Checkliste Chinesische Diätetik (eBook)
Thieme (Verlag)
978-3-13-243745-6 (ISBN)
1 Geschichte
1.1 Die Ernährung des Menschen in der Vorzeit
Man kann nicht über Ernährung sprechen, ohne die grundsätzliche Frage zu stellen, für welche Ernährung der Mensch idealerweise gebaut ist. Natürlich haben sich die menschliche Physiologie und das Verdauungssystem genau an die seit vielen hunderttausend Jahren zur Verfügung stehende Nahrung angepasst. Der Vorteil der menschlichen Physiologie ist, dass der Mensch ein „Allesfresser“ ist, der in Notzeiten oder Änderungen des Angebots – bedingt durch Klima und Jahreszeiten – auf andere Nahrungszusammensetzungen relativ leicht ausweichen kann. Weiterhin hat er in der Frühzeit durch nomadisierende Lebensweise sich bestimmten Einflüssen entziehen oder die Umgebung seinen Bedürfnissen entsprechend in bestimmten Grenzen wählen können. Dennoch ist und bleibt die Frage hochinteressant, welches eigentlich unsere Urnahrung gewesen ist, und ob diese für uns heute noch genauso ideal wäre. Der Mensch und seine Umwelt beeinflussen sich gegenseitig. Die menschliche Entwicklung auf der sozialen Ebene beeinflusst das Nahrungsangebot und dieses wirkt auch auf seine Physiologie.
Die verschiedenen Stadien der Entwicklung menschlicher Gesellschaften (siehe ▶ Tab. 25.5):
- Jäger und Sammler
- Ackerbau mit Sesshaftwerdung, Domestizierung von Tieren
- Weiterentwicklung von Viehzucht und Ackerbau
- Industrialisierung im 19. Jh., die sich von England, Westösterreich und Preußen (mit dem Ruhrgebiet) ausgehend über Europa vollzog
- Die letzte große Umwälzung und Revolutionierung für die Ernährung brachte die Moderne mit der Entwicklung der Biochemie, die den großflächigen und standardisierten Einsatz von Pestiziden, Insektiziden und Düngemittel zur Ertragssteigerung ermöglichte.
- Einsatz von Antibiotika, Hormongaben und neuerdings auch gentechnisch verändertem Saatgut
In der Ernährungswissenschaft fragt man sich, was ist die ideale oder eigentliche Ernährung des Menschen, für die er gemacht ist, an die er sich im Laufe der Entwicklungsgeschichte mit seinen Verdauungsorganen und seinem Stoffwechsel anpassen konnte. Die „darwinistische Medizin“ glaubt, dass wir von einer gewissen Rückbesinnung auch heutzutage profitieren könnten. Daran schließen sich natürlich auch die beiden Fragen an, ob der Mensch als „Allesfresser“ sich nicht in den letzten Jahrhunderten umstellen und anpassen konnte, und/oder ob für uns heute wichtige Informationen aus dem Verständnis der für Jahrtausende bestehenden Ernährungsgewohnheiten gewonnen werden können. Eiweiß, z. B. Fleisch, wurde lange roh verzehrt. Feuer war zuerst nur bei Blitz- oder Spontanentzündungen nutzbar. Erst mit der Kontrolle über das Feuer wurden manche Nahrungsmittel durch Erhitzung zubereitet (vor ca. 500 000 Jahren). Das bedeutete neben Wärme und Vertreibung von Raubtieren v. a. Keimreduktion durch Abtötung von Bakterien und Entlastung des Verdauungssystems.
▶ Tab. 1.1 Anthropologische Entwicklung menschlicher Gesellschaften.
Phase | Beschreibung | Nahrung | Entwicklung | Resultierende Entwicklung |
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Jäger und Sammler 1 000 000 – 15 000 v. Chr. | längste Phase der Menschheitsgeschichte:
| Wurzeln, Kräuter, Beeren, Früchte, Samen, Kerne, Wildgemüse, Insekten, Reptilien, kleine Säugetiere, gefundene Reste von Großtieren, wenn Raubtiere etwas übrig ließen | langsame Anpassung der frühmenschlichen Physiologie und des Verdauungssystems an das vorhandene Nahrungsangebot: viele Ballaststoffe, hochwertiges Eiweiß, wenig hochwertiges Fett und wenig Kohlenhydrate | ebenso Anpassung des Muskelstoffwechsels an die Notwendigkeit, der Nahrung „hinterherzulaufen“: die längste Zeit war die Ausdauerjagd die übliche Jagdform, durchschnittlich täglich zurückgelegte Strecken von 20–30 km |
Agrarkulturen ab 15 000 v. Chr. – 1800 n. Chr. |
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Industrialisierung 19. Jh. | Raffinierungsprozesse/Beginn der Industrialisierung, auch der Nahrungsmittelgewinnung |
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| körperliche Arbeit wird weit weniger oder sehr viel einseitiger |
Moderne ab 20. Jh. bis heute | Entwicklung der Chemie, organische und Biochemie: Pestizide, Insektizide, Düngemittel, Antibiotika (auch Obstbau und Viehzucht), Gentechnologie (Mais, Kartoffeln, Viehzucht usw.) |
| extrem schnelle Änderung von Nahrungsmitteln und darin enthaltenen Zusatzstoffen, z. T. von Stoffgruppen, die bis dahin für den Körper unbekannte Moleküle darstellen | der durchschnittliche Angestellte legt täglich noch ca. 700m zurück |
Die erste große Nahrungsrevolution beginnt bereits vor ca. 15 000 Jahren. Am „neuesten“ und ungewohntesten für den Jungsteinzeitmenschen sind die Verwendung von Getreide (Weizen, ohne Ackerbau nicht verfügbar) und Milchprodukten (ohne Viehzucht nicht verfügbar). Hierzu wurden im Herbst Samen von Süßgräsern (Pflanzenfamilie der Poaceae) aufbewahrt, um diese im Frühjahr in den Boden zu säen. So konnte durch Auswahl und Zucht eine allmähliche Ertragssteigerung der sonst recht wenig ergiebigen Grassamen erzielt werden. Ähnlich wurde mit dem Anbau von stärkehaltigen Wurzeln und Knollen verfahren. Damit änderten sich zwei extrem entscheidende Faktoren: Zum einen standen nun in hohem Maße relativ konstant Kohlenhydrate zu Verfügung, da sich diese noch dazu viel besser lagern ließen als Wildgemüse. Zum anderen wurde jetzt, statt einer auf Ausdauer ausgerichteten Muskulatur für die Hetzjagd, eine für Entfaltung von Kraft zum Bestellen der Felder benötigt. Sehr wahrscheinlich vollzog sich dieser massive Entwicklungsschritt nicht zufällig, sondern wurde durch die Eiszeiten stark angeregt. Nach wärmeren Perioden – mit subtropischen Klimabedingungen in Mitteleuropa – wurde durch die Kälteperioden Nahrung knapper und Vorratshaltung sinnvoller. Dadurch wurden erst größer werdende Menschenansammlungen und später Städteentwicklungen möglich, die umgekehrt wiederum größere Mengen an Nahrungsmitteln und eine arbeitsteilige Nahrungsbeschaffung erforderlich machten.
Um ca. 7000 v.Chr. fand eine Genmutation in Mittel- und Nordeuropa statt, die Erwachsenen die Möglichkeit der Verdauung von Milch und Milchprodukten auch nach der Kindheit ermöglichte. Alle Säugetiere bilden Laktase während der Stillzeit und normalerweise verliert sich danach allmählich die Aktivität dieses Enzyms auf Werte von 5 – 10 %, bezogen auf den Ausgangswert in der Stillzeit. Diese Mutation war sicher ein Selektionsvorteil und setzte sich deshalb in diesem regionalen Gebiet durch. Dennoch liegt auch heute noch bei einer Großzahl der Erwachsenen eine im Grunde natürliche Milchunverträglichkeit vor. Daher gilt dies nur in Ländern mit einer weitgehenden Laktosetoleranz als Pathologie (in Deutschland geschätzt 15 – 20 % der...
Erscheint lt. Verlag | 5.8.2020 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Naturheilkunde ► TCM / Ayurveda |
Schlagworte | Chinesische Diätetik • Ernährungsberatung • Komplementärmedizin • Materia diaetetica • TCM • Traditionelle Chinesische Medizin |
ISBN-10 | 3-13-243745-X / 313243745X |
ISBN-13 | 978-3-13-243745-6 / 9783132437456 |
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