Hausarzt 4.0 -  Giovanni Fantacci

Hausarzt 4.0 (eBook)

Ein Plädoyer für die Hausarztmedizin
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
156 Seiten
edition gai saber (Verlag)
978-3-907320-24-2 (ISBN)
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Giovanni Fantacci ist das Kunststück gelungen, seine langjährige Erfahrung als Hausarzt mit seinen Überlegungen zu den verschiedensten Aspekten der Medizin zu einem gut lesbaren und interessanten Buch zu vereinen. Seine Ausführungen geben der Leserin, dem Leser eine fachkundige und umfassende Einführung in folgende Themen: die Geschichte der Medizin, das traditionelle und moderne Verständnis von Krankheit und Gesundheit, die existenziellen Themen Tod und Sterben, die Arzt-Patienten-Beziehung, die Arbeit mit beeinträchtigten Patientinnen und Patienten, die Möglichkeit zur Veränderung unseres Lifestyles. Schließlich geht es auch darum, wie wir Sinn und Zufriedenheit im Leben finden. Der Mensch steht dabei immer im Zentrum des Interesses, dies verbindet Giovanni Fantaccis Arbeit als Hausarzt mit seiner Arbeit als Autor. Das Buch lädt dazu ein, sich selbst Gedanken über die vielschichtigen Aspekte der Medizin zu machen, und bietet eine sehr gute Ausgangsbasis für diejenigen, die vertiefend eine Lektüre der im Buch erwähnten Werke in Angriff nehmen möchten. Giovanni Fantacci stellt seine Gedanken in einer leicht verständlichen Sprache dar und spricht dadurch uns alle an.

Giovanni Fantacci ist 1962 in Zürich geboren, hat hier die Schulen besucht und das Medizinstudium 1989 abgeschlossen. Seine Weiterbildung führte durch verschiedene Spitäler in der Schweiz und Rom, um 1997 in Niederhasli im Kanton Zürich eine Hausarztpraxis zu eröffnen. Von 2008 - 2013 war er Leiter der Ethikkommission im Gesundheitszentrum Dielsdorf. Seit vielen Jahren ist er konsiliarischer Arzt in der Stiftung Vivendra (Stiftung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Beeinträchtigungen) in Dielsdorf.

3. Was Medizin heute kann

Ein 60-jähriger Patient erleidet eine schwere Tumorerkrankung mit einem Melanom (»Schwarzer Hautkrebs«), das bereits verschiedene Ableger (Metastasen) entwickelt hat. Die Spezialisten schätzen die Situation als unheilbar ein und die Partnerin besucht einen Kurs für die palliative Begleitung sterbender Menschen. 2011 kommen völlig neue Therapien auf den Markt (sogenannte Checkpoint-Inhibitoren), die das Immunsystem so modifizieren, dass es die bösartigen Zellen angreift. Der Patient spricht auf die Therapie an und der Tumor wächst nicht mehr weiter. Er lebt seither mit einer guten Lebensqualität und geht jährlich zur Kontrolle. Es werden keine weiteren Rückfälle seiner Tumorkrankheit festgestellt.

3.1. Der Weg zur modernen Medizin

Die Menschen waren schon immer von Krankheiten bedroht und machten sich Gedanken, wie sie den kranken Menschen helfen können. Am Anfang waren es Medizinmänner, die mit ihrem Wissen über Krankheiten und Heilungsmöglichkeiten eine besondere Stellung in der Gesellschaft einnahmen. Sie standen den Kranken mit besonderen Ritualen oder Heilkräutern bei. Das jeweilige Krankheitsverständnis einer Epoche und Kultur bestimmte den Umgang mit Krankheit und damit auch die Heilkunst, die Medizin. Was die Medizin leisten konnte, war und ist in das umfassende Bild dessen eingebettet, wie der Mensch und seine Welt verstanden wurden. Das ist heute nicht anders als vor Tausenden von Jahren.

Der deutsche Arzt, Philosoph und Medizinethiker Giovanni Maio hat in seinem Buch Mittelpunkt Mensch: Lehrbuch der Ethik in der Medizin die Entwicklung zur modernen Medizin eindrücklich beschrieben. Es ist ein Ringen der Menschen von einem spekulativ-mystischen zu einem rationalnaturwissenschaftlichen Ansatz. In der Antike kamen die Krankheiten von den Göttern, weshalb auch die Heilungsansätze in kultischen Handlungen lagen. Mit Hippokrates um 400 v. Christus wurden rationalere Erklärungsmodelle aufgrund von Erfahrung und unmittelbarer Beobachtung wichtiger. Daraus entwickelte sich in der griechischen und römischen Antike die »Vier-Säfte-Lehre«, basierend auf den vier Elementen Luft, Feuer, Erde und Wasser. Luft entspricht dabei dem Blut und Herz, Feuer der gelben Galle und Leber, Erde der schwarzen Galle und Milz, Wasser dem Schleim und Gehirn. Der Makrokosmos aus Luft, Feuer, Erde und Wasser findet hier seinen Niederschlag im Mikrokosmos des Körpers. Dahinter stand in der Antike die Vorstellung, dass die Welt sich in unserem menschlichen Körper widerspiegelt. Es lässt sich von Gesundheit sprechen, wenn ein harmonisches Gleichgewicht der Säfte vorliegt. Gerät dieses Gleichgewicht durcheinander, äußert sich das in Form von Krankheiten. Der bekannte Arzt Galen aus Pergamon (129 – 199 n. Chr.) ordnete den vier Säften Temperamente der Menschen zu: Luft – Sanguiniker, Feuer – Choleriker, Erde – Melancholiker, Wasser – Phlegmatiker.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Sind auch wir manchmal nicht von solchen Vorstellungen über Krankheit und Gesundheit beeinflusst? Krankheit ist für die Medizin der griechischen und römischen Antike wie auch des Mittelalters (z. B. Hildegard von Bingen) nicht das Resultat einer Organschädigung, sondern es liegt eine gestörte Harmonie vor. Die eigene Lebensweise mit ihrem Mikrokosmos steht im Widerspruch zum Makrokosmos der Welt. Dementsprechend lagen die Heilungsansätze in der Wiederherstellung dieser Harmonie mittels Diätetik, worunter nicht nur die bewusste Wahl von Speisen und Getränken gemeint ist, sondern auch die Gestaltung von Arbeit, Ruhe, Schlafen und die Beobachtung der Ausscheidungen. Diese Vorstellungen haben bis heute Bestand: Das aus Indien stammende traditionelle Medizinsystem Ayurveda hat eine ähnliche Sichtweise. Das Universum mit seinen fünf Elementen Äther, Luft, Feuer, Wasser und Erde wird im menschlichen Organismus widergespiegelt. In vielen esoterischen Heilslehren spielt diese Sichtweise ebenfalls eine große Rolle. Die heutige moderne Medizin hat dagegen eine ganz andere Sicht auf Krankheit.

Mit dem zunehmenden Wissen veränderte sich auch die Auffassung von Krankheit, so entdeckte William Harvey (1578 – 1657) den Blutkreislauf. Die Mediziner begannen immer mehr zu forschen und zu messen. Die Vorstellungen, wie unser Körper funktioniert und wie Krankheiten entstehen, veränderten sich hin zu einem »Maschinenmodell«. Krankheiten wurden als Ergebnis einer gestörten Mechanik betrachtet und es wurde versucht, sämtliche Lebensvorgänge durch mathematische Gesetze zu beschreiben.

Es ist offensichtlich, dass sowohl die antiken Vorstellungen von Krankheit als auch das Maschinenmodell an ihre Grenzen kommen und den Fortschritt behindern. Im 19. Jahrhundert kommt es zu einem deutlichen Umdenken: Rudolf Virchow (1821 – 1902) veränderte die Denkweise radikal, indem er die Zelle als Basis des Lebens erkennt und auch dort die Ursache von Krankheiten sieht.

Leben und Tod hängen also nicht vom Gleichgewicht der Säfte ab, sondern der Ursprung einer Krankheit liegt in der Fehlfunktion einer Zelle und ihrem Zellstoffwechsel, der kleinsten Einheit jeden Lebens auf der Erde. In den nächsten Jahrzehnten wurden auf der Basis dieser Denkweise viele Infektionskrankheiten mit ihren Erregern entdeckt: Robert Koch findet den Erreger der Tuberkulose, Albert Neisser den Gonokokkenerreger, Louis Pasteur den Pneumokokkenerreger. Später wurden Behandlungen auf der Grundlage dieser Forschung entwickelt, wie z. B. die Antibiotika in den 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Diese Entwicklungen wären nicht möglich gewesen, wenn wir im Denken der »Vier-Säfte-Lehre« stecken geblieben wären.

Wie wir also sehen, geht das neue Denken den Erkenntnissen und neuen Therapieansätzen immer voraus! Der Fortschritt muss zuerst gedacht werden, das heißt: Neue Konzepte und Ideen legen die Grundlage für neue Forschungen. Erst das Verständnis für den Zellstoffwechsel, die Funktionsweise der verschiedenen zellulären Organe, deren Bedeutung und Funktion, schufen dann die Grundlagen für neue therapeutische Ansätze. Die Epoche der modernen Medizin mit allen ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen, medikamentösen und technischen Möglichkeiten hat der Menschheit einen unglaublichen Fortschritt, ein besseres Leben und eine wirksamere Behandlung von Krankheiten gebracht. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar.

3.2. Das Studium der Medizin: eine Welt voller faszinierender Erkenntnisse

Von 1983 bis 1989 studierte ich an der Universität Zürich Medizin. Die Universität Zürich war 1833 gegründet worden. Sie war die erste Universität in Europa, die von einem demokratischen Staat – unabhängig von der Kirche oder einem Landesfürsten – gegründet wurde. Im Jahre 1978 wurde der Campus Irchel (ein großes Areal oberhalb des Milchbuck) eröffnet. Das erste und zweite Studienjahr der Medizin wurden aus der Stadt dorthin verlegt. Die Gebäude und die Hörsäle an der Universität sind riesig und beeindruckend.

Als Kind hatte ich keine präzise Vorstellung davon, was ich einmal werden wollte. Erst während des Gymnasiums entwickelte sich die Idee, Medizin zu studieren, weil ich stark von den Naturwissenschaften fasziniert war. Ich fand es spannend, mir viel Wissen anzueignen und später überall auf der Welt arbeiten zu können.

Das Medizinstudium ist stark strukturiert: In den ersten zwei Jahren geht es um Grundlagen der Biologie, Chemie, Anatomie und des gesunden Körpers: Wie funktionieren unsere Organe, unser Herz, die Lungen, die Nieren? Die Lehre von den gesunden Funktionen der Organe bezeichnet man als Physiologie. Es wird zum Beispiel untersucht, wie das Gehirn und das Nervensystem zusammenarbeiten, damit eine Bewegung entsteht. Ein fester Bestandteil der Medizinausbildung war dabei das Studium der Anatomie anhand einer Leiche. So konnten wir mit eigenen Augen sehen, wie die Knochen, Gelenke, Sehnen und Muskeln zusammenhängen, wo die Organe sitzen, wie sie verbunden sind und wo die Blutgefäße und die Nervenbahnen verlaufen.

Menschen hatten sich zu Lebzeiten entschlossen, ihren Körper nach dem Tod der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. Die Anatomieprofessoren legten Wert darauf, dass wir diese Leichen respektvoll behandelten. Sie wurden zur besseren Konservierung in Formalin (Formaldehydlösung) eingelegt. Der Geruch des Formaldehyds ist stechend und brennt in der Nase. Stundenlang sezierten wir einen Muskel oder einen Nerv. Natürlich war das sehr lehrreich, dennoch denke ich, dass die Sektion von Leichen heute nicht mehr zeitgemäß und notwendig ist, denn die digitalen Möglichkeiten zur Illustration und bildlichen Darstellung sind viel besser geworden.

Als ich studierte, gab es immerhin schon die Möglichkeit mit Computertomografen Schichtbilder des Körpers anzufertigen. Damit konnte man eine Vorstellung darüber entwickeln, wie unser Körper aufgebaut ist: Knochen, Muskeln, Nerven, Blutgefäße, Lymphgefäße und vieles mehr gehören dazu. Im...

Erscheint lt. Verlag 5.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie
ISBN-10 3-907320-24-7 / 3907320247
ISBN-13 978-3-907320-24-2 / 9783907320242
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