Spurenlesen im Sprachdschungel (eBook)

Kommunikation und Verständigung mit demenzkranken Menschen
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2008 | 1. Auflage
303 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-94546-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Spurenlesen im Sprachdschungel -  Svenja Sachweh
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Menschen mit einer Demenz besser verstehen, einfühlend kommunizieren, schwierige Situationen erfolgreich meistern Demenzen schränken neben den Gedächtnisleistungen und der Orientierungsfähigkeit auch die verbale und nonverbale Kommunikationsfähigkeit ganz erheblich ein: An einer Demenz erkrankte Menschen haben Wortfindungsstörungen und Verständnisprobleme. 



Einige erfinden Geschichten, um ihre Gedächtnislücken zu vertuschen, andere wiederholen sich ständig. Viele Menschen mit Demenz durchschauen uns, wenn wir etwas vor ihnen verbergen wollen. Einige reagieren aufgeregt und aggressiv, weil sie unsere Körpersprache missverstehen. Und bei fast allen übertragen sich nonverbale Anzeichen für Stress, schlechte Laune und Aufregung. Wie kann man das vermeiden? Und wie kann man ohne zusätzlichen zeitlichen Aufwand gute Beziehungsarbeit leisten und gegenseitige Verständigung herstellen? 



Das Praxishandbuch der erfahrenen Kommunikationstrainerin und -forscherin Svenja Sachweh vermittelt Pflegenden und allen anderen, die täglich mit demenzkranken Menschen arbeiten, an Hand von authentischen Gesprächsausschnitten und Bildern aus der Altenpflege, wie sie effektiv mit den Betroffenen kommunizieren und schwierige Situationen meistern können.

Inhaltsverzeichnis 6
Einleitung, Zum Aufbau des Buches und Exkurs: Wissenswertes über das Gehirn 12
1 Veränderungen der verbalen Kommunikationsfähigkeit 20
Wortfindungsstörungen 20
Verstehen 44
Grammatik (Wortbildung, Satzbau) 59
Das Gesprächsverhalten von demenzkranken Menschen 65
2 Veränderungen der nonverbalen Kommunikationsfähigkeit 86
Körpersprache wahrnehmen und verstehen 87
Die Kehrseite: Nonverbale Kommunikation nicht oder falsch verstehen 94
Nonverbal sein: Körpersprache statt Worte 96
Was optimale nonverbale Kommunikation in der Pflege erschwert 112
Die Gefahr von voreiligen Schlüssen und Fehleinschätzungen 114
Wie wir die nonverbale Kommunikation gestalten sollten 121
3 Tipps für die Beziehungsarbeit 134
Angemessener Umgang mit demenzkranken Personen 134
Wertschätzende Gesprächsführung 137
Anrede 139
Zuhören 141
Auf Gefühle eingehen 143
Lob und Komplimente 145
Entscheidungen und Wahlmöglichkeiten 146
Zum Abgewöhnen: Falsche Verhaltensweisen 147
4 Optimieren der Gesprächsführung 150
Geschickte Themenwahl 150
Fragen richtig stellen 154
Sinnvoller Einsatz von biografischem Wissen 157
Humor 165
5 Die kommunikative Gestaltung von alltäglichen Pflegesituationen 172
Körperpflege 172
Essen und Trinken 176
Ausscheiden 179
Einschlafen und Aufstehen 180
6 Bewältigung schwieriger Situationen 182
Ständige Wiederholungen 182
Rufen und Schreien 193
Aggressionen und Konflikte 205
Halluzinationen und Wahnvorstellungen 231
Herum- und Weglaufen 237
7 Umgang mit der Wahrheit 252
Realitätsorientierungstraining (ROT) 252
Validation nach Naomi Feil 259
Integrative Validation (IVA) nach Nicole Richard 264
«Notlügen» 268
Fazit 280
Literaturverzeichnis 282
Sachwortverzeichnis 298
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1Veränderungen der verbalen Kommunikationsfähigkeit

1. Veränderungen der verbalen Kommunikationsfähigkeit 1.1 Wortfindungsstörungen 1.1 Wortfindungsstörungen

Die Wortfindungsstörung ist die bekannteste Auswirkung der Demenz auf das Sprechenkönnen. Sie ist teilweise bereits im frühen Krankheitsstadium zu beobachten und kommt im Laufe der Krankheit immer häufiger vor. In den folgenden Abschnitten wird gezeigt, was darunter zu verstehen ist (Abschnitt 1.1.1), mit welchen kommunikativen Strategien die Betroffenen darauf reagieren (Abschnitt 1.1.2) und wie wir mit diesem Problem umgehen sollten (Abschnitt 1.1.3).

1.1.1 Was bedeutet Wortfindungsstörung?

Von einer Wortfindungsstörung spricht man, wenn jemandem mitten im Sprechen plötzlich die Worte für das fehlen, was er sagen möchte: Der Zugriff auf einzelne, für den jeweiligen Gedanken passende Begriffe ist gestört. So begründete beispielsweise einmal eine Dame ihren Wunsch, auf dem Weg von ihrem Zimmer zum Speisesaal von einem Pflegenden begleitet zu werden, mit den folgenden Worten: «Wenn jemand na äh hinten/ nebenher läuft, na is er/ is man/ fühlt man sich gleich beha/ be * be be be be-was-t? Behütet!»

Dieses Phänomen erleben durchaus auch jüngere und sprachgesunde Personen, und zwar gar nicht so selten – nämlich dann, wenn ihnen weniger gebräuchliche Wörter und insbesondere Namen von Menschen, Restaurants oder Filmen sowie Buchtitel zwar «auf der Zunge liegen», aber sie einfach nicht darauf kommen. Manchmal weiß man, mit welchem Buchstaben das gesuchte Wort beginnt, manchmal hat man sogar eine ungefähre Vorstellung davon, wie viele Silben es hat – und kann es doch trotz höchster Konzentration und angestrengten Überlegens nicht aussprechen.1 So ähnlich ergeht es auch Menschen mit Demenz, nur leider sehr viel häufiger: Für sie bleibt das Suchen nach Wörtern nicht die Ausnahme, sondern es wird die Regel. Ihr aktives Vokabular schrumpft sozusagen.

«Es ist, als ob alle Wörter, die ich ordentlich sortiert auf meinen Regalbrettern abgelegt habe, auf den Boden gefegt worden wären und ich in unordentlichen Haufen suchen muss, um das Wort zu finden, das ich brauche. Wenn ich es finde, oder wenigstens ein inhaltlich sehr ähnliches, muss ich herausfinden, wie man es ausspricht und wo ich es in den Satz einfügen muss.» (Bryden, 2005, S.118)

Ausgenommen hiervon bleiben vorwiegend automatisierte Prozesse:3 Am wenigsten betroffen sind Wörter und Ausdrucksweisen, die wir quasi im Schlaf beherrschen, wie etwa:

• die in unserer Sprache und Kultur üblichen Gruß-, Abschiedsund Glückwunschformeln: «hallo», «tschüss», «gute Nacht», «Mahlzeit» ...
• Sprichwörter und formelhafte Redewendungen wie etwa «ach du liebe Zeit», «Menschenskinder noch mal», «Gott sei Dank», «der Wind, der Wind, das himmlische Kind...»4
• die Fähigkeit, akustische Verständnisprobleme zu signalisieren: «wie bitte?», «Was sagten Sie?», «Hä?»
• sprachliche Mittel, um die Aufmerksamkeit anderer zu erregen, wie beispielsweise «hallo!», «Hilfe!», «Schwester!», «kuck mal!»4
• Kosenamen wie «Schätzchen»4
• Schimpfwörter5
• fachsprachliche Ausdrücke aus dem eigenen Beruf
• und individuelle sprachliche Angewohnheiten und Ausdrucksweisen.

Der degenerative Prozess verschont meistens auch die so genannten grammatischen Wörter wie etwa Konjunktionen (z. B. und, dass, weil) und Präpositionen (z. B. an, in, über, unter). Er betrifft demgegenüber zumeist Inhaltswörter, nämlich Substantive (Hauptwörter, z. B. Blume), Adjektive (Eigenschaftswörter, z. B. bunt) und Verben (Tätigkeitswörter, z.B. malen).7 Dabei besteht eine Tendenz dahingehend, dass Menschen mit Demenz umso mehr Probleme mit der Wortfindung haben, je seltener der gesuchte Begriff ist8 und je weniger gut man ihn sich bildlich/plastisch vorstellen kann.9 Während anfangs nur weniger gebräuchliche Aus drücke betroffen sind10, kann es im fortgeschrittenen Stadium vorkommen, dass selbst einfachste und alltäglichste Wörter blockiert sind. Einigen Menschen kann es in späten Krankheitsstadien passieren, dass sie gar keine eigenen Äußerungen mehr formulieren können, sondern quasi zwanghaft die Worte ihres Gesprächspartners wiederholen müssen. Das nennt man fachsprachlich Echolalie. Andere wiederum bleiben an etwas kleben, was sie selber gesagt haben, und müssen es endlos wiederholen. In diesem Fall spricht man von Palilalie oder Perseveration12 (vgl. auch die Abschnitte 1.4.2 und 6.1.1).

«Die Krankheit stört besonders den Zugriff auf die Namen der Dinge, aber ich (er)kenne das Ding noch. Im frühen Stadium ist es der Wortschatz, der verschwunden ist, nicht das Konzept.» (Davis, 1989, S.100)

Wortfindungsstörungen führen bei Menschen mit Demenz häufig dazu, dass sie ins Schwimmen geraten und ihre einmal begonnenen Äußerungen nicht zu Ende führen können: Einzelne, nicht ganz treffende Begriffe werden schon nach dem Anlaut abgebrochen und nicht zu Ende gesprochen; Sprechpausen und kleine Wörtchen wie äh, ähm und na zeigen, dass sie sich große Mühe geben, doch noch auf das gesuchte Wort zu kommen.13 Ihre Sätze erscheinen uns deswegen unvollständig14, umständlich15, leer16 und vage.

Neben der Tagesform und dem Grad der Wachheit bzw. Müdigkeit beeinflussen auch verschiedene andere Faktoren die Häufigkeit und den Ausprägungsgrad von Wortfindungsstörungen. Eine nicht unerhebliche Rolle spielt die Kognition, die Denkfähigkeit. Es ist ein Unterschied, ob jemand Teile seines Wissens über die Welt und über Wortbedeutungen ähnlich wie Teile seiner Erinnerung krankheitsbedingt gänzlich verloren hat18 oder aber nur vorübergehend nicht aktiv darauf zugreifen kann.19 Auch Gefühle spielen eine wichtige Rolle: Bei Themen, die die Menschen emotional berühren und interessieren, funktioniert die Wortfindung offensichtlich besser als bei alltäglichen und banalen Gesprächsinhalten.

Erscheint lt. Verlag 1.1.2008
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Medizin / Pharmazie Pflege
Schlagworte Altenpflege • Demenz • Pflege
ISBN-10 3-456-94546-9 / 3456945469
ISBN-13 978-3-456-94546-0 / 9783456945460
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