»Erst stirbt der Wald, dann du!«

Das Waldsterben als westdeutsches Politikum (1978-1986)

(Autor)

Buch | Softcover
665 Seiten
2015
Campus (Verlag)
978-3-593-50092-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

»Erst stirbt der Wald, dann du!« - Birgit Metzger
68,00 inkl. MwSt
Das Waldsterben erschütterte die westdeutsche Gesellschaft in den 1980er-Jahren und beeinflusst die umweltpolitische Debatte bis heute. Jenseits der Frage, wie berechtigt das forstwissenschaftlich geprägte Katastrophenszenario war, gab es Anlass für eine der wirkmächtigsten Umweltdebatten der neueren deutschen Geschichte. Birgit Metzger erschließt in ihrer Studie das Waldsterben als historisches Phänomen im Kontext der gesellschaftspolitischen Situation der 1980er-Jahre, das quer durch alle Milieus und politischen Überzeugungen bis in die höchsten politischen Kreise Anknüpfungspunkte bot. Sie rekonstruiert Entstehung, Verlauf und Auswirkungen der Debatte und macht das Zusammenspiel von Forstwirtschaft, Medien, Umweltbewegung und politischen Akteuren sichtbar.

Die Arbeit wurde ausgezeichnet mit dem Preis der Monika-Glettler-Stiftung des Verbands der Freunde der Universität Freiburg e.V.
Das Waldsterben erschütterte die westdeutsche Gesellschaft in den 1980er-Jahren und beeinflusst die umweltpolitische Debatte bis heute. Jenseits der Frage, wie berechtigt das forstwissenschaftlich geprägte Katastrophenszenario war, gab es Anlass für eine der wirkmächtigsten Umweltdebatten der neueren deutschen Geschichte. Birgit Metzger erschließt in ihrer Studie das Waldsterben als historisches Phänomen im Kontext der gesellschaftspolitischen Situation der 1980er-Jahre, das quer durch alle Milieus und politischen Überzeugungen bis in die höchsten politischen Kreise Anknüpfungspunkte bot. Sie rekonstruiert Entstehung, Verlauf und Auswirkungen der Debatte und macht das Zusammenspiel von Forstwirtschaft, Medien, Umweltbewegung und politischen Akteuren sichtbar.

Die Arbeit wurde ausgezeichnet mit dem Preis der Monika-Glettler-Stiftung des Verbands der Freunde der Universität Freiburg e.V.

Birgit Metzger, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Institut der Universität des Saarlandes.

Inhalt
Einleitung9
Deutungstendenzen und Erklärungsansätze des Waldsterbens11
Erkenntnisinteresse und Ziel der Untersuchung15
Einbettung in theoretische und geschichtswissenschaftliche Forschungsdebatten22
Konzeption und Methode29
Quellen39
Aufbau und Gliederung44
Teil I: Voraussetzungen und Anfänge47
1Zur Situation in der Bundesrepublik 1949-198049
Kapazitäten I: Wandel der Problemsicht52
Kapazitäten II: Staatliche Umweltpolitik und das
Umweltprogramm der sozial-liberalen Koalition58
Kapazitäten III: Umweltschutz, Bürgerinitiativen und Neue Soziale Bewegungen76
Fazit84
2Saurer Regen und Luftreinhaltepolitik 1970-197987
Frühe Warnungen unter der Lupe89
Saurer Regen und weiträumige Luftverschmutzung: Wissenschaftliche Entwicklungen98
Weiträumige Luftverschmutzung und Pflanzenschäden in der westdeutschen Umweltpolitik bis 1976103
Die Luftverschmutzung in der politischen Auseinandersetzung ab Mitte der 1970er Jahre110
Fazit133
3Die "Entdeckung" des Waldsterbens zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit 1979-1981135
Waldschäden136
Das Tannensterben - ein Umweltproblem?140
Baum- und Waldsterben162
Eine ökologische Katastrophe?186
Fazit196
Teil II: Die Entfaltung der Waldsterbensdebatte 1982-1983203
4Meinungsbildung zwischen Sichtbarkeit des Phänomens und Deutungsmacht der Experten205
Zur Phänomenologie des Waldsterbens und der Überzeugungskraft des Augenscheins208
Welche Deutungsmacht welcher Experten?241
Fazit280
5Politisierung und Dynamisierung286
Gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen und Voraussetzungen287
Positionierung: Die Entfaltung der Waldsterbensdebatte bis September 1982301
Das Waldsterben in der Umweltpolitik der sozial-liberalen Koalition312
Dynamisierung: Regierungswechsel, Wahlkampf und Waldsterben: Oktober 1982 bis Juli 1983324
Fazit359
6Der Katastrophendiskurs365
Der Befund: Waldsterben - kranker Wald und kranke Welt367
Baumlos in die Zukunft? - Die möglichen Folgen des Waldsterbens388
Ursachen und Verursacher - ein Großversuch mit ungewissem Ausgang415
Gegenmaßnahmen: Natur als Politik?426
Fazit431
Teil III: Die Bearbeitung des Problems 1983-1986437
7Staatliche Umweltpolitik439
Das Aktionsprogramm "Rettet den Wald": Zwischen Katastrophenabwehr und wissenschaftlicher Unsicherheit441
Alternative Konzeptionen457
Umweltpolitik in der Praxis: Kontroversen und Konflikte460
Ergebnisse506
8Umweltbewegung, Protest und Alltagskultur514
Die Akteure: Adlige und Autonome am selben Strang?515
Aktionsformen und Politikverständnis536
Fazit580
Fazit583
Zusammenfassung, Einordnung und Ausblick583
Das Waldsterben: Modernes Umweltproblem und die Vereinigung von Gegensätzen592
Ökologische Modernisierung als Ergebnis604
Anhang607
Abkürzungsverzeichnis607
Quellen613
Literatur und veröffentlichte Quellen617

»"Erst Stirbt der Wald dann du" - ist eine aufschlussreiche Mentalitätsgeschichte der bundesdeutschen 70er und 80er Jahre.«, MDR Figaro, 25.11.2015»Ein wichtiger Beitrag zum expandierenden Forschungsfeld der Umweltzeitgeschichte.«, H-Soz-Kult, 02.09.2015

»"Erst Stirbt der Wald dann du" - ist eine aufschlussreiche Mentalitätsgeschichte der bundesdeutschen 70er und 80er Jahre.«, MDR Figaro, 25.11.2015

»Ein wichtiger Beitrag zum expandierenden Forschungsfeld der Umweltzeitgeschichte.«, H-Soz-Kult, 02.09.2015

Einleitung
"Hochschwarzwald, 15. September 2010: Der Revierförster, zwei Beamte des Bundesumweltministeriums, Bestandsaufnahme im Schadensgebiet 4, Sankt Blasien: Schadstufe 4, abgestorben." Zu sehen ist eine Fläche, die größtenteils mit Gräsern und einigen niedrigen Sträuchern bewachsen ist. Vereinzelt stehen Nadelbäume herum. Ihre Kronen sind schütter und licht, sie bestehen aus nur wenigen Zweigen und Nadeln. Auf dem Boden verstreut liegt trockenes Geäst. Langsam hebt sich die Kamera in einige Meter Höhe. Im Luftbild ist das große Ausmaß dieser steppenartigen Fläche zu erkennen. "Die Fakten: Im Schwarzwald, in den Alpen, im Bayerischen Wald, im Fichtelgebirge, im Odenwald - überall die gleichen Bilder: Schadstufe 3 - schwerkrank, Schadstufe 4 - tot. Oberhalb 600 Meter wird abgeholzt, zu retten ist da nichts mehr. Und je nach Lage: Endzustand auch in den Tälern."
So beginnt die Doku-Fiktion Kahlschlag - Der Waldreport 2010 von Joachim Faulstich (Hessischer Rundfunk, 1989), in der mit damals neuester Bildbearbeitungstechnik eine ökologische Zukunftsvision des Jahres 2010 entworfen und mit dem Zustand von 1989 verglichen wird. Die Bilder bringen eine pessimistische Zukunftserwartung zum Ausdruck: Die Wälder in den westdeutschen Mittelgebirgen würden 2010 weitgehend abgestorben sein, Bauernhöfe verlassen, Erdrutsche und Lawinen würden folgen. Wiederaufforstung wäre ein äußerst schwieriges Unterfangen, weil die Böden so stark versauert wären, dass junge Bäume kaum wachsen könnten.
Dieses Katastrophenszenario stellte den Kern der Waldsterbensdebatte der 1980er Jahre dar. Demzufolge drohte der Wald innerhalb weniger Jahre komplett abzusterben, sofern nicht die den Sauren Regen verursachenden Abgase aus Industrie, Kraftwerken und Verkehr maßgeblich reduziert würden. Diese Warnung äußerten Forstwissenschaftler erstmals um 1980 und lösten damit eine der größten und intensivsten Umweltdebatten der deutschen Geschichte aus. In kurzer Zeit avancierte das Waldsterben zum "Umweltproblem Nr. 1": Es war zwischen 1981 und 1986 in Presse und Rundfunk omnipräsent, wurde zum Gegenstand von massenhaft publizierten populärwissenschaftlichen Schriften, von Wahlkämpfen und spek-takulären Protestaktionen.
Zwar hatte eine breitere umweltpolitische Aktivierung in der Bundesrepublik spätestens in den 1970er Jahren eingesetzt. Aber anders als etwa die Diskussionen um die Nutzung der Atomenergie oder die Auswirkungen der chemischen Industrie in den 1970er Jahren, die äußerst kontrovers verliefen, die die Gesellschaft in Befürworter und Gegner spalteten und die teils gewalttätig ausgetragen wurden, bot das Waldsterben quer durch soziale Milieus und politische Lager vielfältige Anknüpfungspunkte. Führende Wissenschaftler, Forstleute, linke Umwelt- und konservative Naturschützer sorgten sich Anfang der 1980er Jahre ebenso um den Fortbestand des Waldes wie Bundeskanzler Helmut Kohl und die erste grüne Bundestagsfraktion. Dabei befürchteten viele Bundesbürger nicht nur das großflächige Absterben des Waldes, sondern betrachteten es als Ausdruck einer umfassenden Umweltkrise, die in ihrer Konsequenz auch die menschliche Existenz bedrohte. "Erst stirbt der Wald, dann der Mensch" war ein verbreitetes Schlagwort in den 1980er Jahren, das diese Besorgnis ausdrückte. Auch von einem "ökologischen Hiroshima", ja einem "ökologischen Holocaust" war die Rede. Dieser emotional und moralisch aufgeladene Katastrophendiskurs setzte gesellschaftlich und politisch viel in Gang: Die seit Oktober 1982 amtierende Bundesregierung, eine Koalition von CDU/CSU und FDP, verabschiedete unter dem großen Druck der Öffentlichkeit ein um-fangreiches "Aktionsprogramm" zur Rettung des Waldes. Als wirkungsvoll und wegweisend erwiesen sich die in dieser Zeit eingeleiteten nationalen und europäischen Regelungen zur Verminderung der Luftverschmutzung. Aber auch die großzügige Förderung der forstwissenschaftlichen Forschung oder die regelmäßige und systematische Beobachtu

Erscheint lt. Verlag 2.4.2015
Zusatzinfo 6 Abb. größtenteils in s/w
Verlagsort Frankfurt
Sprache deutsch
Maße 141 x 213 mm
Gewicht 830 g
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Zeitgeschichte
Naturwissenschaften Biologie Ökologie / Naturschutz
Schlagworte Deutschland • Forstwissenschaft • Katastrophe • Kohl,Helmut • Luftverschmutzung • Medienhysterie • Preis der Monika-Glettler-Stiftung • Umweltdebatte • Umweltpolitik • Umweltschutz • Wald • Waldsterben • Westdeutschland • Zeitgeschichte
ISBN-10 3-593-50092-2 / 3593500922
ISBN-13 978-3-593-50092-8 / 9783593500928
Zustand Neuware
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