Kinderzahnheilkunde in der Praxis -

Kinderzahnheilkunde in der Praxis (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
368 Seiten
QUINTESSENZ Verlag
978-3-86867-706-5 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
124,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Die Kinderzahnheilkunde hat sich seit der Erstauflage dieses Buches vor knapp 20 Jahren zu einem etablierten und innovativen Fach entwickelt, das viele spannende neue Ansätze bietet. Hervorzuheben ist hierbei die Veränderung im Verständnis von Karies, das wirksame Möglichkeiten für eine Kariesinaktivierung oder die Restauration von Zähnen 'ohne Bohren' ermöglicht. Außerdem stehen heute vielfältige Methoden für das Verhaltensmanagement bei Kindern und der Einsatz der Lachgassedierung zur Verfügung, die eine Behandlung ebenfalls erleichtern. Die Neuauflage des Buches folgt einem modernen, evidenzbasierten, partizipativen und auf Prävention, Diagnostik und Frühbehandlung ausgerichteten Gesamtkonzept für die Kinderzahnheilkunde. Dieses ist im Kontext von Grunderkrankungen, Dysgnathien und Funktion sowie der Betreuungssituation einschließlich dem Erkennen von Entwicklungsstörungen und Kindesmisshandlung eingeordnet. Praktische Beispiele, Abbildungen und Fälle, Ablaufdiagramme, Abrechnungshinweise sowie Checklisten erleichtern die Umsetzung im Praxisalltag. Viele Themen und Techniken werden mit zusätzlichen Videosequenzen, die über QR-Codes abgerufen werden können, verdeutlicht. Das Lehrbuch richtet sich an Zahnärztinnen und Zahnärzte, an Prophylaxeteams sowie Studierende und möchte mit seinem umfassenden Überblick die zahnärztliche Betreuung von Kindern und Jugendlichen unterstützen.

Prof. Dr. Christian H. Splieth Spezialist fu?r Kinderzahnheilkunde, Leiter der Abteilung Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde an der Universität Greifswald, Past-President der Deutschen Gesellschaft fu?r Kinderzahnmedizin und der European Organisation for Caries Research (ORCA) sowie Autor und Referent im Bereich Kinderzahnheilkunde

1 Wachstum und Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen


1.1 Körperliche Entwicklung


J. Fanghänel

Der Bauplan des menschlichen Körpers ist letztlich ein Ergebnis von Wachstum, Entwicklung und Differenzierung. Einen der fundamentalen Vorgänge im Entwicklungsprozess stellt das Wachstum dar. Es handelt sich um ein komplexes Geschehen, an dem quantitative, qualitative und formale Veränderungen gleichermaßen beteiligt sind. Dieser Prozess ist ein zeitabhängiger, biologischer Vorgang, der während des gesamten prä- und postnatalen Lebens stattfindet. Er vollzieht sich auf molekularer, subzellulärer, zellulärer Ebene, auf Organ- und Körperebene gleichzeitig und äußert sich in Größen-, Form- und Proportionsveränderungen. Dabei spielen Zellproliferation, -wachstum, -migration aber auch Vermehrung der Interzellularsubstanz eine kausale Rolle. Das Wachstum unterliegt dem Einfluss vieler Faktoren (Abb. 1.1-1).

Abb. 1.1-1 Faktoren, die das Körperwachstum beeinflussen.

1.1.1 Wachstumsphasen

Die menschliche Ontogenese ist sowohl prä- als auch postnatal durch verschiedene Etappen des schnellen und langsamen Wachstums gekennzeichnet. Dabei kann das Körperlängenwachstum (Abb. 1.1-2) als messbarer Parameter des Wachstums herangezogen werden.

Abb. 1.1-2 Darstellung der mittleren Körpergröße von Jungen und Mädchen. Ein deutliches Sättigungswachstum ist zu erkennen, d. h. zum Ende des Beobachtungszeitraums hin nimmt die Wachstumsintensität monoton ab (Messwerte nach J. Karlberg4).

In der pränatalen Entwicklung finden in den ersten beiden Monaten sowie in der Mitte der intrauterinen Phase besonders rasche Wachstumsvorgänge statt. Postnatal ist die Wachstumsgeschwindigkeit vor allem im 1. Lebensjahr sehr groß. Die Körpergröße eines Jungen beträgt mit 2 Jahren etwa 50 % der definitiven Größe, mit 3 Jahren etwa 55 %, mit 7 Jahren 70 % und mit 12 Jahren 85 %. Vom 5. Jahr an bis zum Eintritt der Pubertät können die Zuwachsraten pro Jahr mit 5 – 6 cm veranschlagt werden. Bis zum Abschluss des Wachstums werden rhythmische Schwankungen mit Perioden der Fülle (Massenwachstum) und der Streckung (Längenwachstum) festgestellt. Die erste Füllperiode liegt zwischen dem 1. und 4., die erste Streckung zwischen dem 5. (6.) und 7., die zweite Füllperiode zwischen dem 8. und 10. und die zweite Streckung zwischen dem 11. (12.) und 15. Lebensjahr. In der Reifungsperiode zwischen dem 15. und 20. Jahr finden Massen- und Längenwachstum gleichzeitig, bei Mädchen früher als bei Jungen, statt.

Bei Mädchen und Jungen ist das Längenwachstum im Prinzip bis zum 10. Lebensjahr etwa gleich, wobei Jungen von Geburt an durchschnittlich etwas größer sind als Mädchen. Mit Beginn der Pubertät kommt es zu einem Pubertätswachstumsschub („Pubertätsakzeleration“), der bei Mädchen früher einsetzt. Damit ist die Längenentwicklung bei Mädchen vorübergehend intensiver als bei Jungen. Der bei Jungen später einsetzende Wachstumsschub führt dazu, dass der Geschlechtsunterschied in der Körperhöhe bald ausgeglichen wird. Da das Längenwachstum bei Jungen länger (20 Jahre) anhält als bei Mädchen (18 Jahre), übertrifft die Körperhöhe der Jungen die der Mädchen (Abb. 1.1-2). Durchschnittlich sind Frauen etwa 10 cm kleiner als Männer. In Europa betragen die Mittelwerte der Körpergröße ♂ 1,80 m und ♀ 1,68 m.

1.1.2 Steuerung des Wachstums und Wachstumsstörungen

Wachstumssteuerung

Wachstumsprozesse werden von zahlreichen Faktoren gesteuert und beeinflusst (Abb. 1.1-1). Das Körperwachstum ist aufgrund der vielfältigen Einflussmöglichkeiten großen Schwankungen unterworfen. Die mittlere Körpergröße beträgt in Deutschland bei Neugeborenen 51,5 cm (± 3,5 cm), 43,4 cm (± 2,9 cm), bei 18-/19-Jährigen 180 cm (± 13 cm), 168 cm (± 11 cm). Innerhalb der Schwankungsbreite bei Normalwuchs, Normosomie (170 – 190 cm, 158 – 178 cm), können Konstitutionsunterschiede festgestellt werden.

Wachstumsstörungen

Eine kausale Rolle spielen Störungen von Zellproliferation, Zellwachstum, Zellmigration, aber auch Synthesestörungen der Interzellularsubstanz.

Abweichungen von den Mittelwerten der Körperhöhe lassen sich als bestimmte Formen von Wachstumsstörungen klassifizieren:

  • Klein- / Minderwuchs, Mikrosomie (-10 bis -30 cm Abweichung),

  • Zwergwuchs, Nanosomie (mehr als -30 cm Abweichung),

  • Groß / Hochwuchs, Makrosomie (+10 bis 30 cm Abweichung),

  • Riesenwuchs, Gigantismus (mehr als +30 cm Abweichung).

Wachstumsverzögerungen, die auch oft mit Fehlbildungen vergesellschaftet sein können, treten bei einer Reihe von Erbkrankheiten, z. B. bei Chondrodysplasie, Osteogenesis imperfecta und beim Down-Syndrom auf. Minderwuchs wird beobachtet nach Genuss der Schwangeren von Alkohol (sog. Alkoholembryofetopathie), bei Vitamin-A-Mangel oder -Überschuss, bei Vitamin-D-Mangel und Sauerstoffmangel während der Schwangerschaft.

Überproduktion von Wachstumshormon STH führt dagegen zu Riesenwuchs.

1.1.3 Erscheinungsformen des Wachstums

Die Wachstumsprozesse können verschiedenen Charakters sein, auch aufgrund des unterschiedlichen Ursachengefüges. Beim Säugling, Kleinkind, Kindergartenkind, Schulkind und beim Jugendlichen sind diese Prozesse besonders eindrucksvoll zu erkennen.

  • Größenzu- und Größenabnahme

Wachstum bedeutet in erster Linie Größenzu- und -abnahme. Liegt ein „Positivwachstum“ vor, so vergrößern sich Körper- und Organgewichte bzw. die Körperlänge. Wenn im Verlaufe des Lebens die katabolischen Stoffwechselprozesse (Abbaustoffwechselprozesse) überwiegen, kommt es zu regressiven Vorgängen (Rückbildungsvorgänge, z. B. bei Rückbildung des Thymus nach der Pubertät). Es liegt dann ein „Negativwachstum“ vor.

  • Proportionsverschiebungen

Während des Wachstums unterliegt der menschliche Organismus zahlreichen Proportionsverschiebungen. Die Ursache liegt darin, dass einzelne Körperabschnitte und Organe mit unterschiedlicher Geschwindigkeit diskontinuierlich wachsen. Daraus resultieren Veränderungen ihrer relativen Größe. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele, wie sich die folgenden Verhältnisse verändern:

  1. Die Kopfhöhe entspricht beim 6-jährigen Kind etwa ein Sechstel, beim Neugeborenen ein Viertel, beim Erwachsenen dagegen ein Achtel der Körperlänge (Abb. 1.1-3).

  2. Der Hirnschädel ist beim Neugeborenen verhältnismäßig größer als der Gesichtsschädel, da er sich durch die schnellere Expansion des Gehirns und der Sinnesorgane entsprechend entwickelt. In der Postnatalperiode kommt es mit dem Durchbruch der Zähne, der nachfolgenden Verstärkung der Kiefer und der Ausbildung der Nasennebenhöhlen zu einer zunehmenden Vergrößerung des Gesichtsschädels.

  3. Der Nabel liegt beim Neugeborenen etwa in der Körpermitte und rückt allmählich höher. Schon beim 6-Jährigen und beim Erwachsenen liegt er in der oberen Körperhälfte. Die Körpermitte liegt beim Erwachsenen in der Höhe der Symphyse (Abb. 1.1-3).

  4. Kopf und Rumpf des Neugeborenen sind relativ groß, die Gliedmaßen, besonders die Beine, sind relativ kurz. So beträgt z. B. die Entfernung Schambeinfuge – Fußsohle beim Neugeborenen drei Achtel, beim Erwachsenen die Hälfte der Körperlänge. Das bedeutet, dass vor allem die Gliedmaßen beim Erwachsenen relativ länger sind (Abb. 1.1-3).

Abb. 1.1-3 Veränderungen der Körperproportionen während des Wachstums. Alle Individuen werden auf die gleiche Größe gebracht (Messwerte nach A. Stratz3).

  • Anpassungswachstum

Wenn sich ein Organ an bestimmte Funktionszustände anpassen muss, sprechen wir von einem Anpassungswachstum. Wir unterscheiden dabei ein funktionelles (mit vorhandenen Strukturen mehr zu leistende Arbeit), strukturelles (Vergrößerung und Vermehrung spezifischer Organbausteine) und ein biochemisches (durch Hormon ausgelöste Wachstumsvorgänge) Anpassungswachstum. Ein typisches Beispiel für ein Anpassungswachstum sind angeborene Herzfehler (Vitien). Hier werden die Herzkammern unterschiedlich in einem besonderen Maße belastet. Daraus...

Erscheint lt. Verlag 21.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Zahnmedizin
ISBN-10 3-86867-706-2 / 3868677062
ISBN-13 978-3-86867-706-5 / 9783868677065
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Adobe DRM)
Größe: 80,9 MB

Kopierschutz: Adobe-DRM
Adobe-DRM ist ein Kopierschutz, der das eBook vor Mißbrauch schützen soll. Dabei wird das eBook bereits beim Download auf Ihre persönliche Adobe-ID autorisiert. Lesen können Sie das eBook dann nur auf den Geräten, welche ebenfalls auf Ihre Adobe-ID registriert sind.
Details zum Adobe-DRM

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen eine Adobe-ID und die Software Adobe Digital Editions (kostenlos). Von der Benutzung der OverDrive Media Console raten wir Ihnen ab. Erfahrungsgemäß treten hier gehäuft Probleme mit dem Adobe DRM auf.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen eine Adobe-ID sowie eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Prüfungswissen Kariologie und Parodontologie

von Elmar Hellwig; Edgar Schäfer; Joachim Klimek …

eBook Download (2023)
Deutscher Ärzteverlag
49,99