Das Gezeiten-Modell (eBook)

Der Kompass für eine recovery-orientierte, psychiatrische Pflege
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2020 | 2. Auflage
296 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-96034-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Gezeiten-Modell -  Phil Barker,  Poppy Buchanan?Barker
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Das Gezeitenmodell von Phil Barker und Poppy Buchanan-Barker umschreibt eine recovery-orientierte psychiatrische Dienstleistung, deren Ausgangspunkt die menschliche Erfahrung psychischer Erschütterungen ist. Im Zentrum stehen nicht Diagnosen, sondern die persönlichen Geschichten und Erfahrungen von Menschen mit psychischen Lebensproblemen. Mit diesem Modell können Fachpersonen ihre Angebote personenzentriert umsetzen. Im ersten Teil wird, nach einem Interview mit den Autoren, in das Gezeiten-Modell eingeführt. Es werden die 10 Verpflichtungen, die Überzeugungen für gezeitenorientierte Praktiker sowie die 20 sich daraus ableitenden Befähigungen und die dem Modell zugehörige Live-Dokumentation dargestellt. Die folgenden drei Teile widmen sich den drei Dimensionen: des Selbst, in der der Schwerpunkt im Aufbau einer brückenschlagenden Beziehung und der Erstellung eines persönlichen Sicherheitsplans liegt, der Dimension Welt, in der ein ganzheitliches Assessment erfolgt und der Dimension der Anderen, deren Hauptaugenmerk auf Gruppenarbeit liegt. Die praktische Umsetzung und wissenschaftliche Verordnung des Gezeiten-Modells schließen sich im letzten Teil an. Neu in der 2. Auflage finden sich ergänzende Beiträge zur Anwendung des Modells in der Akutpsychiatrie, der ambulanten psychiatrischen Pflege und der gerontopsychiatrischen Pflege. Das Original recovery-orientierter psychiatrischer Pflege von Barker - Menschen mit psychischen Lebensproblemen als Erfahrungsexperten verstehen, ihren Geschichten zuhören und mit ihnen nach Wegen psychischer Unterstützung suchen.

Inhaltsverzeichnis, Danksagung, Widmung und Vorwort 7
Interview mit Phil Barker und Poppy Buchanan-Barker 21
Ru?ckforderung – Die Kunst des Möglichen 31
1. Das Gezeiten-Modell – Die ersten 10 Jahre Entwicklung und Wandel 33
Klinik oder Gemeinde – klinische oder häusliche Pflege 34
Normale Sprache 34
2. Was ist das Gezeiten-Modell? 35
3. Einfu?hrung 39
Was ist das Problem? 39
Probleme menschlichen Lebens 40
Die zentrale Gezeiten-Frage 41
Komplexe Probleme – und einfache Lösungen 42
Von der Person lernen 43
Leben mit dem Chaos – Lernen aus Erfahrung 44
Der fu?rsorgende Lebensretter 44
Der Strom des Wandels 45
Das wechselnde Antlitz des Wassers 46
Die Gezeiten-Metapher 47
Hören Sie auf, so hart zu arbeiten 49
4. Die 10 Verpflichtungen 51
Gezeiten-Werte 51
Die 10 Verpflichtungen und ihre Befähigungen 51
5. Das Gezeiten-Modell im Überblick 55
Gezeiten-Überzeugungen 55
Die Gezeiten-Metapher 56
Weitere zentrale Fragen 57
Das Pflegekontinuum 58
Die Notwendigkeit unmittelbarer Betreuung 59
Die Notwendigkeit fu?r Wachstumsbegleitung 60
Übergangspflege 61
6. Die drei Dimensionen 65
Die Dimension Selbst 65
Die Dimension Welt 66
Die Dimension Andere 66
7. Die Macht der Live-Dokumentation 69
Die Vorteile des «In-situ»-Dokumentierens 69
Vorteile der Live-Dokumentation 69
Die Dimension des Selbst – Entwickeln emotionaler Sicherheit 71
8. Bru?cken schlagen 73
Das Leben und seine vielen Risiken 73
Bru?cken schlagen – Aufbau emotionaler Sicherheit 74
Von Beziehungen zu Partnerschaften 74
Beobachtung und Risiko 75
Von Begegnung zum Bru?ckenschlagen 75
Bru?ckenschlagen – Was Sie sehen, bekommen Sie auch! 76
Der Zweck des Bru?ckenschlagens in psychiatrischen Dienstleistungen 78
Bru?ckenschlagen – Einige einfache Beispiele 78
Die «Hochrisiko»-Situation 79
Die signifikante Risikosituation 80
Die risikoarme Situation 81
Die «gefahrenfreie» Situation 82
Mensch sein – kreativ sein 83
9. Das Monitoring-Assessment 85
Emotionale Bedrohung erkunden 85
Das Assessment im Überblick 86
Die Wahl des Zeitpunkts 89
Charakteristische Merkmale 89
10. Der persönliche Sicherheitsplan 91
Von der Pflege zur Selbsthilfe 91
Sicherheit und Geborgenheit 92
Anschauliches Beispiel 93
Die Dimension Welt 97
11. Das ganzheitliche Assessment 99
Das Erzählen der Geschichte 99
Wie lauten die Zielsetzungen des ganzheitlichen Assessments? 100
Wie lauten die Zielvorgaben des ganzheitlichen Assessments? 101
Wann sollte das Assessment ausgefu?llt werden? 102
Wie sollte das Assessment durchgefu?hrt werden? 102
Wie sollte das Assessment dokumentiert werden? 103
Wer sollte das Assessment ausfu?llen? 103
Sollte noch jemand anderes am Assessment beteiligt sein? 104
Wie oft sollte das Assessment wiederholt werden? 104
Ausfu?llen des ganzheitlichen Assessments 104
Einfu?hrung 105
Übersicht des Problems oder Bedu?rfnisses 105
Anschauliche Beispiele 105
Urspru?nge des Problems («So begann alles») 106
Anschauliche Beispiele 106
Fru?here Problemfunktion («So wirkte es sich auf mich aus») 106
Anschauliche Beispiele 106
Fru?here Emotionen («So fu?hlte ich mich zu Anfang») 107
Anschauliche Beispiele 107
Entwicklungsverlauf («So haben sich die Dinge mit der Zeit verändert») 107
Anschauliche Beispiele 107
Beziehungen («So beeinträchtigte dies meine Beziehungen») 107
Anschauliche Beispiele 108
Aktuelle Emotionen («So fu?hle ich mich jetzt») 108
Ganzheitlicher Inhalt («Was bedeutet das meiner Ansicht nach?») 108
Anschauliche Beispiele 108
Ganzheitlicher Kontext («Was sagt all dies u?ber mich als Person aus?») 109
Anschauliche Beispiele 109
Erfordernisse, Bedu?rfnisse und Wu?nsche («Was muss jetzt geschehen/was möchte oder wu?nsche ich, das als nächstes geschieht?») 109
Anschauliche Beispiele 109
Erwartungen 110
Anschauliche Beispiele 110
Evaluieren des Problems 110
Persönliche Ressourcen 111
Wichtige Menschen 112
Wichtige Gegenstände 112
Die wichtigen Vorstellungen u?ber das Leben 112
Lösung des Problems oder Bedu?rfnisses 112
Woran erkenne ich, dass das Problem gelöst oder das Bedu?rfnis befriedigt wurde? 113
Was muss sich ändern, damit dies geschieht? 113
Abschluss des Assessments 114
12. Die Einzelsitzung 115
Zuru?ckfordern der Geschichte 115
«In-Gang-Bringen» der Person 116
Zweck 116
Anschauliches Beispiel 117
Kooperation, Pflege und Kommunikation 123
Die Dimension der Anderen – Gruppenarbeit nach dem Gezeiten-Modell 125
13. Die Gezeiten-Gruppe 127
Menschsein allgemein 127
Die drei Gezeiten-Gruppen 128
Die Entdeckungsgruppe 129
Die Moderatoren 130
Die gesprächsorientierte Struktur 130
Beispielfragen 131
Timing der Entdeckungsgruppe 133
Die Informationsgruppe 133
Organisieren der Gruppe 134
Timing der Informationsgruppe 134
Die Lösungsgruppe 135
Organisation der Gruppe 135
Gruppenstruktur 135
Menschen «in Gang bringen» 136
Erlaubnis einholen 137
Gruppenempathie und -sympathie 137
Der Beginn einer Lösung? 138
14. Noch einige Gedanken 139
Gezeiten-Modell – Umsetzung und Diskurs 141
15. Die praktische Umsetzung der 10 Verpflichtungen 143
Wie alles begann 143
Erste Schritte 143
Das Projekt 145
Die Arbeit mit den Verpflichtungen und Befähigungen 146
Die Besprechungen 146
Das Arbeitsblatt 146
Ablauf der Besprechungen 148
Ru?ckschau 148
Vorschau 148
Abschluss 149
Dokumentation 149
Ergebnisse 150
Schlussrunde der Tidal-Besprechungen 150
Projekttagebuch 151
Literatur 152
16. Das Gezeiten-Modell im Spiegel der wissenschaftlichen Diskussion 153
Zwei konträre Denkschulen – der Barker-Gournay-Diskurs 155
Das Gezeiten-Modell in der wissenschaftlichen Literatur 159
Das Gezeiten-Modell im Bereich der Pflege in der Jugendpsychiatrie 163
Das Gezeiten-Modell im Bereich der Pflege in der Forensik 164
Das Gezeiten-Modell im Bereich der Pflege von Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen 165
Praxisberichte u?ber die Arbeit mit dem Gezeiten-Modell 166
Zusammenfassung 167
Literatur 168
17. Erfahrungen mit dem Gezeiten-Modell 171
Zielsetzung 172
Zeitpunkt und Zeitraum 173
Wer fu?llt die Assessmentbögen aus? 175
Rahmenbedingungen und erforderliche Kompetenzen 176
Anpassungen/Limitationen 177
Die einzelnen Bestandteile des Assessments 178
Monitoring 178
Persönlicher Sicherheitsplan 181
Das Aufnahmeassessment 183
Entstehung und Auswirkung 189
Bedeutung 190
Evaluieren des Problems 192
Ressourcen 194
Zielformulierung 196
Protokoll der Einzelsitzung 197
Wirkung 200
Literatur 201
18. Das Gezeiten-Modell in der ambulanten Psychiatrischen Pflege (APP) 203
Was motivierte die Entwicklung und Gestaltung des Gezeiten-Modells? 204
Der Aspekt des Verstehens und die doppelte Handlungslogik 206
Der Pflegeprozess und die Evidenz 208
Die Dualität von Theorie und Praxis 209
Psychiatrisch Pflegende und das Profil des Tuns 212
Gute Psychiatrische Pflege 212
Transfer in die Berufspraxis 226
Der Kreis zwischen Praxis und Theorie schließt sich 229
Zusammenfassung 231
Literatur 232
19. Das Gezeiten-Modell in der Gerontopsychiatrie 235
Die Gerontopsychiatrie 237
Recovery im Alter 238
Wohlbefinden im Alter 240
Das Gezeiten-Modell bei Menschen mit Demenz 242
Zusammenfassung und Fazit 243
Literatur 245
Anhang 247
Anhang 1 – Das ganzheitliche Assessment 249
Anhang 2 – Die Einzelsitzung 257
Anhang 3 – Das Monitoring-Assessment 259
Anhang 4 – Der persönliche Sicherheitsplan 261
Anhang 5 – Schnupperkreuzfahrt durch das Gezeiten-Modell 263
Weiterfu?hrende Literatur 277
Verzeichnis der Autoren und Herausgeber, Sachwortverzeichnis 287

Interview mit Phil Barker und Poppy Buchanan-Barker


Das Gespräch mit den beiden Autoren wurde im Vorfeld dieser Publikation geführt. Die Fragen wurden vom Herausgeberteam gestellt.

Lieber Phil, liebe Poppy

Die erste Veröffentlichung des Gezeiten-Modells liegt nun einige Jahre zurück. Was ist in der Zwischenzeit geschehen?

Seit Erscheinen der ersten Gezeiten-Publikation im Jahre 1998 sind 15 Jahre vergangen. Seither ist viel geschehen. Die wichtigsten Entwicklungen drehen sich um den philosophischen Kern:

  • Wir haben die Definition von Recovery vereinfacht, die wir nun als «Wieder-in-Gang-Kommen» beschreiben. Damit wird berücksichtigt, dass das zentrale Merkmal, nach dem wir bei dieser Person suchen, eine Art «Vorwärtsbewegung» ist. Wir erkennen jedoch an, dass die Person, wie bei den Gezeiten, «zurückfallen» kann und den Prozess der «Vorwärtsbewegung» wieder ganz von vorn beginnen muss.
  • Mit der Entwicklung der 10-Gezeiten-Verpflichtungen haben wir auch die zentralen philosophischen Merkmale des Gezeiten-Modells klarer definiert. Sie stellen «Überzeugungen» dar, die jeder gezeitenorientierte Praktiker haben müsste. Diese Verpflichtungen könnten jedoch auf beliebig viele Weisen zum Ausdruck gebracht oder in die Praxis umgesetzt werden. Dies hat geholfen, dass sich Menschen stärker bewusst machen, dass das Gezeiten-Modell flexibel ist, was den Praktiker zu Kreativität ermutigt.
  • Auf Bitten eines Pflegedirektors, dessen Dienstleistung sich an dem Gezeiten-Modell orientierte, entwickelten wir 2003 die 20 Gezeiten-Befähigungen. Er wünschte sich einen einfachen Weg, um zu beurteilen oder einzuschätzen, ob die Fachpersonen die 10-Verpflichtungen umsetzten oder nicht. Die 20 Gezeiten-Befähigungen wurden durch die Leitungen von Einrichtungen – zusammen mit den 10-Verpflichtungen – weithin eingesetzt, um auf diese Weise Pflegepolitik oder die Recovery-Philosophie insgesamt innerhalb der Einrichtung zu vertiefen.
  • In den vergangenen 15 Jahren haben wir auch einige Aspekte der Gezeiten-Praxis – vor allem unsere Beschreibung der «Einzelsitzung», des «Sicherheitsplans» und der drei Arten von Gruppenarbeit – verfeinert. Diese unterscheiden sich alle deutlich von den Prozessen, die wir erstmals in den späten 90er Jahren entwickelten. Wir halten sie jetzt für viel einfacher oder eleganter.
  • Das Gezeiten-Modell wurde ins Japanische und ins Dänische übersetzt und erlaubt Fachpersonen, die der englischen Sprache nicht mächtig sind, das Modell in ihrer Praxis zu studieren und anzuwenden.
  • Ursprünglich wurde das Gezeiten-Modell für den Einsatz in akutpsychiatrischen Einrichtungen und kommunalen Settings entwickelt. In den vergangenen 15 Jahren wurde es in Programme der Forensik, der Rehabilitation und des Drogen- bzw. Substanzmissbrauchs eingeführt. Es wurde auch in Einrichtungen für Menschen mit psychiatrischen Diagnosen aller Art, für Menschen mit Lernbehinderungen, mit Erkrankungen des autistischen Spektrums und in Frühstadien der Demenz angewandt.
  • Ursprünglich wurde das Gezeiten-Modell als Pflegemodell entwickelt. In den vergangenen 15 Jahren hat eine Reihe anderer Berufsgruppen der Gesundheitsversorgung und der Sozialfürsorge das Modell in ihre Praxis übernommen, z. B. Ergotherapeuten, Sozialarbeiter, Berater, Physiotherapeuten und Psychiater. Wir sind uns darüber im Klaren, dass das Gezeiten-Modell zunehmend auch auf nichtstaatliche Settings eingesetzt wird, in denen viele praktisch Tätige keine formale Qualifikation zur Gesundheitsversorgung oder Sozialfürsorge haben, darunter Projekte, in denen die Mitarbeiter unter Umständen zuvor «Patienten» oder «Klienten» der psychiatrischen Versorgung waren.
  • Seit dem Erscheinen von Dr. Nancy Brookes Kapitel über das Gezeiten-Modell in Nursing Theorists and Their Work (Alligood, 2017)1 wird das Gezeiten-Modell weithin auf Postgraduiertenniveau (Master) studiert, vor allem in den USA und in einigen südamerikanischen Ländern, wo Pflegemodelle und -theorien seit langem geschätzt werden.

Wie erklärt Ihr Euch das große Interesse am Gezeiten-Modell?

In der Pflege scheint das zunehmende Interesse am Gezeiten-Modell mit der Art zusammenzuhängen, in der es Pflegenden zu klären hilft, wie sie personenzentrierte Pflege leisten könnten:

  • Viele Pflegende sagen uns, man lehre sie die Theorie der «personenzentrierten Pflege», brächte ihnen aber nur selten bei, «wie» man sie praktiziert. Das Gezeiten-Modell scheint jenen Pflegenden zu helfen, den Zusammenhang zwischen der zentralen Philosophie, der Theorie und der Praxis zu erkennen.
  • Am häufigsten sagen uns Pflegende: «Das Gezeiten-Modell erinnert mich daran, warum ich eigentlich mit Pflege begonnen habe.» Viele Pflegende haben uns erzählt, ihre ursprüngliche Berufung habe darin bestanden, Menschen zu helfen, dass es ihnen besser gehe. Zunehmend stellten sie jedoch fest, dass ihre Arbeit letztlich darin bestand, sich auf Dokumentation, das Verfassen von Berichten und Verwaltungstätigkeiten zu konzentrieren. Die eigentliche pflegerische Tätigkeit hat eher beaufsichtigenden Charakter angenommen, indem Medikamente ausgegeben und Türen verschlossen werden, in dem Versuch, leidende Menschen zu kontrollieren und in Gewahrsam zu halten. Solche Aspekte der Rolle mögen zwar wichtig sein, haben aber jeden Versuch, «therapeutisch» zu sein, überlagert. Auch hier sagen uns Pflegende, man habe sie zwar die «Theorie» von «therapeutischen Beziehungen» gelehrt, jedoch hätten sie nur wenig spezifische Anleitung erhalten, «wie» man sie praktiziere.
  • Das Gezeiten-Modell stützt auch Pflegende und andere Praktiker, die an einer recovery-orientierten Praxis interessiert sind.
  • In den meisten Settings der psychiatrischen Gesundheitsdienstleistungen sind Pflegende zahlenmäßig die größte Berufsgruppe. Oft wurde jedoch die therapeutische Rolle der Pflegenden ausgehöhlt, mit der Folge, dass andere Mitglieder des Teams die «Therapie» leisten, während die Pflegenden nur unspezifische Versorgung oder Unterstützung leisten. Das Gezeiten-Modell bietet einen Weg, auf dem Pflegende ihre therapeutischen Rollen wieder einfordern können, indem sie eine therapeutische Form der Versorgung leisten, welche die von anderen Teammitgliedern geleistete Versorgung oder Behandlung ergänzen kann.
  • Andere Berufsgruppen haben erkannt, dass sie in der Praxis des Gezeiten-Modells eng mit Pflegenden zusammenarbeiten können. Ein Professor für Psychiatrie sagte: «Es sind nicht nur Pflegende, die ‹caring› betreiben – ich bin Arzt und auch ich betreibe ‹caring›2.» Dieser Psychiater hat geholfen, das gesamte Team – Pflegende, Ärzte und verschiedene Therapeuten – zu ermutigen, in der praktischen Anwendung des Gezeiten-Modells eng zusammenzuarbeiten. Dies hat zu einem stringenteren Teamansatz geführt.
  • Auch die Ansichten der Menschen, die «Patienten» oder «Klienten» der Einrichtung sind, waren extrem wichtig für das zunehmende Interesse am Gezeiten-Modell. Bei allen Projekten, an denen wir beteiligt waren, war die Unterstützung von «Patienten» sehr bedeutsam. In den Settings, in denen formelle Auditierungen oder Forschungsevaluationen durchgeführt wurden, ergab sich eine Menge aussagefähiger Belege, die den Wert verdeutlichen, den Patienten und deren Familien dem Gezeiten-Modell beimessen. Der einzigartige Schwerpunkt des Gezeiten-Modells, die eigenen Worte der Person zu verwenden, wird von Patienten und deren Familien sehr geschätzt und würdigt, dass Menschen geholfen werden kann, ihre eigenen Lösungen für ihre gegenwärtigen Schwierigkeiten zu finden.

Viele Fachpersonen, die das Gezeiten-Modell in ihre tägliche Arbeit integrieren möchten, stehen vor der Frage: «Wie kann ich mit dem Modell zu arbeiten beginnen? Was ist der erste Schritt und wo liegen die Stolpersteine?»

Zuerst einmal müssen Fachpersonen daran interessiert sein, auf personen- und recovery-orientierte Weise zu arbeiten. Wir haben stets gesagt, dass es nicht das Gezeiten-Modell ist, das «arbeitet». Es geht vielmehr darum, wie die Fachpersonen das Gezeiten-Modell einsetzen.

Viele Fachpersonen möchten dem Patienten einen Rat geben oder auf ihre gegenwärtigen Probleme eingehen. All solche Ambitionen müssen Fachkräfte zur Seite legen, da sie jeden Versuch stören, der Person beim Verstehen ihrer eigenen Probleme und beim Entdecken ihrer eigenen Lösungen zu helfen. Fachkräfte müssen von der Person lernen, was «funktioniert» oder «hilfreich ist», statt zu versuchen, zu beraten oder Anweisungen zu geben.

Praktisch gesprochen muss als Erstes das Handbuch des Gezeiten-Modells studiert werden. Als Nächstes müssen Praktiker Aspekte des Gezeiten-Modells aneinander üben, um allmählich zu lernen, wie man auf diese Weise arbeitet, und um allfällige Probleme zu lösen, bevor sie mit vulnerablen Patienten zu arbeiten beginnen. Wenn man Autofahren lernt, beginnt man in einer ruhigen Straße mit Unterstützung eines erfahren Fahrers. Niemand lernt Autofahren als Erstes auf der Autobahn!

In unseren Workshops ermutigen wir Fachpersonen stets dazu, in Übungssitzungen ihre eigenen persönlichen Erfahrungen von Leid oder Alltagsprobleme zu verwenden. Auf diese Weise können sie einen echten Eindruck gewinnen, wie das Gezeiten-Modell «funktioniert». Sie können allmählich einen Eindruck davon gewinnen, wie diese Erfahrung für den Patienten sein könnte....

Erscheint lt. Verlag 13.7.2020
Übersetzer Michael Herrmann
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege
Schlagworte Depression • Genesung • Krise • Pflege • Psychiatrie • Recovery
ISBN-10 3-456-96034-4 / 3456960344
ISBN-13 978-3-456-96034-0 / 9783456960340
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