Grundwissen Rechtsmedizin (eBook)

Medizinische Kriminalistik und forensische Wissenschaften mit eLearning-Kurs
eBook Download: EPUB
2023 | 2. Auflage
279 Seiten
UTB (Verlag)
978-3-8463-6034-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Grundwissen Rechtsmedizin -  Michael Bohnert
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Michael Bohnert führt in diesem Buch leicht verständlich in die Rechtsmedizin ein. Er erklärt die verschiedenen Untersuchungsmethoden sowie Wissenswertes zur Thanatologie und medizinischen Kriminalistik. Ausführlich beschreibt er die unterschiedlichen Verletzungsarten und ihre Merkmale. Ein Kapitel zu den forensischen Wissenschaften rundet diese Einführung ab. Auch für Nichtmediziner geeignet! utb+: Begleitend zum Buch steht den Leser:innen ein eLearning-Kurs zur Verfügung. Dieser Kurs hilft bei der Vertiefung des Wissens.

Prof. Dr. Michael Bohnert ist Vorstand des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Würzburg. Seine Hauptforschungsgebiete sind die medizinische Kriminalistik, die forensische Traumatologie und Todesfälle durch Hitzeeinwirkung.

Prof. Dr. Michael Bohnert ist Vorstand des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Würzburg. Seine Hauptforschungsgebiete sind die medizinische Kriminalistik, die forensische Traumatologie und Todesfälle durch Hitzeeinwirkung.

Hinweise zum Buch
Vorwort
Verzeichnis der Gesetzestexte
Abkürzungen
1 Einleitung: Was ist Rechtsmedizin?
2 Grundlagen der Kriminalistik
2.1 Eine sehr kurze Geschichte der Verbrechensaufklärung
2.2 Ermittlungsansätze
2.3 Befunde, Spuren, Beweise
3 Rechtsmedizinische Untersuchungsmethoden
3.1 Lokalaugenschein
3.2 Untersuchung von Verstorbenen
3.2.1 Leichenschau
3.2.2 Obduktion
3.2.3 Identifizierung
3.2.4 Bildgebung
3.2.5 Histologie
3.2.6 Exhumierung
3.3 Optische Verfahren
3.3.1 Fotografie
3.3.2 Optische Such- und Vortestverfahren
3.4 Untersuchung lebender Personen
3.5 Medizinische Begutachtung
4 Thanatologie
4.1 Sterben und Tod
4.2 Frühe Todeszeichen
4.3 Späte Todeszeichen
4.4 Forensische Osteologie
5 Forensische Pathologie
5.1 Der plötzliche und unerwartete Tod aus innerer Ursache
5.2 Der plötzliche Säuglingstod
5.3 Ärztliche Behandlungsfehler
6 Forensische Traumatologie
6.1 Grundlagen
6.2 Stumpfe Gewalt
6.3 Scharfe und halbscharfe Gewalt
6.4 Geschosse
6.5 Ersticken
6.5.1 Allgemeines
6.5.2 Atmosphärisches Ersticken
6.5.3 Mechanisches Ersticken
6.5.4 Strangulation
6.6 Thermische Gewalt
6.6.1 Kälte
6.6.2 Hitze
6.6.3 Elektrotrauma
6.7 Tod im Wasser
6.8 Intoxikation
7 Gewalttaten
7.1 Suizide
7.2 Tötungsdelikte
7.3 Körperverletzung
7.4 Häusliche Gewalt
7.5 Sexualdelikte
7.6 Kindesmisshandlung
7.7 Selbstverletzung
8 Verkehrsmedizin
8.1 Verkehrsunfälle
8.1.1 Fußgänger
8.1.2 Zweiradfahrer
8.1.3 Fahrzeuginsassen
8.2 Fahrsicherheit
8.2.1 Alkohol
8.2.2 Drogen
8.2.3 Ermüdung, Schläfrigkeit, Übermüdung
8.3 Fahreignung
9 Forensische Wissenschaften
9.1 Forensische Anthropologie
9.2 Forensische Chemie und Toxikologie
9.3 Forensische Molekularbiologie und Genetik
9.4 Forensische Biologie
9.5 Forensische Physik
9.6 Forensische Psychiatrie
9.7 Forensische Psychologie
Danksagung
Glossar
Weiterführende Informationen
Register

2.2 Ermittlungsansätze


Die rechtskräftige Verurteilung eines Täters ist das Ende einer langen Kette von Ereignissen und Handlungen, bei der formal gesehen drei Stufen zu unterscheiden sind. Im Ermittlungsverfahren wird untersucht, was überhaupt passiert ist, ob es sich um eine strafbare Handlung handelte und ob man einen Täter dafür ermitteln kann. Das Ermittlungsverfahren wird von der Staatsanwaltschaft geleitet. Die Staatsanwaltschaft ist die Herrin des Verfahrens. Die Polizei ist als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft zwar die Institution, die die eigentlichen Ermittlungen durchführt, jedoch immer in Absprache mit der Staatsanwaltschaft. Am Ende eines Ermittlungsverfahrens wird dieses entweder eingestellt oder es kommt zu einer Anklage bzw. es wird ein Strafbefehl erlassen. In letzterem Fall werden die gesamten Akten samt Anklageschrift bzw. Strafbefehl an das zuständige Gericht geleitet. Dieses prüft den Sachverhalt und entscheidet, ob die Anklage zugelassen wird oder nicht. Dieses Verfahren nennt man Zwischenverfahren. Wenn die Anklage zugelassen wird, dann beginnt das Hauptverfahren, in dem eine Gerichtsverhandlung geplant, terminiert und durchgeführt wird, an deren Ende meistens ein Urteil steht. Bei einem Strafbefehl wird dieser an den Beschuldigten verschickt, der ihn akzeptieren oder dagegen Widerspruch einlegen kann. Bei einem Widerspruch kommt es zu einer Gerichtsverhandlung. Unter gewissen Umständen besteht auch die Möglichkeit, dass das Verfahren eingestellt wird. In Gerichtsverhandlungen gelten die Prinzipien der Mündlichkeit, der Unmittelbarkeit und der Öffentlichkeit. In das Urteil darf nur das einfließen, was im Rahmen der Hauptverhandlung vorgetragen wurde (Mündlichkeit), die Prozessbeteiligten (Gericht, Staatsanwaltschaft, Verteidigung, ggf. Nebenklage) müssen sich selbst ein Bild von den Beweismitteln machen können (Unmittelbarkeit) und die Öffentlichkeit soll sicherstellen, dass das Verfahren gerecht und nachvollziehbar abläuft.

Gemessen an der Anzahl der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und am personellen, zeitlichen wie auch materiellen Aufwand der einzelnen Ermittlungen sind Verurteilungen vergleichsweise selten. Die meisten Ermittlungsverfahren werden eingestellt, weil sich zeigt, dass keine Straftat vorliegt. Und selbst wenn ein Tatverdächtiger ermittelt werden kann, bedeutet das keineswegs, dass er auch verurteilt wird. Das geht nämlich nur, wenn seine Schuld vom Gericht zweifelsfrei festgestellt werden kann.

 Wissen | Ermittlungsfragen

Bei einer Ermittlung stehen drei Fragen im Mittelpunkt:

  • Was ist passiert und ist es eine strafbare Handlung?

  • Wer hat es getan?

  • Wie kann man den Täter überführen?

So einfach diese Fragen sind, so schwer sind sie oftmals zu beantworten. Eine Ermittlung wird gerne mit dem Zusammensetzen eines Puzzles verglichen, wobei dieser Vergleich hinkt. Denn während bei einem echten Puzzle die Anzahl der Teile und das dargestellte Motiv bekannt sind, weiß man bei den Ermittlungen in einem Kriminalfall nicht, wie viele Steine das Puzzle hat, ob man alle Teile findet, ob nicht manche der Teile, die man gefunden hat, zu einem anderen Puzzle gehören und welches Bild dargestellt werden soll. Wenn man sich dieser Einschränkungen bewusst ist, dann ist der Vergleich jedoch durchaus brauchbar. Doch selbst im Idealfall ist das zusammengesetzte Puzzle eines, das Lücken aufweist und bei dem einige Teile übrigbleiben. Das dargestellte Bild ist aber eindeutig zu erkennen.

Ermittlungen der Polizei beginnen mit dem Anfangsverdacht, es könnte eine strafbare Handlung vorliegen. Wenn sich das bestätigt, dann gibt es zwei Schwerpunkte, nämlich die Feststellung der Tat („Was ist passiert und wie ist es abgelaufen?“) und die Feststellung des Täters („Wer war es und wie kann man ihm das beweisen?“). Die Ermittlungsansätze sind – je nach Tat und Sachlage – vielgestaltig. Bei Tötungsdelikten gehören zum Kreis der möglichen Verdächtigen zum Beispiel Personen, die einen Bezug zum Opfer oder zum Tatort haben, die ein mögliches Motiv haben oder die in der Nähe des Tatorts im Tatzeitraum gesehen wurden. Wenn Spuren am Tatort gesichert werden können, die einem möglichen Tatverdächtigen zugeordnet werden können, erhöht sich der Verdacht ebenso, wie wenn beispielsweise Verletzungen oder Blutspuren, die von der Tat stammen können, an dieser Person oder seiner Bekleidung gefunden werden. Die Ansätze zur Täterermittlung werden als „Weingart’sches Gerippe bezeichnet, benannt nach dem Juristen Albert Weingart, der dieses in seinem Buch „Kriminaltaktik“ von 1904 vorstellte.

 Wissen | Weingart’sches Gerippe
  • Anwesenheit am Tatort: Wer war am Tatort? Festzustellen über Zeugen, vom Täter zurückgelassene Gegenstände, Spuren oder Alibiüberprüfungen von Verdächtigen

  • Eigenschaften, Fertigkeiten, Charakter des Täters: Welche geistigen und körperlichen Eigenschaften muss der Täter besitzen? Welche Fertigkeiten muss der Täter besitzen? Wer hatte Kenntnisse bestimmter Umstände? Auf welchen Charakter lässt die Tat schließen?

  • Tatmittel und Werkzeuge: Wem gehört das zur Tat benutzte Mittel? Wer hat das Werkzeug angefertigt, gekauft, verkauft oder sich geliehen? Auf welchen Beruf lässt das Werkzeug schließen?

  • Beweggrund zur Tat: Anlass (Hass, Rache, Eifersucht, …), sexuelle Triebe, Endzweck, geistige Störung

  • Wille zur Tat: Wer offenbarte den Willen zur Tat durch schriftliche oder mündliche Äußerungen, durch Vorbereitungen, durch Schutzmaßnahmen gegen Überführung oder Entdeckung oder durch Vorkehrungen zur Sicherung der Vorteile des Verbrechens?

  • Physische Wirkungen auf den Täter: Wer hat Veränderungen an Körper oder Kleidung? Wer hat einen direkten materiellen Nutzen des Verbrechens?

  • Psychische Wirkungen auf den Täter: Was deutet auf Schuldbewusstsein hin? Wer zeigte Schuldbewusstsein? Wer zeigte auffälliges Interesse über den Stand der Ermittlungen? Wer hatte besondere Kenntnisse des Tathergangs? Wer kennt Details, die nur der Täter wissen kann?

Ermittlungen dienen dazu, Fakten zu sammeln, sie zu sortieren, zu werten, aus ihnen Hypothesen zu formen und diese dann zu überprüfen. Eine Hypothese ist eine logische Aussage, deren Gültigkeit möglich, aber (noch) nicht bewiesen oder widerlegt ist. Sie basiert auf überprüfbaren Bedingungen, wie Befunde, Aussagen, Erfahrungssätze, Naturgesetze oder anderes. Der Wert einer Hypothese ist abhängig von der Belastbarkeit dieser Bedingungen. Wichtig ist dabei, Hypothesen nicht mit Fantasien zu verwechseln: Nicht alles, was überhaupt denkbar ist, ist auch wahrscheinlich. Man kann schon aus ermittlungsökonomischer Sicht nicht alles berücksichtigen, was theoretisch entfernt in Betracht kommt. So ist es wenig wahrscheinlich, dass, wenn ein Mann mit Stichverletzungen in einer von innen verschlossenen Wohnung in einer großen Blutlache liegt, er durch einen Außerirdischen ermordet wurde, der sich nach der Tat entmaterialisierte und deshalb keine Fußspuren am Tatort hinterließ.

Es empfiehlt sich vielmehr das nach dem Philosophen und Theologen William von Ockham (1288–1347) als „Ockham’sches Rasiermesser benannte Prinzip zu beachten, nach welchem von mehreren möglichen Erklärungen für einen Sachverhalt die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen ist. Eine Theorie ist dann einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen enthält und diese in klaren Beziehungen zueinanderstehen, sodass sich der zu erklärende Sachverhalt logisch erschließt.

Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass man sich als Ermittler möglichst rasch auf eine Theorie versteifen und die anderen Möglichkeiten außer Acht lassen sollte, im Gegenteil: Es ist ratsam, zunächst einmal möglichst viele Fakten zu sammeln, bevor man ausgefallene Hypothesen entwirft oder Theorien über einen Fall aufstellt. Der Bemerkung des fiktiven Detektivs Sherlock Holmes in der Geschichte „Ein Skandal in Böhmen“ (Arthur Conan Doyle, 1891) ist diesbezüglich nichts hinzuzufügen:

„Es ist ein kapitaler Fehler, eine Theorie aufzustellen, bevor man entsprechende Anhaltspunkte hat. Unbewusst beginnt man Fakten zu verdrehen, damit sie zu den Theorien passen, statt dass die Theorien zu den Fakten passen.“

Voreingenommen zu sein ist sicherlich einer der größten Fehler, die ein Kriminalist begehen kann. Es gibt aber noch ein paar mehr.

 Wissen | Was ist schädlich für einen Kriminalisten?
  • Meinung ohne Fakten

  • Meinung anstatt...

Erscheint lt. Verlag 13.11.2023
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Rechtsmedizin
Schlagworte Alkohol • Ärztliche Behandlungsfehler • Biologie • Biologiestudium • Bundeskriminalamt • Chemie • Drogen • Elektrotrauma • Erstickungstod • Ertrinken • Exhumierung • Fahrsicherheit • Forensik • Forensische Anthropologie • Forensische Pathologie • Forensische Traumatologie • Fußgänger • Genetik • Gerichtsmedizin • Geschosse • Gewaltopfer • Gewalttaten • Häusliche Gewalt • Histologie • Kindesmisshandlung • Körperverletzung • Landeskriminalamt • Lehrbuch • Leichenschau • medizin studium • Molekularbiologie • Mord • Obduktion • osteologie • Pathologie • Physik • Plötzlicher Kindstod • Plötzlicher Säuglingstod • Psychiatrie • Psychologie • Selbsttötung • Selbstverletzung • Sexualdelikte • Sterben • studium biologie • Studium Medizin • Suizid • Thanatologie • Tod • Tod durch Erschießen • Todeszeichen • Tod im Wasser • Tötungsdelikte • Toxikologie • Traumatologie • Übermüdung • Untersuchung von Verstorbenen • Verbrechen • Verkehrsunfälle • Zweiradfahrer
ISBN-10 3-8463-6034-1 / 3846360341
ISBN-13 978-3-8463-6034-7 / 9783846360347
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