Kostbare Grünbraunblau Gesprenkelte Sterne ─ Liebeserklärungen an den Körper
Diametric (Verlag)
978-3-938580-07-3 (ISBN)
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Lili Stollowsky, als Hebamme mit dem Wunder des Lebens und als Krankenschwester mit dem Mysterium des Todes vertraut, führt in ihrem poetischen Anatomiebuch liebevoll erzählt durch die phantastische Funktionalität unseres Körpers, die uns oft so selbstverständlich geworden ist, und vermittelt dabei humorvoll ein medizinisches Verständnis vom komplexen Zusammenspiel der körpereigenen Systeme.
(Auszug) Hätten wir für einen Augenblick die Größe eines Staubkorns und fielen in das Innere der Mundhöhle, dann kämen wir an einen wahrhaft schreckenerregenden Ort. Ein riesiger glitschiger Muskel würde sich unser bemächtigen und unnachgiebig gegen eine harte Knochenwand drücken. Eine waffenstarrende schneeweiße Festung käme bedrohlich nahe, um uns genüsslich zu zerknacken und in endlos mahlenden Bewegungen zu zerhacken. Aus unsichtbaren Öffnungen würde ätzende Flüssigkeit auf uns herabtropfen. In der Ferne ein schwarzer Schlund, dem sauer riechende Dämpfe entstiegen. Bewacht von einem aufrechten Krieger. Da verstecken wir uns lieber hinter einer runden Zungenpapille. Genau zwischen zwei Geschmacksknospen. Es gibt sie für die Geschmacksrichtungen süß und sauer, salzig und bitter. Wir nehmen natürlich die süße Variante. Und dann warten wir, bis sich die Lippen zum Sprechen öffnen und verlassen schnell diesen ungastlichen Ort. Wie gut, dass wir kein Staubkorn sind! Die Mundhöhle ist einer der bestbewachten Eingänge in das Innere des Körpers. Sorgfältig beobachten Lippen, Zunge und Zähne, was diese Pforte passiert. Die Lippen, ausgestattet mit hochsensiblen Nervenzellen, tasten Beschaffenheit, Form und Wärme ab. Eiswürfel oder staubtrockenes Mehl lassen sie ungern in den Mund. Aber andere weiche, warme und zärtliche Lippen fühlen, das mögen sie. Küssen ist sozusagen ihre Lieblingsbeschäftigung. Die Zunge dagegen ist ein richtiger Schlingel. Ein Lecker- und Plappermäulchen. Ohne sie bekämen wir keinen einzigen Buchstaben vernünftig geformt. Bittere Stoffe spuckt sie sofort angewidert aus. Und sie ist ein Angeber. Jedes feine Haar im Mund stilisiert sie zu einer Elefantenborste hoch, und wenn wir uns konzentrieren, kommt sie neugierig hervor, um nachzuschauen, was es da Interessantes zu lernen gibt. Auch beim Küssen. Die Zähne, die mit ihren Wurzeln im Kieferknochen verankert sind und mit dem Gewicht einer Lokomotive zubeißen können, halten sich hier zurück, denn ein klappernder Zusammenprall zwischen Zahnbein, Zement und festem Zahnschmelz, der härtesten Substanz des Körpers, würde jedes erotische Gefühl abrupt beenden. Die Zähne sind ohnehin mehr für das Praktische. Acht Schneidezähne zerstückeln, vier Eckzähne zerreißen, acht Backenzähne zerkauen und die zwölf Mahlzähne zermahlen unermüdlich alles Essbare, was ihnen zwischen die weißen Kronen gerät. Unterstützung erhalten sie von mehreren großen und kleinen Speicheldrüsen. Die Drüsen befeuchten die Nahrung und sondern spezielle Fermente zur Einleitung der Verdauung ab. Beim Duft von leckerem Essen, läuft einem das Wasser im Munde zusammen. Etwa ein bis eineinhalb Liter pro Tag. Aufgeregte Hunde und zahnende Babys haben ihren Speichelfluss nicht so gut unter Kontrolle wie wohlerzogene Erwachsene, die ihre Spucke schlückchenweise in der Speiseröhre verschwinden lassen. Diesen schwarzen Schlund, der das Essen den Weg alles Irdischen schickt und aus dem es kaum eine Wiederkehr gibt. Eine weitere Kontrollstelle vor dem Inneren des Körpers ist der Schluckreflex. Jeder kennt sein Problem mit sperrigen trockenen Tabletten. Gemeinsam mit dem weichen Gaumensegel bewacht das Zäpfchen, wie ein aufrecht stehender Krieger, den Eingang zum Kehlkopf. Gaumensegel und Zäpfchen verschließen bei jeder Schluckbewegung die hintere Rachenwand und verhindern, dass Nahrung in die Luftröhre gerät. Bei der Lautbildung der Buchstaben “g” und “k” kontrahiert das muskulöse Segel und beim Schnarchen flattert es lose im Wind. Die beiden Mandeln, ein Außenposten des Abwehrsystems, vervollständigen die Sicherheitsmaßnahmen, die in der Mundhöhle das Körperinnere schützen. Und kleine Staubkörnchen, die zufällig in der Mundhöhle landen, werden vom lymphatischen Gewebe der Mandeln, einer Art infektabweisendem Filter, sofort wieder nach draußen befördert. Ich wünsche mir weiche sanfte Lippen dem Leben geöffnet nicht schmal gepresst in Ärger und Grimm Ich wünsche mir einen Mund, der staunen kann wie ein Kind und immer jemanden zum Küssen Ich wünsche mir reinigende Spucke und Glück toi – toi – toi Ich wünsche mir eine bewegliche Zunge mit der ich die Wahrheit sagen darf und mich verständlich machen kann Ich wünsche mir bis über die Nasenspitze neugierig zu bleiben Appetit zu behalten und des Lebens Würze zu schmecken mal süß und mal bitter Ich wünsche mir meine Zähne zeigen zu können mein Territorium abzustecken mich durch etwas durchbeißen zu dürfen und keine unverdaulichen Brocken schlucken zu müssen Ich wünsche mir möge Weisheit erwachsen und zuallerletzt wünsche ich mir einen guten Zahnarzt rt seine Knorpelspangen, öffnet die Stimmritze und glättet die erschrockenen Stimmbänder. Nach einigem Räuspern geht das Leben ungestört weiter.
Illustrationen | Jutta Schmitt |
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Zusatzinfo | s/w Abb. der Linolschnitt-Arbeiten von Jutta Schmitt |
Sprache | deutsch |
Maße | 148 x 210 mm |
Gewicht | 265 g |
Einbandart | Paperback |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Entspannung / Meditation / Yoga |
Studium ► 1. Studienabschnitt (Vorklinik) ► Anatomie / Neuroanatomie | |
Schlagworte | Anatomie • Frauenkörper • Gebärmutter • Geburt • Gesundheit • Hardcover, Softcover / Ratgeber/Gesundheit/Entspannung, Yoga, Meditation, Autoge • Hautpflege • HC/Ratgeber/Gesundheit/Sonstiges • Körperachtsamkeit • Körperanatomie • Körperbewusstheit • Körper (menschl.) • Körperpflege • Körpersprache • Körperwahrnehmung • Körperwissen • Liebeserklärung • Liebesgebete • Schilddrüse • Schwangerschaft • Selbstheilung • Sexualität • TB/Ratgeber/Gesundheit/Entspannung, Yoga, Meditation, Autogenes Training |
ISBN-10 | 3-938580-07-0 / 3938580070 |
ISBN-13 | 978-3-938580-07-3 / 9783938580073 |
Zustand | Neuware |
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