Säuren - eine kleine Kulturgeschichte -

Säuren - eine kleine Kulturgeschichte (eBook)

wissenschaftliche Veröffentlichungen der Hochschule Coburg

Klaus Ruthenberg (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
162 Seiten
A7-24 Aumann (Verlag)
978-3-95626-038-4 (ISBN)
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Wir kennen Säuren in unserem Alltag, z. B. in Form von Milchsäure, Kohlenstoffsäure, als Zitronensäure oder in Autobatterien. 'Säuren - eine kleine Kulturgeschichte' zeigt das historische Werden einer zentralen chemischen Stoffgruppe. In diesem Band kann kurzweilig an einem Stück Chemiegeschichte teilgenommen werden und auch am Forschergeist über viele Jahrhunderte. Der Bogen spannt sich von den Säuren in der Antike und der Alchemie, der Beschreibung einzelner Säuren bis hin zu modernen bioanalytischen Errungenschaften. Ergänzt wird der Band durch ein umfangreiches Literaturverzeichnis und mit vielen Abbildungen und Skizzen, die die Texte illustrieren. Der Band ist das erfreuliche Ergebnis eines Projekts mit Studierenden der Bioanalytik des zweiten Studienjahres an der Hochschule Coburg. Ein gut lesbares Werk für alle an Wissenschaftsgeschichte Interessierte, die über das Studium der Chemiegeschichte auch etwas über die Chemie selbst lernen wollen.

Säuren in der Alchemie


Fabienne Reiß & Tamara Schreiner


Alchemy has been a precursor of modern chemistry particularly with respect to the knowledge about stuff transformations. Andreas Libavius has been one of the most central figures of late alchemy. His work marks a turning point in history in that he described systematically the preparation of important substances, among which the acids played a dominant role.

Abb.3Deckblatt der Alchemia von Andreas Libavius

Säuren in der Alchemie


Fabienne Reiß & Tamara Schreiner


Einführung


Das Verständnis der Alchemie hat sich durch die Zeit verändert - von der antiken, über die mittelalterlich/arabische bis hin zur neuzeitlichen Alchemie, die dann durch die Chemie, so wie sie heute verstanden wird, abgelöst wurde.15

Geprägt wurden die oben unterteilten Epochen der Alchemie vor allem durch ihre Anhänger, deren Vorstellungen und neuen Erkenntnissen. In der Alchemie gab es ein breit gestreutes Themenspektrum. Eine wichtige Unterdisziplin zieht sich jedoch wie ein roter Faden durch die komplette Geschichte der „Vorläufer-Wissenschaft der Chemie“: Die Transmutation, d. h. die Vervollkommnung unedler Metalle in edle wie zum Beispiel Gold und die Mittel durch welche dieses ermöglicht werden sollte. Vor allem die Säuren standen über die Zeit im Verdacht die Metallumwandlung zu ermöglichen, weshalb sich einige Forscher mit dieser Stoffklasse besonders auseinandersetzten, so wie auch Libavius.

Als mit Libavius die Darstellung der Mineralsäuren abgeschlossen und festgehalten wurde, kennzeichnete dies einen enormen Erfolg in dieser Wissenschaftsdisziplin. Es standen nunmehr nicht nur die Kenntnisse über Ressourcen, die die Natur für die Säureherstellung liefern konnte, sondern die Rezepte für die „scharfen Wässer“ zur Verfügung, und machten das Forschen nach der Metallumwandlung erheblich einfacher.

Der Name Alchemie hat verschiedene Ursprünge. Zunächst wurde die Wissenschaft als göttliche, heilige Kunst bezeichnet. Später wurden die Niederschriften mit „chymeia“ oder „chemeia“ betitelt und durch den arabischen Präfix „al“ bzw. die lateinische Prägung entstand der „Wissenschaftsname“ al-kimiya/ Alchemia/ Alchimia und zu Deutsch Alchemie.

Alchemie in der Antike


Ihren Anfang nahm die Alchemie spätestens im 1. Jh. n. Chr. in der Zeit des Hellenismus in Ägypten. Praktikabel war diese „Prä-Wissenschaft“ allerdings nur in Tempeln, deren Werkstätten und nach der Verbreitung durch die Griechen bzw. unter der Ptolemäischen Dynastie auch in Städten wie Alexandria, da nur dort die nötigen Materialen zur Verfügung standen. Diese Tatsache lässt vermuten, dass die ersten Alchemisten Priester oder Ähnliches waren, die das spirituelle Ziel verfolgten, die Materie zu erlösen zur Läuterung und Vervollkommnung der eigenen Seele. Diese Vervollkommnung steht wiederum eng im Zusammenhang mit der Transmutation.

Vor dem Einfluss der Griechen war Ägypten noch keine alchemistische Hochburg, da grundlegende technische Kenntnisse und theoretische Einordnungskriterien fehlten. Vor allem durch die griechische Philosophie, geprägt durch Platonismus, Aristotelismus, Stoizismus und Anhänger der Lehren des Pythagoras veränderte sich der Erkenntnisstand der Ägypter zur Wissenschaft. Die Zusammenarbeit bzw. das Zusammentragen der jeweiligen Erfahrungen der Hellenen und Ägypter in unterschiedlichen wissenschaftlichen Gebieten (z.B. Arithmetik, Mathematik, Alchemie) führte zum Entstehen der frühen Alchemie.

In dieser Epoche der Alchemie wurden die Schriften auf Griechisch verfasst, weshalb sie auch manchmal als „Griechische Alchemie“ bezeichnet wird. Natürlich stützen sich die Schriften dieser Zeit auf Vorgänger. Diese sind:

•die praktische Chemie der Handwerker und Tempelpriester,

•die aristotelische und stoische Materietheorie,

•die babylonische Astrologie,

•die ägyptische Mythologie und

•die Gnosis16

Die handwerkliche Chemie bestand im Wesentlichen darin, Edelmetalle zur Verzierung der Tempel zu imitieren. Die Mythologie fand Eingang in die Alchemie durch Bergleute, Schmelzer und Schmiede, die sehr fest mit dem ägyptischen Götterglauben verbunden waren. Des Weiteren beeinflusste der Isis-Osiris-Mythos die Alchemie, indem der Zyklus von Tod und Wiedergeburt auf die Metalle übertragen wurde. Aristoteles stellte eine der ersten Materietheorien, gestützt auf Vorkenntnissen anderer antiker Philosophen wie Empedokles und Platon, auf, die besagt, dass alles aus Materie, Form und den vier Elementen Feuer, Erde, Wasser und Luft aufgebaut seien und die Umwandlung verschiedener Elemente ineinander möglich sei. Zur Unterscheidung dieser Vielzahl an Elementen spaltete Aristoteles sie in „Körper“ (feste und flüssige Elemente) und „Geist“ (gasförmige Elemente) auf. Das bereits erwähnte Ziel der Materieerlösung ist auf die Gnosis zurückzuführen. Der Einfluss der babylonischen Astrologie bezieht sich hauptsächlich darauf, dass den Gestirnen (zu dieser Zeit nur: Sonne, Mond und fünf Planeten) Namen und Geschlecht (♀ oder ♂) zugewiesen wurden, welche den Metallen zugeordnet wurden. Auch die griechische Mythologie und die Theorie des Zodiak17 nahmen Einfluss auf die astronomischen Kenntnisse der frühen Alchemie.

Die Alchemie ist auch unter dem Namen hermetische Wissenschaft bekannt, nach Hermes Trismegistos, einer fiktionale Figur, die als angeblicher Autor der hermetischen Schriften erschaffen wurde, um diese zuordnen zu können. Natürlich wurden auch schon in der Antike bestimmte Apparaturen verwendet, wie sie heute in moderner Form in jedem Chemielabor zu finden sind. Zur Entwicklung eben dieser chemischen Geräte trugen unter anderem „Maria die Jüdin“ und später auch Libavius bei.

Tab. 1: Die „klassischen“ sieben Metalle und ihre Zuordnung zu den Gestirnen

Blei (Pb)

Saturn

Zinn (Sn)

Jupiter

Eisen (Fe)

Mars

Gold (Au)

Sonne

Kupfer (Cu)

Venus

Quecksilber (Hg)

Merkur

Silber (Ag)

Mond

Im Altertum gab es auch die unterschiedlichsten Theorien zur Durchführung einer Transmutation, doch zusammenfassend fand eine Theorie die meisten Anhänger, weshalb sich dieses Modell zuerst einmal durchzusetzen schien: Es gibt eine Urmaterie aus der jeder bestehende Stoff hervorgegangen ist. Derjenige Stoff, der zu Gold transmutiert werden soll, muss zunächst auf seine Urmaterie zurückgeführt werden. Danach wird er schrittweise mit bestimmten „Element-Qualitäten“ im richtigen Mengenverhältnis behandelt, bis die Edelmetallstufen Silber oder Gold erreicht wurden. Um diese Theorie zu verstehen muss darauf geachtet werden, dass das antike Verständnis von Stoff, Element und Materie sich natürlich von unserem heutigen stark unterscheidet. Wichtig zu beachten ist bei diesem Modell der Transmutation auch die Einhaltung der Farbstufenbei der Umwandlung eines Elements: Schwarz (kennzeichnend für die Urmaterie), Weiß (Darstellungsform des Silbers) und Gelb (stellvertretend für die Farbe Gold). Später in der Entwicklung der Alchemie wurde diesem Farbcode noch die Farbe Violett oder Purpur hinzugefügt, was bei späterer Betrachtung als Vorläufer für den berüchtigten Stein der Weisen gesehen werden kann.

Die Vorstellung der Wirkweise dieses Steins bestand darin, dass dieser die Fähigkeit habe, schon winzige Mengen Metall in Gold verwandeln zu können. Jedoch sind die genannten Metalle nicht diese, wie sie heute als Metalle in Periodensystem zu finden und allgemein bekannt sind.

Die frühen Alchemisten nach Aristoteles bedienten sich nur eines Bruchteils der unzähligen heute bekannten Stoffe und zwar:

•Die „klassischen“ sieben Metalle (Tab. 1) und deren Legierungen,

•Mineralien und Erze,

•einige künstlich hergestellte Stoffe, zum Beispiel Grünspan (Verdigris), Bleiweiß;

•Salze als Darstellungsquelle und nächste Verwandte von Säuren und

•einige organische Substanzen, z.B. Essig als erste bekannte Säure.

Schon in der Antike wussten die Alchemisten die Stoffe nach ihren Eigenschaften zu klassifizieren in „Metalle“, „Nichtmetalle“ und „Geister“ (leicht flüchtige Stoffe, Gase) und entwickelten so die Aristotelische Materietheorie mit neuen Erkenntnissen weiter.

Mittelalterliche und arabische Alchemie


Der Name dieser Epoche der Alchemie dient zur zeitlichen und räumlichen Einordnung der Brennpunkte, der praktisch betriebenen Alchemie, nämlich im Mittleren Osten und im byzantinischen Reich (griechisch-römische Alchemie). Schon im 8. Jh. n. Chr. wurden die griechischen Schriften ins Arabische übersetzt. Auch Werke von arabischen Autoren gewannen an Bedeutung. Behandelt wurden vor allem folgende Themen:

•die komplexe Lehre von den Gleichgewichten: In dieser Theorie spiegelt sich die Transmutation...

Erscheint lt. Verlag 11.8.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Naturwissenschaften Chemie
ISBN-10 3-95626-038-4 / 3956260384
ISBN-13 978-3-95626-038-4 / 9783956260384
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