Zwangsstörungen erfolgreich behandeln -  Ulrich Förstner,  Anne Katrin Külz,  Ulrich Voderholzer

Zwangsstörungen erfolgreich behandeln (eBook)

Ein fallorientiertes Therapiemanual
eBook Download: EPUB
2023 | 2. Auflage
347 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-038344-9 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
48,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Das praxisorientierte Manual stellt die Therapie von Zwangsstörungen anhand zahlreicher Fallbeispiele vor. Es kombiniert aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und die langjährige klinische Erfahrung des Autorenteams. Neben der Psychotherapie werden auch die Pharmakotherapie und andere Behandlungsansätze aufgezeigt und verschiedene Strategien z.B. bei Zwangshandlungen, Zwangsgedanken, schwierigen Therapiesituationen, Komorbiditäten oder Therapieresistenz vermittelt. Arbeitsblätter zum direkten Einsatz in der Einzel- und Gruppentherapie sowie ausführliche Fallbeschreibungen stehen zum Download bereit.

Dr. med. Ulrich Förstner leitet den Schwerpunkt Zwangsstörungen an der Klinik Bad Aussee für Psychosomatik und Psychotherapie, assoziiert an die Medizinische Universität Graz. Dr. phil. Anne Katrin Külz ist Psychologische Psychotherapeutin und Supervisorin in eigener Praxis in Freiburg sowie Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V. Prof. Dr. med. Ulrich Voderholzer ist Ärztlicher Direktor der Schön Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee sowie Vorsitzender der Leitlinienkommission Zwangsstörungen der DGPPN und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V.

Dr. med. Ulrich Förstner leitet den Schwerpunkt Zwangsstörungen an der Klinik Bad Aussee für Psychosomatik und Psychotherapie, assoziiert an die Medizinische Universität Graz. Dr. phil. Anne Katrin Külz ist Psychologische Psychotherapeutin und Supervisorin in eigener Praxis in Freiburg sowie Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V. Prof. Dr. med. Ulrich Voderholzer ist Ärztlicher Direktor der Schön Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee sowie Vorsitzender der Leitlinienkommission Zwangsstörungen der DGPPN und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V.

2 Störungsspezifische Psychotherapie der Zwangsstörung


2.1 Psychotherapie der Zwangsstörungen – die wissenschaftliche Evidenz


Psychotherapeutische Behandlungen von Zwangsstörungen wurden bereits seit Freuds Zeiten beschrieben. Zwangserkrankungen, damals als »Zwangsneurosen« bezeichnet, waren bei den Psychoanalytikern insofern beliebt, als sich die klassische Erklärung der Symptomatik im Sinne einer suboptimalen neurotischen Konfliktlösung vielleicht sogar in besonders plausibel erscheinender Weise herleiten ließ. Infolge eines ungelösten Konflikts zwischen triebhaftem Es und übermächtigem, rigidem Über-Ich kommt es bei Aktualisierungen dieses inneren Konflikts in Belastungssituationen zu charakteristischen Abwehrmechanismen, wie z. B. Affektisolierung, Intellektualisierung, Rationalisierung oder Reaktionsbildung. Die Zwangshandlungen sind der Versuch, Triebimpulse wie z. B. sexueller oder aggressiver Art zu neutralisieren. In der Tat erscheinen solche Erklärungen angesichts der Symptomatik der Patienten und der im (therapeutischen) Kontakt ausgelösten Gegenübertragungen recht plausibel. Schon im Erstkontakt können die Patienten mit ihren Rückversicherungszwängen in der Gegenübertragung aggressive Impulse bei den Therapeuten auslösen. Zwänge können als »ritualisierte Aggression« aufgefasst werden, die den Betroffenen davor schützen, sexuelle oder aggressive Triebimpulse auszuleben.

Menschen mit Zwangsstörungen galten seit jeher als schwer behandelbar. Trotz einleuchtender psychodynamischer Erklärungen zeigte sich immer wieder, dass die Symptomatik auch bei lang dauernden analytischen Therapien oft außerordentlich hartnäckig und therapieresistent war. Persönlich kennen wir viele Patienten, die jahrelang in analytischer Behandlung waren und diese auch als positiv für sich selbst erlebten, ohne dass es jedoch zu einer relevanten Veränderung der Symptomatik kam und somit am Ende doch massive Enttäuschungen resultierten. Im Jahr 1966 erschien dann der erste Bericht von Victor Meyer über die erfolgreiche Behandlung von zwei Betroffenen mit Zwangsstörung, denen mit verhaltenstherapeutischen Methoden geholfen werden konnte. Nach diesen ersten Berichten wurde eine Vielzahl von Studien mit Verhaltenstherapie bzw. kognitiver Therapie oder kognitiver Verhaltenstherapie durchgeführt. Bemerkenswert ist, dass im Vergleich zu anderen psychischen Störungen die wissenschaftliche Datenlage bei Zwangsstörungen bislang besonders einseitig zu Gunsten der Verhaltenstherapie ist. Bezüglich psychodynamischer Verfahren gibt es fast nur Fallberichte oder Fallserien, die meist beschreibenden Charakter haben und keine Outcome-Messungen mit störungsspezifischen Skalen vorgenommen haben. Diese Einseitigkeit der Studienlage beruht möglicherweise auf dem früheren Ruf der völligen Unbehandelbarkeit einerseits und der in den 1960er Jahren aufgekommenen Euphorie, Zwangsstörungen wirksam mit Verhaltenstherapie behandeln zu können andererseits.

Treffend und sehr eindeutig kamen Abramowitz et al. (2009b) in einer Übersichtsarbeit in Lancet zu dem Schluss: »The only empirically supported psychological treatment for obsessive-compulsive disorder is cognitive-behavioural therapy involving exposure and response prevention.«

Im Wesentlichen gilt das auch heute noch und in allen Leitlinien im deutschen, aber auch internationalen Raum ist diese Therapiemethode die Psychotherapie der Wahl, da nur für diese Therapieform ausreichend Evidenz besteht.

Allerdings darf bei der Betrachtung von Evidenzen nie vergessen werden, dass zwischen dem Fehlen von Evidenz für Wirksamkeit und der Evidenz für die Nicht-Wirksamkeit ein entscheidender Unterschied besteht. Dennoch sagt es etwas über Zwangsstörungen aus. In der Regel wird dann eine Studie durchgeführt, wenn man eine gewisse Hoffnung hat, dass auch ein positives Ergebnis dabei herauskommt. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass evtl. bei bestimmten Therapierichtungen nur geringe Ambitionen vorhanden waren, sich im Bereich wissenschaftlicher Studien zu profilieren und seitens der analytischen Therapierichtungen lange Zeit eine Abneigung bezüglich quantitativer Forschung vorherrschte.

In der Zwischenzeit wird in Deutschland eine Studie mit psychodynamischer Therapie bei Zwangsstörungen durchgeführt, wobei anzumerken ist, dass das dafür entwickelte Therapie-Manual zwar nicht das Wort Exposition verwendet, den Patienten aber durchaus empfohlen wird, sich den gefürchteten Situationen zu stellen, sodass de facto die Unterschiede zwischen kognitiver Verhaltenstherapie mit Exposition und dem psychodynamischen Vorgehen im Rahmen dieser laufenden Studie geringer sind, als es klassischerweise zu erwarten gewesen wäre.

Was die Wirksamkeit von KVT bei Zwangsstörungen betrifft, sollte man allerdings nicht zu euphorisch sein. Einschränkend muss von vornherein deutlich gemacht werden, dass mit der kognitiven Verhaltenstherapie mit Reizkonfrontation und Reaktionsmanagement zwar eine wirksame Therapiemethode zur Verfügung steht. Kurzfristig sprechen jedoch nur 60 – 70 % der Patienten darauf an, im Langzeitverlauf sind es eher nur 50 %, denen mit diesem Verfahren nachhaltig geholfen werden kann. Therapieresistenz und Chronifizierung sind nach wie vor ein großes Problem bei Zwangsstörungen, so dass dringend Psychotherapieforschung benötigt wird, wie der Erfolg von KVT noch weiter verbessert werden kann, bspw. durch Hinzunahme anderer wirksamer psychotherapeutischer Techniken oder einer Intensivierung effektiver Techniken.

2.1.1 Stand der Leitlinien


Für den deutschsprachigen Raum wurden erstmals im Jahre 2013 S3-Leitlinien für Zwangsstörungen veröffentlicht, zunächst nur online (www.awmf.de), 2015 dann auch in Buchform. Im Juli 2022 wurde inzwischen die erste Revision der S3-Leitlinie Zwangsstörungen veröffentlicht (Voderholzer et al., 2022a, b). Erstmalig wurden für den deutschsprachigen Raum auch 2021 S3-Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Zwangsstörungen des Kindes und Jugendalters publiziert.

Darüber hinaus werden auch erstmalig für den deutschsprachigen Raum sogenannte Patienten-Leitlinien für Zwangsstörungen entwickelt. Diese sollen die Leitlinienempfehlungen in einer für Patienten und Angehörige verständlichen Sprache vermitteln.

Darüber hinaus gibt es verschiedene Leitlinien aus anderen Ländern. Hier sind vorrangig die englischen NICE Leitlinien sowie die US-amerikanischen Practice Guidelines der APA (American Psychiatric Association) zu nennen. Die deutschsprachigen Leitlinien sind eher vergleichbar mit den englischen NICE Leitlinien aufgrund des strengen methodischen Vorgehens, welches für die deutschsprachigen Leitlinien an die NICE Leitlinien angelehnt wurde.

Zu den mit Zwängen verwandten Störungen gibt es bislang noch keine Leitlinien im deutschsprachigen Raum.

Sinn der Leitlinien ist es, Empfehlungen für Diagnostik und Therapie auf Basis des wissenschaftlichen Erkenntnisstands und des Erfahrungswissens der besten Experten auf dem Gebiet zu definieren, um die Versorgungssituation zu verbessern. Ob die Einführung der S3-Leitlinien für Zwangsstörungen in Deutschland dieses Ziel auch wirklich erreicht hat, lässt sich mangels Studien zur Versorgungssituation schwer sagen. Die klinische Erfahrung zeigt zumindest, dass eines der Hauptziele, nämlich die häufigere und intensivere Anwendung der wirksamsten Therapieform, d. h. der Exposition eher nicht erreicht werden konnte und Maßnahmen der Implementierung verbessert werden müssen.

▸ Kasten 2.1 zeigt eine Übersicht über einige der aktuell verfügbaren Leitlinien zu Zwangsstörungen.

Kasten 2.1: Leitlinien für Zwangsstörungen

  • ·

    England: National Institute of Clinical Excellence (NICE 2005)

  • ·

    USA: Practice guidelines American Psychiatric Association (Koran et al. 2007)

  • ·

    Kanada: Practice guidelines (Swinson et al. 2006)

  • ·

    Deutschsprachiger Raum: S3-Leitlinie Zwangsstörungen DGPPN (www.awmf.de) Revision 2022, Voderholzer et al. 2022a, b), S3-Leitlinie Zwangsstörungen des Kindes- und Jugendalters (2021, www.awmf.de).

2.1.2 Ergebnisse von Psychotherapie-Studien bei Zwangsstörungen


In Studien untersucht wurden bei Zwangsstörungen entweder Verhaltenstherapie, die vorrangig auf Expositionstechniken mit Reaktionsverhinderung ohne Anwendung kognitiver Techniken beruht, eine kognitive Therapie oder die kognitive Verhaltenstherapie, die beide Elemente mit einschließt und dem Vorgehen entspricht, welches von erfahrenen Zwangstherapeuten heute in der Regel angewendet wird. Für diese drei Verfahren, die zumindest in wissenschaftlichen Studien getrennt betrachtet wurden, liegen jeweils kontrollierte Studien vor, die eine signifikant überlegene Wirksamkeit gegenüber Kontrollgruppen belegen konnten.

In den vergangenen zehn Jahren wurden einige Metaanalysen...

Erscheint lt. Verlag 8.2.2023
Zusatzinfo 15 Abb.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Psychoedukation • Störungsspezifische Pharmakotherapie • Störungsspezifische Psychotherapie • Therapiemanual • Zwangserkrankungen • Zwangsstörungen
ISBN-10 3-17-038344-2 / 3170383442
ISBN-13 978-3-17-038344-9 / 9783170383449
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 5,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich