Rotation - Nahrung für das Gehirn (eBook)
180 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7412-3239-8 (ISBN)
1977 Examen zur staatlich geprüften Physiotherapeutin bis 1982 angestellt in verschiedenen Rehazentren in Deutschland und der Schweiz sowie im Gesundheitszentrum Goddelau 1982 bis 1987 selbstständig in eigener Praxis 1987-1991 freie Mitarbeiterin in einer Kinderarztpraxis 1991 bis 2006 in eigener Praxis 2006 Anerkennung als Heilpraktikerin seit 2006 in eigener Praxis in Michelstadt Seit vielen Jahren tätig im In- und europäischen Ausland. Regelmäßige Therapie- und Weiterbildungsarbeit in Österreich. Ausbildungen für Ärzte und Therapeuten. Weiterbildungen für Kinderkrankenschwestern und Hebammen. Weiterbildungen in Rota-Prophylaxe (Rota-Helfer) für medizinische Laien. Vielfältige Vortragstätigkeit und pädagogische Tage in Schulen. Autorin.
2 Hintergrund
2.1 Die motorische Entwicklung vom Neugeborenen bis zum Krabbelkind
Die Entwicklung der sogenannten „Meilensteine“ – das sind die Etappen der motorischen Entwicklung – läuft nach einem immer gleichen, jedem Menschen angeborenen Muster ab. Es ist ein genetisches Programm, welches sich entsprechend der fortschreitenden Gehirnreife abspult.
Vergleichbar mit der intrauterinen Entwicklung: Nach der Vereinigung der Ei– und Samenzelle bei der Befruchtung beginnen die Zellen sich zu teilen und zu differenzieren, bis der ganze Körper ausgereift ist. Dieses intrauterine Wachsen des Menschen ist immer gleich, immer mit den gleichen Mustern und in den gleichen Zeiträumen.
Ähnlich verhält es sich mit der motorischen Entwicklung, die abhängig ist von der nach der Geburt noch abzuschließenden Reife des Gehirns. Das Gehirn mit dem Nervensystem ist das einzige Organsystem, welches bei der Geburt noch nicht fertig entwickelt ist. Es befindet sich in einem noch unreifen Entwicklungsstadium:
Die vollendete Reife der Markscheide der Nervenbahnen ist für die motorische Entwicklung notwendig.
Um die Nervenbahnen, die vom Gehirn in den Körper führen, entwickelt sich noch eine schützende Hülle – die Myelin-Schicht oder auch Markscheide genannt. Dieses „Isoliergewebe“ ermöglicht erst nach vollendeter Ausreifung die gezielte, differenzierte, willentliche fein- als auch grobmotor-ische Bewegung. Aufgrund dieser unvollendeten Gehirnreife bewegt sich der kleine Säugling zunächst undifferenziert in sogenannten Massenbewegungen, auch „general movements“ genannt. Sie kennen das vielleicht: Ein kleiner Säugling freut sich und der ganze Körper wackelt und zappelt. Erst im Laufe der Monate können die Bewegungen differenzierter und der Situation angemessen sinnvoll und zielgerichtet ausgeführt werden.
Die ersten motorischen Aktionen des Säuglings erfolgen über unkoordinierte Bewegungsmuster. In den ersten Lebensmonaten sind bestimmte Primitivreflexe physiologisch und auslösbar, als Zeichen dafür, dass das Gehirn auf einer primitiven – noch unreifen – Ebene funktioniert. Im Verlauf der weiteren Entwicklung bilden sich diese Reflexe zurück und so wird willkürliche, gezielte und koordinierte Bewegung möglich. Auf einige dieser Primitivreflexe wird in Kapitel 2.1.4 detaillierter eingegangen.
Wie weiter oben schon angeführt, läuft diese Reifeentwicklung nach einem Schema ab, welches genetisch in jedem Menschen angelegt ist. Vergleichbar mit der intrauterinen Entwicklung, die sich bei jedem Menschen gleich, nach dem genetisch angelegten „Programm“ abspult.
Die zwingend notwendige Nahrung für das Gehirn ist: die Rotation!
Allerdings: Damit sich dieses innere Programm – dieser Plan – abspulen kann, braucht es zwingend notwendige äußere Bedingungen, ohne die dieser Plan sich nicht entwickeln würde. Diese äußeren Bedingungen für das intrauterine Wachstum sind die Zufuhr von sowohl körperlicher Nahrung (über die Nabelschnur) als auch emotionaler Zuwendung für den wachsenden Menschen.
Vergleichbar damit braucht es auch für das Abspulen des inneren Plans für die motorische Entwicklung zwingend notwendige äußere Bedingungen. Also im übertragenen Sinn „Nahrung für das Gehirn“.
Das ist die – zunächst passive – Erfahrung von Rotation des Körpers.
Rotation um die Körperachsen im Raum und Rotation der Wirbelsäule.
Konkret heißt das: Zum einen die Rotation um die drei Körperachsen im Raum und zum anderen die Verdrehung von Schulter- gegen Beckengürtel (Rotation der Wirbelsäule).
Die Körperachsen im Raum sind:
- die Längsachse
- die Querachse
- die Vorder-Hinterachse
Die passiven Rotations-Impulse erfährt das Kind als Neugeborenes im täglichen Umgang. Es wird auf die eine Seite gelegt, dann auf die andere. Einmal liegt es auf dem Rücken, dann wieder auf dem Bauch. Es wird im rechten Arm getragen und im linken usw.
Die Rotation um die Körperachsen muss nicht komplett erfahren werden. Es genügt, wenn die Achsen „angesprochen“ sind. Sie müssen also mit Ihrem Baby keine Purzelbäume machen um die Körperquerachse anzusprechen. Dafür genügt z. B. das Po-Heben auf dem Wickeltisch oder die Lagerung in einem kuscheligen „Nest“. (s. Kapitel 6.2.5)
Getragen werden fördert die senso-motorische Entwicklung.
Hieraus ergibt sich ein wirklich wichtiger Aspekt für den Alltag mit dem kleinen Säugling: Tragen Sie Ihr Kind im Arm am Körper und nicht das Kind im Maxi-Cosi (Durchaus auch mit Tragehilfe am Körper. S. hierzu Kapitel 6.2.4).
Zusätzlich zu dem Aspekt Rotationserfahrung als Impuls zur Unterstützung der motorischen Entwicklung bekommt das Kind die nicht minder wichtige „Nahrung“ der emotionalen liebkosenden Zuwendung!
Später, entsprechend der voranschreitenden Gehirnreife und der abnehmenden Reaktionen der Primitivreflexe werden die Rotationen mehr und mehr vom Säugling gezielt aktiv und differenzierter durchgeführt.
Wenn alle Bedingungen stimmen und es keine Störfaktoren gibt, sieht der Ablauf der Meilensteine wie folgt aus:
2.1.1 Meilensteine der Entwicklung im ersten Lebensjahr
6. Lebenswoche | Kopfkontrolle beginnt sich zu entwickeln. (dazu mehr in Kapitel 2.4) |
3. Lebensmonat | Unterarmstütz Bauchlage mit geöffneten aus der Händen. |
4. Lebensmonat | Drehen vom Bauch auf den Rücken. In Rückenlage beginnt der diagonale Augen-Hände-Fuß-Mund-Kontakt. (sehr wichtiger Meilenstein, s. dazu Kapitel 2.1.2) |
5. Lebensmonat | Drehen vom Rücken auf den Bauch. In Folge gezieltes Rollen im Raum. |
6. Lebensmonat | Beginn vom Vierfüßlerstand: Stehen auf Knien und Händen, wie zum Krabbeln. Vor- und zurückwippen, dadurch weiterer Erwerb und Sicherheit des Gleichgewichts. |
7. Lebensmonat | Sitzen im Seitsitz: aus dem Vierfüßlerstand und auch aus der Bauchlage über die Seitlage. Hände sind noch aufgestützt. |
8. Lebensmonat | Krabbeln beginnt. Es ist die anspruchsvollste Form der koordinierten Fortbewegung des Menschen. Die Reife der Kopfkontrolle ist nun abgeschlossen. (s. dazu Kapitel 2.4) |
9. Lebensmonat | Freies Sitzen ohne Hilfe. |
10. – 12. Lebensmonat | Aktives Stehen. Zunächst noch mit Festhalten von da aus an zum einem seitlichen Gegenstand, und später zum freien Gehen. |
Sinnvolles und glückliches Leben braucht Anerkennung und die Beziehung zu anderen Menschen.
Der Ablauf der motorischen und der daran gekoppelten Wahrnehmungsentwicklung mit ihren Auswirkungen auf alle Lebensbereiche hat auf die individuelle Lebensqualität einen großen Einfluss. Sie ist dafür jedoch bei weitem nicht letztlich entscheidend. Sinnvolles und zufriedenes Leben gelingt nur in der Beziehung zu anderen Menschen, in dem Bewusstsein, hineingenommen zu sein in eine Gemeinschaft und darin Anerkennung zu finden. Mit dem, wie ich bin und was ich bin. Nur hier kann ein Mensch mit allen Stärken und Schwächen, in welcher Hinsicht auch immer, erfülltes Leben erfahren.
Nicht jedes Anzeichen einer belasteten senso-mo-torischen Entwicklung muss sofort und unbedingt therapiert werden. Es gilt alle Entwicklungsparameter und Umstände zu berücksichtigen. Und wie immer im Leben:
Es gibt physiologischen Spielraum.
Leichte Belastungen können kompensiert werden.
Jeder Mensch hat Potential, geringe Belastungen zu kompensieren. Kommt es zu einer erheblichen Verzögerung in dieser Entwicklung oder aber zu unphysiologischen Bewegungsmustern (z. B. Bewegungsabläufe mit Überstreckung, die nicht rund und fließend sind), liegt das in der Regel an zu stark reagierenden Primitivreflexen oder daran, dass sie über die physiologische Zeitspanne hinaus aktiv sind. Jetzt werden sie zum „Störfaktor“.
Um diesen Zusammenhang aufzuzeigen stelle ich im Abschnitt 2.1.4 einige Primitivreflexe mit ihren Wirkmechanismen vor.
2.1.2 Der diagonale Augen-Hände-Fuß-Mund-Kontakt
Berührung oder Bewegung über die Körpermitte fördert die Gehirnreife.
Dieser Meilenstein von ungemein wichtiger Bedeutung muss herausgehoben werden. Die normalerweise spontan auftretende Aktivität ist für die senso-rische, motorische sowie geistige Entwicklung von fundamentaler Bedeutung. Der „diagonale Augen-Hände-Fuß-Mund-Kontakt“ (abgekürzt: DAHFM).
Diese intensive Phase beginnt, wenn sich das Kind alleine in die Rückenlage drehen kann, also zwischen dem 4. und 5. Lebensmonat.
Vollendeter...
Erscheint lt. Verlag | 3.3.2016 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Neurologie |
Schlagworte | Aufmerksamkeitsdefizit • Hypertonus • Schreibaby • Tonusstörung • Trisomie 21 |
ISBN-10 | 3-7412-3239-4 / 3741232394 |
ISBN-13 | 978-3-7412-3239-8 / 9783741232398 |
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Größe: 7,5 MB
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