Familie und öffentliche Erziehung (eBook)
VI, 310 Seiten
VS Verlag für Sozialwissenschaften
978-3-531-91814-3 (ISBN)
Dr. Jutta Ecarius ist Professorin für Erziehungswissenschaft am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Universität Gießen.
Dr. Carola Groppe ist Professorin für Erziehungswissenschaft, insbesondere Historische Bildungsforschung an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Dr. Hans Malmede ist Wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Kultur und Medien der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Dr. Jutta Ecarius ist Professorin für Erziehungswissenschaft am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Universität Gießen. Dr. Carola Groppe ist Professorin für Erziehungswissenschaft, insbesondere Historische Bildungsforschung an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Dr. Hans Malmede ist Wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Kultur und Medien der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Inhaltsverzeichnis 5
Einleitung der Herausgeber 7
Familie in historischer und gegenwärtiger Perspektive: Theoretische Konzeptionen und Diskussionen 10
Bildungsbedeutsamkeit von Familie und Schule. Familienhabitus, Bildungsstandards und soziale Reproduktion – Überlegungen im Anschluss an Pierre Bourdieu 11
‚Milieu‚ als Konzept der Historischen Familienforschung 32
Norbert Elias’ „Etablierte und Außenseiter“ – Anregungen für die Historische Familienforschung 54
Ansprüche an öffentliche Erziehung: Sind die Zuständigkeiten und Leistungen der Institutionen Familie und Schule austauschbar? 69
Theoretische und methodologische Voraussetzungen und Probleme einer bildungshistorischen Familienbiographie – Versuch einer Modellbildung 89
Staat – Familie – Schule 113
„A strategic position in American education”: Diskursive und politische Strategien für die Erweiterung der öffentlichen Kindergärten (1850-1950) 114
Elternhaus und Schule – Kooperation und Opposition Zum Wechselverhältnis beider Sozialisationsinstanzen im 19. Jahrhundert 133
„Der aufmerksame Beobachter des modernen großstädtischen Lebens wird zugeben, dass die Familie heute leider nicht mehr den erziehlichen Wert früherer Tage besitzt.“ 153
„Häusliches Elend“ und „Familienersatz“: Symbolische Konstruktionen in Legitimationsdiskursen von Ganztagsschulen in der Gegenwart 177
Familie, Politik und Beratung 195
Strukturelle Gefährdungen der Familie im Blick der Forschung zu Beginn des 20. Jahrhunderts 196
„Lehret sie, dass sie nicht um ihrer selbst willen sind“ Frühkindliche Sozialisation im Nationalsozialismus 214
Der Erfolg des Scheiterns und das Scheitern des Erfolgs. Die Bedeutung der Familie für die politische Sozialisation: Potsdam 1957 238
Öffentliche Kleinkinderziehung in Deutschland im Fokus des Politischen. Von den Kindergärten 1848 zu den Kinderläden in der 68er Bewegung 259
Gesellschaftsbilder und Konzepte sozialer Steuerung über öffentliche Erziehung in der Familienpolitik und familienwissenschaftlichen Politikberatung Westdeutschlands, ca. 1950- 1980 282
Die Autorinnen und Autoren 304
"„Lehret sie, dass sie nicht um ihrer selbst willen sind"" Frühkindliche Sozialisation im Nationalsozialismus (S. 221-222)
Miriam Gebhardt
1 Einleitung
Die Stellung der Familie im Nationalsozialismus vermag immer noch Illusionen zu erzeugen, wie jüngst die umstrittenen Äußerungen einer Nachrichtensprecherin gezeigt haben.1 Man darf das zwar nicht ungestraft sagen, aber insgeheim gedacht wird es doch: Die Haltung zur Familie und besonders die zur Mutterschaft im 3. Reich gehört auf die vermeintliche Habenseite, ähnlich wie der Kampf gegen Arbeitslosigkeit, der Autobahnbau oder die Solidarität in der Volksgemeinschaft. Robert G. Moellers Eindruck scheint immer noch zuzutreffen, wonach „nicht zuletzt aufgrund der familienförderlichen Maßnahmen wie Ehestandsdarlehen, Familienunterstützungen und Steuervorteile für kinderreiche Familien"" (Moeller 1997: 34) die NS-Ideologie der 1930er Jahre einer gewissen Verklärung unterliege.
Auf diese Weise werden nicht nur die Schicksale der Verfolgten ausgeblendet, sowie die von Deutschland zu verantwortenden Folgen des Krieges für Familien und Kinder zahlreicher Völker – sondern es entsteht der Eindruck, das Geschehen in den deutschen Familien sei eine von Gesellschaft und Politik losgelöste Veranstaltung gewesen. Dieser der bürgerlichen Familienideologie zugrunde liegenden These einer kategorialen Trennung von Familie und öffentlichem Raum sitzt nicht nur der öffentliche Diskurs auf, schon frühzeitig haben auch Wissenschaftler die Familie und besonders die Mütter von einer Verstrickung in den Nationalsozialismus exkulpiert, und auch heute noch findet sich in Einzelstudien die These, wonach die Familie im Nationalsozialismus (lediglich) in eine „strukturelle Krise"" geraten sei, womit nichts anderes gemeint ist, als dass die Gefährdungen und Verwundungen dieses ansonsten gesunden Mikrosystems von außen kamen, durch ein Eindringen des Staates bzw. durch existentielle Risiken wie Krieg, Vertreibung und Mangel.
Die buchstäblich hausgemachten Probleme in der Familie entziehen sich auf diese Weise jedem Zugriff. Insbesondere die Familiensozialisation in der NS-Zeit ist, von einigen wenigen alltagsgeschichtlichen Mosaiksteinchen abgesehen, ein blinder Fleck im Gesamtbild der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts geblieben. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, den Vorhang ein Stück weiter zu öffnen und die Aufmerksamkeit auf gewisse ideologische Grundkomponenten der familialen Sozialisation in der NS-Zeit zu lenken.
Zum einen auf die zeittypischen grundlegenden Vorstellungen vom Kind, der Anthropologie, und darauf, was sich für die Erziehungspraxis daraus ableitete, zum anderen, schon aufgrund der anhaltenden Diskussion einer vermeintlichen Privilegierung von Mütterlichkeit im Nationalsozialismus, auf Fragen der Beziehungsgestaltung zwischen Eltern und Kind. Dabei die frühkindliche Sozialisation die Hauptrolle spielen zu lassen, hat verschiedene Vorteile: Grundsätzlich ist die Frühsozialisation der Ort, an dem die basalen Selbstbilder wirken und Werthaltungen eingeübt werden (vgl. Trommsdorf 1989, Keller 2003), seit dem späten 19. Jahrhundert hat man darüber hinaus der ersten Lebenszeit eine immer zentralere Rolle beigemessen (vgl. Gestrich 1999, Cunningham 2006, Wong 2004, Schulz 2003), im Übergang zur Elternschaft wurde (und wird) ein Moment der erzieherischen Verhaltensunsicherheit vermutet, weshalb Interventionen besonders gerne frühzeitig ansetzen, schließlich sind die Vorstellungen zur frühkindlichen Sozialisation ein Barometer für Wandel, denn gerade hier stoßen festere Strukturen, über die intergenerationelle Transmission in der Familie verfestigt, mit gegenwärtigen Interessenlagen und Erfahrungen zusammen."
Erscheint lt. Verlag | 30.1.2009 |
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Zusatzinfo | VI, 310 S. |
Verlagsort | Wiesbaden |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Familien- / Systemische Therapie |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Bildungstheorie | |
Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Schulpädagogik / Grundschule | |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Bildung • Eltern • Erziehung • Erziehung in der Familie • Erziehungswissenschaft • Familie • Familienbilder • Familienbiographien • Familienforschung • Gesellschaft • Institution • Institutionen • Kinder • Learning and Instruction • Sozialisation • Westdeutschland |
ISBN-10 | 3-531-91814-1 / 3531918141 |
ISBN-13 | 978-3-531-91814-3 / 9783531918143 |
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