Ergotherapie - betätigungszentriert in Ausbildung und Praxis (eBook)

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2019 | 1. Auflage
320 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-242810-2 (ISBN)

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Ergotherapie - betätigungszentriert in Ausbildung und Praxis -
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Lebendige Theorie, die Lust aufs Lernen macht! Treppen gehen, einkaufen oder telefonieren - die für den Klienten dringlichsten Betätigungen stehen hier im Fokus. Dieses Lehrbuch lebt den Paradigmenwechsel hin zur modernen klienten- und betätigungszentrierten Ergotherapie. Werden Sie schrittweise Expertin - für Betätigung - für Betätigungsanliegen des Klienten, für Betätigungsanalyse und für betätigungszentrierte Interventionen und - schließlich für betätigungszentrierte Ergotherapie, die eigenständig individuelle Lösungen für Probleme findet und anwendet. Sie lernen - ergotherapeutische Modelle und Assessments anzuwenden, - den betätigungszentrierten ergotherapeutische Prozess mit Betätigungsanalyse und - in Fallbeispielen die Praxis kennen. Die Herausgeberinnen lassen auch Lernende, Lehrende, Praxisanleiter zu Wort kommen. So füllen sie die Theorie mit Leben und machen so richtig Lust auf eine betätigungs- und klientenzentrierte Ausbildung.

1 Kompetenzentwicklung in der Ausbildung


Maria Kohlhuber

1.1 Berufsprofil in Deutschland


Als ich vor 21 Jahren in meiner Familie freudig verkündet habe, dass ich Beschäftigungs- und Arbeitstherapeutin werden möchte, haben mich alle am Tisch etwas irritiert und fragend angesehen. Die erste Frage war dann natürlich: „Und was macht man da dann?“ Darauf konnte ich vor der Ausbildung so gut wie keine Antwort geben, aber leider blieb auch nach der Ausbildung für mich oft ein Fragezeichen. Dieses Thema Berufsprofil treibt mich seither um. Ich wusste vor der Ausbildung, dass ich mit Menschen arbeiten möchte, dass ich gut zuhören und mich gut in andere hineinversetzen kann. Aber was mich genau in der Ausbildung und nach der Ausbildung im Beruf erwarten würde, das wusste ich nicht. Die Fächerkombination klang für mich spannend und so habe ich mich relativ unwissend und sehr jung in die Ausbildung gestürzt.

Egal in welchen Zusammenhängen ich dann mit Ergotherapeuten in Kontakt kam, die Geschichten und Erfahrungen zur Berufswahl und zum Berufsbild waren sehr ähnlich. Man könnte fast sagen, dass das nicht vorhandene Berufsprofil am meisten Verbindung erzeugt hat. Frei nach dem Motto: „Wir verbinden uns darüber, dass uns keiner kennt und niemand weiß, was wir können.“ Oft kam ich mir vor wie in einer Selbsthilfegruppe, in der sich dann jeder sagt, wie schrecklich es ist, dass wir Ergotherapeuten innerhalb des Gesundheitssystems nie Anerkennung genießen.

Ich war immer Feuer und Flamme für diesen Beruf im Kontakt mit Klienten, aber die ständigen Erklärungen dazu, was ich bin und was ich tue, haben mich immer wieder zweifeln lassen. Und so ist mein beruflicher Werdegang auch geprägt von anderen Bezügen, immer auf der Suche nach einem Berufsprofil für mich als Ergotherapeutin. Nach der Ausbildung vor 18 Jahren entschied ich mich deshalb erst einmal, mein Abitur nachzumachen. Das Ziel war zunächst, danach Ergotherapie zu studieren. Damals haben mich die Studiengänge aber irgendwie nicht ganz überzeugt. So habe ich mich nach dem Abitur für ein Hochschulstudium Soziologie mit den Nebenfächern Psychologie und Philosophie entschieden. Während des Studiums befand ich mich häufig in zwei Welten. Zur Finanzierung meines Studiums habe ich als Ergotherapeutin gearbeitet, gleichzeitig war ich aber mit meinem Beruf unzufrieden und ich habe über das Studium eine ganz andere Welt kennengelernt.

Irgendwie konnte ich aber das Thema Berufsprofil nicht sein lassen. Die Wahl meines Diplomarbeitsthemas in der Soziologie „Die Professionalisierungspraxis der Ergotherapie – eine qualitative Analyse“ hat mich tiefer denn je in das Berufsprofil eintauchen lassen. Ich habe qualitative Interviews mit Ergotherapeuten geführt, sie nach ihrem beruflichen Selbstverständnis gefragt und wie sie den Fortgang der Professionalisierung unseres Berufsstandes sehen. Ich war damals sehr überrascht, mit welchem Eifer und Einsatz mir unzählige Ergotherapeuten darüber Auskunft geben wollten. Meine betreuende Dozentin an der Uni, die natürlich keine Ahnung von Ergotherapie hatte, konnte kaum glauben, dass ich überhaupt keine Probleme hatte, Interviewpartner zu finden. Das ist häufig eher schwierig, aber das Thema schien den Ergotherapeuten unter den Nägeln zu brennen – im Jahr 2005.

Nach dem Studium habe ich weiter als Ergotherapeutin gearbeitet, weil ich noch nicht so recht wusste, wo ich hin will – Ergotherapie oder Soziologie oder beides. In der Frühförderstelle, wo ich zu der Zeit gearbeitet habe, gelang es mir aber zunehmend besser, mein Profil zu finden. Über viele Hausbesuche und das damit verbundene Arbeiten im konkreten Alltag der jungen Klienten war hier immer ganz klar, worum es ging – um Essen mit Besteck am Tisch, Spielen mit dem Geschwisterkind, Anziehen zum Rausgehen in den Garten, in der Vorschulgruppe im Kindergarten ein Tier ausschneiden etc. – also um Betätigung.

Für mich begann der Auseinandersetzungsprozess mit dem Thema Betätigung als Kernelement der Ergotherapie. In dieser Zeit habe ich parallel einen Aufbaustudiengang Ergotherapie absolviert, weil ich mein Fachwissen vertiefen wollte. Es bot sich an, diesen mit dem Schwerpunkt „Lehre“ zu absolvieren. Ergotherapie zu unterrichten erschien mir eine Möglichkeit, das Berufsprofil zu schärfen – für alle kommenden Ergotherapeuten. Und wieder habe ich mich für die Diplomarbeit mit dem Berufsprofil auseinandergesetzt – wieder über eine qualitative Studie.

Ob nun meine ganz persönliche Geschichte auch die Entwicklung des Berufsprofils in Deutschland widerspiegelt, vermag ich nicht zu sagen.

Wenn man allerdings deutsche Ergotherapeuten fragt, was sie machen, ist das nach wie vor eine Frage, die nicht klar und zum Teil ungern beantwortet wird. Und wie könnte dieses Buch anders beginnen als mit dieser Frage. Warum? Weil Ergotherapeuten es leid sind, sich ständig erklären zu müssen.

Dieses Buch soll aufzeigen, dass durch das konsequente ergotherapeutische Handeln auf Basis von Betätigung und Klientenzentrierung die Berufsdefinition eindeutiger und damit auch das Berufsprofil klarer wird. Wenn wir selbst wissen, was wir können, wofür wir Experten sind, werden uns auch diejenigen verstehen, die diesen Beruf nicht ausüben und in die Ergotherapie kommen.

1.2 Qualifikation und Kompetenz


Um sich beruflich definieren zu können, muss man wissen, welche Anforderungen dieser Beruf an einen stellt. Damit sind wir bei der Frage: Welche Qualifikationen oder Kompetenzen benötige ich, wenn ich als Ergotherapeutin tätig sein möchte? In den zwei Wörtern Qualifikation und Kompetenz steckt eine Menge an Hintergrundwissen. Es ist wichtig zu wissen, was mit Qualifikation und Kompetenz gemeint ist, damit ergotherapeutische Kompetenzen beschrieben werden können. Das klingt auf den ersten Blick einfach, wirft man aber einen Blick auf die Debatte und die Versuche, Berufskompetenzen zu definieren, stellt man schnell fest, dass dies ein komplexes Unterfangen ist.

Im vorliegenden Buch zeige ich kurz auf, wie sich der Kompetenzbegriff in der Fachliteratur zusammensetzt. Den aktuellen Bestrebungen, ein Kompetenzprofil für die deutsche Ergotherapie zu entwickeln, hat sich eine Projektgruppe angenommen. Dies wird in Kapitel 8 aufgegriffen und vor allem der Nutzen eines solchen Kompetenzprofils für ein klares Berufsprofil dargestellt. Zunächst geht es aber um die Begriffsklärung.

1.2.1 Qualifikationen


Eine Ausbildung oder eine Weiterbildung hat den Erwerb von Qualifikationen zum Ziel. Ob dieses Ziel erreicht wird, kann überprüft werden. Beispielsweise wird nach zwei Monaten Anatomieunterricht ein Test geschrieben, an dessen Ergebnis man erkennt, ob eine Auszubildende in Sachen Anatomie nun die erforderliche Qualifikation aufweist. Durch den Test wird also die Leistung und somit der Wissensstand einer Auszubildenden bestimmt. Bei der Qualifikation geht es somit hauptsächlich um Fachliches, d. h. was eine Auszubildende in der Theorie weiß, und nicht darum, wie sie dieses Wissen in der Arbeit mit dem Klienten einsetzt.

Qualifikation

beschreibt die Fähigkeiten einer Person, die über formale Prüfungsabläufe festgestellt werden. Dokumente wie Berufsurkunden und Abschlusszeugnisse, die am Ende einer Ausbildung erstellt werden, belegen eine Qualifikation. Sie erlauben die Führung der Berufsbezeichnung und geben über das Bestehen der Prüfung Auskunft. Ohne diese Dokumente kann man z. B. keinen Arbeitsvertrag erhalten.

1.2.2 Kompetenz


Heutzutage sprechen die meisten Dozierenden in der Erwachsenenbildung von Kompetenzen, wenn sie über die Entwicklung und den Fortschritt ihrer Auszubildenden berichten. Es gibt sehr unterschiedliche Definitionen des Begriffs „Kompetenz“. Die bekannteste Definition stammt von dem Psychologen Weinert: „Kompetenzen sind die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ (zit. nach ▶ [8]).

Das bedeutet, dass es bei Kompetenzen darum geht, über welche Fähigkeiten und Fertigkeiten eine Person verfügt, um Probleme zu lösen, die das Leben an sie stellt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Anforderungen oder Probleme aus dem Privat- oder dem Berufsleben handelt.

Das gemäß sämtlichen Definitionen erklärte Ziel von Kompetenzen ist es, „eine offene Zukunft nicht nur adaptiv, sondern produktiv und kreativ zu bewältigen“ ( ▶ [7]). Man sollte also nicht nur lernen, so zu handeln wie eine erfahrene Ergotherapeutin und dieses Handeln quasi kopieren, sondern man sollte eigenständig individuelle Lösungen für Probleme finden und anwenden.

Diese Kompetenzen erwirbt man auf unterschiedliche Weise. Wer beispielsweise kritische Phasen in seinem Leben durchgemacht und überwunden hat, lernt aus diesen Erfahrungen, mit ernsthaften Situationen umzugehen. Ein Mensch muss in unserer Gesellschaft vielen Anforderungen gewachsen sein. Dazu braucht er unter anderem ausreichend Flexibilität und Eigeninitiative (ebd.). Im Unterricht gestaltet sich das etwa derart, dass die Klasse sich um Menschen mit Behinderung bemüht, die zum Schwimmunterricht gehen. Hierbei lernen die...

Erscheint lt. Verlag 11.12.2019
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Gesundheitsfachberufe
Schlagworte Betätigung • Betätigungsorientiert • betätigungszentriert • CMOP • CPPF • ergotherapeutische Modelle • Ergotherapie • Ergotherapieausbildung • Ergotherapiestudium • ICF • Kawa • Klient • Klientenzentriert • MOHO • OTIPM • Professional Reasoning
ISBN-10 3-13-242810-8 / 3132428108
ISBN-13 978-3-13-242810-2 / 9783132428102
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