Hospizbewegung in Deutschland und den Niederlanden
Campus (Verlag)
978-3-593-38362-0 (ISBN)
Die Hospizbewegung und der Umgang mit dem Thema Sterbebegleitung haben sich in Deutschland und den Niederlanden unterschiedlich entwickelt. Das liegt einerseits an den jeweiligen Gesundheitssystemen und der sozialpolitischen Haltung, andererseits an unterschiedlichen Einstellungen zur Sterbehilfe. Mit ihrem Vergleich der Hospizbewegungen in beiden Ländern leistet Isabella Jordan einen wichtigen Beitrag zur Debatte um die Sterbehilfe.
Isabella Jordan, Dr. phil., promovierte am Institut für Politische Wissenschaften der Universität Hannover. Sie ist Mitarbeiterin im Projekt »Zeitgeschichte der Medizinund Bioethik« an der Medizinischen Hochschule Hannover.
Inhalt
Vorwort
1Einleitung
1.1Problemlage
1.2Forschungsfrage
1.3Gliederung
1.4Begriffsbestimmungen
2Forschungsstand, Methodik und Quellen
2.1Sozialwissenschaftliche Forschung zur deutschen Hospiz- und zur niederländischen Palliative Care-Bewegung
2.2Methodik: Hospiz und Palliative Care als Soziale Bewegungen
2.3Materialauswahl und Auswertungsmethode
3Deutsche und niederländische Hospizbewegung (1970-1990): Ausgangslage, Entwicklung und Sterbehilfe-Diskurs
3.1Historische Ursprünge der Hospizidee
3.2Die moderne Hospizidee
3.3Die Adaption der Hospizidee in Deutschland und in den Niederlanden
3.4Medizinisch assistierte Tötung: Diskurs und Praxis
3.5Fazit
4Entwicklung der deutschen Hospizbewegung seit 1990
4.1Kritik an den Umständen des Sterbens von Menschen
4.2Versorgungsmodelle der Hospizarbeit
4.3Finanzierung der Hospizarbeit
4.4Integration der Hospizbewegung in das Gesundheitssystem
4.5Hospiz als Gegenbewegung zur Sterbehilfe
4.6Selbstbestimmung in einer Situation ohne Wahlfreiheit
4.7Fazit
5Entwicklung der niederländischen Palliative Care seit 1990
5.1Motivationsaspekte der Palliative Care-Bewegung
5.2Netzwerkgründungen und Regierungsinitiativen
5.3Gründungen von High Care-Hospizen und bijna thuis huizen
5.4Definitionen der Einrichtungen und Arbeitsformen
5.5Pflegequalität in der Palliative Care
5.6Finanzierung der Hospizarbeit
5.7Spezifisch-niederländische Einflüsse auf medizinische Entscheidungen am Lebensende
5.8Wirkung der Euthanasiepolitik auf die Entwicklung der Palliative Care
5.9Ziele der Regierung, High Care-Hospize, bijna thuis huizen und Freiwilligen-Organisationen
5.10Mobilisierungsstrategien
5.11 Fazit
6Ergebnisse und Schlussfolgerungen
6.1Mobilisierungsweisen und ihre Entschlüsselung
6.2Unterschiede im Verlauf der deutschen Hospizbewegung und der niederländischen Palliative Care-Bewegung
6.3Einflüsse auf die Entwicklungen der Bewegungen im Vergleich
6.4Schlussfolgerungen
7Abkürzungen
8Quellen
8.1Literatur
8.2Gesetze und Richtlinien
8.3Liste der Interviewpartner
9Anhang
9.1Schutz der Menschenrechte und der Würde der Todkranken und Sterbenden: Empfehlung 1418 des Europarates (Parlamentarische Versammlung)
9.2Gesetz über die Überprüfung von Lebensbeendigung auf Verlangen und Hilfe bei der Selbsttötung (Wet toetsing levensbeëindiging op verzoek en hulp bij zelfdoding); kurz: Euthanasiegesetz
9.3Kennzeichen und Anzahl niederländischer Palliative Care-Einrichtungen
9.4Palliative Care-Standpunkte zur Euthanasie
9.5Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz zur Gesetzgebung über aktive Sterbehilfe in den Niederlanden: Aktive Lebenshilfe statt aktiver Sterbehilfe
9.6Hospiz Landesarbeitsgemeinschaft Niedersachsen e.V.: Stellungnahme zur assistierten Selbsttötung. 10 Thesen
9.7Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz (BAG Hospiz): Ambulante Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland muss verbessert werden
9.8SGB V § 39a: Stationäre und ambulante Hospizleistungen
10 Register
In den vergangenen Jahrzehnten ist in unserer Gesellschaft über den Themenbereich Sterblichkeit, insbesondere über Sterbehilfe und Sterbebegleitung, viel diskutiert, politisch debattiert und publiziert worden. Oft wurden dabei die sozialpolitischen Entwicklungen zweier europäischer Nachbarländer, Deutschland und Niederlande, verglichen, denn in den Niederlanden wurde mit der Verabschiedung des Gesetz über die Überprüfung von Lebensbeendigung auf Verlangen und Hilfe bei der Selbsttötung (Wet toetsing levensbeëindiging op verzoek en hulp bij zelfdoding) im April 2001 - im Folgenden Euthanasiegesetz - ein ungewöhnlicher Weg eingeschlagen. Vor diesem Hintergrund wurden und werden immer noch Überlegungen darüber angestellt, ob nicht auch in Deutschland der seit Jahren geführte Diskurs über Sterbehilfe in einer Gesetzesänderung münden sollte, nach der Sterbehilfe unter bestimmten Umständen und unter Berücksichtigung festgelegter Sorgfaltskriterien nicht bestraft werden müsse. Andererseits hatte die niederländische Liberalisierung der Euthanasie eine starke Kritik auch in Deutschland zur Folge, die sich vor allem in der Befürchtung einer Schiefen Ebene durch das Abweichen vom absoluten Tötungsverbot ausdrückte. Wie ist es zu dieser öffentlichen Debatte über den Umgang mit der Sterbehilfe gekommen? Seit Ende der 1960er Jahre wurden bis dahin eher private Themen zu öffentlichen Themen: Mit einer neuen Definition des Todes nach dem Hirntodkonzept, neuen medizinischen Möglichkeiten wie der Organtransplantation und der Intensivmedizin, mit der Virusinfektion und Krankheit AIDS fiel immer stärker auch das Sterben von Menschen in medizinische Kontexte. In den Medien bekam die Auseinandersetzung mit dem Themenbereich Tod und Sterben einen zunehmend höheren Stellenwert. Manche vermuten daher, dass es sich - zumindest teilweise - um medizin-gemachte Themen handele. Obwohl es eigentlich juristische Fragen sind, die sich an Probleme um Sterbehilfe und Sterbebegleitung anknüpfen, soll seit den 1970er Jahren auch durch Angebote der Medizin auf den gesellschaftlichen und individuellen Umgang mit Sterbehilfe und Sterbebegleitung eine Antwort gefunden werden. Einfluss auf soziale und medizinethische Fragen rund um das Lebensende nehmen dabei auch ökonomische Überlegungen, spätestens seit über notwendige Reformen wegen der Kostenexplosion im Gesundheitswesen gesprochen wird. Medizinethische Fragen fokussieren einerseits auf den Umgang mit Sterbenden, zunehmend aber auch auf die menschliche Sterblichkeit, wie sich in Debatten zum Enhancement, Anti-Aging bis hin zu Utopien über Unsterblichkeit verdeutlicht. Dass es bei diesen Auseinandersetzungen um Sterblichkeit letztlich auch um Formen geht, der Angst vor der Unkontrollierbarkeit des Sterbens etwas entgegen setzen zu wollen - man kann dies auch als Versuch betrachten, dem Sterben vorzubeugen, es präventiv gestalten zu wollen - ist eine Hypothese und ein weiterer Forschungsausblick. In dieser Arbeit liegt dem Diskurs über soziale und medizinische Umgangsweisen am Lebensende das Verständnis zugrunde, dass Menschen den Wunsch nach dem Sterben äußern, weil sie Schmerzen haben oder aus anderen Gründen so nicht mehr weiterleben wollen. Jedoch geht es in diesem Diskurs auch um Sterbewünsche aus anderen Gründen. Dies veranschaulicht die folgende authentische Situation, die mir vor einigen Jahren berichtet wurde: Eine noch sehr selbständige und lebenslustige alte Dame, die einen eigenständigen Haushalt geführt hatte, war in ein Pflegeheim umgezogen und hatte große Schwierigkeiten, sich in die neuen Lebensumstände einzugewöhnen. Sie bedauerte den Verlust an Eigenständigkeit, an ihrem eigenen Zuhause und hatte Probleme damit, nur noch mit alten oder kranken Menschen konfrontiert zu werden und auch damit, dass regelmäßig Mitbewohner des Pflegeheimes starben. In manchen Momenten fragte sie in den ersten Wochen danach, ob es nicht möglich wäre, ihr Zyankali zu besorgen, weil sie so nicht mehr weiterleben wolle. Sie hatte gehört, dass es mittlerweile Vereine gäbe, die Menschen helfen könnten, die nicht mehr leben wollten. Eines Tages lernte die alte Dame im Pflegeheim einen älteren Herrn kennen. Sie unternahmen gemeinsame Ausflüge und verstanden sich gut. Mit dieser Bekanntschaft änderte sich die Situation der alten Dame. Sie wurde wieder zufrieden und wollte weiterleben. Nach der Möglichkeit, ihr Zyankali zu besorgen, fragte sie nicht mehr. Dieser authentische Bericht hatte mich nachdenklich gemacht, weil er für viele reale Situationen steht, aber auch teilweise den in der Debatte diskutierten Problemen, die zum Nachdenken über Hospizarbeit und Palliative Care geführt haben, entspricht. Ein älterer Mensch verliert seine Selbständigkeit und gewohnte Umgebung und ist dadurch plötzlich des Lebens leid. Als er wieder Zuwendung erfährt und an einem gewohnten Leben teilhaben kann, verändert sich die Gemütslage und er möchte weiterleben. Auch wenn vorausgesetzt ist, dass es Gründe für den Sterbewunsch geben kann, die von jedem Menschen individuell empfunden werden, so ist die beschriebene Szene ein Sinnbild für folgende Frage, die anleitend für meine Untersuchung in dieser Arbeit war: Was sind - neben den genannten - die Gründe, die alte und kranke Menschen nicht mehr leben lassen wollen, und wie wird ihnen in unserer Gesellschaft begegnet?
Erscheint lt. Verlag | 25.6.2007 |
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Reihe/Serie | Kultur der Medizin ; 22 |
Verlagsort | Frankfurt |
Sprache | deutsch |
Maße | 141 x 213 mm |
Gewicht | 355 g |
Themenwelt | Studium ► 1. Studienabschnitt (Vorklinik) ► Med. Psychologie / Soziologie |
Schlagworte | Deutschland • HC/Medizin/Nichtklinische Fächer • Hospiz • Hospizarbeit • Hospizbewegung • Niederlande • Niederlande / Holland • Palliative Care • Palliativmedizin • Sterbebetreuung |
ISBN-10 | 3-593-38362-4 / 3593383624 |
ISBN-13 | 978-3-593-38362-0 / 9783593383620 |
Zustand | Neuware |
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