Pragmatische Störungen im Kindes- und Erwachsenenalter (eBook)
256 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-200711-6 (ISBN)
Bettina Achhammer, Julia Büttner, Stephan Sallat et al.: Pragmatische Störungen im Kindes- und Erwachsenenalter 1
Forum Logopädie (herausgegeben von Dietlinde Schrey-Dernund Norina Lauer) 3
Innentitel 4
Impressum 5
Vorwort der Herausgeberinnen 6
Vorwort 7
Inhaltsverzeichnis 9
1 Theoretische Grundlagen 18
Sprache und „Kommunikation 18
Sprache und „Sprachgebrauch 18
Kommunikation 19
Formen und Funktionen von Kommunikation 19
Kommunikation in der ICF 20
Kommunikationsmodelle 21
Organon-Modell nach Bühler 22
Konversationsmaximen nach Grice 22
Axiome einer formalen Theorie menschlicher „Kommunikation 23
Regeln für gelingende „Kommunikation nach Rogers 23
Vier-Seiten-Modell nach Schulz von Thun 24
Embodied Communication 24
Einteilung der „Kommunikationsmodelle 24
Pragmatik 26
Theoretische Verortung der Pragmatik 26
Pragmatik – Kommunikation im Kontext 27
Sprachliche Dimensionen der Pragmatik 28
Schriftsprache und „Textproduktion 39
Nonverbale und paraverbale Dimension der Pragmatik 39
Basiskompetenzen in Bezug auf Pragmatik 42
Emotion und Einstellung 43
Modelle der Pragmatik 44
Elemente der Pragmatik nach Perkins 44
Pragmatik als soziale Praxis nach Hyter 44
Das integrative Modell nach Achhammer 45
2 Erwerb pragmatischer Fähigkeiten 47
Entwicklung sprachlicher Dimensionen der Pragmatik 48
Direkte und indirekte Sprechakte 48
Implikaturen 49
Turn-Taking und „Gesprächsführung 49
Reparaturen 50
Höflichkeit 50
Ironie, Witz und Humor 51
Metapher 52
Narrative Fähigkeiten 52
Präsupposition 54
Artikel und Pronomen 55
Thematische Struktur 55
Deixen 55
Zusammenfassung: sprachliche„ Entwicklung 55
Entwicklung nonverbaler und paraverbaler Dimensionen 55
Nonverbaler Ausdruck 55
Paraverbaler Ausdruck 57
Zusammenfassung: nonverbale und paraverbale Entwicklung 57
Entwicklung pragmatischer Basiskompetenzen 57
Sensorik 57
Theory of Mind 58
Exekutive Funktionen 59
Gedächtnis 59
Inferenz 59
Emotionen 60
Zusammenfassung: „Entwicklung im Bereich „pragmatische Basiskompetenzen 60
Vorsprachliche Entwicklung 60
Interaktion Bezugsperson – Kind 60
Spielentwicklung 62
3 Störungen pragmatischer Fähigkeiten 64
Pragmatisch-kommuni„kative Störungen als Ungleich„gewicht der pragmatischen Elemente 65
Störungen im Kindesalter 66
Störungen in der „Entwicklungsperiode (0–7 Jahre) 66
Störungen in der älteren Kindheit/dem Jugendalter (frühe Adoleszenz, 7–18 Jahre) 67
Störungen im „Erwachsenenalter 68
Ursachenhypothesen und Wechselwirkungen 68
Pragmatik und Beeinträchtigung auf der kognitiven Ebene 69
Pragmatik und Störungen auf anderen linguistischen Ebenen 70
Pragmatik und „Wahrnehmungsstörungen „(vorrangig Hören und Sehen) 70
Weitere Ursachen und „Risikofaktoren für pragmatisch-kommunikative Störungen 71
4 Prinzipien und Methoden der Diagnostik 72
Zielstellung und Ablauf der Diagnostik 72
Diagnostische Methoden 73
Beobachtung 73
Befragung bzw. „diagnostisches Gespräch 74
Elizitationsverfahren 75
Gütekriterien 75
Ansätze der Erfassung sprachlich-pragmatischer „Fähigkeiten 75
Standardisierte Tests 76
Checklisten und „Kommunikationsprofile 76
Systematische Erfassung der pragmatischen Fähigkeiten in natürlicher Interaktion 76
Verstehen sprachlicher „Pragmatik 76
Vor- und Nachteile der Erhebungsmethoden 76
Besondere Rahmen„bedingungen der diagnostischen Erhebung pragmatisch-kommunikativer Fähigkeiten 77
Besonderheiten der „Diagnostik bei Personen, die (noch) keine Lautsprache verwenden 77
Besonderheiten der „Diagnostik bei Personen mit komplexen Beeinträchtigungen 77
Besonderheit der Diagnostik bei Mehrsprachigkeit 77
5 Prinzipien und Methoden der Therapie und Beratung 79
ICF, ICF-CY – geänderte Sicht auf Störungen und „Therapieplanung 79
Besonderheiten der „Therapie pragmatisch-kommunikativer Störungen 79
Komplexität von „Förderkontexten 79
Direkte und indirekte „Therapie 80
Berücksichtigung unterschiedlicher Sozialformen und Förderorte 81
Spiel als zentrale Methode in der Sprachtherapie 83
In-vivo-Therapie 85
Beratung 85
Förder- und Therapieziele 86
6 Störungen im Kindesalter 89
Entwicklungsbedingte Störungen der Pragmatik (Symptomatik) 89
Symptome auf Ebene der sprachlichen Aktivität 89
Symptome auf Ebene der Partizipation 92
Pragmatische Störungen in Abgrenzung zu Sprachentwicklungsstörungen und Störungen aus dem Autismus-Spektrum 93
Pragmatisch-kommunikative Störung und Verhaltens- sowie emotionale Störungen 94
Pragmatisch-kommunikative Störungen und kognitive Beeinträchtigungen 96
Williams-Beuren-Syndrom 96
Epilepsie 96
Down-Syndrom 96
Fragiles-X-Syndrom 97
Zerebralparese 98
Weitere Störungen 98
Redefluss – Stottern 98
Redefluss – Poltern 99
Stimmstörungen 99
Einteilung der pragmatisch-kommunikativen Störungen in Profile nach dem Rahmenplan 100
Profil „Verzögerte kommunikative Kompetenz“ 100
Profil „Sprachstrukturelle Defizite“ 100
Profil „Sprachlich-pragmatische„ Defizite“ 100
Profil „Sozial-kommunikative„ Defizite“ 101
Profil „Dauerhaft gravierend eingeschränkte kommunikative Kompetenz“ 102
7 Diagnostik der entwicklungsbedingten pragmatischen Störung 103
Grundlegende Informa„tionen und Erfassung von „Basisfunktionen 103
Anamnese von Entwicklung und psychosozialen Faktoren 103
Erfassung nichtsprachlicher Parameter 105
Erfassung sprach„struktureller Fähigkeiten 105
Deutschsprachige Verfahren zur Erfassung „pragmatisch-kommunikativer Fähigkeiten im Kindesalter 106
Beobachtungsbögen und Einschätzskalen 0–3‚?Jahre 106
Beobachtungsbögen und Einschätzskalen ab 4‚?Jahren 114
Beobachtungsbögen in der „Unterstützten Kommunikation“ 117
Beobachtungsbögen und Einschätzskalen zur Erfassung der Erzählfähigkeit 117
Interview 118
Möglichkeiten und Verfahren der Testdiagnostik: Test- bzw. informelle Diagnose„verfahren 119
Englischsprachige Verfahren (Kurzbeschreibung) 120
Language Use Inventory – LUI 121
Test of Pragmatic Language�?– TOPL-2 121
Children’s Communication Checklist – CCC-2 121
Weitere englischsprachige Verfahren 121
8 Therapie der entwicklungsbedingten pragmatischen Störungen 126
Grundlegende „Entscheidungs- und „Variationsmöglichkeiten 127
Profilbezogene „Therapieziele 127
Therapieziele im Profil „„Verzögerte kommunikative Kompetenz“ 127
Therapieziele im Profil „Sprachstrukturelle Defizite“ 127
Therapieziele im Profil „Sprachlich-pragmatische „Defizite“ 128
Therapieziele im Profil „Sozial-kommunikative Defizite“ 128
Therapieziele im Profil „Dauerhaft gravierend ein„geschränkte kommunikative Kompetenz“ 128
Erläuterung der profil„bezogenen Therapiekonzepte 129
Elternzentrierte Konzepte im Profil „Verzögerte kommunikative Kompetenz“ 129
Kindzentrierte Therapie„konzepte im Profil „Verzögerte kommunikative Kompetenz“ 131
Therapiekonzepte im Profil „Sprachstrukturelle Defizite“ 133
Therapiekonzepte im Profil „Sprachlich-pragmatische „Defizite“ 136
Therapiekonzepte im Profil „Sozial-kommunikative Defizite“ 138
Kontext Schule 141
Evaluierte pragmatisch-kommunikative Therapieansätze 142
Social Communication „Intervention Project – SCIP 142
Therapie PraFIT 143
Therapie- und „Förderbereiche 144
Kommunikationsverhalten und Gesprächsführung 144
Textverarbeitung und „Textproduktion 146
Situations- und „Kontextverhalten 148
Fallbeispiele 150
9 Störungen im Erwachsenenalter 153
Allgemein 153
Aphasien 156
Nichtaphasische zentrale Kommunikationsstörungen 158
Besonderheiten bei „rechtshemisphärischen Läsionen 160
Besonderheiten bei „frontalen Läsionen 161
Besonderheiten bei Schädel-Hirn-Trauma 161
Dysarthrophonien und Sprechapraxien 162
Demenzen bzw. neuro„kognitive Störungen 164
10 Diagnostik bei erworbenen pragmatischen Störungen 166
Einführung 166
Veränderung pragmatisch-kommunikativer Fähigkeiten im Alter 170
Methoden der Beurteilung von Spontansprache: Interviews 171
Interview im Aachener Aphasie-Test 171
Assessment of Commu„nicative Skills Interview – ACSI 172
Funktionell-kommunikative„ Bewertung von „Dysarthrophonien 172
Interview nach SMART 173
Kommunikations„beobachtung und Methoden der Gesprächsanalyse 174
Allgemeine „Gesprächsanalyse 174
Protocol of Pragmatic-Linguistic Skills – APPLS 175
Pragmatic Protocol 175
Dialogdiagnostik – DiaDia 176
Fragebögen 176
Fragebögen zur Selbst- und Fremdeinschätzung bei „Schädel-Hirn-Trauma 177
Fragebogen zum Wissen über Aphasie – FAWA 178
Fragebogen zu den „Auswirkungen der Sprachstörung auf die Alltagskommunikation 178
Kommunikations„fragebogen für sprechmotorische Störungen 179
Fragebogen zur Selbst„auskunft bei Stimmstörungen: Voice-Handicap-Index – VHI 179
Communicative „Effectiveness Index – CETI 179
Partner-Kommunikations-Fragebogen – PKF 180
Communication Activity Log – CAL 181
Angehörigenfragebogen zum Kommunikationsverhalten von Schlaganfallpatienten – AFKS 181
Communication „Interaction Rating Scale for Aphasia Groups – CIRSAG 182
Kommunikationstests und mehrteilige Testbatterien 182
Therapieindikatoren für Aphasie – TInA 182
VABIA 182
Amsterdam Nijmegen „Everyday Language Test – ANELT 184
Protocole Montréal d’Évaluation de la Communication – MEC 184
Scenario-Test 185
MAKRO-Screening 185
Zürcher Demenz-Diagnostik„ – Z-DD 186
Beurteilung semantischer und lexikalischer Fähigkeiten 188
Bielefelder Wortfindungsscreening für leichte Aphasien – BIWOS 188
Diagnostik der „Wortflüssigkeit 188
Bogenhausener Semantik-Untersuchung – BOSU 189
Allgemeines zur „Diagnostik der Text- und Diskursverarbeitung 189
Beurteilung des „Textverstehens 190
Narrative Texte, „Alltagserzählungen (Untertest „Textrezeption MAKRO) 190
Sachtexte 190
Screeningverfahren für pragmatisches Verstehen: „Humorverständnis 190
Screeningverfahren der Diskurs- und Textproduktion 191
Narrative Texte: „Bildergeschichten 191
Narrative Diskurs„aufgaben nach Drechsler 191
Prozedurale Texte und Gebrauchstexte 192
Rollenspiel 193
Englischsprachige Verfahren 193
Functional Outcome Profile – FCP, FCP-Revised 193
Communicative Abilities in Daily Living – CADL-2 193
Profile of Functional Impairment in Communication – PFIC 194
ASHA Functional Assessment of Communication Skills – FACS 194
La Trobe Communication Questionaire – LCQ 194
Cognitive-Linguistic Quick Test – CLQT 194
Diagnostisches Vorgehen 194
11 Therapie und Beratung bei erworbenen pragmatisch-kommunikativen Störungen 196
Behandlungsbereiche 196
Behandlungsbereich „Anbahnen der Kommunikationsfähigkeit“ 196
Behandlungsbereich „Sprachstrukturelle Defizite“ 196
Behandlungsbereich „Sprechmotorische Defizite“ 197
Behandlungsbereich „„Interaktion, Einsatz und Integration von verschiedenen Kommunikationsmitteln“ 197
Behandlungsbereich „Sprachlich-pragmatische „Defizite“ 197
Behandlungsbereich „Sozial-kommunikative Defizite“ 197
Behandlungsbereich „Dauerhaft gravierend ein„geschränkte kommunikative Kompetenz“ 198
Therapiekonzepte und Methoden in der Behandlung pragmatisch-kommunikativer Störungen im Erwachsenenalter 198
Skripttraining 198
Gruppentherapie 199
Alltagsorientierte „Therapie�?– AOT 199
Aphasie Partizipations „Training – APT 200
Promoting Aphasics’ Communicative Effectiveness – PACE 201
Sprachübungsspiele 202
Constraint-Induced Aphasia Therapy – CIAT 204
Conversational Coaching 205
Kommunikationstherapie mit aphasischen Personen und ihren Angehörigen 205
Kommunikationstraining für schwerstbetroffene aphasische Personen und ihre Partner 206
Aphasiemanagement in Alltagsgesprächen 207
Narrativ-biografischer Ansatz 207
Pragmatisch-kommunikativer Ansatz bei nichtaphasischen Kommunikationsstörungen 208
Instruktionsmethoden für den Wissenserwerb 208
Texttherapeutische Ansätze 209
Hierarchisches makrostrukturelles Training bei kognitiven Kommunikationsstörungen 210
Gesprächsstrategien und kommunikationsorientierte „Therapie bei sprechmotorischen Störungen 211
Therapieansatz zum Verarbeiten von Metaphern 212
Pragmatisch-kommunikatives Training bei Demenz 213
Therapiebausteine 214
Kommunikationsverhalten und Gesprächsführung 214
Methoden und Strategien der Verständnissicherung 220
Textverarbeitung und „Textproduktion 223
Situations- und „Kontextverhalten 224
Beratung 226
Fallbeispiele: „Therapeutisches Vorgehen 228
Therapeutisches Vorgehen bei einer schweren pragmatisch-kommunikativen Störung 228
Therapeutisches Vorgehen mit Schwerpunkt Gesprächs„führung 229
12 Literatur 231
13 Anhang – Online-Material 248
Mit einem Klick 248
Extras im Netz 248
Sachverzeichnis 251
1 Theoretische Grundlagen
1.1 Sprache und Kommunikation
1.1.1 Sprache und Sprachgebrauch
Der Gebrauch von Sprache ist ein Phänomen, welches die Spezies Mensch von anderen Spezies unterscheidet. Alle menschlichen Kulturen verwenden spezifische Lautsprachen, die aus einer begrenzten Anzahl an Phonemen bestehen. Diese werden auf der Grundlage von Regeln zu Wörtern, Phrasen und Sätzen kombiniert und können für die Mitteilung von Inhalten genutzt werden, da alle Mitglieder der Kulturgruppe diese Regeln kennen und sie für die Analyse der Inhalte oder Äußerung heranziehen. Es werden kulturspezifische sprachliche Zeichen/Symbole erzeugt, die von den Mitgliedern der jeweiligen Gruppe analysiert werden können. Eine rein linguistische Analyse dieser Zeichen oder Äußerungen reicht jedoch häufig für das Verständnis nicht aus. So erhalten beispielsweise in Tonsprachen (z.B. Mandarin) Phoneme und Wörter unterschiedliche Bedeutungen, wenn sich die Tonhöhe (Intonation, Kontur) verändert. In der deutschen Sprache unterscheiden sich Aussage- und Fragesätze im Konturverlauf (z.B. Hier wohnt Max! versus Hier wohnt Max?). Somit muss für die Analyse und Planung einer Äußerung auch die Prosodie beachtet werden. Ein weiteres Phänomen in Bezug auf die Verwendung von Sprache ist, dass sich Inhalte von Äußerungen zum Teil erst aus dem Kontext erschließen. So müssen neben der Interpretation der sprachlichen Zeichen und der Prosodie ebenso kontextuale Bezüge beachtet werden. Die Verwendung von Sprache ist beispielsweise eingebunden in soziale, kulturelle und inhaltliche Kontexte. Diese setzen unter anderem die Verwendung und das Verstehen von spezifischem Wortschatz voraus (Fachbegriffe, Redewendungen, Slang). Weitere Faktoren, die das Verstehen und den Gebrauch von Sprache beeinflussen, sind die Intention, das Wissen und die Gedanken der Gesprächspartner, aber ebenso die Beachtung von Mimik und Gestik ▶ [53]. Zum Einstieg sind hier nur einige der Faktoren und Prinzipien genannt, die von den Kommunikationspartnern einer Sprachkultur/Sprachgemeinschaft geteilt werden, um Kommunikation und Austausch zu ermöglichen. Sie werden als pragmatisch-kommunikative Fähigkeiten und Elemente beschrieben und in den folgenden Abschnitten differenzierter ausgeführt.
Es wird aber bereits an dieser Stelle deutlich, dass in der Betrachtung der Pragmatik die Unterscheidung zwischen Fähigkeiten/Wissen in Bezug auf die Sprache (competence – z.B. Phonologie, Semantik, Syntax…) sowie der Umsetzung/Anwendung (performance) notwendig ist. Pragmatisches Wissen ist demzufolge Wissen darüber, wie Sprache verwendet wird. Dieses Wissen ist zumeist implizit und wird nur in bestimmten Anteilen tatsächlich explizit kontrolliert, verwendet und reflektiert. „The study of pragmatics looks at such interpretive regularities and tries to make explicit the implicit knowledge that guides us in selecting interpretations” ( ▶ [53], S. 3). So gibt die Interpretation der reinen Wortbedeutungen (Semantik – explizite Ebene) die vom Sprecher implizit gemeinten Inhalte zum Teil nicht wieder (implizite Ebene). Es kann große Unterschiede zwischen der semantischen Bedeutung einer Äußerung und der pragmatischen Bedeutung geben. So drückt beispielsweise der Satz „Da fress ich einen Besen!“ keineswegs den Hunger der Person aus. Die Bedeutung einer Äußerung ist folglich in Abhängigkeit von Situation und Kontext sehr verschieden. Die Grenzziehung, inwieweit die Analyse und das Verstehen einer Äußerung vorrangig von der Wortbedeutung (Semantik) oder durch die Analyse des Kontextes geschehen (pragmatische Analyse), ist eine offene Diskussion in der Linguistik ▶ [53], ▶ [356].
Merke
Pragmatisches Wissen ist Wissen darüber, wie Sprache verwendet wird.
Bereits in dieser kurzen Übersicht ist deutlich geworden, dass für die Analyse des Sprachgebrauchs von Personen die rein linguistische Analyse der Äußerungen von Gesprächspartnern nicht ausreicht. Um pragmatisch-kommunikative Fähigkeiten von Personen zu beschreiben, müssen neben den sprachlichen Informationen und Zeichen auch nichtsprachliche Informationen (Prosodie, Mimik, Gestik) und Kontextinformationen (Wissen, Intention, Gedanken...) berücksichtigt werden; ebenso die Art der Kommunikation, da jeweils unterschiedliche pragmatisch-kommunikative Fähigkeiten und Mittel verlangt sind.
1.1.2 Kommunikation
Menschliche Sprache dient der Kommunikation. Zum Gelingen werden jedoch nicht nur Fähigkeiten in Bezug auf Erkennung, Speicherung, Abruf und Produktion von sprachlichen Zeichen (Phonetik/Phonologie, Semantik/Lexikon und Syntax) benötigt. Erfolgreiche Kommunikation ist ganz wesentlich von der pragmatischen Kompetenz abhängig ▶ [356]. Hierzu tragen neben der Kenntnis der sprachlichen Zeichen weitere Teilaspekte wie die Kenntnis nonverbaler und paraverbaler Zeichen (Mimik, Gestik, Prosodie), Aspekte der Sensomotorik, soziales und kulturelles Wissen sowie Kognition etc. bei. Für die Beschreibung der menschlichen Kommunikation existieren eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle und theoretischer Zugänge. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass sich verschiedene Wissenschaftsdisziplinen, wie z.B. Philosophie, Soziologie, Psychologie und Sprachwissenschaft, mit Kommunikation befassen.
Als allgemeingültige Merkmale der Kommunikation gelten nach Röhner und Schütz ▶ [458] folgende Aspekte:
-
Mindestens 2 Teilnehmer (Sender und Empfänger) treten miteinander in Beziehung durch Austausch von Zeichen und Symbolen, ein gemeinsames Zeichensystem ist von Bedeutung.
-
Bei einer Nachricht werden Zeichen und Symbole en- und dekodiert (bei Missverständnissen beispielsweise keine Übereinstimmung).
-
Mittel und Modalitäten werden zum Zweck der Kommunikation eingesetzt.
-
Kommunikation ist eingebunden in einen Kontext.
-
Kommunikation ist interaktiv.
-
Kommunikation ist mehr oder minder intentional (muss nicht immer vollständig bewusst erfolgen).
1.1.3 Formen und Funktionen von Kommunikation
Kommunikation kann in unterschiedlichen Formen auftreten und erfüllt dabei verschiedene Funktionen. Die Kommunikationsformen zeichnen sich wiederum durch diverse Anforderungen an die kommunikativen Fähigkeiten aus und sind z.B. durch unterschiedliche Kontexte charakterisiert. Kannengieser ▶ [278] unterscheidet:
-
mündliche – schriftliche – nonverbale Kommunikation
-
öffentliche – private Kommunikation
-
Monologe – Dialoge – Gespräche mit mehreren Teilnehmern
-
spontane – arrangierte Kommunikation
-
natürliche – inszenierte Kommunikation
Somit unterscheiden sich Kommunikationsformen durch die Art der Zeichen (mündlich, schriftlich, nonverbal sowie gemischte Formen), durch den Raum, in dem die Kommunikation stattfindet (öffentlich, privat, Institution), durch die Dialogrichtung und die Anzahl der Dialogpartner (Monolog, Dialog, Diskussion) sowie in Bezug auf den Grad der Arrangiertheit und der Inszenierung (spontan, natürlich, arrangiert, inszeniert). Ebenso beeinflussen beispielsweise das Kommunikationsmedium, die zeitliche Dimension sowie die räumliche Nähe der Kommunikationspartner die Antwort oder Reaktion auf eine Äußerung.
Im Laufe des Spracherwerbs wird das Repertoire an diesen Kommunikationsformen aufgebaut und ...
Erscheint lt. Verlag | 7.9.2016 |
---|---|
Reihe/Serie | Forum Logopädie | Forum Logopädie |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Gesundheitsfachberufe |
Schlagworte | Kommunikation • Modelle der Pragmatik • Pragmatik • Pragmatische Fähigkeiten • Pragmatische Störung • pragmatisch kommunikative Störung • Sprachtherapie |
ISBN-10 | 3-13-200711-0 / 3132007110 |
ISBN-13 | 978-3-13-200711-6 / 9783132007116 |
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