CBASP - Wissen aus erster Hand Wenn alle Therapieansätze ausgeschöpft sind: Das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) zeigt auch dann noch einen Weg auf - dieses einzigartige Buch zeigt Ihnen, was die neue Methode leisten kann, u.a. bei
- chronischen Depressionen
- Sucht
- posttraumatischem Belastungssyndrom
Front Cover 1
Therapieren mit CBASP: Chronische Depression, Komorbiditäten und störungsübergreifender Einsatz 4
Copyright 5
Vorwort 6
Autorinnen und Autoren 8
Abkürzungen 10
Abbildungsnachweis 11
Inhaltsverzeichnis 12
I - Grundlagen 18
KAPITEL 1 - Einführung und State-of-the-Art von CBASP 20
1.1 Annahme I: Wahrneh mungsentkopplung als aufrechterhaltender Faktor 21
1.2 Annahme II: Verhalten und Konsequenzen als Modifikationsfokus 27
1.3 Annahme III: Selbst zur interpersonellen Konsequenz werden als Taktik zur Verhaltensänderung 28
1.4 Annahme IV: Interpersonelle kausale Determinanten als Rahmen für die CBASP-Strategien 31
1.5 Annahme V: Lernerwerb von CBASP-Strategien führt zu verbesserter Kontrolle der Depressivität 33
1.6 Annahme VI: Lebenslange Erkrankung 35
1.7 Wie soll es mit CBASP weitergehen? 38
KAPITEL 2 - Entwicklungspsychologische Grundlagen von CBASP 42
2.1 Einleitung 42
2.2 Empirische Untersuchung und Bezug zur entwicklungs psychologischen Literatur 44
2.3 Fazit 49
KAPITEL 3 - Zur systemischen Neurowissenschaft der chronischen Depression 52
3.1 Einführung 52
3.2 Das Konzept der (chronischen) Depression überdenken 53
3.3 Pathophysiologie der depressiven Störung 55
3.4 Neurofunktionelle Defizite bei depressiven Störungen 56
3.5 Neuropsychotherapie depressiver Störungen 58
3.6 Multiples Systemmapping bei der Psychotherapie mit CBASP 60
3.7 Fazit 64
KAPITEL 4 - Diagnostik der chronischen Depression aus Sicht des CBASP-Ansatzes 68
4.1 Einführung 68
4.2 Chronische Depression: Allgemeine Messverfahren und ihre Relevanz im Rahmen des CBASP-Ansatzes 69
4.3 Spezifische Messverfahren und ihre Relevanz im Rahmen des CBASP-Ansatzes 71
4.4 Fallbeispiel Herr F 73
4.5 CBASP-spezifische Messverfahren zur Bewertung von Lernprozessen 76
4.6 Fazit 77
KAPITEL 5 - Depression im interpersonellen Zusammenhang 80
5.1 Interpersonell relevante Verhaltensmerkmale chronisch depressiver Menschen 81
5.2 Interpersonelle Risikofaktoren für Depression 82
KAPITEL 6 - Die Rolle früher Traumatisierungen beim CBASP 96
6.1 Empirische und klinische Evidenz: Frühe Traumata, frühe Lebensereignisse und chronische Depression 96
6.2 Rationale: CBASP-Theorie und frühe Traumata 98
6.3 Falldarstellung 99
6.4 Falldiskussion 103
6.5 Zusammenfassung 103
II - CBASP zur Behandlung weiterer Störungsbilder 106
KAPITEL 7 - Behandlung chronischer Depression und komorbider posttraumatischer Belas tungsstörung mit dem CBASP 108
7.1 Klinische und empirische Evidenz 108
7.2 Rationale 112
7.3 Fallbeispiel: komorbide chronische Depression und PTBS 113
7.4 Falldiskussion: Nutzen und Grenzen von CBASP 123
7.5 Herausforderungen und Lösungsansätze 123
KAPITEL 8 - CBASP bei komorbidem Auftreten von chronischer Depression und Alkohol abhängigkeit 126
8.1 Empirische und klinische Evidenz 126
8.2 Rationale 129
8.3 Falldarstellung 133
8.4 Falldiskussion: Nutzen und Grenzen von CBASP 141
8.5 Herausforderungen und Lösungsansätze 142
8.6 Zusammenfassung 144
KAPITEL 9 - Einschätzung von und Umgang mit suizidalem Verhalten in CBASP auf Basis der interpersonellen Theorie 148
9.2 Rationale 150
9.4 Falldiskussion: Nutzen und Grenzen von CBASP 158
9.5 Zusammenfassung 159
KAPITEL 10 - CBASP bei Zwangsstörung und komorbider chronischer Depression 160
10.1 Empirische und klinische Evidenz 160
10.2 Rationale 161
10.3 Falldarstellung 163
10.4 Falldiskussion: Nutzen und Grenzen von CBASP 172
10.5 Herausforderungen und Lösungsansätze 174
KAPITEL 11 - Störungsübergreifender Einsatz von CBASP 178
11.1 Evidenz 178
11.2 Rationale 178
11.3 Die Elemente mit besonderem Potenzial für eine störungsübergreifende Nutzung 179
11.4 Fazit 183
III - Einsatz von CBASP in unterschiedlichen Settings 186
KAPITEL 12 - CBASP im stationären Kontext 188
12.1 Empirische und klinische Evidenz 188
12.2 Rationale 192
12.3 Falldarstellung 200
12.4 Falldiskussion: Nutzen und Grenzen des stationären CBASP-Konzepts 212
12.5 Herausforderungen und Lösungsansätze 212
12.6 Zusammenfassung 213
KAPITEL 13 - CBASP in der Gruppe 216
13.1 Entwicklung des CBASP-Gruppenkonzepts 217
13.2 Empirische und klinische Evidenz 218
13.3 Die wichtigsten Merkmale des Gruppenprogramms 219
13.4 Therapeutische Elemente 220
13.5 Kontraindikationen 220
13.6 Falldarstellung 221
13.7 Falldiskussion 233
13.8 Herausforderungen und Lösungsansätze 233
13.9 Zusammenfassung 236
KAPITEL 14 - Weiterbildung zum CBASP-Therapeuten: Spezifische Weiterbildungsanforde run gen und Expertiseent wicklung 238
14.1 Training in CBASP 239
14.2 Mit den spezifischen Charakteristika chronisch depressiver Menschen umgehen lernen 241
14.3 Anforderungsprofil für CBASP-Therapeuten 242
14.4 Entwicklung zum CBASP-Therapeuten 246
KAPITEL 15 - Beziehungsgestaltung 250
15.1 Empirische Basis 251
15.2 Das Beziehungskonzept des CBASP-Ansatzes 256
15.3 Motivorientierte Beziehungsgestaltung 260
15.4 Falldarstellung: Beziehungsgestaltung mit einem chronisch depressiven Patienten auf der Basis von CBASP-Konzepten 263
15.5 Zusammenfassung 265
IV - Resümee 268
KAPITEL 16 - Einordnung, Entwicklungs möglichkeiten und Heraus forderungen: ein Resümee 270
16.1 Ausgangspunkt für dieses Buch 270
16.2 Ausdifferenzierung für spezielle diagnostische Gruppen und andere Störungsbilder 271
16.3 CBASP als Therapiephasenmodell 272
16.4 Therapeutische Wirkmechanismen 272
16.5 Einbettung in die Landschaft der Entwicklung von Psychotherapien 272
16.6 Ausbildung in CBASP und „Marketing“ 273
16.7 Nutzen über chronische Depression hinaus 274
16.8 Empirie 275
16.9 Praxis 275
Register 278
Entwicklungspsychologische Grundlagen von CBASP
Franz Caspar, Henrik Walter and Knut Schnell1
2.1 Einleitung
Was steckt hinter der Entwicklung chronischer Depressionen, und warum ist diese Frage überhaupt relevant? Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass psychotherapeutisches Vorgehen dann besonders wirksam ist und vor allem auch besonders gut an den Einzelfall angepasst werden kann, wenn der Therapeut ein zutreffendes Verständnis davon hat, wie die behandelte Störung allgemein und im individuellen Fall zustande kam. Dann kann er gezielt dort ansetzen, wo ätiologisch die Ursache vermutet wird, oder etwas präziser ausgedrückt: Er kann gezielt an den verschiedenen Faktoren ansetzen, die nach gängigen multifaktoriellen Modellen zusammen die Störung hervorbringen und aufrechterhalten. Zudem wird sich ein Patient tendenziell besser aufgehoben fühlen, wenn er den Eindruck hat, dass der Therapeut ein als zutreffend empfundenes Verständnis auch der Prozesse hat, die zum gegenwärtigen misslichen Zustand geführt haben.
Die Entwicklungspsychopathologie (Cicchetti 2006) ist insbesondere dann relevant, wenn plausibel ist, dass wichtige Faktoren weiter zurück in der Vergangenheit liegen und mit einer suboptimalen Entwicklung des Individuums verbunden sind. Die Feststellung eines Defizits in der Entwicklung von Fähigkeiten, die für ein gesundes psychisches Funktionieren wichtig sind, wäre ein guter Ausgangspunkt für Überlegungen, ob und wie in der Therapie zur Überwindung eines solchen Defizits beigetragen werden könnte. Ein therapeutischer Ansatz, der solche Entwicklungsaspekte berücksichtigt, ist Ansätzen, die das nicht tun, potenziell überlegen. In diesem Beitrag geht es vor allem um McCulloughs Bezug auf Piaget; es wird aber auch auf die Frage eingegangen, welche anderen entwicklungspsychologischen Konzepte beim CBASP-Ansatz explizit und implizit eine Rolle spielen.
McCullough hat bei erwachsenen chronisch depressiven Patienten einen Ist-Zustand beobachtet, der ihn an die Beschreibung der präoperationalen Phase bei Piaget erinnerte: „Mir sind bemerkenswerte Ähnlichkeiten zwischen Piagets Beschreibung des präoperatorischen Funktionsniveaus von Kindern zwischen 2 und 7 Jahren und den Sprachmustern und Verhaltensweisen chronisch-depressiver Patienten aufgefallen“ (McCullough 2006: 37).
Diese Ähnlichkeiten beziehen sich laut McCullough auf sechs Aspekte (McCullough 2006: 38):
1. Beide Gruppen bedienen sich globalen und prälogischen Denkens.
2. Ihre Denkprozesse lassen sich nicht durch die Argumentation und logische Denkweise anderer beeinflussen.
3. Beide Gruppen sind in ihrer Selbst- und Fremdwahrnehmung durchweg ichzentriert.
4. Verbale Kommunikation erfolgt zum großen Teil in Form von Monologen.
5. Beide Gruppen sind nicht zu authentischer interpersoneller Empathie fähig.
6. Beide Gruppen zeigen in Stress-Situationen eine geringe affektive Kontrolle.
Die Unfähigkeit, im interpersonalen Bereich operativ zu denken, d. h., instrumentelle (= Mittel-Zweck-)Relationen herzustellen, sowie eine egozentrische Sicht steht in engem Bezug zu Piaget. Die geringe affektive Kontrolle ist selbstverständlich ebenfalls therapierelevant, steht aber in weniger engem Bezug zur Präoperationalität. Insgesamt ist die Verwandtschaft zum „Theory of Mind“-Konzept, auf das weiter unten noch eingegangen wird (van Randenborg et al. 2012), ebenso deutlich wie zum Alexithymie-Konzept (Sifneos 1973; Rufer 2012; van Randenborgh et al. 2012).
Sulz (2007: 60) schreibt:
„In der einfachen Feststellung, dass das Denken chronisch Depressiver in entscheidenden Aspekten auf der Stufe eines Kindergartenkindes steht, steckt zugleich eine einfache Therapiestrategie: das Denken auf die nächst höheren Entwicklungsstufen bringen und dadurch bislang unlösbare Probleme lösbar machen. Wer (wieder) kausal und funktional denken kann, erkennt die Lösungsmöglichkeiten seiner zwischenmenschlichen Probleme, erkennt, in welchem Ausmaß sein bisheriges Verhalten zu den unbefriedigenden Ergebnissen führte, die ihn depressiv machten, und erkennt, wie groß seine Einflussmöglichkeiten sind, um mit anderen Menschen zu befriedigenden Interaktionen zu finden. Wer (wieder) abstrakt und logisch denken kann und zugleich Empathie für den anderen hat, kann auch auf Dauer seine Beziehungen befriedigend gestalten. McCulloughs CBASP ist nichts anderes als ein konsequentes und sehr herausforderndes Angebot, diese Entwicklungsschritte zu gehen. Will man die innovative Bedeutung dieses Therapieansatzes verstehen, so muss man zunächst auf Piaget zurückgehen und das Ergebnis seiner Entwicklungsforschung reflektieren. Die Lektüre von Jean Piaget (1995) im Original lohnt sich unbedingt.“
Eine sehr deutliche Zustimmung zum Bezug McCulloughs auf Piaget also, und zudem (auf das Zitat folgend) ein Dienst am Leser in Form einer Zusammenstellung der wichtigsten Elemente der Piaget-Konzepte. Diese Zusammenstellung geht weit über die Aspekte hinaus, auf die McCullough tatsächlich Bezug nimmt, und illustriert anschaulich auch durch deren Einbettung den Ansatz von Piaget insgesamt. In der durchaus nicht trivialen Annahme, dass Menschen in nichtinterpersonalen Bereichen operational funktionieren können, im interpersonalen Bereich dagegen nicht, wird McCulloughs Nutzung der Piaget-Konzepte von Sulz nicht infrage gestellt.
Sulz stellt auch Bezüge her zu anderen Entwicklungstheorien (Cicchetti und Barnett 1991), nach denen bestimmte Entwicklungsbedingungen bis ins Erwachsenenalter anhaltende Defizite zur Folge haben können. Genannt werden:
1. Emotionale Misshandlung (aktiver emotionaler Missbrauch und passiver Neglect)
2. Körperlicher Missbrauch
3. Körperlicher Neglect
4. Sexueller Missbrauch
Die Entsprechung zu den von McCullough genannten ungünstigen Entwicklungsbedingungen ist augenfällig.
Gerade in dem genannten kritischen Punkt, dass das Fehlen von Weiterentwicklung nur bestimmte Bereiche betrifft, nimmt Sulz auch Bezug zu anderen moderneren Entwicklungsansätzen und zitiert das Prinzip der „Einkapselung“ nach Noam et al. (1988).
McCulloughs Bezug auf Piaget ist an sich schon deshalb bemerkenswert, weil die nordamerikanische Psychologie im Allgemeinen ein eher kritisches Verhältnis zu Piaget hat. McCullough hat nicht selbst untersucht, wie weit die beobachtete Ähnlichkeit tatsächlich operationalisiert und empirisch belegt werden kann. Er nutzt jedoch die Idee, dass chronisch depressiven Erwachsenen dieselben Fähigkeiten fehlen wie Kindern im präoperationalen Alter, um Verständnis für die Unfähigkeit von Patienten zur Arbeit mit Therapiemethoden zu schaffen, die operationales Denken voraussetzen. Ebenso schafft er ein Verständnis für die Unfähigkeit dieser Patienten, interpersonale Zustände und Verhalten anderer als Konsequenzen des eigenen interpersonalen Verhaltens zu sehen. McCullough nimmt aufgrund dieser Voraussetzungen an, dass kognitive Verhaltenstherapie deshalb nicht optimal wirken kann, weil sie Fähigkeiten voraussetzt, die chronisch depressive Patienten nicht haben.
Die entwicklungspsychologische Perspektive ist dabei eine inhärent entwicklungsorientierte und optimistische Perspektive: Das Feststellen von Defiziten geht einher mit der Überzeugung, dass die entsprechenden Fähigkeiten im Prinzip nachgelernt werden können. Wie Schramm, Caspar und Berger (2006) feststellen, haben diese Bewertungen ein Potenzial, Therapeuten gegenüber gegenwärtigen Defiziten nachsichtig zu machen, ebenso wie man ja auch einem Kind (normalerweise) nicht vorwirft, dass es gewisse Fähigkeiten erst noch entwickeln muss. Dazu kommt die optimistische Entwicklungsperspektive. Beides wird als günstig bezeichnet, und es wird darauf hingewiesen, dass dies nicht davon abhängt, ob die Analogie zu Piaget empirisch nach dem Wahrheitskriterium validiert werden kann. Der Einwand, dass es despektierlich sei, wenn man erwachsene Patienten wie in der Entwicklung stehen gebliebene Kinder sieht, erscheint uns nachvollziehbar, jedoch gleichzeitig zu oberflächlich wertend und unrichtig, wenn die Sicht von einer grundsätzlich wertschätzenden Haltung des Therapeuten getragen ist.
Die von McCullough unter Bezug auf Piaget genannten Merkmale sind allerdings nicht leicht zu operationalisieren....
Erscheint lt. Verlag | 3.10.2013 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie |
ISBN-10 | 3-437-16836-3 / 3437168363 |
ISBN-13 | 978-3-437-16836-9 / 9783437168369 |
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