'Festgenagelt sein' (eBook)

Der Prozess des Bettlägerigwerdens
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2013 | 2. Auflage
230 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-95260-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

'Festgenagelt sein' -  Angelika Zegelin
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Bettlägerigkeit ist ein häufiger Umstand in Pflegezusammenhängen. Umso erstaunlicher ist es, dass über Bettlägerigkeit kaum etwas bekannt ist: Welche Ursachen gibt es, sind verschiedene Ausprägungen unterscheidbar, wie gehen Betroffene damit um? Ja, selbst der Begriff 'Bettlägerigkeit' ist unklar - sind auch die Menschen als bettlägerig zu bezeichnen, die kurzfristig und mit Hilfe aufstehen können? Diese Forschungsarbeit gibt Antworten auf diese Fragen. In einer breiten Literaturrecherche wird deutlich, dass bisher vor allem die pathophysiologischen Auswirkungen von 'Bettruhe', einem befristeten Zustand des Liegens, gut untersucht sind. In der vorliegenden Studie wurden 32 liegende Menschen zur Entwicklung ihrer Bettlägerigkeit befragt, die Ergebnisse wurden im Forschungsstil der 'Grounded Theory' aufbereitet. Dabei zeigte sich, dass eine Verkettung unglücklicher Umstände schließlich das Dauerliegen herbeiführt. Bettlägerigwerden ist ein Prozess, in dessen Verlauf vor allem das Phänomen der Ortsfixierung in den Vordergrund tritt. Zahlreiche Faktoren, die zum Dauerliegen führen, können beeinflusst werden. Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich viele Hinweise entnehmen, um eine unerwünschte Bettlägerigkeit zu vermeiden. 'Bettlägerigkeit ist keine medizinische Zwangsläufigkeit. Sie hängt weder mit dem Alter eines Menschen zusammen noch mit der Schwere der Krankheit, an der jemand leidet. Stattdessen ist sie meist eine Verkettung unglücklicher Umstände, die man sehr häufig vermeiden könnte.' DER SPIEGEL 52/2004 'Wer immer noch glaubt, dass die Pflegeforschung nichts für die Praxis bringt, der sollte dieses Buch unbedingt kaufen.' Prof. Dr. Ruth Schröck Frau Zegelin gelingt mit der sorgfältigen, anregenden Präsentation ihrer Untersuchung ein kleines Kunststück; sie steckt den Leser mit ihrer eigenen Neugier an und bietet der Pflegewissenschaft und der praktischen Pflege zahlreiche Aspekte und Anregungen, eigene Erfahrungen zu reflektieren, um neue Sichtweisen und Möglichkeiten für die eigene Arbeit zu entwickeln. Sabine Kalkhoff in Pflege & Gesellschaft

Inhalt 6
Geleitwort/Vorwort 14
Zusammenfassung 18
Einleitung 20
1. Der Erkenntnisstand zur Bettlägerigkeit 22
1.1 Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit 22
1.2 Vorkommen von Bettlägerigkeit 23
1.3 Einstellung zur Bettlägerigkeit und anthropologische Grundlagen 25
1.4 Definitionen in Pflegeliteratur und Lexika 27
1.5 Pathophysiologische Auswirkungen von Bettlägerigkeit/Bettruhe 30
1.6 Nomenklaturen, Konzepte und Theorien 42
1.7 Das Bett als besonderer Ort 47
1.8 Verordnetes Liegen – ein Erbe aus dem 19. Jahrhundert 50
1.9 Fazit der Literaturanalyse 53
1.10 Vorsensibilisierung durch die Befragung Pflegender 54
2. Methodologie 60
2.1 Problemstellung 60
2.2 Forschungsziel und Fragestellungen 60
2.3 Der qualitative Untersuchungsansatz 61
2.4 Grounded Theory 63
2.5 Sample und Samplingstrategien 67
2.6 Datenbestand 74
2.7 Datenanalyse 79
2.8 Gütekriterien 84
2.9 Ethische Erwägungen 86
3. Ergebnisse I: Personen und Geschichten 90
3.1 Herr Kampmann 90
3.2 Frau Schulz 92
3.3 Frau Merz 94
3.4 Frau Schmidt 97
3.5 Frau Winter 99
3.6 Frau Meier 101
3.7 Frau West 105
4. Ergebnisse II: Das Phasenmodell mit beeinflussenden Faktoren 108
4.1 Der erste Faktor: Individualität 109
4.2 Der zweite Faktor: Liegepathologie und kognitive Einbußen 111
4.3 Der dritte Faktor: Krankheitsausprägung und Komplikationen 112
4.4 Der vierte Faktor: Weltsicht und Bewältigung 112
4.5 Der fünfte Faktor: Die Pflegenden – Einstellung, Wissen, Möglichkeiten 114
4.6 Die erste Phase: Instabilität 115
4.7 Die zweite Phase: Ereignis 116
4.8 Die dritte Phase: Immobilität im Raum 120
4.9 Die vierte Phase: Ortsfixierung 129
4.10 Die fünfte Phase: Bettlägerigkeit 141
5. Integration der Ergebnisse zur Kernkategorie 148
5.1 Instabilität 149
5.2 Ereignis und Unterordnung 150
5.3 Schicksalhafter Verlauf durch Einflussfaktoren 152
5.4 Immobilität im Raum durch fehlende Mobilisierungshilfen 153
5.5 Mangelnde Aktivierung trotz aktivierender Pflege 155
5.6 Abnehmender Bewegungsradius 157
5.7 Zentrale Kategorie: allmähliche Ortsfixierung 158
6. Diskussion und Erkenntnisgewinn 160
6.1 Theoretische Relevanz des Phasenmodells 160
6.2 Das Konzept «Bettlägerigkeit» 165
6.3 Praktische Relevanz der Untersuchung 170
6.4 Erkenntnisgewinn 181
7. Methodische und inhaltliche Reflexion 182
7.1 Glaubwürdigkeit der Ergebnisse 182
7.2 Grenzen der Studie 184
7.3 Vorschläge für weitere Forschungen 184
8. Schlussbemerkungen 188
9. Ergebnisse aus Praxis-Projekten 190
9.1 Bestätigung früherer Ergebnisse 190
9.2 Orientierung der Praxisprojekte 191
9.3 Ablauf der Praxisprojekte I 192
9.4 Ergebnisse aus den Praxisprojekten 193
9.5 Ablauf der Praxisprojekte II 205
9.6 Schlussgedanken 211
9.7 Anhang – Beispiel einer Fallanalyse – Frau Bayer 213
Nachwort zur 2. Auflage 220
Verzeichnisse 222

Einleitung

In dieser Untersuchung geht es um die Erkundung von Ursachen und Formen von Bettlägerigkeit. Bettlägerigkeit ist eines der wichtigsten und geläufigsten Phänomene in der Pflege, zugleich aber auch ein Begriff aus unserer Alltagssprache. Fast jeder Mensch kann sich unter Bettlägerigkeit etwas vorstellen; dieser Zustand ist bekannt aus der Erfahrung, aus dem eigenen Umfeld, aus Film und Fernsehen oder aus der Literatur.

Und doch gibt es kaum systematisches Wissen über Bettlägerigkeit, insbesondere die Gründe, warum und wann Menschen schließlich bettlägerig werden, sind unbekannt. Eine medizinische Diagnosestellung erklärt nicht, warum im Krankheitsfortschritt der eine Mensch bettlägerig wird und der andere nicht. Verlaufsformen, «Karrieren» des Bettlägerigwerdens mit Weichenstellungen und Schlüsselmomenten sind bisher nicht beschrieben. Untersuchungen aus medizinischer Sicht erklären wohl die Pathophysiologie des Liegens, über psychische und soziale Auswirkungen und Bewältigungsformen für Betroffene und Angehörige finden sich jedoch keine Studien.

Unklar ist auch, was Bettlägerigkeit eigentlich ausmacht. Wird unter Bettlägerigkeit striktes Liegen verstanden, oder fallen unter diese Bezeichnung auch Menschen, die mit Hilfe ganz kurze Zeit «aufstehen» können? Würden sich Menschen selbst auch als bettlägerig bezeichnen, wenn sie nicht im Bett, sondern in einem anderen Möbel den Tag liegend verbringen müssen? Sind im Rollstuhl sitzende Menschen, unfähig zu jeder Bewegung, im Grunde auch bettlägerig?

Diese Untersuchung dient also der Beschreibung eines alltäglichen Gegenstands, wobei auch auf sonst wenig Beachtetes aufmerksam gemacht werden wird und «Selbstverständlichkeiten» in Frage gestellt werden. Eine Selbstverständlichkeit ist etwa die Einleitung des Sterbens mit einer mehr oder weniger langen Phase des im Bett Liegens. In früheren Zeiten haben sich Menschen auf das «Altenlager» begeben, sie haben kaum gegessen, und irgendwann endete ihr Rückzug mit dem Tod:

[...] sich nach einem langen und arbeitsreichen Leben einfach ins Bett gelegt und aufgehört zu sprechen, aufgehört, auf das was gesprochen wurde zu reagieren. (Thorsson, 2000, S. 194) In der heutigen Zeit scheint es diese Form des Rückzugs nicht mehr zu geben, Bettlägerigkeit und mehr noch ihre Folgen werden zu medizinischen und pflegerischen Problemen. Bettlägerigkeit hat beträchtliche Auswirkungen auf die Lebensgestaltung der Betroffenen. In der Regel wird ihre Autonomie stark eingeschränkt, und sie werden oft weitgehend abhängig von helfenden Personen. Im medizinisch-pflegerischen Umfeld wird der Begriff Bettlägerigkeit oft benutzt, doch, wie es scheint, in einer recht diffusen Art.

Die vorgestellten Unklarheiten lassen sich zusammenfassen in der Frage: «Was ist Bettlägerigkeit?» Diese Frage leitet die anschließende Literaturanalyse, der eine Spezifizierung der Forschungsfrage folgt.

1. Der Erkenntnisstand zur Bettlägerigkeit

In diesem Kapitel soll der bisherige Kenntnisstand zum Thema Bettlägerigkeit referiert werden. Den Hauptteil nimmt eine umfassende Vorstellung der relevanten Literatur ein, am Ende des Kapitels werden Ergebnisse einer Befragung Pflegender zu ihrem Verständnis von Bettlägerigkeit dargestellt.

Die Darstellung der bereits bekannten und publizierten Aspekte zum Thema Bettlägerigkeit zeigt, dass der Zugang weit über eine klassische Literaturrecherche hinausgehen muss. Bettlägerigkeit im hier verstandenen Sinn, nämlich als «differenziert verursachter Daseinszustand», findet sich nicht als Stichwort oder Kategorie in der Literatur. Neben der eigentlichen Datenbanksuche werden deshalb auch andere Recherchefelder wie vorhandene Nomenklaturen im Pflegebereich, Texte über Liegemöbel oder Aussagen über Liegen als «historische» Behandlungsform eröffnet.

1.1 Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit

Bettlägerigkeit scheint eng mit Pflegebedürftigkeit verbunden. Ein bettlägeriger Mensch ist unfähig, einen normalen Tagesablauf verglichen mit dem «beweglicher» Menschen zu gestalten, er setzt sich vielen Gefahren aus und ist hilfebedürftig bei zahlreichen Aktivitäten, z. B. bei der Nahrungsaufnahme, Kommunikation, Körperpflege und Ausscheidung.

Über Pflegebedürftigkeit liegen seit Einführung der Pflegeversicherung einige Aussagen und Zahlen vor. Aus pflegewissenschaftlicher/pflegepraktischer Sicht fehlt es allerdings bis heute an einer fundierten und akzeptierten Beschreibung von Pflegebedürftigkeit; damit verbunden fehlen Aussagen zur Theorie und Praxis von Bettlägerigkeit. So wird in § 14 Sozialgesetzbuch (SGB) XI als pflegebedürftig definiert, wer wegen einer Krankheit und/oder einer Behinderung bei der Ernährung, der Mobilität, der Körperpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung auf Dauer – voraussichtlich für mindestens 6 Monate – in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf. Entsprechend der Art, der Häufigkeit und dem Umfang des Hilfebedarfs werden die Pflegebedürftigen einer von drei Pflegestufen zugeordnet, maßgeblich dabei sind vorgegebene Zeitwerte. Es handelt sich hierbei um einen sehr eingeschränkten Begriff von Pflegebedürftigkeit.

In den Begutachtungsrichtlinien des MDS2 wird im Kapitel «Hilfebedarf und Aktivierende Pflege» die vollständige Immobilität mit Bettlägerigkeit gleichgesetzt:…

Erscheint lt. Verlag 9.7.2013
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege
Schlagworte Bettlägerigkeit • Bettruhe • Expertenstandards • Grounded Theory • Liegen • Ortsfixierung • Pathopsychologie • Pflege • Pflegeforschung • Pflegepraxis • Pflegewissenschaft • Pflegezusammenhänge • Pflegezusammenhängen
ISBN-10 3-456-95260-0 / 3456952600
ISBN-13 978-3-456-95260-4 / 9783456952604
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