Pflege im Lebensverlauf (eBook)

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2022 | 1. Auflage
260 Seiten
UTB (Verlag)
978-3-8463-5930-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Pflege im Lebensverlauf -  Karin Tiesmeyer,  Birgit Schuhmacher
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Wir verändern uns im Laufe unseres Lebens und mit uns unsere Bedürfnisse bei der Pflege. Dabei spielt es eine entscheidende Rolle, wie wir aufwachsen, was Familie für uns bedeutet und wie wir sozialisiert sind. Die generalistische Pflegeausbildung nimmt alle Altersstufen in den Blick. Denn: Ein Säugling hat andere Bedürfnisse als ein alter Mensch. Die Autorinnen weiten den Blick auf die Pflege im Lebensverlauf und erklären die Zusammenhänge von Lebenswelt, sozialer Ungleichheit, Biografie und Pflege. Fallbeispiele und anregende Übungsaufgaben geben Einblicke in Pflege- und Gesundheitssettings und verknüpfen gekonnt Theorie und Praxis. Erklärvideo zum Buch utb+: Das didaktisch aufbereitete Online-Material ermöglicht Leser:innen, sich selbstständig mit der Materie auseinanderzusetzen und gezielt Themen zu vertiefen, z.B. zur Prüfungsvorbereitung. Erhältlich über utb.de.

Karin Tiesmeyer ist Professorin an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Pflege- und Versorgungsforschung mit Schwerpunkt auf chronische Krankheiten, Behinderung und palliative Versorgung in Bezug auf Kinder, Jugendliche, Erwachsene und ihrer Familien.

Karin Tiesmeyer ist Professorin an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Pflege- und Versorgungsforschung mit Schwerpunkt auf chronische Krankheiten, Behinderung und palliative Versorgung in Bezug auf Kinder, Jugendliche, Erwachsene und ihrer Familien.Professorin Birgit Schuhmacher lehrt am Fachbereich Soziologie der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe. Sie vertritt den Bereich Sozialwissenschaften. Ihre Schwerpunkte in der Lehre und Forschung sind soziologische und gerontologische Fragestellungen.

Vorwort 9
1 Einleitung 12
2 Lebens(ver)lauf, Lebensphasen und Sozialisation 14
2 1 Ein lebensphasenbezogenes Pflegeverständnis 15
2 1 1 Die Generalistik in der Pflegeausbildung 15
2 1 2 Lebensphasenorientierung in der Pflege 20
2 2 Lebensphasen zwischen individueller Gestaltung und sozialen Erwartungen 24
2 3 Pflege- und gesundheitsrelevante Sozialisationsprozesse 34
2 3 1 Pflege als funktionierendes System 35
2 3 2 Pflege als komplexe Aushandlung 38
2 3 3 Gesundheit als Entwicklungsaufgabe 41
2 3 4 Subjektive Gesundheit als Ergebnis von Sozialisation 45
3 Pflege in sozialen Kontexten 50
3 1 Familie als exklusive Gemeinschaft 51
3 1 1 Begriffsklärung: Familie 51
3 1 2 Mitgliedschaft 56
3 1 3 Doing Family 62
3 2 Lebenswelt und Alltag als Ressource 66
3 3 Organisationen der Pflege 74
3 3 1 Strukturmerkmale von Organisationen 76
3 3 2 Pflegeorganisationen 81
3 4 Soziale Ungleichheit und Biografie 88
4 Kindheit und Jugend 94
4 1 Lebensphasen Kindheit und Jugend 94
4 1 1 Kindheit 94
4 1 2 Jugend 100
4 1 3 Entwicklung in den Lebensphasen Kindheit und Jugend 104
4 1 4 Soziale Lage – Ungleiche Kindheiten 108
4 2 Gesundheit und Krankheit von Kindern und Jugendlichen 112
4 3 Kindheit / Jugend und Pflege in der Familie 123
4 4 Kindheit / Jugend und Pflege in der Lebenswelt 140
4 5 Kindheit / Jugend und Pflege in Organisationen 143
5 Erwachsenenalter 154
5 1 Lebensphase Erwachsenenalter 154
5 1 1 Junges Erwachsenenalter 156
5 1 2 Mittleres Erwachsenenalter 158
5 1 3 Soziale Lage 161
5 2 Gesundheit und Krankheit im Erwachsenenalter 167
5 3 Erwachsene und Pflege in der Familie 172
5 4 Erwachsene und Pflege in der Lebenswelt 180
5 5 Erwachsene und Pflege in Organisationen 189
6 Alter und Hochaltrigkeit 194
6 1 Lebensphase Alter 194
6 1 1 Altersgrenzen 194
6 1 2 Alter(n) und Biografie 198
6 1 3 Theoretische Perspektiven auf Alter und Pflege 205
6 1 4 Soziale Lage im Alter 209
6 2 Gesundheit und Krankheit von alten Menschen 215
6 3 Alter und Pflege in der Familie 223
6 4 Alter und Pflege in der Lebenswelt226
6 5 Alter und Pflege in Organisationen 228
7 Schlussbetrachtung 233
Literatur 235
Sachregister 258

3Pflege in sozialen Kontexten


In diesem Kapitel werden die sozialen Kontexte beschrieben, in denen Pflege stattfindet: Familie (Kap. 3.1), Lebenswelt (Kap. 3.2) und Organisation (Kap. 3.3). Für die professionelle Pflege bilden sie den Rahmen für die Pflege von Menschen in verschiedenen Lebensphasen, verbunden mit der Herausforderung, die Pflege als gelingende Interaktion zu gestalten. In Kap. 3.4 wird die Erkenntnis aufgegriffen, dass es in der Gesellschaft sozial ungleiche Verhältnisse gibt, die entscheidende Weichen dafür stellen, wie und in welchem Umfang Menschen ihren Pflegebedarf im Lebensverlauf decken und die notwendige Pflege mitgestalten können. Wurde bisher der Lebensverlauf aus der Perspektive der Individuen betrachtet, also deren Biografie und Lebensphasen sowie die Sozialisationsprozesse als Verarbeitung der inneren und äußeren Realität, so soll jetzt die äußere Realität in Form von Mitmenschen, Organisationen, Institutionen und als Gesamtgesellschaft mit ihrem erheblichen Einfluss auf den Lebensverlauf betrachtet werden.

Die Elemente der äußeren Realität, also Familie, Lebenswelt, Organisation und soziale Ungleichheit, treten dem Individuum nicht ungeordnet gegenüber, sondern sie sind Teil einer dreigliedrigen gesamtgesellschaftlichen Struktur, in der eine Mikro-, eine Meso- und eine Makroebene unterschieden werden kann (Abb. 3.1).

Auf der Mikroebene handeln die Individuen wechselseitig aufeinander bezogen in ihren unterschiedlichen und arbeitsteiligen Rollen. Dabei bieten sich ihnen vielfältige Handlungsoptionen, die Interaktionen lassen sich im Rahmen gegebener Normen weitgehend frei gestalten und sind dementsprechend weniger verlässlich und leistungsfähig. Familie und Lebenswelt sind der Mikroebene zuzuordnen. Die Mesoebene moderner Gesellschaften wird durch Organisationen gebildet. Sie begrenzen die Handlungsfreiheit ihrer Mitglieder und sind dadurch stabiler, verlässlicher und leistungsfähiger als Interaktionen. Pflegerelevante Organisationen sind zum Beispiel Krankenhäuser, Pflegeheime oder ambulante Dienste, die ihre Leistungen unabhängig von der Motivation individueller Personen bereitstellen. Die Makroebene stellt die gesamte, in Teilsysteme untergliederte Gesellschaft dar. Teilsysteme nehmen, vermittelt über Organisationen, Einfluss auf den Lebenslauf der Individuen, die in unterschiedlichen Lebensphasen typischerweise mit unterschiedlichen Organisationen in Kontakt sind. Die Individuen selbst haben keinen direkten Einfluss auf die Teilsysteme der Gesellschaft. Individuelle Handlungsoptionen werden also im Aufstieg durch die drei gesellschaftlichen Ebenen immer stärker begrenzt.

Abb. 3.1: Mikro-, Meso- und Makroebene der Gesellschaft (eigene Darstellung)

3.1Familie als exklusive Gemeinschaft

3.1.1Begriffsklärung: Familie

„Familie“ zu definieren ist aus mehreren Gründen schwierig:

  • Erstens ist sie ein alltägliches Phänomen, von dem jede*r meint, eine klare Vorstellung zu haben. Fast alle Menschen haben eigene Erfahrungen mit Familie, entweder mit ihrer Herkunftsfamilie (Eltern, Geschwister, Verwandte) oder mit der Familie, die sie selbst gegründet haben (Partner*in, Kinder).

  • Zweitens scheint Familie eine biologische Naturnotwendigkeit zu sein, die nicht weiter erklärt oder hinterfragt werden muss.

  • Drittens zeigt sich – schaut man sich Familien näher an – eine so hohe Vielfalt an Familienformen, dass sie kaum auf einen Begriff zu bringen sind.

Ein Blick in die Geschichte oder andere Kulturen zeigt, dass die westliche, moderne Kernfamilie einen Spezialfall darstellt. Der lateinische Begriff „familia“ bezeichnete noch den gesamten Besitz eines Hausherrn („pater familias“) und alle zum Haushalt gehörigen, verwandten und nicht-verwandten Personen. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts wird der Begriff „Familie“ in der deutschen Sprache verwendet und erst seit dem 19. Jahrhundert wird darunter eine Kernfamilie verstanden (Wonneberger / Stelzig-Willutzki 2018, 490).

Die Kernfamilie umfasst zwei oder (seltener) mehr Generationen und ggf. weitere, meist seitlich verwandte Personen, zum Beispiel Geschwister. Sie tritt als Ein- oder Zwei-Elternfamilie und als eheliche, nicht-eheliche, gemischt- oder gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft auf. Nicht nur durch biologische Elternschaft, sondern auch als Stieffamilie (sog. „Patchwork-Familie“) oder Adoptions-, Pflege-, oder Inseminationsfamilie kann eine Kernfamilie entstehen (Nave-Herz 2018, 126).

Auch im deutschen Rechtssystem ist „Familie“ nicht explizit definiert, sondern der Gesetzgeber „[…] akzeptiert […] Familie als soziales Phänomen in der jeweiligen Erscheinungsform […]“ (Marx 2018, 20). Im Grundgesetz Art. 6 Abs. 1 und in den zahlreichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wird deutlich, dass die Ehe als rechtlich anerkannte Lebensgemeinschaft zweier erwachsener Menschen gilt, wobei die „Fortpflanzung […] kein notwendiger Ehezweck, jedoch mit dem Wesen der Ehe aufs Engste verknüpft [ist]“ (Marx 2018, 20). Familie wird im Rechtssystem als Generationengemeinschaft verstanden, deren Mitglieder Rechte und Pflichten haben, wie zum Beispiel die Pflicht zur Pflege, Erziehung, Beaufsichtigung der Kinder durch die Eltern oder gegenseitige Unterhalts- oder Erbansprüche.

Rechercheaufgabe: Lesen Sie Artikel 6 im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

Aus dem sechsten Artikel des Grundgesetzes lässt sich ableiten, dass die Privatsphäre von Ehe und Familie besonders geschützt ist, also staatliche Eingriffe nicht unbegründet erfolgen dürfen. Außerdem sollen Ehe und Familie gefördert werden und müssen als grundlegendes Recht erhalten bleiben (Einrichtungsgarantie). In Art. 6 Abs. 2 und 3 GG wird das natürliche Recht der Eltern und ihre Verantwortung für die Erziehung ihrer Kinder normiert, wobei dem Staat ein „Wächteramt“ zukommt, das vorwiegend durch Jugendämter und Familiengerichte ausgeübt wird (Marx 2018, 22). Insbesondere im SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) wird der Schutzauftrag des Staates konkretisiert und es finden sich dort „[…] umfassende präventive sowie Familien unterstützende, ergänzende und ggf. ersetzende Leistungsangebote“ (Wabnitz 2014, 20).

Im Unterschied zur historischen „familia“, die als Lebens-, Produktions- und Konsumgemeinschaft vielfältige Funktionen für ihre Mitglieder und die Gesellschaft erfüllt, hat die Kernfamilie den größten Teil dieser Funktionen an andere Institutionen, wie zum Beispiel Wirtschaftsunternehmen, Bildungseinrichtungen oder Krankenhäuser, abgegeben. Von den verbliebenen ist die Reproduktionsfunktion eine Grundfunktion von Familie. Sie beinhaltet nicht nur die biologische Reproduktion, also die Zeugung und Geburt von Kindern, sondern auch die physische Reproduktion, also die Ernährung, die Versorgung mit Kleidung, Wohnraum und anderen Gütern sowie die Pflege von Kindern, älteren, kranken und behinderten Familienmitgliedern (Wonneberger / Stelzig-Willutzki 2018, 492). Weitere wichtige Funktionen von Familie sind:

  • die Sozialisationsfunktion: Menschen benötigen aufgrund ihrer anthropologischen Unfertigkeit (Kap. 2.3, 4.1.1) eine vergleichsweise lange Phase bis sie Selbstständigkeit in ihrer natürlichen und sozialen Umwelt erlangt haben. Die Familie ist der erste Ort, an dem kulturelle Regeln, Normen und Werte durch Erziehung und durch das alltägliche Verhalten der anderen Familienmitglieder vermittelt werden (Wonneberger / Stelzig-Willutzki 2018, 492).

  • die Platzierungsfunktion: In demokratischen Gesellschaften werden Positionen, die mit politischer oder wirtschaftlicher Macht verbunden sind, nur noch selten durch einflussreiche Familien vergeben (Wonneberger / Stelzig-Willutzki 2018, 493). Dennoch ist der familiäre Hintergrund weiterhin ein bestimmender Faktor für den Bildungsweg. Empirische Daten zeigen, dass vor allem in Deutschland der Bildungserfolg der Kinder vorrangig vom ökonomischen und sozialen Status der Eltern abhängt (Steuerwald 2016, 168 ff.).

  • die rechtliche Funktion: Zahlreiche Rechte und Pflichten knüpfen sich an die Elternschaft und somit an Familien (Wonneberger / Stelzig-Willutzki 2018, 493). Zu nennen ist hier vor allem § 1, Abs. 2 im SGB VIII: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ Auch in Hinblick auf das Unterhalts-, das Vormundschafts- und das Erbrecht nehmen Familien ihre rechtliche Funktion wahr. Allerdings kennt das deutsche Rechtssystem kein familiär begründetes Vertretungsrecht gegenüber Erwachsenen (§ 1896 BGB).

  • die psychisch-emotionale Funktion: In Familien ist die Entstehung enger Bindungen zwischen Kindern und (Groß-)Eltern sowie zwischen den Eltern angelegt. Familien bieten idealtypischer Weise emotionale Geborgenheit und Ressourcen, die der Familie als Ganzes und ihren einzelnen Mitgliedern zur Bewältigung von Stress und Krisen zur Verfügung stehen. Durch die gemeinsam verbrachte Freizeit gelingt die Erholung von den Belastungen des beruflichen und...

Erscheint lt. Verlag 17.10.2022
Reihe/Serie Pflege studieren
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege
Schlagworte Alzheimer • Ambulante Pflege • Behindertenpflege • Demenz • generalistische Pflege • Geriatrie • Kindheitspädagogik • Lebensphasen • Lehrbuch • Pflege • Pflegeausbildung • Pflegeberuf • Pflege ganzheitlich • Pflegeheim • Pflege im Alter • Pflegemanagement • Pflegenotstand • Pflegepädagogik • Pflegestudium • Pflege von Erwachsenen • Pflege von Familienangehörigen • Pflege von Jugendlichen • Pflege von Kindern • Pflege von Säuglingen • Schlaganfall • Sozialisationsprozesse • Studium Pflege
ISBN-10 3-8463-5930-0 / 3846359300
ISBN-13 978-3-8463-5930-3 / 9783846359303
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