Verlust der Selbst-Grenzen (eBook)

Entwurf einer interdisziplinären Theorie der Schizophrenie
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2005 | 2005
X, 146 Seiten
Springer Wien (Verlag)
978-3-211-27189-6 (ISBN)

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Verlust der Selbst-Grenzen - Bernhard Mitterauer
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Die Entstehungsbedingungen der Schizophrenie, einer meist chronisch verlaufenden psychobiologischen Erkrankung, unter der mindestens 1% der Weltbevölkerung leidet, sind trotz intensiver Forschungen nach wie vor unbekannt. Die vorliegende Monographie legt ein Erklärungsmodell der Schizophrenie vor, wobei sich die molekulare Hypothese auf die Störung der Hirnfunktionen übertragen lässt und davon die schizophrenen Symptome sowie das Wirklichkeitserleben dieser Patienten abgeleitet werden kann. Ferner kann die Theorie des Verlustes der Selbstgrenzen zumindest auf der molekularen Ebene experimentell überprüft werden. Zum besseren Verständnis des schizophrenen Wirklichkeitserlebens wird der Verlust der Selbstgrenzen auch durch psychologische, physiktheoretische, philosophische, kommunikationstheoretische und psychologische Konzepte erklärt. Besonders beeindruckend sind die Fallbeispiele. Da die Theorie experimentell überprüfbar ist, ist ein völlig neuer Ansatz der Behandlung der Schizophrenie möglich.

Danksagung 7
Inhaltsverzeichnis 9
Einführung in die Thematik 11
Theorie des Verlustes der Selbst-Grenzen in der Schizophrenie 15
Das Konzept des Selbst 23
Verlust der Selbst-Grenzen 27
Biologische Hypothesen 27
Einführende Bemerkungen 27
Molekulare Hypothese 28
Modell der tripartiten Synapse –Synaptische Hypothese 31
Unbalancierte tripartite Synapsen als pathophysiologisches Modell der Schizophrenie 39
Verlust der glialen Grenzen setzenden Funktion – Zelluläre Hypothese 43
Die Grenzen setzende Funktion des glialen Systems in seiner Interaktion mit dem neuronalen System 43
Verlust der glialen Grenzen setzenden Funktion in neuronalen Netzwerken 47
Verlust der begrifflichen Grenzen in der schizophrenen Symptomatik 51
Das schizophrene Zeiterleben Philosophische Hypothese 55
Verlust der Selbst-Grenzen –Panpsychismus und Doppelgängertum 58
Wahn ist totale Eigenbeziehung –Kommunikative Hypothese 63
Mythos der wahnhaften Nicht-Machbarkeit menschlicher Begegnung – Narziss und Echo 67
Holismus und „schizophrene“ Todeserlebnisse 73
Klinische Korrelate 77
Interpretation des Verlustes der räumlichen Selbst-Grenzen 77
Interpretation des Verlustes der zeitlichen Selbst-Grenzen 80
Kasuistisches „Beweismaterial“ – Verlust der Selbst-Grenzen 83
Fall 1: Totale wahnhafte Eigenbeziehung (Autoreferenz) 83
Krankheitsverlauf 84
Interpretation 89
Fall 2: Verlust der Selbst-Grenzen, Doppelgängertum und Todeserlebnisse 90
Über sein wahnhaftes Wirklichkeitserleben berichtet der Patient Folgendes: 91
Interpretation 94
Fall 3: Halluzinatorischer Verlust der Selbst-Grenzen und Panpsychismus 97
Lebensgeschichte 97
Interpretation 110
Fall 4: Der Verlust der Selbst-Grenzen als „ewiges Jetzt“ 111
Interpretation 113
Fall 5: Verlust der Selbst-Grenzen als holistischer Größenwahn und Pantheismus 114
Interpretation 117
Fall 6: Dysintentionalität und Schwangerschaftswahn 118
Interpretation 122
Fall 7: Verlust und Wiedergewinn der Selbst-Grenzen 123
Krankheitsverlauf 125
Interpretation 130
Exkurs: Kurt Gödel – Geniale Dysintentionalität und Vergiftungswahn 133
Interpretation 137
Ausblicke 141
Literatur 145

Wahn ist totale Eigenbeziehung – Kommunikative Hypothese (S. 53-55)

Wenngleich man mit Schizophrenen, wenn sie keine schwere Denkstörung haben und neuroleptisch gut eingestellt sind, durchaus sinnvolle Alltagsgespräche führen kann, so ändert sich diese Situation radikal, wenn man über ihre Wahnwelt spricht. Auch hier geht es um eine Störung der Selbst-Grenzen, jedoch unter der Perspektive der zwischenmenschlichen Kommunikation. In anderen Worten: Wodurch kommt es zur „Scheinbegegnung" mit wahnhaften Patienten? Conrad (1958) hat eine Typologie der Wahnphänomene vorgeschlagen, welche durch die graduelle Bewusstheit der Eigenbeziehung gekennzeichnet ist. Aus kommunikativer Perspektive ist Wahn eine Störung der menschlichen Begegnung (Matussek 1963), welche auf eine totale Eigenbeziehung zurückzuführen sein könnte.

Betrachten wir zunächst die ungestörte Kommunikationsfähigkeit eines menschlichen Gehirns oder unseres „psychischen Apparates" (Freud 1969). Nach Freud hat der psychische Apparat eine tripartite Zusammensetzung, nämlich das Es, das Überich und das Ich. Eine derartige Dreiteilung wurde bereits vom deutschen Idealismus (Fichte, Hegel) vorgenommen, wobei Fichte vom Es, Du und Ich spricht. Günther (1971) hat den dreifachen Reflexionsbegriff von Hegel in systemtheoretische Sprache gefasst und spricht von Autoreferenz, Heteroreferenz und Selbstreferenz, wobei wir der Selbstreferenz das Ich, der Heteroreferenz das Du und der Autoreferenz das Es zugeordnet haben (Pritz und Mitterauer 1977, Mitterauer 1980, Mitterauer und Pritz 1980).

Ganz einfach ausgedrückt, muss es eine rein körperliche Funktion geben, die alle unsere Organe in sich und untereinander zusammenhält, Autoreferenz oder Eigenbeziehung genannt. Diese Eigenbeziehung muss aber apparativ derart ausgestattet sein, dass sie die Beziehungen zu den Subjekten und Objekten der Umwelt ermöglicht, Heteroreferenz genannt. Auf der höchsten Ebene des Selbst muss es ebenfalls eine Funktion geben, welche sowohl die Autoreferenz als auch die Heteroreferenz so integriert, dass ein Ichbzw. Selbst-Bewußtsein entstehen kann, Selbstreferenz genannt. Hier handelt es sich um eine „mysteriöse", naturwissenschaftlich schwer zugängliche Funktion, welche vor allem die Kybernetik zu „entmythologisieren" versucht (von Foerster 1960).

Das bahnbrechende eines dreigeteilten Strukturmodelles liegt in seiner mehrwertigen (mehrörtlichen) Konzeption. Das heißt, dass wir nicht einfach den Bereich der Selbstreferenz schlechthin und einer Heteroreferenz schlechthin und damit Zweiwertigkeit haben, sondern dass diese Beziehungen ontologisch differenziert sind. Ein derartiges Strukturmodell ist in seiner Grundkonzeption ontologisch dreiwertig. Es stellt sich nämlich in drei autonomen Beziehungsbereichen dar: Das Es bedeutet reine Eigenbeziehung (Autoreferenz), das Du (Freud’sches Überich) drückt reine Beziehung zur Umwelt (Heteroreferenz) aus, das Ich aber ist Selbstbeziehung in dem Sinne, dass es zwischen Autoreferenz (Es) und Heteroreferenz (Du) vermittelt.

Aus biologischer Sicht steht jedoch die Autoreferenz (Eigenbeziehung) im Brennpunkt des Interesses, da sich die Störungen dieser körperlichen Funktion auf die zwischenmenschliche Begegnung auswirken können, was wir beim Wahn annehmen. Zum besseren Verständnis worin die totale Eigenbeziehung beim Wahn eigentlich besteht, sind einige ontologische Erklärungen unumgänglich. Autoreferenz (Eigenbeziehung) ist die Beziehung zwischen verschiedenen Elementen, die zu ein- und demselben ontologischen Ort gehören. Autoreferenz kennt also entweder nur einen ontologischen Ort schlechthin (Sein) oder keinen ontologischen Ort (Nichts), eine dritte Möglichkeit im Sinne mehrerer nebeneinander bestehender ontologischer Orte (Seinsbereiche) ist ausgeschlossen. Im Bereiche der Autoreferenz gilt also ausschließlich die zweiwertige „Entweder-Oder-Logik". Die Regulation dieser Eigenbeziehung kann mit den logischen Operatoren der Position (ja) und Negation (nein) beschrieben werden.

Erscheint lt. Verlag 18.6.2005
Zusatzinfo X, 146 S. Mit zahlreichen Abb..
Verlagsort Vienna
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Persönlichkeitsstörungen
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Naturwissenschaften Biologie
Technik
Schlagworte Experiment • Experimente • Forschung • Glia • Informationsübertragung • Neuronale Netzwerke • Neurotransmitter • Psychose • Schizophrene • Schizophrenie • Wahn • Wirklichkeitserleben
ISBN-10 3-211-27189-9 / 3211271899
ISBN-13 978-3-211-27189-6 / 9783211271896
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