Qualifikationsmix in der Pflege -  Barbara Müller

Qualifikationsmix in der Pflege (eBook)

Best Practice im Pflegemanagement

(Autor)

Brigitte Teigeler (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
128 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-76265-4 (ISBN)
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Mit erfolgreichem Qualifikationsmix (Skill-Grade-Mix) zu einer neuen Teamkultur und modernisierten Arbeitsmodellen Qualifizierte und gute besetzte Pflegeteams verbessern die Qualität der Gesundheitsversorgung und sorgen für die Sicherheit der Patient_innen. Der Qualifikationsmix hat dabei eine stärkere Auswirkung als der Personalschlüssel - so das Ergebnis einer Studie, das angesichts des bestehenden Fachkräftemangels aufhorchen lässt. Ein erfolgreicher Qualifikationsmix integriert alle Mitarbeitenden eines Pflegeteams und unterstützt Arbeitsmodelle der Autonomie und Selbstgestaltung. Er beruht auf einer gemeinsamen Haltung der Fürsorge und kompetenzgeleiteten Kultur und stützt sich auf evidenzbasiertes Pflegewissen. Gute Teams zeichnen sich aus durch Empathie, Ruhe und ein ausgeprägtes Wir-Gefühl. Das Fachbuch stellt umfassendes Wissen zum Qualifikationsmix bereit, bietet Impulse für das eigene Führungsverhalten und gibt Anregungen, wie eine Teambildung im Qualifikationsmix durch Change Management gelingen kann. Der theoretische Hintergrund wird erweitert um übergeordnete Perspektiven und Praxisberichte von Expert_innen des Pflegemanagements aus dem In- und Ausland. Teil 1: Den Qualifikationsmix neu denken: Grundlagen, Chancen, RisikenTeil 2: Impulse aus der Pflegewissenschaft: Forschung, Wissenschaft, StudienergebnisseTeil 3: Best-Practice im Pflegealltag: Evidenzbasierte Pflege in Projekten verschiedener Kliniken

|55|2  Impulse aus der Pflegewissenschaft


2.1  „Wir gefährden Menschen, wenn der Qualifikationsmix zu gering ist“


Interview mit Prof. Dr. Walter Sermeus

Qualifiziertes Pflegefachpersonal senkt das Risiko für die Patient:innen – das ist durch viele Studien belegt. Worauf ist in Zeiten des Pflegemangels beim Einsatz von akademisch qualifiziertem Pflegenden zu achten? Und wie hängen Arbeitszufriedenheit und Outcome der Patient:innen zusammen? Aktuelle Studien geben Aufschluss. Ein Interview zum Forschungsstand.

Prof. Dr. Walter Sermeus ist Professor am Leuven Institute for Healthcare Policy, KU Leuven. Er ist der europäische Koordinator des RN4CAST-Projekts und Direktor der Magnet4 Europe-Studie.

Prof. Sermeus, Sie forschen seit vielen Jahren, u. a. zum Wohlbefinden von Pflegenden und Personalausstattung. Wie hängen diese beiden Themen zusammen?

Wir haben im Rahmen von RN4CAST in mehreren Studien untersucht, wie sich die Personalausstattung auf das Outcome der Patient:innen, aber auch auf die Zufriedenheit der Pflegenden auswirkt. Die Untersuchungen fanden vor allem in chirurgischen und medizinischen Abteilungen in Krankenhäusern statt. Ein Ergebnis ist zum Beispiel, dass die Burnout-Rate mit einer geringeren Personalausstattung zunimmt. Allerdings spielen auch andere Faktoren eine wichtige Rolle für das Wohlbefinden, zum Beispiel wie sehr sich die Pflegenden von ihren Vorgesetzten unterstützt fühlen und ob sie genug Zeit haben, ihre Arbeit gut zu bewältigen.

|56|Sie haben an der Studie von Linda Aiken zum „Nursing skill mix in European hospitals“ aus dem Jahr 2017 mitgewirkt. Was waren die wichtigsten Ergebnisse?

Ein wichtiges Ergebnis war: Je reichhaltiger der Qualifikationsmix, also je mehr akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen vorhanden sind, desto besser ist das Patient:innen-Outcome. Qualifikationsmix bezieht sich dabei a) auf die Anzahl aller Pflegefachpersonen im Vergleich zum gesamten Personal, und b) auf das Verhältnis von Pflegefachpersonen mit einem Bachelor-Abschluss zur Gesamtzahl der Pflegenden.

Und Patient:innen-Outcome bedeutet zum Beispiel geringere Sterblichkeit und geringere Verweildauer?

Es gibt unterschiedliche Messgrößen. Die Anzahl des gesamten pflegerischen Personals ist zum Beispiel ein empfindlicher Indikator für die Verweildauer. Denn wenn ausreichend Personal vor Ort ist, kann schnell auf die Bedürfnisse von Patient:innen reagiert werden und das wirkt sich hauptsächlich in Form einer geringeren Verweildauer aus. Der Qualifikationsmix hingegen hat einen stärkeren Einfluss auf die klinischen Ergebnisse wie Mortalität und Komplikationsraten. Das hängt vor allem mit der stärkeren klinischen Expertise von akademisch qualifiziertem Personal zusammen. Die Pflegenden sind dann in der Lage, sehr frühzeitig Probleme zu erkennen, zum Beispiel, wenn es um Anzeichen einer Infektion oder Blutung geht. Von daher gibt es weniger Komplikationen und eine geringere Sterblichkeit, wenn der Qualifikationsmix höher ist.

Weltweit ist aber eher ein Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal zu sehen. Ist es nicht wahrscheinlicher, dass wir in Zukunft mit weniger qualifizierten Pflegenden arbeiten müssen?

Das stimmt. In Zukunft wird der Mangel an Pflegefachpersonen noch zunehmen, davon gehen wir aus. Das ist eine Situation, die uns allen Sorgen bereitet und für die es leider keine einfache Lösung gibt. Wir müssen deshalb kritisch darüber nachdenken, wie wir intelligent mit diesem Pflegemangel umgehen und in welche Positionen wir qualifiziertes Pflegepersonal einsetzen.

Wir müssen also einen ausgewogenen Qualifikationsmix finden, um mit dem Pflegemangel umgehen zu können?

Genau. Was ich in einigen Ländern und Krankenhäusern beobachte, ist, dass Pflegefachpersonal aufgrund des Mangels durch weniger qualifiziertes Personal ersetzt wird. Wir sollten uns aber bewusst sein: Wir gefährden Menschen, wenn der Qualifikationsmix zu gering ist. Es geht immer um Wissen und klinische Argu|57|mentation. Eine gute klinische Einschätzung ist so wichtig. Es muss uns bewusst sein, dass Pflege nicht vorrangig etwas mit Aufgaben zu tun hat – auch wenn das viele Leute denken.

Wir müssen also Pflegefachpersonen gezielter einsetzen?

Ja, wir müssen sicherstellen, dass wir die gut qualifizierten Pflegefachpersonen an den richtigen Stellen einsetzen, um das Risiko für die Patient:innen gering zu halten. Ich beobachte in vielen Ländern, dass Pflegende in alle möglichen Positionen gesteckt werden, einfach, weil sie die flexibelsten Mitarbeiter sind. Je größer der Mangel, desto wichtiger ist aber, ihren Einsatzbereich sehr kritisch zu hinterfragen und gezielt zu planen.

Gibt es Untersuchungen, wie sich ein Qualifikationsmix mit mehr akademisch qualifiziertem Pflegepersonal auf die Kostensituation auswirkt?

Es gibt eine Studie von Jack Needleman aus dem Jahr 2017, der verschiedene Szenarien in Form von Business Cases durchgespielt hat. Hier ging es zum einen um den Qualifikationsmix, zum anderen um den Personalschlüssel. Der Qualifikationsmix hat, wie gesagt, vor allem einen Einfluss auf die Sterblichkeit und die Komplikationsrate. Weniger Komplikationen bedeuten geringere Behandlungskosten. Beim Personalschlüssel – also mehr Personal in Relation zur Zahl der Patient:innen – werden durch die geringere Aufenthaltsdauer ebenfalls Kosten reduziert. Die Kombination aus Qualifikationsmix und mehr Personal bedeutet also etwas höhere Kosten, geht aber auch mit hohen Einsparungen einher, so das Ergebnis von Needleman.

Krankenhäuser sparen also im besten Falle Geld, wenn sie auf qualifizierte und gut besetzte Pflegeteams setzen?

Ja, aber sie senken nicht nur die Kosten, sondern sie verbessern vor allem die Qualität im Sinne einer besseren Versorgung. Das ist ein wichtiger Punkt. Dabei hat der Qualifikationsmix eine stärkere Auswirkung auf die Qualität als bessere Personalschlüssel.

Gibt es andere Studien und Übersichtsarbeiten, die sich mit dem Thema Qualifikationsmix befasst haben?

Es gibt eine recht interessante Studie aus dem Jahr 2019 von Peter Griffith und Kollegen. Darin geht es um die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen unterlassener Pflege und der Personalausstattung gibt. Wir wissen, dass mehr qualifiziertes Pflegepersonal eine bessere Versorgung der Patient:innen bedeutet. Wir |58|wissen auch, dass mehr Personal, einschließlich Pflegeassistent:innen, ebenfalls zu mehr Qualität führt. Aber: Es gibt eine Grenze bzw. es gibt ein Optimum. Das heißt, wenn man mehr Pflegeassistent:innen in die Teams aufnimmt, wird der Qualifikationsmix geringer. Und dann gibt es einen bestimmten Punkt, an dem die Situation kippt bzw. die Relation sich ins Negative verkehrt. Das heißt, ab dann sind negative Auswirkungen auf die Sterblichkeit zu beobachten.

Womit hängt dieser Kipppunkt, den Sie beschreiben, zusammen?

Die Hypothese ist, dass dies vor allem mit der Rolle der Pflegeassistent:innen zu tun hat. Wenn sie eine Art unterstützende Rolle für die Pflegefachpersonen innehaben, hat das einen positiven Effekt auf die Pflegequalität. Sie unterstützen dann die Pflegenden, die ihre Arbeit besser machen können, weil sie mehr Zeit für die Pflege der aufwendigen Patient:innen haben. Wenn es aber zu viele Pflegeassistent:innen sind, dann übernehmen sie irgendwann die Arbeit der Pflegefachpersonen. Und das bedeutet ein Risiko für die Patient:innen. Denn die Assistent:innen verfügen nicht über das Wissen und die Fähigkeiten von Pflegefachpersonen, um Symptome und Probleme frühzeitig zu erkennen. Pflegehilfskräfte können zwar einige Aufgaben perfekt ausführen, aber es geht – wie schon beschrieben – um viel mehr in der Pflege.

Und wo liegt das optimale Verhältnis?

Wir wissen es nicht. Das ist die Ein-Million-Euro-Frage. Aber darum geht es letztlich – dieses Optimum zu finden. Das kann von Kontext zu Kontext und von Land zu Land unterschiedlich sein, je nach vorliegendem Gesundheitssystem. Einige Länder, zum Beispiel die Vereinigten Staaten, verwenden die 80-Prozent-Quote. Sie gehen davon aus, dass 80 Prozent qualifiziertes Personal und 20 Prozent Assistenzpersonal im Gesundheitswesen optimal...

Erscheint lt. Verlag 23.10.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege
ISBN-10 3-456-76265-8 / 3456762658
ISBN-13 978-3-456-76265-4 / 9783456762654
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