Interventionelle Radiologie (eBook)
864 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-221471-2 (ISBN)
1 Allgemeine Aspekte der interventionellen Radiologie
1.1 Juristische Aspekte
Martin Thomas
1.1.1 Einleitung
Juristische Fragen nehmen aufgrund der laufend anwachsenden Informations- und Dokumentationspflichten eine immer größere Rolle in der interventionellen Radiologie ein. Mit dem im Februar 2013 in Kraft getretenen „Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“ (Patientenrechtegesetz) wurden die an verschiedenen Stellen bereits bestehenden sowie durch Rechtsprechung ausgelegten Vorschriften, Regelungen und Richtlinien zusammengefasst und konkretisiert ▶ [4]. So sollte für die Beteiligten mehr Transparenz hergestellt werden. Unter anderem wurden die Anforderungen an die ärztliche Aufklärung und die medizinische Dokumentation erhöht und Regelungen zur Beweislast und Beweislastumkehr präzisiert. Zudem wurde der Behandlungsvertrag, der die zwischen Arzt und Patient bestehenden Rechte und Pflichten normiert, in das BGB (das Bürgerliche Gesetzbuch) eingefügt.
Die meisten ärztlichen Sorgfaltsverstöße können den Hauptgruppen „Aufklärungsfehler“ und „Behandlungsfehler“ zugeordnet werden. Daher sollen die folgenden Ausführungen einen kurzen Überblick über diese wichtigen Themen bieten.
1.1.2 Behandlungsvertrag
Der nicht formbedürftige Behandlungsvertrag (§ 630 BGB) kommt zustande, wenn sich der Patient (durch sog. schlüssiges Handeln) in die Behandlung des Arztes begibt ▶ [3]. Er verpflichtet den Behandelnden, eine ordnungsgemäße Behandlung unter Wahrung der geltenden allgemeinen Standards durchzuführen oder entsprechend zu delegieren. Ein Behandlungserfolg wird nicht geschuldet. Weitere Pflichten des Arztes umfassen eine Informationspflicht über die für die Behandlung wesentlichen Umstände, eine sog. therapeutische Aufklärung (früher: Sicherheitsaufklärung):
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Aufklärung über Diagnose, Prognose und geplante Therapie
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Aufklärung über therapiegerechtes und gesundheitsförderndes Verhalten wie z.B. Medikamenten-Compliance
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Information über Behandlungsfehler (nur vorgeschrieben im Falle von aus dem Behandlungsfehler resultierenden Gefahren sowie auf ausdrückliche Nachfrage des Patienten)
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ggf. Information über finanzielle Folgen der Behandlung, falls die Behandlungskosten voraussichtlich nicht vollständig durch Dritte übernommen werden
Die therapeutische Aufklärung ist dabei von der Eingriffs- und Risikoaufklärung abzugrenzen, die vor der Einwilligung der Patienten in therapeutische Maßnahmen (s.u.) stattfinden muss.
Die Pflichten des Patienten umfassen die Vergütung der Leistung (im Regelfall über die Krankenkasse) und eine Mitwirkung an der Behandlung durch zeitnahe Offenlegung bedeutsamer Umstände und durch Therapietreue.
1.1.3 Einwilligung des Patienten
Aus dem Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht des Patienten ergibt sich, dass jeder Eingriff in dessen körperliche Unversehrtheit seiner Einwilligung bedarf (§ 630d BGB) ▶ [3]. Diese gilt nicht nur für schädigende Eingriffe in die körperliche Integrität eines Menschen, sondern auch für den medizinisch indizierten ärztlichen Heileingriff. Wenn der Heileingriff nicht von einer wirksamen Einwilligung gedeckt ist, ist er rechtswidrig, auch wenn er lege artis und erfolgreich durchgeführt worden ist. Eine Einwilligung muss dabei nicht nur bei Operationen, sondern auch bei anderen Behandlungen vorliegen, z.B. bei Infusionen, Gewebeentnahmen, Blutentnahmen, Gabe von Medikamenten, Anfertigen von Röntgen- oder CT-Aufnahmen (computertomografischen Aufnahmen) und anderen ärztlichen Eingriffen.
Merke
Die Einwilligung muss nicht in jedem Falle ausdrücklich erfolgen. Bei einfachen und kleineren Eingriffen und Maßnahmen (z.B. Blutentnahme) genügt in der Regel eine konkludente Einwilligung des Patienten.
Eine solche liegt vor, wenn der Patient durch schlüssiges Verhalten zu verstehen gibt, mit einer bestimmten Maßnahme einverstanden zu sein. Dies kann z.B. dadurch geschehen, dass der Patient erkennt und widerspruchslos hinnimmt, was ihm geschieht.
1.1.4 Ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten als Voraussetzung der Einwilligung
Merke
Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung ist neben der Einwilligungsfähigkeit eine ordnungsgemäße Eingriffs- und Risikoaufklärung durch den behandelnden Arzt.
Der Patient soll in die Lage versetzt werden, abschätzen zu können, welche ärztliche Maßnahme an ihm vorgenommen werden soll, welchen Sinn diese Maßnahme hat und welche Gefahren sich mit ihr verbinden.
Auf eine Aufklärung kann nur dann verzichtet werden, wenn der Patient bereits ausreichend aufgeklärt ist. Dies kann beispielsweise dadurch gegeben sein, dass der Patient die erforderliche Fachkunde selber besitzt oder bereits über den Eingriff aufgeklärt worden ist, sei es vom behandelnden Arzt selber oder von einem anderen fachkundigen Arzt. Auch kann der Patient ausdrücklich auf eine Aufklärung verzichten. Die Beweislast und damit auch das Beweisrisiko für eine ausreichende und ordnungsgemäße Aufklärung trägt aber der behandelnde Arzt.
1.1.4.1 Zeitpunkt der Aufklärung
Die Aufklärung hat zu einem Zeitpunkt zu erfolgen, zu dem der Patient noch im vollen Besitz seiner Erkenntnis- und Einwilligungsfähigkeit ist. Durch den Zeitpunkt der Aufklärung darf der Patient nicht unter Druck gesetzt werden, der beabsichtigten Behandlung zustimmen zu müssen, und es muss eine ausreichende Bedenkzeit gewährt werden. Eine Aufklärung sollte daher spätestens am Tage vor dem Eingriff erfolgen. Bei dringlichen Eingriffen an entscheidungsfähigen Patienten, bei denen ein Abwarten der Bedenkfrist aus medizinischen Gründen nicht vertretbar ist, sollte eine Aufklärung vor dem Eingriff durchgeführt und schriftlich dokumentiert werden. Die Aufklärung sollte in diesen Fällen außerhalb des Untersuchungsraums stattfinden.
1.1.4.2 Adressat der Aufklärung
Der Adressat der Aufklärung ist der einwilligungsfähige Patient. Die gebotene Aufklärung des Patienten kann nicht durch Aufklärung der Angehörigen ersetzt werden. Für eine ergänzende Aufklärung der Angehörigen sind die Regeln der Schweigepflicht zu beachten.
Bei Patienten, die noch nicht die nötige Verständnisreife haben (z.B. bei Kindern oder Säuglingen) oder die wegen ihres Zustands nicht in der Lage sind, sich aufklären zu lassen und eine rechtswirksame Einwilligung zu erteilen (z.B. bei unter Betreuung stehenden Personen), tritt an ihre Stelle der gesetzliche Vertreter. Dies sind bei Minderjährigen in der Regel die Eltern oder die sonstigen Sorgeberechtigten. Grundsätzlich ist die Einwilligung beider Elternteile erforderlich, die Eltern können sich aber gegenseitig ermächtigen, sich jeweils zu vertreten. Allerdings darf der Arzt davon ausgehen, dass der abwesende Elternteil den Elternteil, der das Kind begleitet, zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff ermächtigt hat. Der Arzt muss sich aber bei schwereren oder riskanten Eingriffen der Ermächtigung vergewissern, z.B. indem er den anwesenden Elternteil befragt....
Erscheint lt. Verlag | 12.6.2019 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizinische Fachgebiete ► Radiologie / Bildgebende Verfahren ► Radiologie |
Schlagworte | CT-gesteuerte lntervention • DeGIR • Embolisation • interventioneller Radiologie • Interventionen • Kontrastmittel • MRT-gesteuerte Intervention • Perkutane lnterventionen • Rekanalisation • Ultraschall-gesteuerte Intervention |
ISBN-10 | 3-13-221471-X / 313221471X |
ISBN-13 | 978-3-13-221471-2 / 9783132214712 |
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