ADS. Unkonzentriert, verträumt, zu langsam und viele Fehler im Diktat -  Helga Simchen

ADS. Unkonzentriert, verträumt, zu langsam und viele Fehler im Diktat (eBook)

Diagnostik, Therapie und Hilfen für das hypoaktive Kind
eBook Download: EPUB
2023 | 12. Auflage
188 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-044125-5 (ISBN)
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Ein ADS vom unaufmerksamen Typ wird bei Kindern und Jugendlichen immer noch zu selten erkannt und behandelt. Dieses Standardwerk beschreibt Symptome, Ursachen, Diagnose und Therapie ausführlich und allgemeinverständlich. In der überarbeiteten 12. Auflage gibt die Autorin Antworten auf u.a. folgende Fragen: Wie funktioniert ein ADS-Gehirn? Wie wirken Medikamente und mit welchen Nebenwirkungen muss gerechnet werden? Warum haben so viele Betroffene eine Lese-Rechtschreib- und Rechenschwäche? Das Buch gibt bewährte Lern- und Verhaltensstrategien an die Hand, um die Aufmerksamkeit und schulische Fertigkeiten zu trainieren sowie das Selbstwertgefühl und die soziale Kompetenz zu steigern. Zusätzlich werden die wichtigsten Begleit- und Folgeerkrankungen wie Depressionen, Suchterkrankungen und Essstörungen, die auch das Jugend- und Erwachsenenalter betreffen, behandelt.

Dr. med. Helga Simchen ist Kinderärztin, Neuropädiaterin, Kinder- und Jugendpsychiaterin, Psychotherapeutin sowie Verhaltens- und Familientherapeutin. Nach stationärer Tätigkeit als Oberärztin an einer Universitätsklinik war sie seit 1995 in eigener Praxis tätig.

Dr. med. Helga Simchen ist Kinderärztin, Neuropädiaterin, Kinder- und Jugendpsychiaterin, Psychotherapeutin sowie Verhaltens- und Familientherapeutin. Nach stationärer Tätigkeit als Oberärztin an einer Universitätsklinik war sie seit 1995 in eigener Praxis tätig.

3 Beispiele aus der Praxis –
Symptomatik und therapeutische Strategien


Mit Hilfe von anschaulichen Beispielen möchte ich im Folgenden auf die häufigsten Beschwerden aufmerksam machen, mit denen Kinder in meiner Praxis vorgestellt wurden, als deren Ursache sich dann eine ADS-Disposition mit Hypoaktivität herausstellte. Die Geschichten dieser Kinder sind wahr, allein ihre Namen habe ich geändert. Je nach Schweregrad und Symptomatik beschreibe ich lern- und verhaltenstherapeutische Strategien, wie ich sie in meiner Praxis durchgeführt habe.

Sandra, 8 Jahre, Schulversagen bei Lese-‌Rechtschreibschwäche, Sprachprobleme und Regression


Sandra besucht die 2. Klasse. Sie hat große Sprachprobleme, sie stammelt, kann g und k nicht sprechen, trotz dreijähriger logopädischer Behandlung.

In der Schule hat sie ein sehr langsames Arbeitstempo, sie kann schlecht lesen und noch schlechter schreiben. »Wahrscheinlich hat sie eine Legasthenie«, meint die Mutter. Es besteht ein hochgradiger Entwicklungsrückstand. Sandra verfällt in Babysprache und verhält sich kleinkindhaft. Wegen dieser Probleme ist eine Rückversetzung in die 1. Klasse geplant. Sandras Mutter war als Kind auch Legasthenikerin, konnte es aber durch intensives Üben ausgleichen. Sie sei jetzt noch leicht erregbar und werde schnell laut.

Sandra sei als Säugling sehr lebhaft gewesen, habe schon mit fünf Monaten gesessen und sei mit einem Jahr gelaufen. Die Sprachentwicklung war von Anfang an verzögert. Im Kindergarten fiel sie durch Rückzugstendenzen auf und durch babyhafte Sprache. Sie habe gern gemalt und gebastelt und sich auf die Schule gefreut.

Die 1. Klasse sei unauffällig verlaufen. Im Zeugnis der 1. Klasse steht: »Dein Arbeitstempo ist viel zu langsam; obwohl du schnell zu begeistern bist, fällt gegen Ende des Schulmorgens ein enormer Konzentrationsabbau auf. Du musst erst nachdenken, bevor du die Laute benennst. Einfache Worte kannst du lesen, schwierige Buchstabenkombinationen bereiten dir Probleme. Zu loben ist dein häuslicher Fleiß, den du unbedingt beibehalten musst. Viel Freude hast du beim Rechnen. Beim Sport zeigst du Ausdauer und großen Eifer. Leider gelingt es dir immer noch nicht, verschiedene Laute auszusprechen, wie z. B. g und k, weshalb deine Sprache kleinkindhaft wirkt.«

Sandra wurde in einer Klinik untersucht, es wurde eine multiple Sprachstörung, eine Einschränkung der visuellen Wahrnehmung, der Gedächtnisleistung und der Hörverarbeitung festgestellt, eine Weiterführung der logopädischen Behandlung und eine Ergotherapie wurden dringend empfohlen sowie weitere pädagogische Fördermaßnahmen und eine Kontrolluntersuchung.

Die Untersuchung in meiner Praxis ergab, dass Sandra eine überdurchschnittliche intellektuelle Ausstattung besitzt. Hohe Werte erreichte sie im Intelligenztest (HAWIK) im Allgemeinwissen und im logischen Denken. Dagegen lagen ihre Werte im Handlungsteil und beim Entwicklungstest im unteren Bereich der Norm.

Informationen zum HAWIK

Der HAWIK (Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder) ist ein standardisierter Test zur Erfassung des allgemeinen Intelligenzniveaus. Mittels Untertests (gegliedert in einen Handlungs- und Verbalteil) werden die praktische, die allgemeine und die verbale Intelligenz im Sinne eines Leistungsprofils erfasst. Damit ist eine vergleichbare Untersuchung des allgemeinen geistigen Entwicklungsstandes und eine weitestgehend objektive Erfassung von verschiedenen Leistungsstörungen möglich. Der Normalbereich der Intelligenz liegt zwischen 80 und 120 %, wobei der durchschnittliche Wert einem Intelligenzquotienten von 100 entspricht. Im HAWIK-Test werden Normen für die einzelnen Altersgruppen vorgegeben.

Die weiteren Untersuchungen ergaben eine erhebliche Störung der Konzentration, der Daueraufmerksamkeit, der auditiven und visuellen Wahrnehmung. Die psychometrischen Verfahren zeigten ihren Wunsch nach mehr Anerkennung, deutliche Versagensängste, eine Regressionstendenz und einen Mangel an Selbstwertgefühl. Die Körperkoordination blieb deutlich unter dem Altersniveau. Die über mehrere Stunden erfolgte Diagnostik ergab die Problematik eines hypoaktiven Kindes mit Lese-Rechtschreibschwäche infolge ausgeprägter Funktionsstörungen.

Mit der Mutter und dem Mädchen wurden eine Verhaltenstherapie, kombiniert mit Gabe von Stimulanzien, bei gleichzeitigem Atem- und Sprachtraining vereinbart.

Sandra lernte Entspannungsübungen. Unter dieser Behandlung besserte sich die Sprache deutlich, was die Logopädin bestätigte. Die Lese-Rechtschreibleistung und das Arbeitstempo verbesserten sich in der Schule wesentlich, so dass Sandra in die 3. Klasse versetzt wurde. Für den Behandlungserfolg spricht das Testdiktat (▸ Abb. 2), das vor und nach Beginn der Behandlung geschrieben wurde. Behandlung bedeutet: Jeden Tag ein 5-Minuten-Diktat schreiben und das wiederholen, bis es fehlerfrei geschrieben wird. Beim Schreiben nachdenken, wie jedes einzelne Wort richtig geschrieben wird.

Die Sprache hat sich inzwischen völlig normalisiert. Sandra geht gern in die Schule und erbringt in der 3. Klasse gute Schulleistungen.

Abb. 2:Sandra, Schreibprobe vor Beginn der Behandlung (oben) und drei Monate danach (unten)

Anna-Maria, 12 Jahre, Schulangst, Konzentrations- und Rechtschreibschwäche


Anna-Maria ist 12 Jahre alt, sie besucht die 6. Klasse und ist, wie manche hypoaktiven Kinder, leicht übergewichtig. Sie wurde in der Praxis wegen Schulangst, Konzentrationsproblemen und schlechter Schrift vorgestellt. Anna-Maria übt sehr fleißig, zu Hause gelingen ihr die Diktate fast fehlerfrei, in der Schule macht sie viele Fehler. Obwohl sie gut lesen kann, liest sie niemals ein Buch. Im Englischen hat sie jetzt auch Probleme.

Die statomotorische Entwicklung sei unauffällig gewesen. Anna-Maria war ein ruhiges Kind. Ihre Hauptbeschäftigung war puzzeln, gemalt hat sie nicht so gern. Im Kindergarten spielte sie meist in der Puppenecke. Die Schwierigkeiten begannen in der 2. Klasse. Hier machte sie trotz regelmäßigen Übens viele Fehler beim Abschreiben und auch im Diktat. Im Zeugnis steht immer wieder: »Anna-Maria müsste sich besser konzentrieren, sie müsste zu Hause mehr üben und sie dürfte nicht so viel träumen, sie müsste sich in der Schrift mehr Mühe geben.«

Die Untersuchung ergab ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität und eine Rechtschreibschwäche bei Störung der Daueraufmerksamkeit, der auditiven und visuomotorischen Wahrnehmung bei langsamen Arbeitstempo. Die psychometrischen Verfahren zeigten Hinweise auf Regression, Schulangst, gehemmter Aggressivität, Selbstwertproblematik und einen deutlichen Leidensdruck. Im Satzergänzungstest schrieb Anna-Maria:

  • ·

    Angst habe ich nur vor einem Diktat.

  • ·

    Am meisten leide ich unter meinen schlechten Diktatnoten.

  • ·

    Für mich ist das Wichtigste im Leben meine Familie und gute Noten zu bekommen.

  • ·

    Am besten fühle ich mich, wenn ich eine Eins schreibe.

Anne-Marias Behandlung erfolgt mit Stimulanzien, wodurch sich ihre Rechtschreibnoten prompt besserten. Im Probediktat vor und nach Einnahme einer Tablette war das Verhältnis der Fehler drei zu eins (▸ Abb. 3).

Abb. 3:Anna-Maria, Diktat vor (oben, 6 Fehler) und eine halbe Stunde nach der Medikamenteneinnahme (unten, 2 Fehler)

Anna-Maria übt jetzt fleißig und macht große Fortschritte in der Rechtschreibung und im Englischen. Beide Noten konnte sie innerhalb eines halben Jahres von Fünf auf Vier verbessern. Bei Anna-Maria besteht außerdem eine Störung des beidäugigen dynamischen Sehens. Die Vorstellung beim Augenarzt ergab zunächst einen unauffälligen Befund, aber eine Überweisung zu einem Spezialisten bestätigte den Befund.

Auch bei Anna-Maria bestand eine Diskrepanz zwischen ihrer überdurchschnittlichen intellektuellen Begabung, ihrer Leistungsfähigkeit in der Schule und ihrer Zufriedenheit mit diesen Schulleistungen. Sie litt unter ständigen Enttäuschungen, denn sie spürte, dass sie mehr wusste, als sie zu Papier brachte. Insbesondere die Diskrepanz zwischen mündlich und schriftlich erarbeiteten Noten war groß. Das Schriftbild ist jetzt besser. Eine Schulangst besteht seit langem nicht mehr. Anna-Maria geht inzwischen gern und erfolgreich zur Schule. Natürlich muss sie noch weiterhin intensiv üben, um das Versäumte nachzuholen, aber sie tut es mit spürbar größerem Erfolg.

Manuel, 8 Jahre, Probleme in der Fein- und Grobmotorik, im Arbeitstempo und in der sozialen Reife


Manuel besucht die 2. Klasse. Er wurde mir vorgestellt, weil er zu langsam sei und jetzt von der 2. Klasse in die 1. Klasse zurückversetzt werden soll, da er nicht richtig schreiben und lesen könne. Manuel regt sich schnell auf. Er hat seit mehreren Jahren Ergotherapie wegen der gestörten Körperkoordination und Problemen in der Fein- und...

Erscheint lt. Verlag 16.8.2023
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
Medizin / Pharmazie
Schlagworte ADS-Kinder • Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom • Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom • Aufmerksamkeitsstörung • Hypoaktive Kinder
ISBN-10 3-17-044125-6 / 3170441256
ISBN-13 978-3-17-044125-5 / 9783170441255
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