Lehrbuch für Tierheilpraktiker (eBook)
800 Seiten
Sonntag, J (Verlag)
978-3-8304-9368-6 (ISBN)
1 Geschichte und Entwicklung der Tierheilkunde
1.1 Einführung
Die Geschichte der Tierheilkunde ist fast so alt wie die der Menschenheilkunde. Sie begann zu dem Zeitpunkt, als der Mensch anfing, wild lebende Tiere zu domestizieren und für seine Zwecke zu nutzen. Zunächst diente die Tierzucht zur Sicherung der konstanten Nahrungszufuhr und dem Schutz der Siedlungen. Zu den ersten domestizierten Tieren gehörten Wölfe und der Ernährung dienende Herdentiere. Ebenso wie urzeitliche Menschen die Idee entwickelten, Samen und Gräser von Pflanzen aufzubewahren, an geschützter Stelle auszubringen und zu ernten, um weite Wege und Zeit für das Sammeln der verteilt wachsenden Pflanzen einzusparen, ging man dazu über, der Ernährung dienende Tiere in Nähe der Siedlungen zu halten, um nicht den Herden folgen zu müssen. Zum Schutz der Herden setzte man Hunde ein. Die Verantwortung für den Gesundheitszustand domestizierter Tiere lag nun beim Menschen. Die Behandlung war zu dieser Zeit einfach – kranke Tiere wurden getötet und verarbeitet.
Als der Mensch begann, Tiere für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten abzurichten, wie Pferde als Last- und Zugtiere, Hunde für die Jagd und zum Bewachen von Hof und Herden sowie Rinder für die Arbeit auf den Feldern, konnte man Krankheiten nicht mehr länger mit solchen Radikallösungen zu Leibe rücken. In die Ausbildung und Abrichtung der Tiere wurde Zeit investiert, diese Tiere stellten einen erheblichen Wert dar und dienten ebenso wie Zuchttiere auch als Handelsware.
So trachtete man nicht nur danach, die Gesundheit dieser Tiere zu bewahren, sondern auch gute bzw. gewünschte Eigenschaften durch Zuchtwahl zu erhalten und, wo möglich, zu verbessern. Tierheilkunde ging also immer auch mit dem Wissen um Tierzucht und Reproduktion einher. Tierhalter früherer Zeiten waren erfahren im Erkennen und Versorgen der Krankheiten, da die Gesunderhaltung des Viehbestandes eng mit den Überlebensmöglichkeiten der gesamten Familie zusammenhing. Es wurden Rezepte und Verfahren vom Vater an den Sohn weitergegeben, auch die Frauen trugen mit dem Wissen um Kräuter, Geburtshilfe und Pflege ihren Teil zur erfolgreichen Tierhaltung bei.
Reichte dieses Wissen nicht aus, gab es den Heilkundigen. Dieser war nicht wie heute ein spezieller Tierheilkundiger, sondern über lange Zeit die Person, die auch für das gesundheitliche Wohl der Menschen verantwortlich war, also der Schamane, der Druide oder der Medizinmann bzw. die Medizinfrau.
Verglichen mit den Studienfächern, die diese Heilkundigen zu absolvieren hatten, um ihren Beruf ausüben zu können, wirkt unser heutiges Spezialistentum sehr eingeschränkt. Zum damaligen Ausbildungsprogramm gehörten Astronomie, Astrologie, Religion, Anatomie, Physiologie, Zoologie, Botanik, Mineralogie, Meteorologie, Agrar- und Forstkunde, Pharmazie, Toxikologie, Psychologie und Psychosomatik, alles im Rahmen der zu dieser Zeit bereits bekannten Zusammenhänge. So der jeweilige Kulturkreis Kenntnisse in Schriftformen hatte, war ein solcher Schamane auch der Schrift kundig. Der Studieninhalt wurde in der Hauptsache mündlich und praktisch vermittelt, es handelte sich also um „Learning by Doing“. Nicht zuletzt aus diesem Grunde ist viel Wissenswertes z.B. aus dem keltisch-druidischen Bereich, in dem ja unsere westlichen Wurzeln liegen, verloren gegangen.
Ein derartig weit gefächertes Studienprogramm lässt vermuten, dass es sich bei den damaligen Heilkundigen um umfassend gebildete Menschen gehandelt haben muss, denen eine ganzheitliche Betrachtungs- und Handlungsweise selbstverständlich war. Da sie aufgrund ihres immensen Wissens und der ständigen Beobachtung der Natur Vorzeichen deuten und bedrohliche Veränderungen oft bereits im Vorfeld erkennen konnten, hatten nicht wenige Menschen Angst oder zumindest Respekt vor ihnen und bezeichneten die Heilkundigen als Magier. Die Erben dieser Wissenschaftler, die allerdings nur noch einen Bruchteil dieses Wissens hatten, waren in späteren Zeiten die Alchemisten, Hexer oder Hexen.
Das ganzheitliche Denkmodell ging in Europa durch den Einfluss der Kirche fast vollkommen verloren. Es war nicht im Sinne der regierenden Kirchenfürsten, eine aufgeklärte Bevölkerung mit rebellischem Geist regieren zu müssen. Die gesamte Heilkunde verkam mehr oder weniger zur Kurpfuscherei, die nur noch von Badern und Quacksalbern ausgeübt wurde. Lediglich in den Bauernfamilien erhielt sich ein Teil des tierheilkundlichen Wissens und wurde von Generation zu Generation weitergetragen. Und nicht selten wurden diejenigen „Spezialisten“, die mit den Leiden der Tiere besonders gut umgehen konnten, auch von anderen Familien zur Nothilfe gerufen, oft nicht nur für die erkrankten Tiere. Ein umfassenderes Wissen hatten zu der Zeit, als man erfolgreich die damaligen Heilpraktiker, sprich Hexen und Alchemisten, verdrängt hatte, noch Hufschmiede und Schäfer, vor allem Letztere waren eine ergiebige Quelle für Tipps, Tricks und Rezepte im Umgang mit Tieren, da sie im direkten Kontakt mit der Natur und den Jahreszeiten standen, ähnlich wie die Jäger, wobei diese mehr am Wohlergehen des Wildes, ihrer Hunde und Pferde interessiert waren.
Nach der Auslöschung des heilkundlichen Wissens war ein Medizinstudium in Mitteleuropa lange Zeit nicht mehr möglich. Es existierte nichts, was man studieren konnte. Medizinische Fakultäten gab es nur in den islamischen Städten, diese ließen allerdings keine Christen, sondern bestenfalls noch Juden als Andersgläubige zum Studium zu.
Da im Islam das Öffnen des menschlichen Körpers verboten ist, bezog man die anatomischen Kenntnisse aus der Sektion von Tieren. Islamische Ärzte waren in Tieranatomie und Physiologie gut bewandert. Speziell Ärzte, die sich mit der Behandlung von Pferden, Jagdhunden und Beizvögeln beschäftigten, kamen zu großem Reichtum, da Pferdezucht und Jagd geschätzte Hobbys bei den islamischen Adeligen waren.
Noch angesehener war die Tierheilkunde in Ägypten. Da viele Götter in Tiergestalt dargestellt wurden, verehrte man auch die tierischen Vorbilder als heilig. So gab es u.a. heilige Katzen, Schakale, Krokodile und Falken. Erkrankten diese Tiere, war es Aufgabe der Priester bzw. Priesterärzte, sie zu heilen.
Erst in der Neuzeit spaltete sich die Tiermedizin von der Humanmedizin ab. Die Tierheilkunde allerdings war und blieb ein Bestandteil naturheilkundlichen Denkens. Sogar Samuel Hahnemann griff im Rahmen der Homöopathie auf Tierbeobachtungen zurück.
1.2 Der Tierheilpraktiker – Berufsbild und Zukunft
Der Wunsch der Menschen nach naturgemäßen Heilmethoden verbunden mit dem Wunsch nach Zuwendung und Verständnis hat in den letzten Jahren zu einer stetigen Zunahme der Zahl von Naturheilpraxen geführt. Da Patienten, die sich in der Naturheilkunde selbst gut aufgehoben fühlen, häufig auch um Rat und Medikamente für ihre Tiere bitten, ergreifen viele Heilpraktiker zusätzlich den Beruf des Tierheilpraktikers. Und wie oft kommt es vor, dass zu einem Praxisbesuch der Hund mitgebracht wird, sich das Verständnis für den Menschen im Gespräch über das Tier vertieft und bei dieser Gelegenheit private Probleme erörtert werden, die nicht nur den Menschen, sondern auch das Tier belasten. Über solche und ähnliche Erfahrungen wurde so mancher Heilpraktiker zum Studium des Tierheilpraktikers motiviert.
Die Tendenz geht auch in der Tierheilkunde immer mehr hin zu den natürlichen Heilverfahren. Der Vorbeugung und Verhinderung von Krankheiten wird ein höherer Stellenwert zugemessen als dem therapeutischen Zudecken von Symptomen.
Gerade in einer zunehmenden Single-Gesellschaft gewinnt das Haustier immer mehr an Bedeutung. Es nimmt den Stellenwert eines Familienmitgliedes ein, für dessen Wohlergehen man natürlich auch gewillt ist, etwas zu tun.
Noch ist der Beruf des Tierheilpraktikers kein weit verbreitetes Berufsbild, aber doch ein Beruf, der zunehmend an Interesse und Perspektive gewinnt. Maßgeblich zur Etablierung tragen die Berufsverbände bei, die durch Fortbildungsprogramme, Organisation von Kongressen, eine Berufsordnung und die Erstellung eines verbindlichen Gebührenverzeichnisses Einfluss auf die Qualitätssicherung haben. Zurzeit existieren sieben Tierheilpraktikerverbände:
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Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierheilpraktiker im Freien Verband Deutscher Heilpraktiker e. V. (ADT im FVDH): Die Arbeitsgemeinschaft kooperiert mit zwei Ausbildungszentren, den Medicus-Heilpraktikerschulen im Münsterland sowie dem in Köln ansässigen und mit Filialen in Viersen und Moers vertretenen Institut für naturheilkundliche und psychologische Erwachsenenbildung Natura-medica.
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Deutsche Gesellschaft der Tierheilpraktiker und Tierphysiotherapeuten e. V. (DGT): Die DGT ist angeschlossen an das Freie und Private Ausbildungsinstitut für Alternative Tierheilkunde FAT in Gelsenkirchen.
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Deutsche Tierheilpraktiker Union e. V. (DTU): mit Verbandsschule in Günzburg.
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Fachverband Niedergelassener Tierheilpraktiker e. V. (FNT): Der FNT hat seinen Sitz in Bad Oldesloe bei Hamburg. Der Fachverband entstammt ursprünglich der Bad Bramstedter Akademie für Naturheilkunde, die Tierhomöopathen ausbildet.
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Verband der Tierheilpraktiker...
Erscheint lt. Verlag | 16.7.2014 |
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Reihe/Serie | Heilpraxis | Heilpraxis |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie |
Veterinärmedizin | |
Schlagworte | Ausbildung • Berufskunde • Diagnostik • Heilpraktiker • Krankheiten • Lehrbuch • Praxisführung • Recht • Therapie • Tierheilkunde • Tierheilpraktiker • Tierheilpraktikerausbildung • Tierheilpraxis • Veterinärmedizin |
ISBN-10 | 3-8304-9368-1 / 3830493681 |
ISBN-13 | 978-3-8304-9368-6 / 9783830493686 |
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