Nährstofftherapie (eBook)
320 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-244594-9 (ISBN)
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1 Nährstoffe – durch Ernährung oder Substitution?
Das erste Kapitel ist eine Einführung in dieses Buch und in die Nährstofftherapie. Mit diesem Buch soll Ihnen ein Schnellstart in die orthomolekulare Medizin und Nährstofftherapie ermöglicht werden, der bei aller Schnelligkeit nicht zum Fehlstart wird.
Sie erhalten viele Hintergrundinformationen zur derzeitigen Ernährungssituation in Deutschland, zu den verschiedenen Ansichten innerhalb der Ernährungsmedizin, zu dem, was meiner Meinung nach eine gesunde Ernährung ist und was hierbei besonders zu beachten ist. Außerdem gebe ich Ihnen Tipps für praktikable und einfache Ernährungsempfehlungen. Zu guter Letzt stelle ich Ihnen die Grundsätze einer orthomolekularen Therapie vor, erkläre, wann sie zum Einsatz kommen sollte und wie sie mit anderen Therapieverfahren kombiniert werden kann.
1.1 Gesunde Ernährung: wichtig, aber machbar?
Wenn wir Patienten fragen, ob sie sich „richtig und ausgewogen“ ernähren, antworten die meisten: „Ja!“ Der mittlerweile geflügelte Begriff „gesunde Ernährung“ sagt aber alles und nichts aus. Ernährungsgesellschaften kommen nämlich regelmäßig zu dem Ergebnis, dass die durchschnittliche deutsche Kost zu energiereich, zu fett, zu salzig, zu süß und zu ballaststoffarm ist. Wahrnehmung und Realität stimmen also nicht überein.
1.1.1 Die bundesdeutsche Durchschnittskost ist eine Mangelernährung
Die Nationale Verzehrsstudie II ▶ [11] untersuchte das Essverhalten mehrerer tausend Bundesbürger. Diese füllten eine Zeit lang Ernährungsprotokolle aus, in denen jedes Getränk und jede Nahrungsaufnahme genau dokumentiert wurde. Mithilfe von computergestützten Programmen wurde dann die Zufuhr bestimmter Nährstoffe mit den Empfehlungen der Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) verglichen. Das erschreckende Ergebnis: Große Teile der Bevölkerung erfüllen bezüglich wichtiger Nährstoffe nicht die nach Ansicht vieler orthomolekularer Mediziner ohnehin bescheidenen Vorgaben der DGE.
So hielten bspw. 90% der jungen erwachsenen Frauen (19–34 Jahre) nicht die Zufuhrempfehlung von 5 μg/Tag (= 200 I. E.) für Vitamin D ein. Wir wissen, dass die Frau bis zum 34. Lebensjahr ihre Peak Bone Mass, ihre „Spitzenknochenmasse“, aufbauen muss. Danach geht es mit der Knochendichte bergab. Der wichtigste Nährstoff für die Knochen (neben, vermutlich aber sogar vor dem Kalzium) ist Vitamin D. Wenn es hier einen Mangel gibt, ist ein rascherer Abfall der Knochendichte nahezu sicher. Inzwischen wurde im Jahre 2012 die Zufuhrempfehlung für Vitamin D von 200 auf 800 I. E. angehoben. Diese Menge ist mit der Nahrung praktisch nicht mehr zu erreichen. 400 g Makrelenfilet, 4 kg Schnitzel, 20 Eier oder 20 l Vollmilch oder eine Mischung – und das täglich – sind für niemanden zu erreichen. Die Ernährungsgesellschaften machen hier eine Vorgabe, die aber nicht realisierbar ist. Sogar die DGE gibt daher folgenden Hinweis: „Die Zufuhr über die Ernährung mit den üblichen Lebensmitteln reicht nicht aus, um den Schätzwert für eine angemessene Zufuhr bei fehlender endogener Synthese zu erreichen, der die gewünschte Versorgung (25-Hydroxyvitamin-D-Serumkonzentration) in Höhe von mindestens 50 nmol/l sicherstellt. Die Differenz muss über die endogene Synthese und/oder über die Einnahme eines Vitamin-D-Präparats gedeckt werden. Bei häufiger Sonnenbestrahlung kann die gewünschte Versorgung ohne die Einnahme eines Vitamin-D-Präparats erreicht werden.“ ▶ [4]
Beim „starken“ Geschlecht sieht es nicht viel besser aus. Nur etwa ⅔ aller jungen Männer führen die empfohlene Menge an Vitamin C zu, Ähnliches gilt für junge Frauen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die tägliche Mindestzufuhrempfehlung bei bescheidenen 100 μg liegt. Offensichtlich halten viele junge Menschen das Salatblatt im Hamburger für eine ausreichende Gemüsezufuhr und weiteres Gemüse oder Obst für überflüssig. Mit einer einzigen Kiwi ( ▶ Abb. 1.1) oder mit einer kleinen Portion Rosenkohl wäre die minimal notwendige Menge an Vitamin C bereits gewährleistet.
Abb. 1.1 Eine Kiwi deckt einen Großteil der notwendigen Menge an Vitamin C.
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Geradezu katastrophal ist die Situation bei der Folsäure. An der Bedeutung dieses wichtigen Vitamins für das ungeborene Kind im ersten Trimenon gibt es mittlerweile keinen Zweifel mehr. Verschiedene Gesellschaften für Gynäkologie und Ernährung empfehlen eine an Folsäure reiche Ernährung in den ersten Schwangerschaftsmonaten, besser noch bereits bei bestehendem Kinderwunsch (siehe Deutsche Gesellschaft für Ernährung [DGE], Naturheilkunde, Akupunktur und Umweltmedizin e. V. [Natum], Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. [DGGG]). Die real existierende Ernährungssituation bescheinigt den gebärfähigen Frauen dagegen, dass 78–87 % (!) die Mindestzufuhrempfehlung für Folatäquivalente nicht erreichen.
Diese Liste ließe sich für zahlreiche weitere Nährstoffe und verschiedene Altersgruppen leicht fortsetzen. Merkwürdigerweise sind die sensationellen und erschreckenden Ergebnisse der Nationalen Verzehrsstudie II bisher kaum bekannt geworden. Vielleicht liegt es an den Konsequenzen, von denen es eigentlich nur zwei gibt:
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Die Bevölkerung müsste sich von ihrer durchschnittlichen, „ausgewogenen“ Ernährung zugunsten einer Vollwertkost verabschieden, was gravierende Eingriffe in die Lebensgewohnheiten eines jeden sowie in die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie zur Folge hätte.
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Die meisten Menschen müssten „Pillen“ mit den problematischen Nährstoffen (z. B. Vitamin D, Zink, Folsäure) schlucken.
Beides ist anscheinend politisch nicht gewünscht, sonst würde die Regierung zum Wohle ihrer Wähler aktiv werden. Aber auch wir Ärzte haben eine Verantwortung und sollten zumindest miteinander diskutieren, um langfristig diesen Missständen entgegenwirken zu können.
1.1.2 Schlechter Ernährungszustand trotz Schlaraffenland
Was sind nun die Ursachen dafür, dass sich die Mehrzahl aller Deutschen nicht so gesund ernährt, wie sie es eigentlich sollte (und auch könnte)? Wir leben, was unsere Lebensmittel angeht, seit einigen Jahren im Paradies. Ein genereller Mangel an Nahrung ist seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Selbst Angehörige der Unterschicht leiden keinen Hunger – die Zufuhr an Energie ist gesichert. Gerade in der sozialen Unterschicht werden in der Regel sogar weit mehr Kalorien zugeführt, als dies wünschenswert ist ▶ [11]. Aber auch qualitativ lässt unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln fast keine Wünsche offen. Wir müssen heute noch nicht einmal mehr abgelegene Biobauernhöfe oder Reformhäuser aufsuchen, um uns mit gesunder Kost zu versorgen. In jedem Supermarkt gibt es eine Vielfalt an Nahrungsmitteln aus aller Welt, häufig in „Bio“-Qualität. „Bio“-Lebensmittel sind zwar meist etwas teurer, sie werden aber immer erschwinglicher und die Preisdifferenzen zwischen konventioneller und Öko-Kost stetig geringer. Gemüse, Obst (und das zu allen Jahreszeiten), frisch oder eingefroren, eine weltweit einmalige Auswahl verschiedener Brotsorten einschließlich Vollkornbroten, Fleisch aller möglichen Tiere von Schwein bis Känguru, Fische aus allen Weltmeeren und eine kaum aufzuzählende Auswahl industriell hergestellter Fertigprodukte vom „Energieriegel“ bis zum kompletten Abendessen in einer Packung sind überall erhältlich.
Der Konsument kann sich heute nahezu problemlos glutenfrei, laktosefrei, vegetarisch, vegan oder ökologisch einwandfrei ernähren – wenn er dies möchte. Er kann seinen gesamten Energiebedarf aber auch mit Fertigprodukten wie Tiefkühlpizza, Cola, Kartoffelchips und Süßigkeiten decken (und dabei sogar deutlich überschreiten). Jeder hat es selbst in der Hand (oder besser im Mund). Warum ist das mit der gesunden Ernährung also so schwierig? An einer mangelhaften Aufklärung kann es nicht liegen. Selbst Menschen, die in Ernährungsfragen nicht besonders gut vorgebildet sind, wissen sehr gut, dass ein leckerer Apfel oder ein Gemüseauflauf aus frischen Zutaten einen höheren gesundheitlichen Wert haben als ein Candyriegel oder eine Currywurst mit Pommes rot-weiß. Die meisten wissen also ganz genau, was eigentlich gesunde Ernährung ist, aber ihre eigene Nahrung unterscheidet sich davon meist enorm ▶ [13]. Dass sich viele Menschen nicht so gesund ernähren, wie sie es sollten, muss daher eher psychologischer Natur sein. Über das, was wir essen,...
Erscheint lt. Verlag | 9.3.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Naturheilkunde |
Schlagworte | Corona • Coronavirus • Corona-Virus • Covid 19 • Covid-19 • Ernährung • Ernährungsberatung • Ernährungstherapie • Homeoffice • Mikronährstoffe • Nährstoffdosierungen • Nährstoffe • Nährstofftherapie • Nährstoffversorgung • Nahrungsergänzung • Orthomolekulare Therapie • stay home • Virus |
ISBN-10 | 3-13-244594-0 / 3132445940 |
ISBN-13 | 978-3-13-244594-9 / 9783132445949 |
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