Affektive Störungen und Sucht -  Ulrich W. Preuss,  Franz Moggi

Affektive Störungen und Sucht (eBook)

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2023 | 1. Auflage
172 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-040686-5 (ISBN)
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Die Komorbidität von affektiven Störungen und Sucht stellt für Therapeuten eine Herausforderung dar, da sie über theoretische Kenntnisse und praktische Behandlungskompetenz bzgl. beider Störungsbilder verfügen müssen. Dieses Buch fokussiert auf Alkoholkonsumstörungen, die gemeinsam mit Depressionen oder bipolaren Störungen auftreten, und beschreibt das klinische Bild, den Verlauf, die Diagnostik, die Prognose sowie Ätiologiemodelle dieser Komorbiditätsformen. Im Zentrum steht die kombinierte pharmakologische und psychotherapeutische Behandlung, fundiert durch störungsspezifische Leitlinien und ein strukturiertes integriertes Behandlungsprogramm. Arbeitsmaterialien stehen zum Download zur Verfügung.

Prof. Dr. med. Ulrich W. Preuss ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin an den RKH Kliniken Ludwigsburg. Prof. Dr. phil. Franz Moggi ist Chefpsychologe und Leiter des Klinisch Psychologischen Dienstes und der Suchtforschung an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bern.

Prof. Dr. med. Ulrich W. Preuss ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin an den RKH Kliniken Ludwigsburg. Prof. Dr. phil. Franz Moggi ist Chefpsychologe und Leiter des Klinisch Psychologischen Dienstes und der Suchtforschung an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bern.

3 Epidemiologie


3.1 Alkohol- und Substanzkonsum und Konsumstörungen


In Deutschland trinkt jeder Einwohner über 15 Jahre im Durchschnitt elf Liter reinen Alkohol pro Jahr (John et al. 2016). Täglich sind rund 200 Todesfälle durch zu hohen Alkoholkonsum zu beklagen, jährlich liegt die Zahl bei 74.000 (Gärtner et al. 2013). Die Kosten mit mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr liegen auch im europäischen Vergleich an der Spitze aller durch psychische Störungen verursachten Kosten (Effertz und Mann 2013). Nach dem epidemiologischen Suchtsurvey 2018 (Seitz et al. 2019) wiesen in einer repräsentativen Befragung rund 30 % einen Lebenszeitkonsum »illegaler« Substanzen auf. Der größte Teil dieser Personen (28,3 % der Gesamtstichprobe) konsumierte Cannabinoide, gefolgt von Amphetaminen und Kokain (jeweils 4,1 %). Insgesamt wiesen 0,8 % der Stichprobe eine Abhängigkeit und 0,6 % einen Missbrauch auf.

Hohe Zahlen der Alkoholkonsumstörungen spiegeln sich auch im Krankenhausalltag und in den Belegungszahlen wider. Mit etwa 330.000 stationären Behandlungen im Jahr 2015 waren alkoholbedingte Störungen die zweithäufigste ICD-10-Diagnose (International Classification of Diseases, WHO 2000) bei allen Patienten (DESTATIS 2014). Der Mortalitäts- und Morbiditätsfaktor in der Bevölkerung durch Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit ist mit 392.000 bzw. 557.000 verlorenen Lebensjahren erheblich (Kraus et al. 2011).

Die »Public Health Forschung« kann die Konsequenzen des Alkoholkonsums in der Bevölkerung sehr genau beziffern. Ein vor einigen Jahren in der Zeitschrift »The Lancet« publizierter Artikel wies nach, dass regelmäßiger Alkoholkonsum zu den wichtigsten vermeidbaren Gesundheitsrisiken gehört (Lim et al. 2012). Die »Global Burden of Disease Study« der Weltgesundheitsorganisation ermittelte für 2010 die Hauptrisiken für die Entstehung von Krankheiten: danach nimmt in Deutschland der Alkoholkonsum bei Männern den fünften Platz ein (Plass et al. 2014). Damit gehört Deutschland zu den führenden Nationen weltweit. Alkohol- und Tabakkonsum zusammen bedingen 20 % des Risikos für die Gesamtheit aller Erkrankungen bei Männern.

Merke:

  • Alkoholkonsumstörungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland.

  • Regelmäßiger Alkoholkonsum führt mit steigender Menge zu erheblichen gesundheitlichen Folgeschäden.

3.2 Affektive Störungen: Depressionen


Depressionen sind psychische Störungen, die durch einen Zustand deutlich gedrückter Stimmung, Interesselosigkeit und Antriebsminderung über einen längeren Zeitraum gekennzeichnet sind. Damit verbunden treten häufig verschiedenste körperliche Beschwerden auf (Cassano und Fava 2002). Depressive Menschen sind durch ihre Erkrankung meist in ihrer gesamten Lebensführung beeinträchtigt. Es gelingt ihnen nicht oder nur schwer, alltägliche Aufgaben zu bewältigen und sie leiden unter starken Selbstzweifeln, Konzentrationsstörungen und Grübelneigung. Depressionen gehen wie kaum eine andere Erkrankung mit hohem Leidensdruck einher, da diese Erkrankung in zentraler Weise das Wohlbefinden und das Selbstwertgefühl von Patienten beeinträchtigt (Wittchen et al. 2000).

Depressionen zählen zu den häufigsten, aber hinsichtlich ihrer individuellen und gesellschaftlichen Bedeutung meistunterschätzten Erkrankungen (Murray und Lopez 1996). Die Anzahl neuer Erkrankungsfälle innerhalb eines Jahres, die so genannte Jahresinzidenz, liegt bei ein bis zwei Erkrankungen auf 100 Personen (200 – 300 pro 100.000) (siehe S3-Leitlinie/Nationale Versorgungs-Leitlinie 2017). Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer Depression (alle Formen) zu erkranken (Lebenszeitprävalenz), liegt national wie international bei 16 – 20 % (Bijl et al. 1998; Ebmeier et al. 2006). Das Lebenszeitrisiko für eine diagnostizierte Depression liegt laut Selbstauskunft in der ersten Erhebungswelle der aktuellen Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) bei 11,6 % (Busch et al. 2013; Jacobi et al. 2014) und aktuell geben ca. 8,1 % der Bevölkerung im Alter von 18 bis 79 Jahren an, unter einer depressiven Symptomatik zu leiden (Busch et al. 2013). Die Häufigkeit einer unipolaren Depression in der Allgemeinbevölkerung wird in einem Zeitfenster von zwölf Monaten auf 7,7 %, die 12-Monats-Prävalenz für eine Major Depression auf etwa 8 % und für eine Dysthymie auf etwa 2 % geschätzt (▸ Tab. 3.1). Damit liegt die Anzahl der Betroffenen in Deutschland, die in einem Zeitraum von zwölf Monaten an einer unipolaren Depression erkrankt sind, bei ca. 6,2 Mio. (Jacobi et al. 2014).

Frauen sind zahlreichen Längs- und Querschnittsstudien zufolge häufiger von depressiven Störungen betroffen als Männer (Bennett et al. 2005; Jacobi et al. 2004; Kahn und Halbreich 2005; Kessler 2003; Kessler et al. 1994; Kühner 2003). Ihr Erkrankungsrisiko liegt mit einer 12-Monats-Prävalenz für eine unipolare Depression von 10,6 % doppelt so hoch wie bei Männern mit 4,8 % (Jacobi et al. 2014; ▸ Tab. 3.1). Bezogen auf die 4-Wochen-Prävalenz depressiver Störungen liegen in Deutschland Frauen aller Altersgruppen ebenfalls deutlich vor den gleichaltrigen Männern.

Tab. 3.1:12-Monats-Prävalenzen affektiver Störungen in Prozent (95 % Konfidenzintervall) (in Anlehnung an Jacobi et al. 2014, S. 80)
DEGS = Deutscher Epidemiologischer Gesundheitssurvey

12-Monats-Prävalenz, DEGS

Unipolare
Depression

Majore
Depression

Dysthymie

Bipolare
Störungen

Frauen

10,6 (9,2 – 12,2)

8,4 (7,2 – 9,9)

2,5 (1,9 – 3,2)

1,7 (1,2 – 2,5)

Männer

4,8 (4,0 – 5,7)

3,4 (2,8 – 4,3)

1,4 (1,0 – 2,0)

1,3 (0,7 – 2,0)

Total

7,7 (6,9 – 8,6)

6,0 (5,2 – 6,8)

2,0 (1,6 – 2,4)

1,5 (1,1 – 2,0)

Merke:

  • Depressionen gehören zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland.

  • Frauen sind in den meisten Stichproben häufiger betroffen als Männer.

3.3 Affektive Störungen: Bipolare Erkrankungen


Bipolare Störungen sind durch das Auftreten von rezidivierenden affektiven Episoden gekennzeichnet. Deshalb werden in beiden gebräuchlichen Klassifikationssystemen (DSM-IV-TR, Antonucci et al. 2018; WHO 2000) zunächst Episoden operationalisiert und erst anschließend auf deren Basis affektive Störungen definiert.

Neben depressiven Episoden leiden Personen mit bipolaren Störungen an manischen (Bipolar I nach DSM-IV oder DSM-5) oder hypomanischen (Bipolar II nach DSM-IV oder DSM-5) Syndromen. Zur Klink der Manie gehört je nach Schwergrad ein gesteigerter Antrieb, psychomotorische Unruhe, Logorrhö, leicht irritierbare Konzentration und Fokussierung, assoziative Lockerung der Gedanken, reduzierter Schlaf und häufig eine gesteigerte Libido. Dazu kommen oft eine Reihe von Verhaltensauffälligkeiten wie risikoreiches, impulsives Verhalten, vermehrte Einkäufe und wahllose Sozialkontakte dazu. Die Betroffenen sind oft distanzlos, vermindert kritikfähig, sind ideenflüchtig, ruhelos und getrieben. Ebenfalls können Größen-‍, Liebes- oder Beziehungsideen bestehen, aber akustische und optische Halluzinationen sind eher selten und nicht typisch (siehe AWMF S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie bipolarer Störungen: DGBS e. V. und DGPPN e. V. 2019).

Bipolare Störungen treten mit einer Lebenszeitprävalenz von etwa 3 % häufiger auf als früher angenommen (Baldessarini et al. 2000; Kessler et al. 1994, 2005; Merikangas et al. 2007). Werden die sogenannten Bipolar-Spektrumerkrankungen (von Dunner et al. 1970 erstmals vorgeschlagen und von Klerman 1981 und Akiskal 1996 weiterentwickelt) mitberücksichtigt, so ist von einer Lebenszeitprävalenz von etwa 5 % auszugehen (Angst...

Erscheint lt. Verlag 6.12.2023
Mitarbeit Herausgeber (Serie): Oliver Bilke-Hentsch, Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Michael Klein
Zusatzinfo 15 Abb., 5 Tab.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Sucht / Drogen
Medizin / Pharmazie
Schlagworte Behandlung • Bipolare Störung • Bipolarität • Depression • Depressive Episode • Depressive Erkrankung • Depressive Störungen • Pharmakotherapie • Psychotherapie
ISBN-10 3-17-040686-8 / 3170406868
ISBN-13 978-3-17-040686-5 / 9783170406865
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