Interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Behandlung von Säuglingen mit Regulationsstörungen im osteopathischen Kontext -

Interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Behandlung von Säuglingen mit Regulationsstörungen im osteopathischen Kontext (eBook)

Birgit Gillemot (Herausgeber)

eBook Download: PDF | EPUB
2014 | 1. Auflage
80 Seiten
Urban & Fischer Verlag - Fachbücher
978-3-437-31643-2 (ISBN)
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Regulationsstörungen bei Säuglingen interdisziplinär behandeln

Schlafstörungen und exzessives Schreien treten bei Säuglingen immer häufiger auf. Eltern sind oft überfordert. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzten in Ambulanzen, niedergelassenen Pädiatern und Osteopathen ist hier besonders wichtig. Die möglichen Spätfolgen von Regulationsstörungen sind bekannt: psychosoziale Probleme, Schulprobleme; ggf. ADHS berühren die Bereiche der Kinder-und Jugendpsychologie. Die Ausbildung der Osteopathen greift das Thema der interdisziplinären Zusammenarbeit bisher nicht auf.

Die Arbeit bietet eine umfassende Darlegung der theoretischen Grundlagen sowie ein detailliertes Behandlungsschema, mit Bildern und Handouts für die Praxis; welches bisher noch keine vergleichbare Veröffentlichung gefunden hat.

Zudem wurde ein Katalog für Anforderungen an die Ausbildung der Osteopathen in diesem neuen und wichtigen Bereich entwickelt.

2

Theoretischer Teil


Hintergrund und Grundlagen


2.1. HTA-Bericht 124 und DIMDI-Studie


Die Deutsche Agentur für Health Technology Assessment (HTA) am Institut für Medizinische Information und Dokumentation (DIMDI) hat Anfang 2013 eine Studie veröffentlicht, in der Therapieangebote für Säuglinge mit Regulationsstörungen untersucht wurden. Die Untersuchung trägt den Titel: Effektivität und Effizienz von psychologischen, psychiatrischen, sozialmedizinischen und komplementärmedizinischen Interventionen bei Schreibabys (z. B. regulative Störung) in Schreiambulanzen.
Ziele des HTA-Berichts sind es, die Effektivität und Effizienz von psychologischen, psychiatrischen, sozial- und komplementärmedizinischen Interventionen bei Schreibabys in Schreiambulanzen zu beschreiben.
Dabei wurden international eine Vielzahl von Studien gesichtet und ausgewertet und deren Ergebnisse verglichen. Darunter waren 18 medizinische, 1 ökonomische und 3 ethische Studien. Die höchsten Evidenzwerte erzielten psychotherapeutische Gespräche und Beratungen der Eltern durch sog. Schreiambulanzen. Auch chirotherapeutische Verfahren wurden besprochen und konnten sich im Vergleich nicht behaupten.
Allerdings wurden Studien verglichen, mit sehr unterschiedlichen Einschluss-und Ausschlusskriterien. Ein Hauptproblem scheint zu sein, dass die Ursachen der Regulationsstörungen sehr vielfältiger Natur sind. So wurden Studien über Säuglinge mit offensichtlichen Darm-Problemen, die mit herkömmlichen Hausmitteln behandelt wurden ebenso in die Übersicht einbezogen, wie Studien über Kinder mit psychisch gestörten Eltern, bei denen eine psychotherapeutische Intervention durchgeführt wurde.
Aus Sicht der Osteopathie ist die Bewertung der chirotherapeutischen Intervention besonders interessant und soll deshalb gesondert aus dem HTA-Bericht herausgegriffen werden.
Hintergrund war die Diskussion, ob das sog. KISS-Syndrom ein Grund für exzessives Schreien darstellen kann. Unter Osteopathen ist die Existenz dieses Syndroms umstritten. Es ist osteopathische Lehre, nicht nur eine Region, nämlich die der Kopfgelenke, zu behandeln, sondern ein ganzheitliches Konzept zu verfolgen, das alle Systeme des Körpers berücksichtigt. Demzufolge werden Symmetriestörungen beim Säugling in der Osteopathie als gesamtheitliche Störung betrachtet und ebenso behandelt. Zwar beinhaltet praktisch jede Asymmetrie auch eine Hypomobilität der Kopfgelenke und die Beseitigung dieser Einschränkung bringt meist auch eine Verbesserung des Gesamtzustands, doch sind Einschränkungen der OAA-Region niemals solitär, sondern immer vergesellschaftet mit weiteren Blockaden im Bereich der Wirbelsäule und des Beckens, sowie des Thorax, als auch verbunden mit faszialen und viszeralen Fehlspannungen. Diese sind oftmals der Grund für persistierende, oder rezidivierende Symmetriestörungen. Auch der Ausgleich im kranialen und im energetischen System gehören zwingend zu einer osteopathischen Behandlung. Erst diese führen häufig zur selbstregulatorischen Korrektur bei Kind und Eltern. Aus osteopathischer Sicht nimmt es deshalb nicht Wunder, dass die untersuchten Studien keine positiven Ergebnisse zeigten. Studien über osteopathische Behandlungen lagen nicht vor und flossen in den HTA-Bericht nicht ein.
Die ausgewerteten Studien kamen insgesamt zu kontroversen Ergebnissen, wobei die methodisch am besten bewerteten Untersuchungen keine Wirkung nachweisen konnten. Die Studien, welche ein positives Ergebnis auswiesen, wurden als methodisch minderwertig beurteilt. Die Autoren des HTA-Berichts fordern deshalb weitere aussagekräftige Studien zu diesem Thema.
Eine weitere Studie beschäftigt sich mit Babymassagen. Es handelt sich um eine Review-Studie, die ebenfalls keine Evidenz in Bezug auf Regulationsstörungen nachweisen kann. Die Auswirkung von taktilen Stimulationen wurde als „jedenfalls nicht schädlich“ eingestuft, gelegentlich auch als „hilfreich“, allerdings ohne therapeutische Qualität. Auch die Berührung durch die Eltern, oder andere wohlmeinende Personen hat positiven Effekt.
Insgesamt ist die Datenlage zu manuellen Therapien schwach, so dass keine eindeutigen Aussagen möglich sind.
Es wurde allerdings deutlich bestätigt, dass die Stressbelastung der betroffenen Familien sehr hoch ist und die Gefahr von Eskalationen sehr ernst zu nehmen ist. Es wurde verwiesen auf die hohe Zahl von Schütteltraumata und Fälle von Gewalt gegen schreiende Säuglinge.
Die Ergebnisse der Forschungen von Wurmser und Papousek (2004) wurden bestätigt und die Erfolge der Angebote in den Schreiambulanzen wurden insgesamt als die erfolgreichsten benannt. Forderung nach niedrigschwelligen, interdisziplinären Beratungs- und Betreuungsangeboten, ähnlich dem Münchner Modell wurden bekräftigt.

Abb. 2.1  Überblick über Studien mit chiropraktischen Techniken im HTA-Bericht 124 [F709]
Nach Meinung der Autorin ist es Aufgabe der Osteopathen, sich aktiv in diese interdisziplinäre Zusammenarbeit einzubringen. Osteopathische Praxen sind häufig die ersten Anlaufstellen für betroffene Familien. Auch stellt die Ausbildung der Osteopathen und ihre ganzheitliche Herangehensweise eine besondere Qualität dar in der Behandlung dieser komplexen Störungsbilder. Die Erfahrung in mehr als zehn Jahren hat gezeigt, dass die Kombination aus umfassender osteopathischer Behandlung und der professionellen Beratung und Betreuung in einer Schreiambulanz eine sehr hohe Erfolgsquote aufwiesen. Weitere qualitative und quantitative Untersuchungen zu diesem Thema sind geplant.
Eine flächendeckende Versorgung mit entsprechenden Angeboten an Säuglingsambulanzen wurde empfohlen, insbesondere für sozial schwächere Familien. Die durch Regulationsstörungen verursachten Kosten, auch im Hinblick auf Folgeschäden und der fraglichen Übernahme durch die Versicherungsträger, wurden diskutiert. Eine Reduzierung der erwarteten Kosten aus Folgeschäden war ein wesentliches Argument für diese Empfehlung. Insgesamt wurde eine weitere Erforschung dieses Themas und die Einrichtung entsprechender Beratungsstellen gefordert.

2.2. Regulationsstörungen bei Säuglingen


Der Begriff „Regulationsstörung bei Säuglingen“ ist erst in der jüngeren Zeit entstanden. Er beinhaltet mehrere verschiedene Störungsbilder und soll eine wertfreie und übergreifende Bezeichnung sein, für die Symptome, die man früher den „Schreibabys“ zuordnete. Um die Stigmatisierung dieser Kinder zu vermeiden und den neueren Erkenntnissen über die Hintergründe Rechnung zu tragen, kreierte man den neuen Begriff.

2.2.1. Definition


Der Begriff bezeichnet die Schwierigkeit des Säuglings, sein Verhalten autoregulativ an die Anforderungen seiner Umwelt anzupassen. Leitsymptome sind Schlafstörungen und häufiges, andauerndes, mit den üblichen pflegerischen Mitteln nicht stillbares Schreien und Quengeln (Papousek 2004; Tro-y-Baumann 2010).

2.2.2. Epidemiologie


Die Prävalenz wird im deutschsprachigen Raum angegeben zwischen 5 % und 25 % unter ansonsten gesunden Säuglingen. Die Angaben weichen in sechs untersuchten europäischen Ländern sehr stark voneinander ab. In der osteopathischen Praxis liegt die Rate entschieden höher, da die Behandlung dieser Regulationsstörungen im weiteren Sinne eine klassische osteopathische Indikation ist. Laut HTA-Bericht hat eine repräsentative Telefonumfrage in Deutschland ergeben, dass 16,6 % der Mütter in den ersten drei Lebensmonaten ein exzessives Schreien angegeben haben. Zwischen dem dritten und sechsten Monat geht die Rate auf 5,8 % zurück, bis auf 2,5 % nach sechs Monaten.

2.2.3. Regulationsstörungen im kulturellen Kontext


Die Betrachtung und Wertung von Schlaf- und Schreistörungen unterliegen starken kulturellen und ethnischen Unterschieden. Die „cultural beliefs“, also die Glaubenssätze, die in der jeweiligen Kultur Geltung haben, entscheiden weitgehend darüber, wo, wie und mit wem Kinder schlafen. Auch die Frage, wie der kindliche Schlaf bewertet wird, und ob das Schlafverhalten als Problem angesehen wird, hängt von den Erwartungen ab, die in der kulturellen Umgebung bestehen. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den ethnischen Gruppen weltweit (Jenni 2005).
Eine Untersuchung über den Vergleich von klinischen Einrichtungen in fünf europäischen Ländern aus dem Jahre 2010 ergab nochmals andere Zahlen:
In der 8. Lebenswoche betrug der Anteil am Gesamtkollektiv 5,1 %. In der zwölften Lebenswoche noch 2,6 % und im 6. Lebensmonat nur noch 6,1 %. Auch hier wurden die Wessel-Kriterien zugrunde gelegt. Wurden andere Kriterien angelegt, änderten sich die Zahlen signifikant (Tro-y-Baumann 20012).
Tro-y-Baumann zeigt in ihrer ländervergleichenden Studie, dass innerhalb Europas ein großer Unterschied besteht zwischen den Prävalenzen. Allerdings wurden mehrere verschiedene Bewertungskriterien angelegt (Wessel, Barr, 180 Minuten-Schreien, eigene Einschätzung der Mütter). Insgesamt konnte ein Nord-Süd-Gefälle und ein West-Ost-Gefälle in der Prävalenz festgestellt werden, mit erhöhter Schreikindprävalenz im Süden und Westen. Die zugrundeliegenden Patientenzahlen waren nach Einschätzung der Autoren der Studie aber zu gering, um konkrete Aussagen treffen zu können.
Wenig überraschend war das Ergebnis, dass die Stressbelastung der Mütter mit zunehmender Schreidauer der Kinder anstieg, wobei hier deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern sichtbar wurden. Die italienischen und polnischen Mütter reagieren deutlich mehr auf das Schreien, als die deutschen, belgischen und spanischen...

Erscheint lt. Verlag 25.11.2014
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Pädiatrie
ISBN-10 3-437-31643-5 / 3437316435
ISBN-13 978-3-437-31643-2 / 9783437316432
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