Endspurt Vorklinik: Anatomie III (eBook)
144 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-244540-6 (ISBN)
1 Entwicklung
B. Brand-Saberi
1.1 Überblick
Viele Strukturen in Kopf und Hals und ihre Lage sowie Fehlbildungen lassen sich besser verstehen, wenn man die Embryologie nachvollzieht. Verschiedene Teile des Embryos bilden Anlagen für Gesicht, Schädel und Hals. Diese Anlagen bestehen nicht alle gleichzeitig, sondern entwickeln sich um die 4./5. Woche herum. Manche Strukturen sind bereits zurückgebildet, wenn neue entstehen.
1.2 Entwicklung des Kopfes
1.2.1 Entwicklung der Schädelknochen
Das Material für den Hirnschädel (Neurokranium) stammt aus
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dem Mesektoderm (Neuralleistenmesenchym) des Kopfes: bildet die flachen Deckknochen der Schädelkapsel
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dem prächordalen Mesoderm: bildet einen großen Teil der Schädelbasis
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den okzipitalen Somiten (paraxiales Mesoderm): bildet einen Teil der hinteren Schädelbasis.
Ossifikation des Schädels. Die Knochen des Schädeldachs (Calvaria, Kalotte) entstehen durch desmale Ossifikation. Dabei bildet Bindegewebe die Knochennähte zwischen zwei benachbarten Knochenanlagen (Suturen). Die Sutura frontalis verknöchert im 2. Lebensjahr, die übrigen Suturen erst um das 40. Lebensjahr.
Die Knochen der Schädelbasis hingegen entstehen überwiegend durch chondrale Ossifikation.
Der Gesichtsschädel (Viszerokranium) geht im Wesentlichen aus den ersten beiden Schlundbögen hervor.
1.2.1.1 Suturen und Fontanellen
Für den Geburtsvorgang ist es wichtig, dass der Schädel sich noch verformen kann. Dies wird insbesondere durch die Schädelnähte, die Suturen, ermöglicht, die zunächst bindegewebig angelegt sind. Zudem braucht das sich entwickelnde Gehirn Platz und die flachen Schädelknochen wachsen mit. Beim Blick von oben kann man vier Suturen erkennen.
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Sutura frontalis zwischen linkem und rechtem Os frontale
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Sutura coronalis zwischen Os frontale und Os parietale
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Sutura sagittalis zwischen linkem und rechtem Os parietale
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Sutura lambdoidea zwischen Os parietale und Os occipitale.
Suturen und Fontanellen bei einem Neugeborenen
Abb. 1.1
(Quelle: Schünke, Schulte, Schumacher. Prometheus Kopf, Hals und Neuroanatomie. Illustrationen: Voll, Wesker. Thieme, 2018)
Zwischen den Stellen, an denen die Knochen aneinandergrenzen, liegen zunächst bindegewebige Zonen vor, die Fontanellen:
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Fonticulus anterior („große Fontanelle“, Stirnfontanelle): groß, viereckig, grenzt an die Sutura sagittalis, die Sutura frontalis und die Sutura coronalis. Sie liegt zwischen Ossa parietalia und Ossa frontalia. Verschluss im 2. Lebensjahr.
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Fonticulus posterior („kleine Fontanelle“, Hinterhauptfontanelle): klein, dreieckig, zwischen Ossa parietalia und Os occipitale. Sie grenzt an die Lambda- und Sagittalnaht an. Verschluss im 3. Lebensmonat.
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4 Seitenfontanellen:
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vordere Seitenfontanellen (Keilbeinfontanellen, Fonticulus sphenoidalis): Verschluss um den 6. Lebensmonat
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hintere Seitenfontanellen (Warzenfontanellen, Fonticulus mastoideus): Verschluss gegen Ende des 1. Lebensjahres.
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1.2.2 Entwicklung der Kopfmuskulatur
Aus den ▶ Schlundbögen entstehen die Kaumuskeln, die Mundbodenmuskeln, die mimischen Muskeln und die Rachenmuskeln.
Das Mesenchym der Prächordalplatte bildet drei paarige mesenchymale Verdichtungen, aus denen die äußeren Augenmuskeln hervorgehen:
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aus der oberen Verdichtung entstehen Muskeln, die vom N. oculomotorius (III. Hirnnerv) innerviert werden: M. rectus inferior, medialis und superior; M. obliquus inferior; M. levator palpebrae superioris
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aus der mittleren Verdichtung entstehen: M. obliquus superior, innerviert vom N. trochlearis (IV. Hirnnerv)
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aus der unteren Verdichtung entstehen: M. rectus lateralis, innerviert vom N. abducens (VI. Hirnnerv).
1.2.3 Nase, Gesicht und Gaumen
Die primären Nasenhöhlen entstehen in der 6. Woche, indem sich die Riechgruben nach hinten erweitern. Sie sind durch die Mund-Nasen-Membran (Membrana oronasalis) noch von der darunterliegenden Mundanlage getrennt. Durch das Einreißen dieser Membran entstehen die primären Choanen (primäre innere Nasenöffnungen), die die primären Nasenhöhlen mit der Mundhöhle verbinden.
Die definitiven Choanen (Verlagerung der primären Choanen nach dorsal) entstehen durch Bildung des definitiven Gaumens. Sie verbinden die Nasenhöhle mit dem Nasenrachenraum (Nasopharynx). Gleichzeitig entwickelt sich vom Dach der Nasenhöhle ausgehend das mediane Nasenseptum (Scheidewand).
Blick in die Klinik
Bei einer Choanalatresie ist die hintere Nasenöffnung knöchern oder membranös verschlossen. Bei beidseitigem Verschluss kann eine lebensbedrohliche Atemnot des Neugeborenen auftreten.
Das Gesicht (äußere Nase, Ober- und Unterkiefer) entsteht überwiegend aus Material des ersten Schlundbogens sowie aus Neuralleistenmesenchym.
Entwicklung des Gesichts in der 7. bzw. 10. Woche
Abb. 1.2 Der Oberkieferwulst und der Unterkieferwulst entstehen aus dem Mesenchym des ersten Schlundbogens. Das Philtrum der Oberlippe entwickelt sich aus dem medialen Nasenwulst, welcher aus Neuralleistenmesenchym entsteht.
(Quelle: Ulfig, Brand-Saberi, Kurzlehrbuch Embryologie, Thieme, 2017)
Der Gaumen entsteht aus drei Anlagen:
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dem primären Gaumen
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den beiden (lateralen) Gaumenfortsätzen (Gaumenplatten, Processus palatini laterales).
Blick in die Klinik
Bei Gaumenspalten ist die Vereinigung der beiden Gaumenfortsätze nicht oder nur teilweise erfolgt. Die Ausdehnung von Gaumenspalten variiert.
Die Spalten können auch kombiniert als Lippen-Kiefer-Gaumenspalten auftreten. Sie gehören zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. Laterale Lippen- und Kieferspalten (am Oberkiefer) sind das Resultat von Verschmelzungsdefekten durch ungenügende Mesenchymbildung zwischen dem medialen Nasenwulst und dem Oberkieferwulst. Sie kommen ein- oder beidseitig vor und ihre Ausdehnung ist variabel.
Nur sehr selten treten mediane Oberlippenspalten durch fehlende Verschmelzung der medialen Nasenwülste auf.
1.2.4 Entwicklung der Zunge
An der Entwicklung der Zunge sind mesenchymale Anteile der ersten vier Schlundbögen beteiligt: Die sensible Innervation der Schleimhaut am Zungenkörper erfolgt durch den N. lingualis aus dem N. mandibularis (V. Hirnnerv, Nerv des 1. Schlundbogens). Der Zungengrund wird vom N. glossopharyngeus (IX. Hirnnerv, Nerv des 3. Schlundbogens) und hinten vom N. laryngeus superior aus dem N. vagus (X. Hirnnerv, Nerv des 4. Schlundbogens) innerviert.
Die Zungenmuskulatur entsteht aus Myoblasten, die aus okzipitalen Somiten eingewandert sind. Alle Zungenmuskeln werden entsprechend vom N. hypoglossus (XII. Hirnnerv) innerviert.
Das Epithel des Zungenkörpers (Corpus linguae) leitet sich von der Mundbucht ab und ist daher ektodermal, das Epithel des Zungengrunds (Radix linguae) stammt von unterhalb der Oropharyngealmembran und ist somit endodermal. Die Grenze zwischen beiden ist der Sulcus terminalis.
1.2.5 Entwicklung der Speicheldrüsen
Die Speicheldrüsen entstehen in der 6. und 7. Woche als solide Epithelsprossen der Mundbucht, die in das angrenzende Mesenchym einwachsen.
1.2.6 Entwicklung der Zähne
Beim Menschen wird das erste Gebiss (Milchzähne, Dentes decidui) durch ein zweites (bleibende Zähne, Dentes permanentes) ersetzt.
...Erscheint lt. Verlag | 5.4.2023 |
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Reihe/Serie | Endspurt Vorklinik | Endspurt Vorklinik |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Studium ► 1. Studienabschnitt (Vorklinik) ► Anatomie / Neuroanatomie |
Schlagworte | 1. ÄP • Anatomie • Endspurt • IMPP • Lernplaner • M1 • Medizinstudium • Physikum • Prüfungsvorbereitung • Skript |
ISBN-10 | 3-13-244540-1 / 3132445401 |
ISBN-13 | 978-3-13-244540-6 / 9783132445406 |
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