Behaviorale und psychische Symptome der Demenz (BPSD) (eBook)

Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
272 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-76337-8 (ISBN)

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Behaviorale und psychische Symptome der Demenz (BPSD) -
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Wegweisende Empfehlungen für interprofessionelle evidenzbasierte Maßnahmen Viele an Demenz erkrankte Personen entwickeln neben den kognitiven Beeinträchtigungen auch psychiatrische Symptome, welche unter dem Oberbegriff BPSD zusammengefasst sind. Verhaltensbezogene und psychische Symptome können von funktionellen Veränderungen im Zusammenhang mit der Demenz herrühren:  - Verminderte Hemmung der unangemessenen Verhaltensweisen (z.B. Entkleiden an öffentlichen Orten), - Depression, Affektlabilität, Reizbarkeit, psychotische Symptome (z. B. Wahn, Halluzinationen),  - psychomotorische Symptome (z. B. Bewegungsdrang, Agitation, Aggressivität, Apathie)  - vegetative und zirkadiane Störungen, welche sich oft als Tagesschläfrigkeit kombiniert mit nächtlicher Unruhe manifestieren. Der zunehmende Unterstützungsbedarf stellt auch für Betreuende eine enorme Belastung dar. Diese Empfehlungen sind das Resultat einer interdisziplinären Zusammenarbeit und sollen dabei helfen, die Vielfalt von Symptomen und Therapieansätzen zu verstehen und mit ihnen umzugehen. Der Fokus liegt hierbei auf Diagnostik und Therapie, mit Schwerpunkt auf nicht-pharmakologische Ansätze. Das Manual bietet damit einen umfassenden Einblick in die evidenzbasierten Interventionsmöglichkeiten für eine hochkomplexe und vulnerable Patientengruppe.  Es dient als wertvolles Instrument für Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen, um den aktuellen Stand der Behandlung von Verhaltens- und psychischen Symptomen bei Demenz darzustellen und die interprofessionelle Zusammenarbeit zu fördern und die Versorgung älterer Menschen mit psychischen Erkrankungen zu verbessern.

|13|1  Einführung


Dan Georgescu

Die erste Auflage der Therapieempfehlungen für die verhaltensbezogenen und psychischen Symptome der Demenz („behavioral and psychological symptoms of dementia“, BPSD) wurde 2014 veröffentlicht [1, 2]. In den darauffolgenden Jahren wurden weitere Guidelines zur Demenz entwickelt, wobei die Nationale Demenzstrategie der Schweiz 2014–2019 ein wichtiger Katalysator war für die Entwicklung von Konzepten und Standards für verschiedene Aspekte der Versorgung von Menschen mit Demenzerkrankungen [3–6]. Unter der Federführung der Schweizerischen Gesellschaft für Alterspsychiatrie und -psychotherapie (SGAP) wurden darüber hinaus in kurzer Folge auch weitere evidenzbasierte Empfehlungen zu alters- und neuropsychiatrischen Erkrankungen publiziert [7–14]. Besonders hervorzuheben ist, dass die Empfehlungen interdisziplinär und interprofessionell – teilweise auch unter Beteiligung der Patientenorganisationen – erarbeitet wurden. Dies widerspiegelt die Komplexität der Materie und die entsprechend vielfältigen Betrachtungs- und Herangehensweisen. Neben der Berücksichtigung der wissenschaftlichen Evidenz ist die Inklusion einer möglichst breiten Basis von Stakeholdern (verschiedene Professionen und Fachdisziplinen, Alzheimer Schweiz u. a.) Voraussetzung für eine hohe Ergebnisqualität. Nicht zuletzt waren die Diagnostik und/oder Behandlung der Demenz auch Gegenstand weiterer Empfehlungen mit Fokus auf Pflegeheimbetreuung [15–17] und hausärztliche Grundversorgung [18, 19] bzw. Health Technology Assessments (HTAs) im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit und aus Perspektive des „health care payer“ [20, 21].

Diese konsequente Entwicklung von Guidelines der letzten Jahre ist Ausdruck der stets gestiegenen Anforderungen an die Behandlungsqualität. Guidelines ergänzen die weiteren Qualitätsstandards, -konzepte, -regulierungen und -strategien, die von verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens (Schweizerisches Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung [SIWF], kantonale Gesundheitsdirektionen, Spitalverband Hplus, SwissDRG, Nationaler Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken [ANQ] u. a.) im Rahmen von Messungen, Zulassungen, Anerkennungen oder Aufnahmen gefördert oder gefordert werden [22].

1.1  BPSD und ihre Folgen für Menschen mit Demenz und ihre Betreuer


Viele an Demenz erkrankte Personen entwickeln im Krankheitsverlauf neben den kognitiven Beeinträchtigungen auch neuropsychiatrische Symptome, welche unter dem Oberbegriff BPSD zusammengefasst sind. Dieses subsummierende Konzept und Akronym wurde von der International Psychogeriatric Association im Jahr 1996 eingeführt und von der American Psychiatric Association im Jahr 2000 im DSM-IV-TR aufgenommen. Zuvor wurden in der englischsprachigen Literatur zumeist Begriffe wie „neuropsychiatric symptoms“ oder „non-cognitive symptoms“ verwendet. Die ätiologisch |14|und phänomenologisch sehr heterogen zusammengesetzten BPSD umfassen affektive (z. B. Depression, Affektlabilität, Reizbarkeit), psychotische (z. B. Wahn, Halluzinationen) und psychomotorische Symptome (z. B. Bewegungsdrang, Agitation, Aggressivität, Apathie) sowie vegetative und zirkadiane Störungen, welche sich oft als Tagesschläfrigkeit kombiniert mit nächtlicher Unruhe manifestieren.

Die Entwicklung von BPSD – fast immer sind es mehrere Symptome – ist der Hauptfaktor für den schnelleren kognitiven Abbau [23] und die zunehmende Belastung der Betroffenen [24, 25] sowie die Verschlechterung ihrer Lebensqualität [26]. Der zunehmende Unterstützungsbedarf bei den Aktivitäten des täglichen Lebens [27], die Verhaltensstörungen und die Persönlichkeitsveränderungen machen den Hauptteil der erlebten Belastung der Betreuungspersonen aus [28–30]. Diese Belastungen führen bei den Betreuenden häufig zu psychischen Störungen, insbesondere zu Depressionen [29, 31, 32]. Sie sind hauptverantwortlich für den Verlust der Autonomie und für die Unterbringung in Pflege- oder Spitaleinrichtungen [33]. In der Schweiz sind dies hauptsächlich Demenzabteilungen in Pflegeheimen bzw. in alterspsychiatrischen Kliniken, vor allem dann, wenn Selbst- oder Fremdgefährdung im Vordergrund stehen.

Demzufolge richten sich vorliegende Guidelines in erster Linie an das Fachpersonal, welches im Demenzbereich tätig ist, darüber hinaus aber auch an weitere interessierte Kreise. Die alleinige Kenntnis der Empfehlungen reicht allerdings für deren Umsetzung nicht aus, daneben sollten die Institutionen noch weitere Bedingungen erfüllen. Die Klinik oder das Pflegeheim sollte über die dafür notwendige personelle Ausstattung hinsichtlich des Personalschlüssels und der Qualifikation der Mitarbeitenden sowie die erforderliche Infrastruktur verfügen (demenzspezifische, barrierefreie Einrichtung, welche die Mobilität, die Aktivierung, die Teilhabe und die Orientierung fördert). Zusätzlich sollte ein spezifisches Behandlungs- und Betreuungskonzept für BPSD existieren, welches neben den vorliegenden Empfehlungen auch die anderen relevanten Richt- und Leitlinien berücksichtigt [17, 22, 34].

Die Behandlung und Betreuung der BPSD kann sich in der Schweiz auf ein als vollständig zu bezeichnendes Leitlinienportfolio abstützen, in dessen Rahmen die vorliegenden Therapieempfehlungen einen wichtigen Platz einnehmen.

1.2  Methodik der Entwicklung der Therapieempfehlungen


Es ist Aufgabe und Ziel der Autorinnen und Autoren gewesen, breit abgestützte und evidenzbasierte Leitlinien oder Therapieempfehlungen zu erarbeiten und dadurch den aktuellen medizinischen Standard wiederzugeben. Die angestrebte Evidenzbasierung erstreckt sich neben der Medizin auch auf die Pflege („evidence-based nursing and caring“, EBN) und die anderen hier involvierten Fachgebiete. Nicht immer besteht jedoch eine ausreichende externe Evidenzlage, welche sämtliche Kriterien sensu stricto erfüllt, zumal für die Erforschung zahlreicher Arzneimittel kaum finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, weswegen die evidenzbasierte Medizin teilweise zur „finance based medicine“ wurde [35]. Mangels neuer Zulassungen für Arzneimittel für die Demenzbehandlung seit etwa 20–25 Jahren ist es zwingend, die Evidenzlage durch Konsensusempfehlungen der Expertinnen und Experten zu ergänzen, um eine angemessene Grundlage für die Behandlung der Menschen mit BPSD zu schaffen. Neben den medizinischen und rechtlichen Aspekten beinhaltet dieser Ansatz auch eine ethische Dimension, denn es geht im Kern auch um den fairen Zugang zu den Arzneimitteln [36]. Aus Sicht der Schweizerischen Vereinigung der Forschungsethikkommissionen (swissethics) sind die Fälle, in denen es zwar wissenschaftliche und klinische Belege für Nutzen und Wirksamkeit einer Therapie gibt, es aber an ausreichender, |15|mit randomisiert-kontrollierten Studien (RCT) belegter Evidenz mangelt, mit Blick auf das Vermeiden einer Ungleichbehandlung differenziert zu betrachten. Ziel ist die Gleichbehandlung, denn diese soll durch eine auch ethisch abgestützte Abwägung anhand ausgewogener Kriterien und in einem fairen Entscheidungsprozess erreicht werden [36]. In Anlehnung an das von swissethics im Rahmen der zur Vernehmlassung vorgelegten Revision der „Verordnung über die Krankenversicherung“ (KVV) vorgeschlagene Expertenboard bezweckt das Autorengremium der vorliegenden Empfehlungen, allen Dimensionen und Problembereichen Rechnung zu tragen, um die bestmögliche Diagnostik, Behandlung und Betreuung der Menschen mit BPSD zu ermöglichen.

1.3  Besondere Herausforderung Psychopharmakotherapie


Eine besonders herausfordernde Aufgabe stellte sich im Zusammenhang mit den empfohlenen medikamentösen Behandlungsansätzen. Denn es besteht eine Diskrepanz zwischen der klinischen Verschreibungspraxis infolge der „Alltagsevidenz“ und der offiziellen Zulassung. Ein Beispiel dafür ist der breite Einsatz von Quetiapin in der Behandlung von Agitation, Aggressivität oder psychotischen Symptomen bei Demenz, was sowohl in Fachzeitschriften [37] als auch in den Medien [38, 39] kritisiert wurde. Dabei wurde sowohl der Umfang der...

Erscheint lt. Verlag 23.9.2024
Zusatzinfo 7 Abbildungen
Verlagsort Bern
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Altersmedizin • Gerontologie • Psychomotorik
ISBN-10 3-456-76337-9 / 3456763379
ISBN-13 978-3-456-76337-8 / 9783456763378
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