Die Pflege der Sterbenden -  Sabine Wöger

Die Pflege der Sterbenden (eBook)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
352 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-9356-9 (ISBN)
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Das Buch richtet sich an jene, die Menschen am Lebensende möglichst kompetent pflegen und begleiten wollen. Es enthält wissenswerte Informationen über den Ablebensprozess und über die Pflege Sterbender. Begegnungs- und Berührungsängste, auch die Furcht vor dem eigenen Sterben, sollen durch diese Schrift reduziert werden. Die Ausführungen werden mit der Einladung, über das eigene Leben und Sterben nachzudenken, umrahmt. Die Lesenden halten eine auf Wissen und Praxiserfahrung basierende Hilfestellung in Händen, deren Inhalte mit Bedacht gewählt und mit Zeichnungen der Autorin versehen wurden.

DDDr.in Sabine Wöger, MMMSc, MEd, ist diplomierte Pflegeperson, Gesundheitswissenschafterin und Psychotherapeutin mit einer logotherapeutischen und tiefenpsychologischen Ausrichtung. Palliative Care bildet einen Schwerpunkt ihres beruflichen Wirkens. www.sabinewoeger.at

GEBOREN-WERDEN UND STERBEN
HABEN VIELES GEMEINSAM

„Geburt und Tod sind in einen ewigen Kreislauf des
Werdens eingefügt, in dem das Leben mit dem Tod und der Tod
mit dem Leben identifiziert werden.“
(Zirfas, 2014, S. 330)

Abbildung 2: Der ewige Kreislauf von Geburt und Tod

Der Sterbevorgang ist bei Weitem nicht der erste Loslassprozess im Leben eines Menschen, wohl aber der, den wir besonders tief greifend und existenziell erfahren. Mit der Geburt erleben wir erstmals und beispiellos, dass dem Loslassen nicht der Untergang folgt, sondern dass sich dadurch neues Leben entfaltet und sich das Leben wandelt. Geburt und Tod haben viele Gemeinsamkeiten, und das Bewusstsein, dass beide Prozesse dem Leben zutiefst zugehörig sind, setzt wertvolle Sichtweisen und Entwicklungen in Gang.

Die Unverfügbarkeit von Geburt und Tod


„Das kulturelle Antriebsmoment jener Lebensform,

die wir modern nennen, ist die Vorstellung, der Wunsch und das

Begehren, Welt verfügbar zu machen.“ (Rosa, 2019, Kapitel 1–2, Minute 01:36)

Des Lebensanfangs und des Endes menschlicher Existenz kann ein menschliches Wesen nicht habhaft werden. Beiden Vorgängen ist gemein, dass sie im Grunde genommen nicht kontrollierbar sind. Zu glauben, wir hätten einen verfügbaren Spielraum in Bezug auf unser Schicksal, ist ein Trugschluss, der uns über kurz oder lang wieder in die Realität katapultiert.

Selbst bestimmen zu können, ob und wann eine Schwangerschaft abgebrochen oder eine Geburt künstlich eingeleitet wird, verleiht höchstens den Schein von Machbarkeit und Kontrolle. Selbst die Option, bei unerfülltem Kinderwunsch eine In-vitro-Fertilisation durchführen zu lassen, garantiert nicht, dass sich die befruchtete Eizelle in der Gebärmutterschleimhaut einnistet und ein Kind heranwächst. Andere Frauen werden ungewollt schwanger, trotz Empfängnisverhütung. Und vielleicht stirbt das ersehnte Kind, ehe es geboren wird oder unmittelbar nachdem es zur Welt kam, völlig unvorhersehbar und „entgegen der Natur“, wie wir dann zu sagen pflegen.

Gleichermaßen können wir so tun, als gäbe es den Tod nicht. Das Ableben kann durch High-Tech-Medizin hinausgezögert, der Tod kann beschleunigt oder gewaltsam herbeigeführt werden, und dennoch: „Wenn wir uns mitten im Leben meinen, wagt er [der Tod] zu weinen, mitten in uns“ (Rilke, 1955–1966, Vers 476).

Wie wir es auch drehen, das Schicksal liegt nicht in unserer Hand. Es ist und bleibt, was es ist, nämlich schicksalhaft, durch Menschenhand und -verstand nicht zu beeinflussen. Einzig in der Einstellung gegenüber dem Schicksal haben wir freie Wahlmöglichkeiten, etwa, ob wir uns den Gegebenheiten ohnmächtig ausliefern oder nach Wegen suchen, der schmerzvollen Erfahrung einen Sinn abzuringen und schließlich in den künftigen Lebensentwurf zu integrieren.

Selbst wenn wir uns philosophischen Fragen stellen oder uns durch meditative Praktiken mit der Zeitlichkeit des Lebens befassen und auf die Begegnung mit dem Tod vorbereiten, die Tatsache, dass er in das Leben tritt, ohne dass wir wissen, wann und wie, ist unverrückbar.

In die Prozesse von Geburt und Tod, die „unsäglich“ (Bergmann, 2011, S. 8) sind und „jeder Erfahrbarkeit vorausgehen“ (ebd.), werden wir hineingenommen; sie geschehen uns, ob wir es wollen oder nicht, ob wir jung oder alt, gute oder schlechte Menschen sind.

Vorbereitungen rund um die Geburt


Während der zehn Monate, in denen ein Baby im Mutterleib heranwächst, werden zahlreiche Vorbereitungen für die Zeit vor, während und nach der Geburt getroffen. Ein breites Gefühlsspektrum begleitet diese Lebensphase. Die hormonell-körperlichen Veränderungen sind bald spürbar. Der Embryo macht durch Stöße gegen die Bauchdecke auf sich aufmerksam, reagiert auf Positionsveränderungen und Stimmungen der Mutter, ebenso auf äußere Einflüsse wie Musik. In Geburtsvorbereitungskursen bekommen die werdenden Mütter und Väter kompetente Antworten auf zahlreiche Fragen. Über das Bevorstehende mit Gleichgesinnten und Fachpersonal offen reden zu können, wird als beruhigend und unterstützend wahrgenommen. Ist die Schwangerschaft gewollt, gibt es neben der Vorfreude auf das Baby auch Bedenken: Wie stark werden die körperlichen Anstrengungen sein? Ist das Becken breit genug, damit das Kind den Geburtskanal problemlos passieren kann? Welche atemtechnischen Ressourcen und mentalen Strategien sind während der schmerzvollen Presswehen hilfreich? Welche Notfallmaßnahmen werden bei Geburtskomplikationen eingeleitet und wie sind diese prognostisch einzuschätzen? Welche Auswirkungen erfährt das partnerschaftliche Zusammenleben durch das Kind und inwiefern verändert sich das sexuelle Empfinden?

Bei Weitem freuen sich nicht alle Paare auf ihr Kind. Babys sind nicht willkommen, wenn sie Lebensentwürfe durchkreuzen, wenn etwa die Karriere, die freie Lebensgestaltung oder die finanzielle Unabhängigkeit auf dem Spiel stehen. Andere Frauen entscheiden sich von vornherein gegen eine Schwangerschaft oder für einen Fetozid, etwa wenn das Kind in Armut aufwachsen müsste und das Versorgen des Babys unmöglich erscheint. Die Berichte von schweren Geburten haben das Potenzial, die Angst vor dem Unaushaltbaren zu schüren. Das geschieht umso öfter, je labiler eine Person ist, je weniger resiliente Faktoren sie im Laufe ihres Lebens entwickeln konnte.

Das Reflektieren über die Sterblichkeit ist
ein zutiefst anthropologisches Phänomen


Der Mensch weiß, dass er sterblich ist, und die Auseinandersetzung mit dem Tod ist demnach für das Menschsein konstitutiv. Muss die Realität des Todes nicht abgewehrt werden, etwa durch Verdrängung, Hyperaktionismus oder den krampfhaften Versuch der Erfahrungseinordnung in einen religiösen Kontext, erfolgt sie höchst individuell. Niemand kann einem anderen sagen, was der Sinn des Todes für sein Leben ist, denn jeder Mensch ist dazu aufgefordert, existenzielle Fragen selbst zu beantworten: „Das Leben selbst ist es, das dem Menschen Fragen stellt“ (Frankl, 1946, S. 48).

Oftmals ist das ganze Leben von der Suche nach Bewältigungswegen im Umgang mit dem Tod geprägt. Bei mir setzte dieser Prozess ein, als ich als Fünfjährige verstand, dass irgendwann jedes Lebewesen, auch jeder Mensch, sterben muss. Als mein Onkel im Alter von 30 Jahren plötzlich aus dem Leben gerissen wurde, begriff ich, dass es möglich ist, dass Junge vor den Alten sterben. Seither begleitet mich die Frage, welchen Sinn der Tod für das Leben hat. Die Philosophie, die Logotherapie, das Verfassen von Texten, das Musizieren, kreatives Schaffen und die Ritualarbeit erschließen mir immer noch wesentliche und neue Einsichten.

Auch theologische und lyrische Zugänge, das Naturerleben und die Meditation umrahmen das Ringen um Antworten auf Sinnfragen rund um die Endlichkeitsthematik. Jetsün Milarepa, 1040–1123, ein Meister des tibetischen Buddhismus, vernahm durch die Tatsache, dass das Leben endet, einen Sinnanruf im Hinblick auf seine religiöse Lebensführung: „My religion is to live and die without regret“, „Meine Religion besteht darin, mich auf meinem Totenbett nicht schämen zu müssen“ (AzQuotes, o. J., o. S.).

Über Existenzielles soll geredet werden


Im Rahmen von Lehrveranstaltungen über Palliative Care lassen sich die Anwesenden unter anderem intensiv auf die Thematik der Schicksalhaftigkeit von Geburt und Tod ein. Sie reflektieren persönliche Erfahrungen und resümieren, dass der Verlust von Selbstwirksamkeit und Kontrolle, entgegen aller Vorstellungskraft, nicht zwingend in Panik münden muss. Eine Frau, die unter unvorstellbar schmerzhaften Wehen ihr erstes Kind gebar, sagte: „Ich hatte das Gefühl, zu sterben. Seltsamerweise wich plötzlich jegliche Angst und mir wurde eine Kraft zuteil, die es mir ermöglichte, mich über den Schmerz zu erheben und das Kind aus dem Leib zu pressen.“ Ebenso wissen viele, die Sterbenden Beistand leisteten, von „schönen, gar heiligen Erfahrungen“ zu berichten. Der Austausch untereinander ist außerordentlich wichtig. Das gemeinsame Zulassen und Aushalten von überwältigenden Lebenserfahrungen gibt den nötigen Halt und Trost, ehe weiterführende Erkenntniswege beschritten werden können.

Umgebungsgestaltung und
Raumatmosphäre


Geboren-Werden und Sterben sind private und intime Geschehnisse, sie bedürfen einer besonderen Atmosphäre und Umgebung.

Für das neue Erdenkind wird eine Wiege vorbereitet, gefertigt aus hochwertigem natürlichem Material. Durch sanftes Wiegen schlummern viele Babys leichter ein. Eine atmungsaktive Matratze und weiches kuscheliges Bettzeug sorgen für einen angenehmen Schlaf und schonen die zarte Haut. Der Schleier der Wiege wird an der Himmelsstange befestigt, um das Kindlein vor grellem Licht, Wind und Sonneneinstrahlung zu schützen. Weil das erste Bettchen mit vier Rollen und einer Feststellbremse versehen ist,...

Erscheint lt. Verlag 30.1.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege
ISBN-10 3-7578-9356-5 / 3757893565
ISBN-13 978-3-7578-9356-9 / 9783757893569
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