Übergangspflege - Transitional Care -  Claudia Bernhard-Kessler

Übergangspflege - Transitional Care (eBook)

Pflegetheoretische Begründungen und pflegepraktische Umsetzungen
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
232 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-76259-3 (ISBN)
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Das Praxishandbuch zur Übergangspflege bietet pflegetheoretische Begründungen und pflegepraktische Umsetzungen der Transitional Care. Die erfahrene Pflegefachfrau und -wissenschaflerin Claudia Bernhard-Kessler: erläutert, wie sich Drehtürentlassungen und Versorgungsbrüche bei Verlegungen aus Gesundheitseinrichtungen antizipieren und vermeiden lassen und wie eine Übergangspflege zur Stabilisierung und Bewältigung von Lebensübergängen und Transitionen beitragen kann klärt den Begriff der Übergangspflege, ihre Bedeutung, Entwicklung, Ethik und Ausbildungsangebote beschreibt eine Theorie der Übergänge und Transitionen, unterscheidet ihre Arten und Elemente, nennt notwendiges Handwerkszeug, wie Taktgefühl und Beratungskompetenz und skizziert organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen fächert die inhaltlichen Bausteine der Übergangspflege auf und erläutert zugrunde liegende Konzepte der Bewältigung, Biografie, häuslichen Desorganisation, erlernten Hilflosigkeit, Motivation, Reaktanz, Selbstbestimmung, Selbstmanagement, Selbstwirksamkeit, Systeme und des Selbstwerts mit Beispielen und Interventionen bietet praktische Beispiele für die Planung und Umsetzung der Übergangspflege aus der ambulanten Pflege, für die Situation des Heimeintritts und bei Menschen mit chronischen Erkrankungen, Migrationshintergrund, Long-Covid-Syndrom und Selbstvernachlässigung entwickelt und verbessert das Entlassungsmanagement durch geplante Übergangspflege und bewusst gestaltete, bewältigte und stabilisierte Übergangssituationen.

|32|2  Sicht auf Gesundheit und Krankheit


Wie man sein Leben gestaltet und plant und wie zufrieden man sich fühlt, ist immer individuell und hängt zu einem großen Teil von der jeweiligen Gesundheitssituation und dem kulturellen Hintergrund ab. Eine internationale Studie zur Beurteilung des eigenen Gesundheitszustandes zeigte unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen gleichen Alters, im Vergleich zwischen zwei Kontinenten (Kohli & Künemund, 2005). Zum Beispiel stuften bei einer Befragung 13 % der über 64-jährigen Personen in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) ihren Gesundheitszustand als ausgezeichnet ein. In der Bundesrepublik Deutschland schätzten sich hingegen nur 2 % derselben Altersgruppe so gut ein. Nun stellt sich die Frage, ob die Menschen in Deutschland tatsächlich kränker sind, oder einfach nur unzufriedener mit der eigenen Gesundheit. Unabhängig von eventuellen kulturellen Unterschieden, geht es in der Übergangspflege vordergründig darum, Menschen wieder mit den Herausforderungen des alltäglichen Lebens, gemäß ihrer zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien, zu konfrontieren. Da die Institution der Profession Gesundheits- und Krankenpflege entspringt, birgt sich darin eine große Herausforderung für das Personal, weil Pflege auch heute noch viel von ihrem ursprünglichen biomedizinischen und deshalb versorgenden Ansatz in sich hat. Klient*innen der Übergangspflege sind alle mehr oder weniger krank, warum sonst werden sie in einem Krankenhaus aufgenommen. Eine Unterstützung beim Übergang vorrangig nach Hause, welche das Ziel der Autonomie und Selbstfürsorgefähigkeit verfolgt, ist für diese Menschen aber unweigerlich mit Anforderungen und Strapazen verbunden. Warum soll sich also eine 89-jährige Dame beim differenzialdiagnostischen Ausgang die Stufen bis zu ihrer Wohnung hinaufkämpfen, wo sie sich doch vermeintlich auch in einem Bett einer versorgenden Einrichtung erholen könnte. Die Rechtfertigung entspringt deshalb nicht nur der Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit, sondern |33|bringt die Pflegeperson auch ins Spannungsfeld der individuellen Wünsche und Vorstellungen der Klient*innen sowie den vorherrschenden Erwartungen und Haltungen der Gesellschaft. Zumal Sichtweisen verschieden gedacht werden können, gestaltet sich diese Thematik komplex und verlangt nach geeigneten Hypothesen zur Rechtfertigung von Ansätzen, die sich an der Hilfe zur Selbsthilfe orientieren.

2.1  Der salutogenetische Ansatz


Beim erklärenden Ansatz, warum Menschen krank werden, herrscht die dichotome Sichtweise vor, dass man entweder gesund oder krank ist. Hingegen stellt sich eine salutogenetische Orientierung die Frage, warum Menschen, obwohl sie vielen Stressoren ausgesetzt sind, gesund werden oder noch immer gesund sind (Antonovsky, 1997). Im Rahmen der Salutogenese werden die beiden Variablen Gesundheit und Krankheit in einem Kontinuum zueinander gesetzt, was in der Folge die Möglichkeit eröffnet, die Position eines Menschen zu jeder beliebigen Zeit auf diesem Kontinuum zu verorten. „Wir sind alle sterblich. Ebenso sind wir alle, solange noch ein Hauch von Leben in uns ist, in einem gewissen Ausmaß gesund“ (Antonovsky, 1997, S. 23). Ausgehend von einer Ressourcenorientierung zur Bekämpfung von Stressoren geht diese Hypothese in Widerspruch zur wissenschaftlich-medizinischen Denkweise. Als zentrales Element steht das Konzept des Kohärenzgefühls, genannt Sense of Coherence (SOC), damit wird Vertrauen, als ein durchdringendes, andauerndes und dynamisches Gefühl beschrieben, dass die interne und externe Umwelt vorhersagbar ist und die Ergebnisse in hohem Maße kontrollierbar sind (Antonovsky, 1997). Es besteht aus drei eng miteinander verbundenen Komponenten, die gemeinsam ein Kohärenzgefühl ergeben. Erstens beschreibt der Begriff Verstehbarkeit den Glauben an die Vorhersehbar- bzw. Erklärbarkeit von zukünftigen Ereignissen. In weiterer Folge steht die Handhabbarkeit für ausreichende Ressourcen, um Niederlagen bewältigen und sich vom Gefühl der Opferrolle distanzieren zu können. Der dritte Begriff der Bedeutsamkeit meint die Sinnhaftigkeit des Lebens und der Dinge, die darin geschehen. Verfügt also ein Mensch über ein gutes Kohärenzerleben, kann er seine Widerstandsressourcen besser nützen. In der Psychotherapie ermöglicht dieser Ansatz mittlerweile valide Prognosen über Therapieerfolge mit dem Maß des Kohärenzgefühls zu erstellen, wobei das Konzept SOC in der zu Hause lebenden Bevölkerung, im Vergleich zu Patient*innen in Krankenhäusern oder Bewohner*innen in Langzeiteinrichtungen, stärker ausgeprägt zu sein scheint (Egger, 2015; Goddemeier, 2019). Die Salutogenese zeigt Parallelen zu Eriksons Entwick|34|lungstheorie sowie zur Selbstwirksamkeitserwartung von Bandura (1977) auf. Ebenso finden sich Ähnlichkeiten zur Herangehensweise von Lazarus und Folkman (1984), dass Stressoren als Störung des Gleichgewichts zwischen Umweltanforderungen und eigenen Ressourcen nicht unbedingt krankmachend sind, sondern erfolgreich bewältigt werden können. Vor diesem Hintergrund sollte die Salutogenese fixer Bestandteil einer pflegebezogenen Edukation sein, zumal die aktivierende Pflege als Grundlage zur Unterstützung der Alltagsbewältigung für die Klient*innen und deren Zu- und Angehörigen gesehen werden kann (Schieron, 2021a).

2.2  Identität und Individualität


Entwicklungspsychologisch gesehen kann man sich die Sicht auf Gesundheit und Krankheit durch Überzeugungen, Erfahrungen oder Orientierung an Vorbildern aneignen. Nichtsdestotrotz wird es dabei immer Unterschiede geben, da jedes Individuum einzigartig ist und seine ganz persönliche Identität besitzt. Nach Abels (2017) kann, braucht und darf Identität nicht festgestellt, sondern muss permanent für jedes Individuum neu definiert werden. Es handelt sich somit um einen fortlaufenden Prozess, der immer wieder angepasst werden muss, um zu verhindern, als Individuum in der Gesellschaft verloren zu gehen. Gerade mit zunehmendem Alter steigt die Schwierigkeit seine Individualität zu bewahren, zumal für den Alterungsprozess eine hohe Kompetenz an Lebensbewältigung in kritischen Lebenssituationen, wie im Umgang mit Verlusten und den unausweichlichen Gesundheitsrisiken, benötigt wird (Böhnisch, 2018). Eine Betreuung, die auf Individualisierung und Erhaltung der Identität ausgerichtet ist, erfordert ein Hintergrundwissen über entwicklungstheoretische Ansätze. Insbesondere gehört das Qualitative Verlaufsmodell mit den acht Stufen von Erikson (1968, 1998) nach wie vor zur Grundlagenliteratur. Dieses Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung setzt sich mit der Vorstellung einer gesunden Persönlichkeit im Gegensatz zu Freuds psychoanalytischen Auffassung auseinander (Abels, 2017). Hervorzuheben ist der Bezug auf einen lebenslangen Prozess der Persönlichkeitsentwicklung und des Identitätswandels. Und dies im Kontext der Beziehungen zwischen uns und den anderen und der Vermittlung zwischen den Erinnerungen an das, was wir waren und wollten – in Abstimmung mit den Vorstellungen von der eigenen Zukunft (Erikson, 1964, 1998). In den acht Stufen der Entwicklung zeigt sich eine Abfolge von spezifischen Krisen und Kernkonflikten, welche in der jeweiligen Phase bewältigt werden müssen. Somit gibt es in jeder Stufe einen kritischen Höhepunkt, aus dem sich eine blei|35|bende Lösung oder auch eine spezielle Tugend herauskristallisiert, die sich dann in Summe zu einer bestimmten Grundhaltung ausbildet. Diese bestimmte Grundhaltung eines Menschen zu sich und seiner Umwelt bezeichnet Erikson als Grundstärke (ICH-Stärke), die als Selbst- und Fremdsteuerung durchs weitere Leben führt. ICH-Qualität sagt demzufolge etwas über die psychosoziale Gesundheit eines Menschen aus. Sie kann sich positiv zeigen, wenn sich in der Kindheit das Urvertrauen bei einem Kind entwickeln konnte oder negativ, beispielhaft als Verzweiflung im Erwachsenenalter. All diese Grundhaltungen bauen aufeinander auf und können bei unvollständigen Lösungen der Krisen ein schwaches ICH hervorbringen. Bei jeder Stufe geht es um die Frage: WER BIN ICH. Der Schwerpunkt...

Erscheint lt. Verlag 10.7.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege
ISBN-10 3-456-76259-3 / 3456762593
ISBN-13 978-3-456-76259-3 / 9783456762593
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