"Wir wollten ins Verderben rennen"

Die Geschichte des Sozialistischen Patientenkollektivs Heidelberg

(Autor)

Buch | Softcover
500 Seiten
2016 | 2. Auflage 2017
Psychiatrie Verlag
978-3-88414-672-9 (ISBN)
40,00 inkl. MwSt
Das öffentliche Interesse am Sozialistischen Patientenkollektiv Heidelberg regt sich zumeist anlässlich der Jahrestage von Anschlägen der RAF als angeblicher terroristischer Kaderschmiede. Anders als die sensationslustigen Gräuelgeschichten von den »Irren am Gewehr« möchte dieses Buch dazu beitragen, sich ernsthaft mit dem SPK auseinanderzusetzen als einem komplexen, dramatischen und erinnerungswürdigen Stück Zeit- und Psychiatriegeschichte und Geschichte der 68er-Bewegung.»Nachdem früher schon so viel über das SPK geschrieben worden ist, dass man meinen könnte, die Akten seien geschlossen, kommt nun Christian Pross mit diesem Werk, das ein Lehrstück dafür sein könnte, dass wir der historischen Wahrheit am nächsten kommen, wenn wir auf einen hinreichend großen zeitlichen Abstand zum Gegenstand - also hier der Psychiatriereform - achten. Zum anderen, wenn wir von einer hinreichend extremen, verrückten Perspektive aus schreiben, da es hier ja um die Vollständigkeit der Wahrnehmung geht.Die SPK-Nacherzählung von Christian Pross ist auch deshalb so glaubwürdig, weil sie nicht nur vom negativen wie positiven Potential der wohl schwierigsten Phase der Psychiatriereform ausgeht, sondern auch einen Ausblick auf die künftigen Reformphasen erlaubt.«Klaus Dörner

Prof. Dr. med. Christian Pross, Jg. 1948, ist Gründer und war von 1992-2003 Leiter des Behandlungszentrums für Folteropfer. Forschung und Publikationen über Medizin im Nationalsozialismus, die Verfolgung jüdischer Ärzte, sowie über die Behandlung von traumatisierten Flüchtlingen und Stasi-Verfolgten. Supervision von Helferteams in Traumzentren und psychosozialen Einrichtungen. 2009 Bundesverdienstkreuz. 2010 -2013 Mitglied im Unterausschuss der Vereinten Nationen zur Prävention von Folter. Webseite: www.christian-pross.de

Vorwort 13
1. Einleitung 15
1.1 Was war das SPK? 15
1.2 Eigene Motivation – Entstehungsgeschichte der Studie 19
1.3 Doppelrolle von Forscher und Zeitzeuge 23
1.4 Vorgehensweise – Forschungsfragen 25
1.5 Oral History 26
1.6 Die Zeitzeugengespräche 32
1.7 Interaktion mit den Zeitzeugen 35
1.8 Archivrecherchen 36
1.9 Auswertung der Daten 36
1.10 Abschließende Betrachtung 37
1.11 Danksagung 38
2. Die Psychiatrische Universitätsklinik Heidelberg 40
2.1 Hinterlassenschaft des Nationalsozialismus und Neuanfang 40
2.2 Werkstatt der Psychiatriereform 42
2.3 Grenzen der Reform, Richtungsstreit 48
2.4 Die Psychiatrische Poliklinik 51
3. Vorgeschichte des SPK – Der »Fall Dr. Huber« 54
3.1 Schilderungen von Kollegen und Außenstehenden 55
3.2 Schilderungen von Patienten 57
3.3 Beziehung zu seinen Vorgesetzten 58
3.4 Außenseiterrolle 61
3.5 Studentenarzt Dr. Huber 66
3.6 Politisierung 69
3.7 Das Bündnis mit den Patienten 70
3.8 »Atmosphäre von Gereiztheit, Aggressivität, Ironie und Spannung« – Kritik an Hubers Gruppentherapie 73
3.9 Der Konflikt mit Kollegium und Klinikleitung 74
3.10 Die Kündigung und die Mobilisierung der Patienten 79
3.11 Der »Fall Dr. Huber« zieht Kreise 85
3.12 Zusammenfassung 91
4. Die Entstehung des SPK 93
4.1 Die Besetzung der Klinikverwaltung – Der Kompromiss 93
4.2 Das Ringen um die Umsetzung des Kompromisses 99
4.3 Scheitern des Kompromisses 105
4.4 Überregionale Pressestimmen 108
4.5 Die Hintergründe des Scheiterns 110
4.6 Interne Auseinandersetzungen zwischen Patientenkollektiv und Unterstützern 111
5. »Ein sozialistisches Patientenkollektiv setzt sich durch« 115
5.1 Das turbulente Sommersemester 1970 115
5.2 Die Besetzung des Rektorats 117
5.3 Der Beschluss des Verwaltungsrats – Die Krisenintervention Prof. Richters 120
5.4 Auseinandersetzung zwischen Medizinischer Fakultät und Rektorat 122
5.5 Einschaltung des Kultusministeriums 126
5.6 Das Richter-Gutachten – Die Suche der Fakultät nach Gegengutachtern 128
5.7 Der Zulauf von Patienten 132
6. Zeitgeist: Studentenbewegung – Hochschulreform – Psychogruppen – Grenzüberschreitungen 135
6.1 Der »Heidelberger Winter« 135
6.2 Das SPK – Alternative zum »subjektfeindlichen Materialismus« der Heidelberger Linken 139
6.3 Die Hochschulreform – Obstruktion der Ordinarien 143
6.4 Anteil des SDS am Scheitern von Rendtorffs Reformpolitik 147
6.5 Instrumentalisierung des SPK im universitären Machtkampf 149
6.6 SDS und SPK gegen die »58er« 153
6.7 68er-Bewegung und Nationalsozialismus 157
6.8 Psychotherapeutische Studentenberatungsstellen 165
6.9 Psychogruppen 167
6.10 Grenzüberschreitungen 174
6.11 Psychiatriereform und Antipsychiatrie 179
6.12 Bürgerinitiativen für psychisch Kranke 183
7. Die Therapeutische Praxis des SPK 187
7.1 Die Krankheitstheorie in der Selbstdarstellung des SPK 187
7.2 Die Krankheitstheorie aus der Sicht ehemaliger Patienten 189
7.3 Für und Wider der Krankheitstheorie – Die Analyse von Jörg Bopp 191
7.4 Ambulanz Rohrbacherstraße – Klientel 193
7.5 Therapeutische Praxis und Methode in der Selbstdarstellung des SPK 196
7.6 Praxis und Methode aus der Sicht von Spazier, Brückner, Bopp und Kretz 199
7.7 Zeitzeugenberichte: Das SPK – Zufluchtsort und Rettungsanker 203
7.8 Therapie/Agitation durch Laientherapeuten 207
7.9 »Linke Sozialstelle« mit Selbsthilfecharakter – Das SPK kompensiert einen Versorgungsnotstand 210
7.10 Odyssee durch Kliniken und Arztpraxen 212
7.11 Gehör für tabuisierte Themen 214
7.12 Politische Aktivität und Arbeitskreise als Therapie 217
7.13 Kritische Stimmen – »Verzahnung von Psychotherapie und Klassenkampf« 221
7.14 »Am Leid vom einzelnen Patienten vorbeigeredet« 225
7.15 Nichtakademiker im SPK: »Minderwertigkeitsgefühle gegenüber den Studierten« 227
7.16 Überforderung der Laientherapeuten 230
7.17 Kritik linker Studentengruppen am Therapiekonzept 232
7.18 Bilanz der therapeutischen Praxis 233
8. Gruppendynamik und Gruppenstruktur im SPK 236
8.1 »Leitwolf« und »Guru« Dr. Huber 236
8.2 Patienten als informelle Gruppenleiter 238
8.3 Die Bindungen zwischen Dr. Huber und den Patienten 239
8.4 Gruppenbindung, »Praktisches Erlebnis von Kollektivität« 243
8.5 Selbstorganisation von Patienten? 246
8.6 Aufhebung der Hierarchie zwischen Arzt und Patient 247
8.7 »Kollektives Ich« – »Paranoid kämpferische Gruppenstimmung« 252
8.8 Feindbilder 255
8.9 Die existentielle Bedrohung – Angst – Aggression 257
8.10 Verrat 260
8.11 Angst vor Sturz ins Leere bei Verlassen der Gruppe 262
8.12 »Selbstmord = Mord« – Dämonisierung und Bedrohung der Gegner 263
8.13 Hubers sexuelle Beziehungen zu Patientinnen 270
8.14 Persönlichkeitsveränderungen 273
8.15 Ausschluss aus der Gruppe 275
8.16 Das Fehlen von »holding environment« und »containing« 278
9. Sprache als Waffe – Die Sprache des SPK 286
9.1 Ein schreibendes Kollektiv – ein kollektives Schreiben? 287
9.2 »Verbale Aufrüstung« in der Linken 288
9.3 »Wortdrechseleien« – Hubers Stil 292
9.4 Zur unterschiedlichen Diktion der Flugblätter 294
9.5 »Ein neues Nazireich verhindern« – Faschismusmetaphern 297
9.6 Alle sind gegen uns – »Kriegserklärungen« 301
9.7 »Sprache als Zumutung« – die Isolation 303
9.8 »Geschlachtet mit dem Schwert der Sprache« – das Scheitern 305
10. Das SPK kämpft ums Überleben 307
10.1 Die drohende Räumung der Rohrbacherstraße 307
10.2 Suche nach Unterstützern 308
10.3 Rendtorff zwischen allen Stühlen 313
10.4 »Schützen wir uns vor Nierensteinen!« – Mobilisierung der Öffentlichkeit 315
10.5 Gegenkampagne der Medizinischen Fakultät und des Kultusministeriums 320
10.6 Das endgültige Nein des Senats der Universität 324
10.7 Bündnispartner vor den Kopf gestoßen 327
10.8 Der Weg in die Gewalt 332
10.9 »Wir wollten ins Verderben rennen« 335
10.10 Die Schüsse von Wiesenbach – das Ende 337
10.11 Woran ist das SPK gescheitert? – Analyse von ehemaligen Patienten, Peter Brückner und Erich Wulff 342
11. SPK und RAF 347
11.1 Frühe Wege in den Untergrund 347
11.2 Zeugenaussagen und Polizeiberichte 349
11.3 Spätere Wege zur RAF 355
11.4 Haftbedingungen 356
11.5 Die Kontroverse um die Isolationshaft 361
11.6 Ursprünge der Stadtguerilla in der Studentenbewegung 364
11.7 Der »innere Kreis« – eine Heidelberger Variante der Stadtguerilla 370
11.8 Selbstkritik 376
11.9 Legendenbildung – Stilisierung des SPK zur Keimzelle und Rekrutenschmiede der RAF 380
11.10 »Irre ans Gewehr« – Verbreitung von Schreckensbildern über psychisch Kranke 386
11.11 »Revolutionierung auf dem Rücken von Patienten?« 389
11.12 Das PATIENTEN-Kollektiv war keine Stadtguerilla – Die Überreaktion des Staatsapparates 399
12. Die Prozesse 402
12.1 Die Prozessvorbereitungen 402
12.2 Pressestimmen »Keine Kriminellen sondern Kranke« 406
12.3 Die Gewissenskonflikte des Hauptbelastungszeugen 408
12.4 Der erste SPK-Prozess – »Makabre Szenen« 409
12.5 Solidaritätsbekundungen aus dem Ausland – Presseecho 414
12.6 Das Urteil 417
12.7 Nachklang – die weiteren Prozesse 417
12.8 Die Boykotthaltung der Angeklagten 418
13. Nachwort 420
13.1 Was war das SPK? 420
13.2 Aktualität des SPK 421
Anhang
Chronologische Auswahl von Daten und Ereignissen 426
Informationen zu den Zeitzeugen 440
Informationen zu beteiligten Personen/Patienten aus Archivakten 457
Archive 462
Abkürzungsverzeichnis 464
Glossar 468
Namensregister 480
Literaturverzeichnis 485

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Forschung fuer die Praxis - Hochschulschriften
Sprache deutsch
Maße 165 x 210 mm
Gewicht 1048 g
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Pflege Fachpflege Neurologie / Psychiatrie
Studium Querschnittsbereiche Geschichte / Ethik der Medizin
Schlagworte 68er-Bewegung • Deutschland: 68er-Bewegung • Geschichte der Medizin • Psychiatrie • Psychiatriegeschichte • Psychiatrie, Geschichte • Psychiatrische Pflege • RAF • Sozialistisches Patientenkollektiv Heidelberg • SPK
ISBN-10 3-88414-672-6 / 3884146726
ISBN-13 978-3-88414-672-9 / 9783884146729
Zustand Neuware
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