I care – Altenpflege Langzeitpflege (eBook)
856 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-243142-3 (ISBN)
1 Profession Altenpflege
Walter Anton, Jasmin Schön
1.1 Geschichte der Altenpflege
Alte Menschen versorgen und pflegen, wenn sie durch die Last ihrer Jahre schwach und krank werden – dieser Impuls ist uralt und in fast allen Kulturen zuhause. Die professionelle Altenpflege gibt es zwar erst seit dem letzten Jahrhundert. Aber schon seit jeher wurden alte und/oder kranke Menschen zu Hause im Familienkreis gepflegt (Laienpflege). Außerdem erhielten die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen oft Hilfe durch religiöse Orden und Gemeinschaften – in Europa seit dem Mittelalter vorwiegend durch christliche Klöster. Die Pflegehandlungen wurden dabei basierend auf oft jahrhundertelang bewährten Traditionen durchgeführt. Gesetzliche Regelungen zur Organisation des Berufs waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht notwendig. Der christliche Aspekt der Nächstenliebe stand im Vordergrund des Pflegehandelns.
1.1.1 Anfänge der Altenpflege
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Ca. 400 v. Chr.: Hippokrates von Kos formuliert als erster Gelehrter Empfehlungen, wie man im Alter lange gesund bleibt. Sein Rat ist: Mäßigung in allen Dingen. Außerdem: Der alte Mensch soll so lange arbeiten, wie er möchte und er soll seine Arbeitsgewohnheiten nicht abrupt unterbrechen (Bourlière 1992).
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1. Jhd.: Die Urchristen betrachten die Pflege älterer Mitmenschen als selbstverständlichen Teil der christlichen Nächstenliebe. „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, damit du lange lebst (…)“ Dieses Gebot macht zur religiösen Pflicht, sich um ältere Angehörige, mindestens die Eltern und Großeltern, zu kümmern – auch wenn sie hinfällig sind und keinen Beitrag mehr zum Lebensunterhalt leisten können. Dies schafft eine Art „frühen Generationenvertrag“.
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Ab 5. Jhd.: Nonnen sowie Mönche sammeln und entwickeln medizinisches und pflegerisches Wissen. Klöster und Hospize gelten als Orte der Pflege und Altenpflege. Benedikt von Nursia (480–547 n. Chr.) war Begründer der organisierten klösterlichen Pflege.
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14.–15. Jhd. (Renaissance): Leonardo da Vinci entdeckt bei der wissenschaftlichen Sektion eines alten Mannes die arteriosklerotischen Veränderungen und beschreibt als erster die Unterschiede im Vergleich zum Gefäßsystem eines jungen Menschen (Bourlière 1992).
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17. Jhd.:
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Nach dem Vorbild der Vinzentinerinnen entstehen katholische Pflegeorden. Die Vinzentinerinnen leben in sog. Mutterhäusern statt in Klöstern und werden vom Orden in die Hospitäler entsandt. Später wird dieses System auch von den evangelischen Diakonissen und Rotkreuzschwestern übernommen.
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1782: Die erste Krankenwärterschule wird von Franz Anton May gegründet (3-monatige Ausbildung).
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18. Jhd.:
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Erste Alten- und Pflegeheime werden gegründet. Zunächst werden dort vor allem sehr kranke („sieche“) Personen untergebracht.
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ab 1845: Florence Nightingale ( ▶ Abb. 1.1) entschließt sich, ihr Leben der Pflege zu widmen. Sie erkannte bereits damals die Notwendigkeit einer pflegerischen Grundausbildung. Nightingale absolvierte ein 3-monatiges Praktikum in einem Krankenhaus in Salisbury und hospitierte in der Kaiserswerther Diakonie ( ▶ Abb. 1.2). Während des Krimkriegs (1854–1856) pflegte und versorgte sie im Auftrag der britischen Regierung verletzte britische Soldaten. Da sie in der Nacht stets mit einer Lampe in der Hand von Patient zu Patient lief, wurde sie als „The Lady with the Lamp“ bekannt. Florence Nightingale veröffentlicht mit den „Notes of Nursing“ 1859 ein wegweisendes Buch zur Ausbildung und zum Selbstverständnis der Pflege und gilt deshalb als die erste Pflegetheoretikerin. Am 24. Juni 1860 gründete Florence Nightingale die Nightingale School of Nursing in London. Sie verstarb am 13. August 1910 im Schlaf. Jedes Jahr wird am 12. Mai der Tag der Pflegenden gefeiert, um damit an den Geburtstag von Florence Nightingale, der Pionierin der modernen Krankenpflege zu erinnern.
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1903: Agnes Karll fordert eine 3-jährige Ausbildung für Pflegerinnen und gründet die erste Berufsorganisation Deutschlands (Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands sowie der Säuglings- und Wohlfahrtspflegerinnen, kurz: BOKD bzw. BO) und wurde deren erste Vorsitzende. Später entwickelte sich daraus der Deutsche Berufsverband für Krankenpflege e.V., heute Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK).
Florence Nightingale.
Abb. 1.1 In der Nacht lief Nightingale mit einer Lampe von Patient zu Patient, daher wurde sie auch „The Lady with the Lamp“ genannt.
(Quelle: Crimean War: Florence Nightingale checking on her patients and administrating medicine at Scutari Hospital. Coloured lithograph by J.A. Benwell. Wellcome Collection.)
1.1.2 Institutionalisierte Altenarbeit
Die Anfänge der institutionalisierten Altenarbeit liegen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Übergang von vorwiegend handwerklichen Familienbetrieben hin zur Industriegesellschaft führte zu den großen sozialen Herausforderungen des 19. und 20. Jahrhunderts:
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Landflucht (Umzug der Landbevölkerung in die Industriestädte)
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Beginn der Änderung von traditionellen und „ländlichen“ Familienstrukturen
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beginnender Wegfall der Versorgungsfunktion innerhalb der traditionellen Familiennetzwerke
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Ausbeutung von Arbeitern in den Industriestädten
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schwere Arbeitsbedingungen und hohes Unfallrisiko in den Fabriken
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gesundheitliche Auswirkungen schwerer Arbeit in Fabriken auf die Gesundheit im Alter
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unhygienische Wohnverhältnisse der Arbeiterfamilien
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Obdachlosigkeit und Massenarmut
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hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit
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Zunahme von Krankheiten, z.B. Tuberkulose
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Zunahme von Kriminalität in den Industriestädten
Die politisch Verantwortlichen nahmen zunächst wenig Einfluss, um die sozialen Missstände zu verändern. Einzelpersonen, vorwiegend aus den Kirchen, wie Adolph Kolping, Theodor Fliedner ( ▶ Abb. 1.2) oder Friedrich von Bodelschwingh ergriffen mit Unterstützung der Gemeinden und sozial engagierter Gruppen unterschiedliche Maßnahmen, um alten Menschen in existenziellen Notlagen zu helfen. In dieser Zeit liegen die Anfänge der ▶ Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, die bis heute die politische Arbeit der Seniorenhilfe beeinflussen und auch aktuell Träger vieler Einrichtungen der Altenpflege sind.
Theodor Fliedner.
Abb. 1.2 Die Kaiserswerther Diakonie wurde 1836 von Friederike und Theodor Fliedner gegründet. Unverheiratete, bürgerliche Frauen verpflichteten sich für 5 Jahre als Diakonissen. Sie erhielten Unterricht in Anatomie, Arzneimittellehre und pflegerische Tätigkeiten.
(Quelle: Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth)
1.1.2.1 Entwicklung professioneller Altenpflege
Die Geschichte der Altenpflege ist erst ab den 1950ern von der Geschichte der Pflege abgrenzbar. Zu erwähnen ist außerdem, dass die Altenpflege ein Phänomen ist, das sich mit dieser speziellen Ausbildung nur in Deutschland entwickelt hat.
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1950er Jahre: Zu dieser Zeit gab es relativ wenige Alten- und Siechenheime, da die Altenpflege fast ausschließlich in der Familie durchgeführt wurde. Jedoch reichten die Kapazitäten bald nicht mehr aus, weil es im Laufe der Nachkriegsjahre und der Zeit des Wirtschaftswunders immer mehr alte Menschen und Menschen mit Behinderung gab. Aufgrund der beiden Weltkriege und der industriellen Revolution waren häufig die Familienstrukturen zerstört und die pflegerische Versorgung vieler alter Menschen entsprechend deutlich verschlechtert. Deshalb begannen Ende der 1950er Jahre einige konfessionelle Einrichtungen für ihre Altenpfleger betriebsinterne Schulungen durchzuführen. Die Schulungsdauer betrug wenige Wochen bis maximal 6 Monate.
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1960er Jahre: Die Pflege alter Menschen wurde erstmals zu einem politischen Thema. Auf Länderebene gab es erstmals Prüfungsordnungen für den neuen, sozialpflegerisch orientierten Beruf des Altenpflegers.
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1970er Jahre: In einigen Bundesländern wie z.B....
Erscheint lt. Verlag | 22.2.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Pflege ► Altenpflege |
Schlagworte | Altenpflege • Examen • Generalistik • generalistische Pflegeausbildung • geriatrische Pflege • i care • Langzeitpflege • Lehrbuch • Pflege alter Menschen • Pflegefachfrau • Pflegefachmann |
ISBN-10 | 3-13-243142-7 / 3132431427 |
ISBN-13 | 978-3-13-243142-3 / 9783132431423 |
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