Starke Abwehr - Unser Immunsystem. Ein medizinisches Wunder und seine Grenzen. (eBook)

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
448 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-95967-895-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Starke Abwehr - Unser Immunsystem. Ein medizinisches Wunder und seine Grenzen. - Matt Richtel
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Ein Krebspatient im Endstadium springt dem Tod von der Schippe, ein HIV-Patient gilt als medizinisches Wunder, und zwei Frauen müssen damit leben, dass sich ihr eigener Körper gegen sie wendet. Unser Immunsystem ist unser körpereigenes Verteidigungssystem, der Schlüssel zur unserer Gesundheit - und Entscheider über Leben und Tod.
Matt Richtel, Bestsellerautor und Pulitzer-Preis-Träger, nimmt uns mit auf eine spannende Reise in die Welt der Wissenschaft und ihrer neuesten Erkenntnisse: Wieso erkranken weltweit immer mehr Menschen an Autoimmunerkrankungen? Worin liegt der bahnbrechende Erfolg der Immuntherapie? Was ist das Mikrobiom? Und was passiert, wenn die körpereigene Abwehr nicht mehr funktioniert?
Vom Glück, gesund zu sein und vom Kampf gegen tödliche Krankheiten - Matt Richtel schreibt über unser Immunsystem so spannend wie über einen Kriminalfall.

»Eine spannende Reise in die Welt der Wissenschaft!« Buch aktuell



Matt Richtel ist amerikanischer Journalist und Bestsellerautor. Er schreibt für die New York Times und erhielt für seine Reportage über Ablenkung beim Autofahren den Pulitzer Preis. Sein Buch »Deadly Wandering« - die Geschichte eines Teenagers, der zwei Menschen überfuhr, weil er beim Fahren Textnachrichten in sein Handy tippte - wurde zum Bestseller. Matt Richtel lebt mit seiner Familie in San Francisco. www.mattrichtel.com

1
Enge Bindungen

Jason Greenstein saß schweigend auf dem Beifahrersitz eines Ford Windstar. Es war Freitag, der 13. März 2015, ein grauer Tag. Jason war unterwegs, um ein Wunder zu erleben, und er legte die Strecke so zurück, wie er es gewohnt war – umgeben von Müll.

Sein silberfarbener Kombi glich einem Schrotthaufen auf Rädern. Die Heizung hustete und spuckte und funktionierte offenbar nur, wenn es draußen warm war, also wenn man sie nicht brauchte. Die Hecktür klemmte. Auf dem Armaturenbrett leuchteten diverse Lichter auf und warnten vor Fehlern in der Elektronik, die von Jason aber ignoriert wurden. Und aus den Ablagefächern quollen Straßenkarten und Atlanten, wenn sie nicht gar auf dem Boden lagen.

Hinzu kam der durchdringende Geruch. Er stammte von dem 20-Liter-Benzinkanister, den Jason für den Notfall hinten im Wagen verstaut hatte, und von dem im Auto angesammelten fettgetränkten Einwickelpapier unzähliger Mahlzeiten aus dem Schnellimbiss – vor allem von den Hotdogs aus dem 7-Eleven, die Jason zwar als »Teufelszeug« und »eklig« bezeichnete, denen er aber in der Regel nicht widerstehen konnte.

Wenn Jason zu einer seiner Verkaufstouren über Land fuhr, schlief er manchmal hinten im Auto. Dann rollte er sich auf einem fleckenübersäten orangefarbenen Perserteppich zusammen, und sein Kopf kam neben dem Benzinkanister zum Liegen. Hin und wieder schlief er sogar auf den Kartons mit dem glitzernden, mit Strasssteinen besetzten Tand, den er an Casinos in der Provinz verkaufte, die sie als Werbegeschenke bereithielten.

Jason war siebenundvierzig, hatte seinen Bachelor an einer Elite-Uni und anschließend den Master in Wirtschaftswissenschaften und Jura gemacht; akademische Titel flößten ihm aber weder besonderes Vertrauen noch Respekt ein. Er hangelte sich von einem unternehmerischen Projekt zum nächsten, von einem Abenteuer zum andern. Nie war er glücklicher, als wenn er am Steuer seines Ford saß, eine Prise Skoal-Kautabak eingeschoben hatte und wenn, während Bruce Springsteen lief oder Songs eines lokalen Rundfunksenders aus dem Radio dröhnten, am Horizont eine neue Stadt in Sicht kam. Jason folgte dem Prinzip entdecken, erforschen, den eigenen Weg gehen. Er lebte den Traum der amerikanischen Siedler, und der Kombi war sein Planwagen.

»Wenn mir etwas zustoßen sollte, musst du dich bitte um den Kombi kümmern. Hast du gehört, Ma?« Das Verhältnis von Jason zu Catherine, seiner Mutter, pendelte zwischen liebevoller Verehrung bis zu passiv-aggressiven Konflikten mit Wortgefechten, die derart brutal unter die Gürtellinie gingen, dass Arthur Miller seine Freude daran gehabt hätte.

Jetzt saß Jason auf dem Beifahrersitz, und Beth, seine Freundin, fuhr. Er war im Begriff, einen derart unkonventionellen Schritt zu tun, wie er ihn sich nicht einmal selbst hätte ausdenken können. Er wollte ein medizinisches Wunder erleben und damit zum Aushängeschild werden, wie er es nannte, für eine Wunder wirkende neue Krebstherapie. Jason war entschlossen, dem Tod von der Schippe zu springen, obwohl er am Abgrund stand und mit einem Fuß bereits über dem Nichts schwebte.

Jason hatte Krebs. Die Krankheit war im Endstadium und nach allen rationalen Einschätzungen nicht mehr heilbar.

In seinen Lungen und auf der linken hinteren Körperhälfte hatte sich ein vierzehnpfündiger Tumor des Hodgkin-Lymphoms ausgebreitet, der seinen Umfang im Abstand einiger Wochen jeweils verdoppelt hatte. Jasons vierjährige Behandlung mit Chemo- und Strahlentherapie hatte, abgesehen von kurzen Verschnaufpausen, kaum etwas bewirkt, obwohl man diesem Krebsleiden allgemein gute Heilungschancen zuschreibt. Die Ärzte hatten alles versucht, einige Medikamente in erhöhter Dosierung oder in Kombination eingesetzt, was oft mit brutalen Nebenwirkungen verbunden gewesen war. Doch das bösartige Zellwachstum war stets zurückgekehrt. Mittlerweile hatte sich eine Schwellung gebildet, die sich deutlich auf Jasons Rücken abzeichnete, sodass Beth ihn liebevoll »Quasimodo« nannte. Da der Tumor auf seinen Ellennerv drückte, litt Jason unter schrecklichen Schmerzen und konnte seine linke Hand nicht mehr bewegen, die geschwollen war und wie ein Fleischklumpen aussah.

Dieses letzte Symptom empfand ich vor allem deshalb als so grausam, weil Jason in seiner Jugend – in unserer Jugend – ein hervorragender Sportler, ein gerissener, zäher, pfeilschneller Linkshänder gewesen war. Obwohl er nicht gerade zu den Größten gehörte, spielte er Baseball und Basketball in der Spitzenliga Colorados, denn er konnte springen wie eine Antilope mit Froschbeinen. Hinzu kam sein Aussehen: Mit den dunklen Haaren und Augen, seinem breiten Lächeln und seiner halb italienischen und halb jüdischen Herkunft war er der Inbegriff des amerikanischen Schmelztiegels und wirkte auf Mädchen einfach unwiderstehlich. Unvergesslich ist für mich sein explosionsartiges Lachen in den höchsten Tonlagen. Oft lachte er sich über die eigenen Witze kaputt, was einfach nur ansteckend wirkte.

Auf der Straße von Denver nach Boulder stach plötzlich die Sonne durch die Wolken, als könnte sich der März nicht zwischen Frühling und Winter entscheiden. Jason war in sich zusammengesunken. Weil er auf den schmerzenden Schwellungen nichts anderes ertragen konnte, hatte er locker sitzende graue Trainingshosen, Leinenschuhe und ein Flanellhemd angezogen. Selbst seine Füße waren geschwollen. Der Krebs hatte Jason nichts von seinen Begleiterscheinungen erspart. Sein Onkologe hatte Jason den Spitznamen »Steel Bull« gegeben, weil er eisern alle ihm vorgeschriebenen Behandlungen ertrug und oft noch einen Scherz oder ein Lächeln auf den Lippen hatte.

Doch am vergangenen Montag hatte sein Onkologe Jasons Todesurteil gesprochen. Nach der Untersuchung des Tumor-Wachstums hatte ihm der Arzt unter Tränen erklärt, sie seien am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt. Man hätte an ihm alle Behandlungsformen ausprobiert, ihm alle verfügbaren Medikamentencocktails verabreicht, und doch sei stets der Krebs mit voller Kraft zurückgekehrt. Nun sei es an der Zeit, die Waffen zu strecken.

Nach der Konsultation schrieb der Arzt auf das Patientenblatt, es sei »trotz der emotionalen Belastung wohl das Vernünftigste, für Mr. Greenstein die Versorgung in einem Hospiz« zu erwägen. Und er organisierte ein Treffen mit Jasons Angehörigen zur Vorbereitung der Palliativbetreuung.

»Jede zusätzliche therapeutische Maßnahme«, schrieb der Arzt, »wird sich eher schädigend als nützlich auswirken« und sei keinesfalls angebracht, »es sei denn, er erlebt eine Spontanheilung«.

Beth lenkte den Wagen durch das gutbürgerliche Wohnviertel, in dem das St. Luke’s Medical Center in Denver angesiedelt ist. Normalerweise plauderte Jason für sein Leben gern, doch diesmal war er ausgesprochen einsilbig.

Nachdem Beth den Wagen geparkt hatte, stützte sie Jason auf dem Weg zum Aufzug, und sie fuhren in den zweiten Stock. Jason hatte viele Stunden seines Lebens in der Onkologie dieses Krankenhauses verbracht, in einem schuhschachtelgroßen Zimmer auf einem der sperrigen braunen Liegesessel ausgestreckt, während er die ihm verschriebene Infusion mit der aggressiven Chemotherapie bekam. Nicht so an diesem Tag.

Jason ließ sich vorsichtig auf die Liege gleiten. Eine Krankenschwester befestigte den Infusionsschlauch an dem Port in seiner Brust. Zunächst ließ sie Kochsalzlösung hineinfließen, um die Reinheit des Zugangs sicherzustellen, dann gab sie ihm zur Beruhigung ein Antihistamin. Schließlich ersetzte sie den Infusionsbeutel durch einen anderen, der ebenfalls eine klare Lösung enthielt. Allerdings handelte es sich um etwas völlig Neues.

Krebs gehört weltweit zu den führenden Todesursachen. Allerdings geht es hier nicht um Krebs. Auch nicht um Herz- oder Atemwegserkrankung, um Unfälle, Schlaganfall, Alzheimer, Diabetes, Grippe oder Lungenentzündung, Nierenversagen oder Aids. Sie alle können uns krank machen und zum Tod führen. Dieses Buch aber befasst sich nicht mit konkreten Krankheiten oder Verletzungen, sondern ganz allgemein mit der außergewöhnlichen Kraft, die sich ihnen entgegenstemmt. Diese Kraft ist das Bindeglied, der Leim, der Gesundheit und Wohlbefinden eines Menschen in seiner Gesamtheit zusammenhält. Es ist ein Buch über das Immunsystem.

Es erzählt von den erstaunlichen Erkenntnissen über das Immunsystem, die vor allem in den letzten siebzig Jahren gewonnen wurden, und von seiner Wirkungsweise in praktisch jedem Bereich unserer Gesundheit. Wenn ein Kratzer oder Schnitt den Schutzschild unserer Haut – so etwas wie die erste Verteidigungslinie – durchbricht, tritt das Immunsystem in Aktion. Immunzellen strömen in die Wunde, bilden neues Gewebe oder heilen die durch Kratzer oder Schnitte entstandenen inneren Schäden, sie versorgen Bisse und Verbrennungen. Ein komplexes Zellnetzwerk greift alle Erkältungsviren an, mit denen wir zwei-, dreimal im Jahr konfrontiert sind, es überwacht die zahllosen malignen Einflüsse, von denen uns Krebs droht, hält Viren wie die des Herpes in Schach, die sich in vielen Menschen angesiedelt haben, und befasst sich mit den jährlich auftretenden hundertmillionenfachen Fällen von Lebensmittelvergiftung. Und in den letzten Jahren hat sich abgezeichnet, wie wichtig die Rolle des Immunsystems sogar in der Funktionsweise unseres Gehirns ist, da die ihm eigenen Abwehrzellen dieses Organ von geschädigten oder abgestorbenen Zellen reinigen und so seine neurologische Gesundheit sichern.

Ununterbrochen, aber von uns unbemerkt, hält das Immunsystem Wache; es ist im sprichwörtlichen Sinne unser »Bodyguard«. Und jene Funktionen, die unsere Gesundheit sichern,...

Erscheint lt. Verlag 8.11.2019
Übersetzer Sonja Schuhmacher, Barbara Steckhan, Gabriele Gockel, Naemi Schuhmacher
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Original-Titel An Elegant Defense
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie
Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Medizin / Pharmazie Allgemeines / Lexika
Medizin / Pharmazie Naturheilkunde
Studium Querschnittsbereiche Infektiologie / Immunologie
Technik
Schlagworte acupuncture • Alternativmedizin • Arznei • Arzneimittel • Asthma • Autoimmunerkrankungen • autoimmunerkrankungen behandeln • autoimmunerkrankungen bücher • autoimmunerkrankungen heilen • Chemotherapie • Der König aller Krankheiten • der könig aller krankheiten krebs eine biografie • Diseases • ethics • Forschung • gesundheit bücher • gesundheit medizin • gesundheit ratgeber • Gesundheitssystem • Gesundheitswesen • Health • Healthcare • HIV • Immunbiologie • Immunologie • immunology • immunsystem aufbau • immunsystem buch • immunsystem erkrankungen • Immunsystem stärken • Immuntherapie • immuntherapie krebs • Klinische • Krankheit • Krankheiten • Medical • Medikamente • Medizin • medizin buch • Medizinethik • medizingeschichte buch • medizinisch • medizinische • Naturmedizin • Pharmakologie • Pharmazie • Präventivmedizin • Psychoneuroimmunologie • Ratgeber • ratgeber bücher • Ratgeber Gesundheit • Sachbuch • Sachbuch Medizin • Versorgung • Vitamin
ISBN-10 3-95967-895-9 / 3959678959
ISBN-13 978-3-95967-895-7 / 9783959678957
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