Ernährung bei Demenz (eBook)
169 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-94397-8 (ISBN)
Willi Rückert / Radka Arnold / Brigitte Bauer-Söllner / Claudia Brinner / Christina Ding-Greiner / Christian Kolb / Mechthild Lärm / Ursula Mybes / Magda Schreier / Renate Vanorek
Ernährung bei Demenz
Aus der Reihe der Robert Bosch Stiftung (Hrsg.): Gemeinsam für ein besseres Leben mit Demenz.
Rund eine Million Menschen in Deutschland leiden an Demenz. Die enorme Herausforderung dieser Krankheit für unser Gesundheitssystem und unsere Gesellschaft ist nur zu bewältigen, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Das möchte die Initiative «Gemeinsam für ein besseres Leben mit Demenz» der Robert Bosch Stiftung erreichen. In sieben Werkstätten haben rund 80 Vertreter aus Politik und Verwaltung und von Angehörigenorganisationen gemeinsam mit Wissenschaftlern und Praktikern aus Medizin, Pflege und anderen Disziplinen über die zentralen Probleme des Lebens mit Demenz diskutiert. Die sieben Berichte der Werkstätten fassen das jeweilige Thema zusammen, greifen gute Ansätze in der Praxis auf und geben Handlungsempfehlungen. Sie richten sich an alle, die beruflich direkt oder indirekt mit der Begleitung von Menschen mit Demenz befasst sind, sowie an interessierte Laien und Entscheidungsträger.
Die präventiven und rehabilitativen Wirkungen einer guten Ernährung im Alter sind erheblich. Essen und Trinken bedeuten auch Genuss und Lebensqualität. Der Bericht «Ernährung bei Demenz» benennt physiologische und soziokulturelle Aspekte und weist auf die Bedeutung des Zahnstatus und der Bewegung hin. Er zeigt Möglichkeiten der Verbesserung im häuslichen sowie im stationären Umfeld auf und diskutiert Problemfelder wie die Ernährung im Akutkrankenhaus und die künstliche Ernährung von Menschen mit Demenz.
Vorwort der Robert Bosch Stiftung zur Reihe «Gemeinsam für ein besseres Leben mit Demenz» 6
Inhalt 8
Teil 1 Die Ernährungssituation Demenzkranker 12
1 Bedarfs- und bedürfnisgerechte Ernährung bei Demenz – Erfordernisse und Möglichkeiten 14
Die Ernährungssituation alter und demenzkranker Menschen 14
Wie sich das Essen und Trinken für Menschen mit Demenz verändert 17
Prävention durch Ernährung 17
Verbesserung der Esskultur bedeutet Verbesserung der Lebensqualität 18
Ernährung bei Demenz – Anregungen für eine qualitativ hochwertige Ernährungskultur 18
2 Soziokulturelle und psychische Aspekte der Ernährung bei Demenz 20
Zwischen Müssen und Dürfen, Können und Wollen – warum wir (nicht) essen 21
Was wir essen – Nahrungsangebot und -beschaffung 22
Gemeinschaft herstellen und Selbstbestätigung verschaffen – Gemeinsam kochen 23
Gemeinschaft herstellen und das Selbstvertrauen stärken – Gemeinsam essen 24
Essen und Trinken mit fremder Hilfe – die Begegnung zweier Menschen 24
Eine vertraute und angenehme Umgebung fördert den Appetit 25
Soziale Netzwerke zur Sicherstellung der Ernährung und des Wohlbefindens 25
3 Altersbedingte körperliche Veränderungen und ihr Einfluss auf das Essen und Trinken von Demenzkranken 26
3.1 Nachlassende Sinnesfähigkeiten und Appetitverlust 27
3.2 Altersbedingte Veränderungen des Verdauungstraktes 29
3.3 Flüssigkeitsbedarf 30
3.4 Energie- und Nährstoffbedarf 31
3.5 Veränderungen von Mund und Zähnen 34
3.6 Das Zusammenwirken von Bewegung und Ernährung bei Demenzkranken 38
4 Mangel- und Fehlernährung im Alter und bei Demenz 44
4.1 Gewichtsverlust 45
4.2 Faktoren, die eine Mangelernährung beeinflussen 46
4.3 Mögliche Folgen von Fehl- und Mangelernährung 50
5 Erfassung der Ernährungssituation – Screening und Assessment 52
5.1 Screening zur groben Erfassung der Ernährungssituation 52
5.2 Genaue Einschätzung der Ernährungssituation durch das Assessment 53
5.3 Instrumente zur Erfassung der Ernährungssituation 54
5.4 Ernährungssoftwareprogramme 56
Teil 2 Verbesserung der Ernährungssituation Demenzkranker 58
6 Verbesserung der Ernährungssituation von Demenzkranken – Empfehlungen und Informationen 60
7 Individuelle Ernährungsbedürfnisse von Demenzkranken 62
8 Verbesserung der Ernährungssituation Demenzkranker in der häuslichen Umgebung 66
8.1 Hochrisiko-Gruppe: Alleinstehende mit Demenz 66
8.2 Infrastrukturelle Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation zu Hause lebender Demenzkranker 67
8.3 Ernährungsrichtlinien für ältere Menschen 69
8.4 Die Ernährungssituation pflegender Angehöriger 70
9 Verbesserung der Ernährungssituation Demenzkranker in der Tagespflege 72
10 Verbesserung der Ernährungssituation Demenzkranker in der stationären Altenhilfe 74
10.1 Verpflegungskonzepte – eine Möglichkeit zur bedarfsund bedürfnisgerechten Ernährung 74
10.2 Informationen und Empfehlungen für die Entwicklung eines Verpflegungskonzepts 75
1. Rahmenbedingungen 76
2. Empfehlungen für den Umgang mit verpflegungsrelevanten körperlichen Veränderungen im Alter und bei Demenz 76
3. Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung alter Menschen in der Gemeinschaftsverpflegung 79
4. Empfehlungen zur Sicherung des Nährstoff- und Energiebedarfs von Demenzkranken 83
5. Darreichungsformen der Speisen für Demenzkranke 86
6. Konsistenzstufen der Ernährung bei Schluckstörungen 87
7. Diätetische Einschränkungen im Alter 88
8. Haupt- und Zwischenmahlzeiten 90
9. Essenszeiten 91
10. Kontinuierliche Verfügbarkeit und Hygiene 92
11. Möglichkeiten einer bewohnerorientierten Speisenpräsentation und der Unterstützung bei der Auswahl 92
12. Bestellsysteme 94
13. Gestaltung von Essplatz und Umgebung 95
14. Unterstützung und Hilfe bei der Mahlzeiteneinnahme 99
15. Hinweise für ein geeignetes Verpflegungssystem 101
16. Empfehlungen für die Personaleinsatzplanung 103
10.3 Ernährungsteams 105
10.4 Empfehlungen für die Dokumentation durch Pflege und Hauswirtschaft 108
10.5 Empfehlungen für Verhaltensweisen in besonderen Situationen 109
10.6 Wohnumfeld- und Pflegevisite als Kontrollinstrumente 110
10.7 Assessmentinstrumente in der stationären Altenhilfe 110
11 Verbesserung der Ernährungssituation Demenzkranker im Krankenhaus 112
12 Künstliche Ernährung von Menschen mit Demenz 118
Teil 3 Konsequenzen 128
13 Wissen, Bildung und Ernährung 130
13.1 Ernährung alter Menschen –ein Randthema in der Ausbildung 130
13.2 Fort- und Weiterbildungen für Profis 132
13.3 Schulungen für pflegende Angehörige 133
13.4 Lehr- und Lernmittel 135
13.5 Aufklärungskampagnen 137
14 Forderungen und gesetzliche Regelungen für die Ernährung Hilfebedürftiger 138
14.1 Ernährungsbezogene Regelungen im Krankenversicherungsrecht (SGB V) 138
14.2 Ernährungsbezogene Regelungen im Pflegeversicherungsrecht (SGB XI) 139
14.3 Rechte hilfebedürftiger Menschen auf bedürfnisgerechte Ernährung 141
14.4 Chancen der Charta der Rechte hilfebedürftiger Menschen 144
15 Grundlagen für eine verbesserte Ernährungskultur – Empfehlungen an Entscheidungsträger aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft 146
15.1 Empfehlungen an Politiker in Bund, Ländern und Kommunen 147
15.2 Empfehlungen an Entscheidungsträger der Pflegeund Krankenkassen 151
15.3 Empfehlungen an Ärzte 152
15.4 Empfehlungen an Entscheidungsträger aus der Pflege 153
15.5 Empfehlungen an Leitungsverantwortliche des Bereichs Hauswirtschaft 156
Literatur 158
Autorinnen und Autoren 168
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3 Altersbedingte körperliche Veränderungen und ihr Einfluss auf das Essen und Trinken von Demenzkranken (S. 25-26)
Je älter der Mensch wird, umso deutlicher spürt er, dass er einen Körper hat. In jungen Jahren ist jede Bewegung selbstverständlich. Man denkt nicht darüber nach, welches Gelenk beim Griff nach der Zuckerdose beansprucht wird. Erst wenn dieses Gelenk schmerzt, wird es bewusst. Der Körper verändert sich. Zu den gravierendsten Begleiterscheinungen des Alterns zählt die Abnahme der stoffwechselaktiven Muskelmasse – die Kraft lässt nach. Die Abnahme der Skelettmuskulatur beeinträchtigt die Knochendichte und die Funktionsfähigkeit der Gelenke. Das Sturz- und Frakturrisiko ist erhöht. Auch die Feinmotorik verändert sich. Greifen und Halten sind erschwert, Besteck kann unter Umständen nicht mehr gefasst und zum Mund geführt, Tassen können nicht mehr gehalten werden.
Die Sinnesorgane arbeiten anders als früher. So kann das Temperaturempfinden gestört sein, der Geschmack verändert sich, Tast-, Seh-, Hör-, Schmeck- und Riechfähigkeit lassen nach.
Das Durstgefühl verringert sich und der Körper signalisiert nicht mehr die zu geringe Flüssigkeitsaufnahme. Veränderungen im Magen-Darm-Trakt können zu gestörter Nahrungsverwertung führen.
Diese Veränderungen des Körpers sind normal. Beim einen treten sie deutlicher zutage, beim anderen weniger. Orientierte Menschen können die Einschränkungen teilweise kompensieren. Sie akzeptieren sie und tragen Brillen und Hörgeräte. Sie erkennen Nahrungsmittel und erwarten über das Sehen eines Lebensmittels oder eines Getränks einen Geschmack, den sie trotz einer Reduzierung der Riechund Geschmackszellen aufgrund ihrer Erinnerungsfähigkeit wahrnehmen können. Demenziell erkrankte Menschen reagieren auf die altersbedingten Veränderungen anders, was ein besonderes Verhalten der Betreuer nötig macht.
In diesem Kapitel stehen die normalen (physiologischen) Veränderungen des menschlichen Körpers im Vordergrund, die das Ernährungsverhalten im Alter beeinflussen. Es wird beschrieben, welche Auswirkungen diese Veränderungen auf die Ernährung von Demenzkranken nehmen können. Wie sich der Appetit, das Hunger- und Durstgefühl sowie Energie- und Nährstoffbedarf der Kranken verändern und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Ausführlich behandelt werden die Veränderungen vonMund und Zähnen und des Bewegungsapparates. Ein unangemessener Umgang mit diesen physiologischen Veränderungen kann krankhafte Veränderungen zur Folge haben. Die Möglichkeiten, das zu verhindern und so einer Fehl- oder Mangelernährung (Kap. 4) vorzubeugen, werden in diesem und den folgenden Kapiteln dargestellt.
3.1 Nachlassende Sinnesfähigkeiten und Appetitverlust
Während gesunde Menschen ihre nachlassenden Sinnesfähigkeiten verstehen und kompensieren, können Demenzkranke nicht damit umgehen. Sie lehnen ihre Brille ab, weil sie diese als störend empfinden. Die Seheinschränkungwird nicht kompensiert, die Kranken erkennen Nahrungsmittel nicht als solche oder verkennen das, was vor ihnen ist (Geschirr-Dekor wird z. B. als Schmutz interpretiert) und essen nichts. Dies sind ausschließlich Folgen der nachlassenden Sehfähigkeit und bedeuten (noch) keine Fehldeutung der vom Auge ans Gehirn weitergeleiteten Reize. Der Geruchssinn unterstützt das Erkennen und Schmecken von Nahrung. Bei demenziell erkrankten Menschen ist das Geruchsempfinden oft schon sehr früh gestört und kann im Verlauf der Erkrankung ganz schwinden. Dieser Verlust kann sich nicht nur gravierend auf den Ernährungszustand auswirken, sondern ist auch ein Verlust an Lebensqualität: Die Betroffenen sehen Speisen, die ihnen vertraut sind, können sie aber nicht riechen und schmecken. Bekanntes wird fremd durch den Verlust der Sinne.
Erscheint lt. Verlag | 1.1.2007 |
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Verlagsort | Bern |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie |
Schlagworte | Angehörige • Angehörigenorganisationen • Angehörigenschulungen • Demenz • Demenzkranke • Deutschland • Entscheidungsträger • Geriatrie • Gesellschaft • Gesundheit • Gesundheitssystem • Herausforderung • Informationsangebote • Laien • Palliativmedizin • Pflege • Politik • Unterstützungsangebote • Versorgung • Verwaltung • Werkstätten |
ISBN-10 | 3-456-94397-0 / 3456943970 |
ISBN-13 | 978-3-456-94397-8 / 9783456943978 |
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