Stressreduzierende Pflege von Menschen mit Demenz (eBook)

Der Stress-Coping-Ansatz
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2016 | 1. Auflage
246 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-95545-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Stressreduzierende Pflege von Menschen mit Demenz -  Paul T. M. Smith
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Menschen mit einer Demenz sind anfälliger für Stress und äußere Belastungen. Ihnen fällt es schwerer sich an Veränderungen der Umgebungen anzupassen und die sich stellenden Herausforderungen zu bewältigen. Das Praxishandbuch begründet und beschreibt, wie der Umgang und die Umgebung von Menschen mit Demenz gestaltet werden können, um diese entspannter und stressärmer durch den Alltag gehen zu lassen. Der englischen Pflegefachmann und Demenzexperte Paul Smith •nennt Demenzformen, -ursachen und Symptome früher, fortgeschrittener und schwerer Demenzen, •beschreibt psychosoziale Ansätze zum Umgang mit Menschen mit Demenz, wie Personzentrierung und Beziehungsorientierung, •klärt psychosoziale Bedürfnisse von Menschen mit Demenz, wie Liebe, Comfort, Zuwendung, sinnvolle Beschäftigung, Inklusion, Bindung und zeigt Interventionen auf, wie diese befriedigt werden können, •beschreibt moderne Ansätze der Demenzpflege, wie Validation, Personzentrierung, ROT und kognitive Stimulation, •stellt verständlich die Psychobiologie der Demenz dar und überträgt das Stress-Reaktionsmodell auf das Thema Demenz, •erklärt Stress-Adaptations- und Coping-Modelle der Pflege, •beschreibt detailliert Zusammenhänge von Stress und Umgebungsreizen am Beispiel von 'Sundowning', •stellt Elemente, Stressoren und Prinzipien des PLST-Modells im Rahmen des Pflegeprozesses dar und zeigt, wie diese bei Menschen mit Demenz und verringerter Stresstoleranz angewendet werden, •zeigt wie Umgebung und Umgang mit Menschen mit Demenz gestaltet werden können, um entspannend auf Menschen mit Demenz zu wirken.

Stressreduzierende Pflege von Menschen mit Demenz 2
Nutzungsbedingungen 6
Inhaltsverzeichnis 7
Geleitwort zur deutschsprachigen Ausgabe 13
Literatur 14
Vorwort 15
Einleitung 19
1. Was ist Demenz? Die biologische Domäne 23
1.1 Die biologische Domäne 25
1.1.1 Jede Demenz ist einzigartig 25
1.1.2 Demenz ist ein Syndrom 25
1.1.3 Progredienz der Demenz 26
1.2 Diagnostische Kriterien 27
1.3 Was verursacht Demenz? 28
1.4 Wie prävalent ist Demenz? 29
1.4.1 Weltweite Zahlen 29
1.4.2 Prävalenz in Großbritannien 29
1.5 Häufige Symptome der Demenz 30
1.5.1 Gedächtnisschwäche und -verlust 30
1.5.2 Stimmungsschwankungen 31
1.5.3 Schwierigkeiten mit der Kommunikation 32
1.5.4 Bewegungs- und Koordinationsstörungen 32
1.6 Klinische Merkmale in Zusammenhang mit den Demenzsymptomen 32
1.6.1 Neuropsychologische Beeinträchtigungen 32
1.6.2 Psychiatrische Symptome und Verhaltensstörungen 33
1.6.3 Unvermögen zu Aktivitäten des täglichen Lebens 33
1.7 Die häufigsten Formen der Demenz 33
1.7.1 Alzheimer-Krankheit 33
1.7.2 Vaskuläre Demenz (VD) 36
1.7.3 Lewy-Body-Demenz (LBD) 38
1.7.4 Frontotemporale Demenz (FTD) 39
1.7.5 Seltenere Formen der Demenz 40
1.8 Dies ist keine Demenz: Delir und Depression 40
1.8.1 Delir 40
1.8.2 Depression 40
1.9 Das Gehirn und die Auswirkungen der Demenz 41
1.9.1 Die drei Hauptabschnitte des Gehirns: Rautenhirn, Mittelhirn, Vorderhirn 42
1.9.2 Das Vorderhirn 42
1.9.3 Die Hemisphären 45
1.10 Das tragische Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit durch die Hirnstrukturen 45
1.10.1 Erste Zeichen: Schädigung des limbischen Systems 45
1.10.2 Ausbreitung der Schädigung zu den Parietallappen 46
1.10.3 Der Schaden breitet sich aus: Beteiligung des Temporallappens 47
1.10.4 Zelltod und Gewebsabbau schreiten fort 48
1.10.5 Endstadien 49
1.10.6 Letzte Verheerungen 50
2. Was ist Demenz? Die psychologischen und sozialen Bereiche 53
2.1 Personsein zuerkennen 53
2.2 Demenz – keine bloße Pathologie 54
2.2.1 Die Auswirkungen von Umwelt und Erleben 55
2.2.2 Kitwoods Gleichung: über die Krankheit hinausblicken 56
2.2.3 Das holistische Modell von Stokes 56
2.2.4 Bestimmt Abhängigkeit Pflege und Versorgung? 57
2.3 In Pflegeheimen Lebende leben nicht allein 57
2.3.1 Die Probleme mit der Stadientheorie der Pflege und Versorgung 58
2.3.2 Individuelles Gestalten von Pflege und Versorgung – „Pflege- und Versorgungsgestaltung“ 58
2.4 Moderne Demenzpflege und -versorgung verstehen 60
2.4.1 Das medizinische Modell 60
2.4.2 Der personen-zentrierte Ansatz 60
2.4.3 Das Behinderungsmodell 61
2.4.4 Der personen-fokussierte oder beziehungszentrierte Ansatz 61
2.5 Was ist ein personen-zentrierter Bezugsrahmen? 62
2.5.1 Die Elemente personen-zentrierter Pflege und Versorgung 62
2.5.2 Die Erfahrungen der Person mit Demenz verstehen 63
2.5.2.1 Soziale Rollen 65
2.5.2.2 Informationsverarbeitung: Sicherheitssystem und Verstandessystem 65
2.5.2.3 Sicherheit suchen: die Bindungstheorie 67
2.5.2.4 Die Verlusterfahrung und das Drohen weiterer Verluste 67
2.5.2.5 Pflegedienste: Festhalten an Identität und Verarbeiten der Erfahrung unterstützen 67
2.5.2.6 Vermeidungsstrategien – Umgang mit dem Demenzprozess 68
2.5.2.7 Erinnerungsarbeit – Selbstausdruck und Identitätsgefühl unterstützen 68
2.5.2.8 Emotionale Sicherheit erhöhen und beim Bewahren der Identität helfen 70
2.6 Psychische Bedürfnisse der Person mit Demenz – das Sternmodell (s. Abb. 2-6) 72
2.6.1 Bindung 72
2.6.2 Inklusion 73
2.6.3 Beschäftigung 73
2.6.4 Identität 73
2.6.5 Comfort 73
2.6.6 Liebe 74
2.7 Gute und schlechte Praktiken in der Demenzfürsorge 74
2.7.1 Maligne Sozialpsychologie 74
2.7.2 Voraussetzungen eines gesunden Fürsorgens 75
2.8 Therapeutische Interventionen 76
2.8.1 Interventionen, die helfen sollen, emotionale Sicherheit zu schaffen 76
2.8.2 Interventionen zur Schaffung eines beständigen Identitätsgefühls 77
3. Moderne Pflege- und Versorgungsrahmen bei Demenz 79
3.1 Modelle der Pflege und Versorgung bei Demenz 79
3.1.1 Realitätsorientierung (RO) 79
3.1.2 Validation® 80
3.1.3 Lösungsorientierte Therapie 82
3.1.4 Die neue Kultur 83
3.1.5 Prä-Therapie 84
3.1.6 Kognitive Stimulationstherapie (KST) 85
3.2 Moderne Demenzfürsorgeprinzipien und eine Bewegung in Richtung einheitlicher Ziele 87
3.2.1 Das erweiterte Modell der Demenzpflege 88
3.2.2 Das Erfahrungsmodell (Power, 2010) 90
3.2.3 Die allgemeinen Kernprinzipien beim Unterstützen von Menschen mit Demenz 91
4. Stress und Anpassungsreaktionen 93
4.1 Kurze Übersicht der adaptierten Pflegemodelle 94
4.1.1 Die Theorie des einheitlichen Menschen – Martha E. Rogers 94
4.1.2 Das Systemmodell – Betty Neuman 95
4.1.3 Psychodynamische Pflege (Hildegard Peplau) 95
4.2 Einführung in die Anpassungsreaktion 96
4.2.1 Anpassungsstress und Kompensation 96
4.2.2 Anpassung und Stress 97
4.2.3 Bewusstsein und Erkenntnis 98
4.2.4 Stressreaktionen und Erhaltung des Körpers 100
4.2.5 Manipulation der Umgebung und Bereitstellung von Ersatz 101
5. Anpassungsreaktion – die Originalarbeit 103
5.1 Demenz und die Wirkungen von Stress und vernachlässigten Emotionen auf das menschliche System 104
5.2 Psychische Stresseffekte 105
5.3 Psychische Veränderungen durch Stress 107
5.4 Stress und inneres Milieu 113
5.4.1 Innere Rhythmen 113
5.4.2 Stress, „Sundowners“ und die Störgrenze 114
5.4.3 Schlaf, vielleicht um zu träumen? 115
5.5 Ernährung und das Management von innerem Stress 117
5.6 Äußerer Stress und seine Wirkungen: der Wert des Betrachtens von Pflege und Versorgung als System 119
5.6.1 Einteilung der Pflege in Versorgungsgruppen 120
5.6.2 Raum und Stress 121
5.7 Gruppen und Systeme 123
5.7.1 Das wahre Geheimnis guter Pflege in Pflegeheimen 123
5.7.2 Anpassungsreaktion und Gruppen 124
6. Stress: Konzepte, Betrachtungen, Einschätzung und Stressschwellen 127
6.1 Stress und seine Auswirkungen 127
6.2 Stress und Demenz 127
6.2.1 Guter und schlechter Stress – ein Balanceakt 127
6.2.2 Eine zu Stress prädisponierte Spezies 129
6.2.3 Hirnveränderungen und Anpassungsreaktionen 130
6.2.4 Das Modell der sich allmählich verringernden Stresstoleranz bei Menschen mit Demenz 131
6.2.5 Remenz und Adaptation 132
6.2.5.1 Dementia Care Mapping und das PLST-Modell 133
6.2.5.2 Prinzipien des PLST-Modells und therapeutische Interventionen 135
6.2.6 Stress und die Entstehung von Demenz 136
6.2.7 Unverwechselbare Gehirne und Reaktionen 137
6.2.8 Anpassung an Stress 138
6.3 Systemisches Denken und Einsatz eines Pflege- und Versorgungsprogramms 141
6.3.1 Systeme und systemisches Denken für eine Veränderung 141
6.3.2 Kreisförmig denken 142
6.3.3 Gedankenmodelle 143
6.3.4 Ursache und Wirkung 143
6.3.5 Über die Logik hinausgehen 144
6.3.6 Neue Perspektiven 144
6.3.7 Problemlösen mit systemischem Denken 144
6.3.8 Was bedeutet ein systemisches Programm in der Demenzpflege und -fürsorge? 145
7. Gestalten des sozialen Umfelds 149
7.1 Aktivitäten, Beschäftigung und die Formierung therapeutischer Beziehungen 149
7.2 Die Stadientheorie der Beschäftigung – ein Entwicklungsmodell 150
7.2.1 Adaptation: Assimilation und Akkomodation 150
7.2.2 Eine Erklärung der Entwicklungsstadien 152
7.2.3 Anwendung des Entwicklungsmodells bei Anpassungsreaktionsmodellen 153
7.3 Erlernte Hilflosigkeit 154
7.3.1 Kann das Einflößen eines Kontrollgefühls physisches und psychisches Wohlbefinden verbessern? 155
7.3.2 Erlernte Manipulation 156
7.4 Menschliche Beziehungen und die therapeutische Beziehung 157
7.4.1 Beratung 157
7.4.2 Lösungsorientierte Therapie 158
7.4.3 Bindung, Verlust und Trennung 158
7.4.4 Validation® 160
7.5 Fremdbeobachtung: der 24-Stunden-Assessment-Ansatz 160
7.5.1 Neurolinguistisches Programmieren (NLP) 161
7.5.2 Wie kann NLP helfen? 162
7.5.3 NLP gibt uns einen Plan für detaillierte Beobachtungen 163
7.5.3.1 Was wird beurteilt? 164
7.5.3.2 Vier Grundstadien des Assessment-Prozesses 164
7.5.3.3 Wie passt das zielorientierte Verhalten in die Routine der Person? 165
7.5.3.4 Stressschwellenprofil 170
7.5.3.5 Verhaltens-Mapping 170
8. Gestalten der baulichen Umgebung 173
8.1 Gestalten prothetischer Umgebungen 173
8.1.1 Berücksichtigen des Syndroms 173
8.1.2 Kognitive Beeinträchtigung 174
8.2 Unterstützende Pflegeumgebungen: Botschaften aus aktuellem Material 175
8.2.1 Ein kleines oder ein großes Haus? 176
8.2.2 Stress abbauen und Wohlbefinden verbessern 177
8.2.2.1 Welche Gestaltungsänderungen sind diskutabel, welche nicht? 177
8.2.2.2 Erfolgsfaktoren 178
8.3 Kriterien für das Konzipieren von Settings der Demenzpflege und -versorgung 179
8.3.1 Einrichtungen der Spezialpflege und -versorgung 179
8.3.2 Konzeptionsprinzipien bei Demenz 180
8.4 Konzipieren für das Leistungsvermögen 182
8.4.1 Ein dreiteiliges Lebensumfeld 182
8.4.2 Konzipieren des gesamten Umfelds: der Körpersystemansatz 183
8.5 Demenzspezifische Fragen 185
8.5.1 Erstes Stadium: 2–4 Jahre davor bis einschließlich der Diagnose 186
8.5.2 Zweites Stadium: 2–10 Jahre nach der Diagnose (längstes Stadium) 187
8.5.3 Endstadium: 1–3 Jahre 187
8.6 Empfehlungen und Schlussfolgerungen: die angepasste Umgebung 188
Autorenverzeichnis 193
AutorInnenverzeichnis 194
Englisches Literaturverzeichnis 195
Deutschsprachige Literatur, Adressen und Links 203
Fachzeitschriften 213
MENSCHEN MIT DEMENZ begleiten, pflegen und versorgen 223
Anhang 1 Das PLST-Modell und stressreduzierende Pflege 229
Anhang 2 Prävalenz von Demenz in Deutschland und der Schweiz 238
Sachwortverzeichnis 239

3. Moderne Pflege- und Versorgungsrahmen (S. 77-78)

(Der einleitende Abschnitt dieses Kapitels ist eine adaptierte, aktualisierte und erweiterte Arbeit des Autors, ursprünglich auf der Grundlage des Werkes von Andrew Morton.) Die reine Anwendung von Techniken jedweder Beratungs- oder Psychotherapieschule ist in der Demenzpflege unüblich. Ein puristischer Ansatz hat oft nur begrenzte Ergebnisse gezeigt, und zwar aufgrund der Tatsache, dass die meisten Psychotherapieschulen Modelle und Bezugsrahmen „normaler“ neurologischer und psychologischer Funktionen anwenden.

Allerdings wurden in der Fürsorge bei Demenz seit den frühen 1960er-Jahren kombinierte oder integrative Techniken in dem Versuch eingesetzt, bei dem Leiden und der Desorientiertheit der Betroffenen Hilfe zu leisten. Manche dieser integrativen Ansätze sind der Mode zum Opfer gefallen und andere wurden diskreditiert, aber jeder von ihnen hat ein Maß an Erfindung seitens ihres Begründers gezeigt, das jedem der traditionelleren Schulen gleichkam. Darüber hinaus haben einige in letzter Zeit ein Comeback erlebt, bisweilen unter neuem Namen, wobei jedoch im Wesentlichen vieles von dem Ursprungsgedanken auch weiterhin galt. Dieses Kapitel vermittelt einen kurzen Hintergrund und einen Eindruck der Anwendung verschiedener Pflegemodelle. Für viel ursprüngliches Quellenmaterial zu frühen Abschnitten der Realitätsorientierung, Validierung, Lösungsansätze und prä-therapeutischen Ansätzen bin ich Andrew Morton mit seinem Werk Person-centered Approaches to Dementia Care (1999) zu Dank verpflichtet.

3.1 Modelle der Pflege und Versorgung bei Demenz

3.1.1 Realitätsorientierung (RO)

Begonnen von Dr. James Folsom in Alabama (USA) in den späten 1950er-Jahren, wurde die RO-Bewegung stark durch die Schule der Verhaltenstherapie beeinflusst, die für die nächsten 30 Jahre viele Formen der Psychotherapie beherrschte.

Ziel der Realitätsorientierung war, Verhalten zu modifizieren, indem man für hoch strukturierte Gruppen sorgte, die sich objektiver Gesprächsthemen und visueller Hilfen bedienten. Korrekte Aussagen über die geeigneten Stimuli oder das Gesprächsthema wurden explizit belohnt, während inkorrekte Antworten oder unangemessener Gebrauch des visuellen Materials – ebenfalls oft explizit – demotiviert oder korrigiert wurden. Das Ziel dieses Ansatzes bestand darin, mit Demenz lebende Menschen auf eine „uns“ vertraute Zeit und einen „uns“ vertrauten Ort, das heißt, auf unser Verständnis des Hier und Jetzt und demnach auf den im Sinne des Therapeuten „korrekten“ Zeitrahmen zu „reorientieren“. Man behauptete, dieser Ansatz würde darin unterstützen, für erhöhtes Interesse und mehr Bewusstsein in Bezug auf das Hier und Jetzt zu sorgen, was wiederum aktuelle Grade kognitiven Funktionierens irgendwie unterstützen und bei denen, auf die die Therapie angewandt werde, bestimmte Verhaltensweisen „korrigieren“ würde.

Realitätsorientierung wurde oft in einer schulischen Atmosphäre durchgeführt, wobei der Therapeut vorgewählte Themen anbot, innerhalb derer von der Gruppe erwartet wurde, positiv und „normal“ zu reagieren. Über eine Reihe von Sitzungen hinweg nicht positiv zu reagieren, konnte den Ausschluss aus der Gruppe oder, was vielleicht noch mehr Schaden anrichtete, die Isolation innerhalb der Gruppe bedeuten. Zwar ist man noch immer der Ansicht, Realitätsorientierung könne in den frühen Stadien der demenzbegleitenden Desorientiertheit, wenn die Person noch fähig und bereit ist, sich willentlich zu orientieren, einen therapeutischen Nutzen haben, jedoch ist inzwischen allgemein anerkannt, dass der RO-Prozess selbst für jene schädigend sein kann, die über dieses Stadium hinausgelangt sind. Auch wird inzwischen anerkannt, dass den Versuchen einer Reorientierung auf bestimmten Funktionsebenen Widerstand geleistet wird, und dass sich jedes Insistieren auf einer Fortsetzung des Prozesses schädlich auf das Funktionieren des individuellen Egos auswirkt. Fortschrittliches Denken über die Realitätsorientierung hat jedoch nach und nach zu der Einsicht geführt, dass die nichtexplizite Anwendung der Orientierung durch Vermitteln von Hinweisen („cueing“) bzw. Vermitteln von Hinweisen, Informationen und Instruktionen auf mehreren Sinnesebenen („redundant cueing“) sowie durch nicht verschulte, individuelle therapeutische Integration einen Platz hat, was zu einer Renaissance in einem modifizierten Ansatz geführt hat. Biografie und Biografiearbeit können sich anerkanntermaßen auch lange nachdem ein verschulter Ansatz unter Umständen zu schaden begonnen hat, als hochgradig nützlich erweisen, und in diesem Maße wird Erinnerungsarbeit protektiv.

Solange noch ein gutes Maß an kognitivem Leistungsvermögen vorhanden ist, wird der Einsatz nichtexpliziter Realitätsorientierung der Person wahrscheinlich helfen, in einer oft verwirrenden Umgebung einen Grad an Kompetenz zu erreichen. So wacht beispielsweise eine Person auf, weiß jedoch nicht, ob die Uhr 04.00 Uhr morgens oder 16.00 Uhr nachmittags anzeigt. Eine Uhr, die Tag und Nacht durch eine grafische Veränderung ihres Displays anzeigt, sowie nichtexplizite Realitätsorientierung – die sich gleichwohl stark von dem ursprünglichen behavioristischen Dogma unterscheidet – helfen jetzt beim Selbstwertgefühl und Wohlbefinden. Wenn die Fähigkeit zur willentlichen Orientierung abgenommen hat, wird eine gelenkte Erinnerungsarbeit noch immer effektiv sein, dies jedoch von Fall zu Fall und nicht in einer verordneten Weise, die sich als belastend erweisen könnte.

3.1.2 Validation®

Die Validationstherapie wurde in den späten 1960er-Jahren von Naomi Feil in dem Versuch begonnen, eine Alternative zur Revolution durch die Realitätsorientierung aufzuzeigen, die zu diesem Zeitpunkt über Amerika (und später über den britischen National Health Service und über Europa) hinwegzurollen begann.

Es war auch ein Versuch, auf der Grundlage der Werke von Rogers und von Laing eine gewisse Personenzentriertheit in die Misere derer zu bringen, die Feil als sehr alte Person („old, old person“) beschrieb – ein eher unglücklicher Euphemismus für eine mit Demenz lebende Person, obwohl nicht klar war, ob Feil tatsächlich meinte, ihre sehr Alten („old, old“) würden mit Demenz leben.

Erscheint lt. Verlag 24.10.2016
Übersetzer Michael Herrmann
Verlagsort Bern
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege
Schlagworte Alltag • Altenpflege • Anpassen • Bedürfnisse • Belastungen • beziehungsorientierung • Biologie • Comfort • Coping-Modelle • Demenz • Demenzformen • Herausforderungen • Liebe • Personzentrierung • Pflege • Pflegeprozess • PLST-Modell • Praxishandbuch • Psychobiologie • Psychosozial • Rot • Stress • Stress-Adaptationsmodelle • Stress–Coping–Ansatz • Stressoren • Stress-Reaktionsmodell • Stressreduzierung • Stresstoleranz • sundowning • Umgang • umgebungen • Ursachen • Validation • Veränderungen • Zuwendung
ISBN-10 3-456-95545-6 / 3456955456
ISBN-13 978-3-456-95545-2 / 9783456955452
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