EMDR (eBook)

Therapie psychotraumatischer Belastungssyndrome

Arne Hofmann, Maria Lehnung (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2023 | 6. überarbeitete Auflage
822 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-182526-1 (ISBN)

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EMDR -
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<p><strong>EMDR - aktuell und praxisnahe</strong><br></p><p>EMDR ist mittlerweile weltweit anerkannt. Die internationalen EMDR-Fachgesellschaften berichten über eine wachsende Mitgliederzahl. Eine Reihe wichtiger Forschungsarbeiten der letzten Jahre haben belegt, dass sich die Bereiche, in denen EMDR effektiv, nebenwirkungsarm und kosteneffizient eingesetzt werden kann, entscheidend erweitert haben.<br></p><p>So zeigt EMDR nicht nur bei PTBS und Traumafolgestörungen, sondern auch bei Depressionen sowie bei Angst- und Schmerzstörungen eine hohe Wirksamkeit.<br></p><p><strong>Ideal, um die Methode zu erlernen</strong><br></p><ul><li>Ausführliche Darstellung der Behandlungstechnik<br></li><li>EMDR-Protokolle zu den verschiedenen Störungsbildern und Patientengruppen<br></li></ul><p><strong>Neu in der 6. Auflage</strong><br></p><ul><li>Komplett überarbeitete und aktualisierte Ausgabe<br></li><li>neue Kapitel zum Einsatz von EMDR bei online-Behandlungen und Schmerzstörungen<br></li><li>aktualisierte Kapitel zur Behandlung depressiver Störungen und Angststörungen<br></li></ul> Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit.

1 Grundlagen


1.1 EMDR als neurobiologisch informierter Psychotherapieansatz


A. Hofmann

1.1.1 Einleitung


Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) ist ein weltweit anerkannter neuer Psychotherapieansatz, der in den späten achtziger Jahren von Dr. Francine Shapiro entwickelt wurde ▶ [581]. Bekannt wurde EMDR durch die für seine Wirksamkeit wichtigen bilateralen Augenbewegungen und die Vielzahl von Studien, die die hohe Wirksamkeit bei der posttraumatischen Belastungsstörung bestätigen und als Therapie der ersten Wahl bei PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) etabliert haben ▶ [52]. Bemerkenswert ist außerdem, dass EMDR im Vergleich zu anderen traumazentrierten Verfahren eine deutlich geringere Konfrontationszeit mit dem belastenden Erlebnis erfordert und sowohl im Bereich der Verbesserung der Lebensqualität als auch bei dem ökonomischen Kosteneinsatz eine deutliche Überlegenheit zeigt ▶ [357].

In den letzten Jahren wurden außerdem zunehmend kontrollierte Studien veröffentlicht, die die hohe Wirksamkeit von EMDR auch im Bereich depressiver Störungen, Angststörungen und bestimmter Schmerzstörungen belegen ▶ [84], ▶ [550]. 2019 wurde weiterhin in der Fachzeitschrift Nature der wahrscheinliche Hauptwirkmechanismus von EMDR im Rahmen von Tierversuchen gefunden und belegt ▶ [1].

Auf diese vielen Aspekte der EMDR-Therapie werden wir in diesem Buch noch im Detail eingehen. Beginnen möchten wir jedoch mit dem Einsatz von EMDR bei jener Störung, bei der die hohe Effektivität von EMDR zuerst belegt wurde, der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).

1.1.2 Psychische Traumatisierungen


Extreme Belastungssituationen hinterlassen häufig seelische Verletzungen bei den Betroffenen. Entsprechende Situationen sind:

  • gewalttätige Angriffe auf die eigene Person

  • schwere Verkehrsunfälle

  • Vergewaltigung

  • Erleben von Lebensbedrohung in einer Naturkatastrophe

  • kriegerische Auseinandersetzungen

  • Gefangenschaft

  • Folter

  • jahrelange schwere Misshandlungen als Kind

Diese Verletzungen können von einem Teil der Opfer solcher traumatisierenden Ereignisse – je nach Schweregrad – ohne besondere professionelle Hilfe verarbeitet werden. Bei einem anderen Teil der Opfer kommt es zu mehr oder minder starken seelischen Störungen. Diese durch neurobiologische Veränderungen verursachten Störungen können, ähnlich wie schwer heilende körperliche Verletzungen, nicht selten über Jahre verschiedene Formen von Beschwerden verursachen, die die Leistungsfähigkeit der Betroffenen spürbar beeinträchtigen und die Lebensqualität deutlich einschränken können ( ▶ Abb. 1.1).

Psychisches Trauma als „unsichtbare Wunde“.

Abb. 1.1 

Chronifizierung und traumatischer Prozess Die Abfolge von manchmal wechselnden Störungen und Gesundheitsproblemen, die das Opfer eines oder mehrerer traumatisierender Ereignisse in einem längeren Verlauf erlebt, kann als Chronifizierungsprozess oder „traumatischer Prozess“ beschrieben werden ▶ [142]. Über die Wichtigkeit dieses Vorgangs besteht ein zunehmender Konsens bei führenden Wissenschaftlern, zumal es bei diesem Prozess auch zu Symptomverschiebungen und Diagnoseänderungen kommen kann, die auf den Heilungsverlauf deutlichen Einfluss ausüben können. Dieser Prozess gleicht dann nicht selten einer komplizierten Wundheilung, bei der die Widerstandskraft des Verletzten mit mehr oder minder starker äußerer Hilfe zur Heilung der Wunde führt, die aber auch, wenn Widerstandskraft und Hilfe von außen zu schwach sind, eine chronische Vereiterung, eine Abszessbildung und eine dauerhafte Einschränkung nach sich ziehen kann.

Während dieses traumatischen Prozesses kann eine solche Wunde verschiedene Krankheitsbilder verursachen. Die Wunde kann bluten, eitern, sich mit verschiedenen Keimen infizieren. Sie kann aber auch scheinbar abheilen und in der Tiefe immer noch einen schmerzhaften Abszess bilden. Auch wenn die meisten Wunden unkompliziert abheilen, sind die Risiken einer solchen Komplikation bei schwerer verletzten Patienten deutlich größer. Ein erfahrener Chirurg wird daher – trotz der verschiedenen äußeren Erscheinungsformen solcher Wundkomplikationen – nicht den zugrunde liegenden Krankheits- bzw. Heilungsprozess aus den Augen verlieren.

Bei Patienten mit einer seelischen „Wunde“ kann sich eine solche Verletzung durchaus zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich darstellen. So kann sich auch die Hauptdiagnose eines Patienten mit einer seelischen Verletzung im Verlauf einer schweren Traumafolgestörung in der Tat mehrfach ändern.

Praktisches Beispiel

Infolge von Kriegsereignissen kann z.B. direkt nach den Erlebnissen bei einem Flüchtling (oder einem Soldaten) eine akute Belastungsreaktion vorliegen. Dieser folgt eine posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1), einige Zeit später kommt eine Depression (F 32.1) dazu. Nachdem der Patient über längere Zeit immer wieder ihn intensiv überflutende, mit dem ursprünglichen Trauma verbundene Bilder und Gefühle erlebt, entdeckt er, dass Alkohol (oder Drogen) diese Beschwerden lindern können und gleitet über Jahre in eine Alkoholerkrankung (F 10.2) oder eine Drogensucht ab. Die alten Freunde, eventuell auch die Partnerin, ziehen sich zurück und der Betroffene verändert sich und isoliert sich immer mehr. Sein Leben wird mehr und mehr von dem Trauma geprägt.

Auch wenn dies nur ein Beispielfall ist, so haben doch nicht wenige der amerikanischen Soldaten, die z.B. aus dem Vietnamkrieg zurückkehrten, eine solche Entwicklung durchlaufen. Auch in der Kindheit durch sexuelle Gewalt traumatisierte Menschen können über die Jahre nach einer solchen Traumatisierung ähnlich komplexe Krankheitsentwicklungen mit wechselnden Symptomen, Hauptdiagnosen und Alltagsproblemen auf der Grundlage eines traumatischen Prozesses ausbilden. Wie dieser Prozess im Einzelnen verläuft, hängt dabei von der konkreten Situation oder den Situationen der Traumatisierung ab, dem Alter zum Zeitpunkt der Traumatisierung und u.a. auch von den persönlichen und sozialen Kompensationsmöglichkeiten der Betroffenen.

Auf diese Vielgestaltigkeit, besonders der komplexen chronischen Erkrankungsverläufe nach psychischer Traumatisierung, wird im Weiteren noch eingegangen (Kap. ▶ 4.10).

Wichtig

Diagnose ist nur Momentaufnahme

Wichtig an dieser Stelle ist in erster Linie, die „Diagnose“ beim Opfer einer psychischen Traumatisierung als eine Momentaufnahme in einem erst der komplexeren Betrachtung zugänglichen Prozess zu verstehen, dem sich die Behandlungsbemühungen der Psychotherapeuten gemeinsam mit den Widerstandskräften des Patienten entgegenstellen.

Posttraumatische Belastungsstörung Eine Schlüsselstellung zum Verständnis der Traumafolgestörungen nimmt die posttraumatische Belastungsstörung ein ▶ [146]. Sie ist zwar keineswegs die einzige Erkrankung, die als Folge einer Traumatisierung auftreten kann, jedoch zentral für Verlauf und Verständnis traumatischer Prozesse. In der Definition der posttraumatischen Störung nach der „International Classification of Diseases“ (ICD-11; 11. Auflage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten der WHO) sind die von der medizinischen Forschung bisher aufgezeigten Beobachtungen und Symptome aufgelistet. Diese haben jedoch auch immer wieder Anlass zum Widerspruch gegeben, so dass – im Gegensatz zu dem Eindruck, den die ICD vermittelt – die posttraumatische Belastungsstörung noch keineswegs so gut verstanden ist und sich die Diagnose seit ihrer ersten Konzeption 1980 immer wieder ein wenig im Fluss befindet. Die Diagnosekriterien sind jedoch schon so weit entwickelt, dass sie eine genauere Betrachtung verdienen und ein weitergehendes Verständnis der Erkrankung und letztlich auch des traumatischen Prozesses vieler Opfer ermöglichen können. Wir beziehen uns hierbei auf die neueste Auflage der ICD-11, wobei wir an einigen Stellen Rückbezüge zu anderen Klassifikationsmanualen nehmen.

1.1.3 Diagnosekriterien der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)


1.1.3.1 A-Kriterium

Was als „psychisches Trauma“ – genauer als traumatisierendes Erlebnis – anzusehen ist, wurde immer wieder diskutiert. Wird der Begriff zu eng gefasst, werden Menschen mit klinisch behandlungswürdigen Beschwerden (z.B. nach längerer Intensivstationsbehandlung wegen einer Verbrennung) nicht diagnostiziert. Wird der Begriff der traumatisierenden Situation zu weit gefasst,...

Erscheint lt. Verlag 18.10.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete
Schlagworte Angststörungen • Anpassungsstörungen • Bindungsstörungen • CIPOS • Depressionen • EMDR • EMDR Ansätze • EMDR Behandlung • EMDR bei Kindern und Jugendlichen • EMDR Eye Movement Desensitization and Reprocessing • Forensische Patienten • Katastrophenhelfer • Notfallinvestition • pathogene Erinnerungen • Posttraumatische Belastungsstörungen • Psychiatrie • Psychische Belastungen • Psychotherapie • PTBS • Soldaten • Stressfolgestörungen • Suchtstörungen
ISBN-10 3-13-182526-X / 313182526X
ISBN-13 978-3-13-182526-1 / 9783131825261
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