Albers • Institut für Städtebau und Wohnungswesen • Siedlungsstruktur • Siedlungsstrukturen • Stadt • Städtebau • Städtebauliche Entwicklungsmaß • Stadtgestaltung • Stadtplanung • Stadtplanungsrecht • wbg Publishing Services • Wertemaßstäbe • Zukunft
ISBN-10 3-534-27282-X / 353427282X
ISBN-13 978-3-534-27282-2 / 9783534272822
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