Ethik und Recht (eBook)

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2007 | 1. Auflage
137 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-94398-5 (ISBN)

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Ethik und Recht -  Christian  Petzold et al.
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Christian Petzold / Uwe Brucker / Kathrin Ohnsorge / Barbara Reisach / Beate Robertz-Grossmann / Traugott Roser / Christoph Schade / Hans-Ludwig Schreiber / Ruth Schwerdt / Armin Stelzig / Clemens Tesch-Römer / Helmut Wallrafen-Dreisow / Karin Wilkening



Ethik und Recht



Aus der Riehe der Robert Bosch Stiftung (Hrsg.): Gemeinsam für ein besseres Leben mit Demenz.



Rund eine Million Menschen in Deutschland leiden an Demenz. Die enorme Herausforderung dieser Krankheit für unser Gesundheitssystem und unsere Gesellschaft ist nur zu bewältigen, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Das möchte die Initiative «Gemeinsam für ein besseres Leben mit Demenz» der Robert Bosch Stiftung erreichen. In sieben Werkstätten haben rund 80 Vertreter aus Politik und Verwaltung und von Angehörigenorganisationen gemeinsam mit Wissenschaftlern und Praktikern aus Medizin, Pflege und anderen Disziplinen über die zentralen Probleme des Lebens mit Demenz diskutiert. Die sieben Berichte der Werkstätten fassen das jeweilige Thema zusammen, greifen gute Ansätze in der Praxis auf und geben Handlungsempfehlungen. Sie richten sich an alle, die beruflich direkt oder indirekt mit der Begleitung von Menschen mit Demenz befasst sind, sowie an interessierte Laien und Entscheidungsträger.



Menschen mit Demenz verfügen über eine verletzliche Autonomie, da sich ihre kognitiven Fähigkeiten im Krankheitsverlauf verändern. Der Umstand, dass dadurch die Entscheidungsfähigkeit zunehmend beeinträchtigt wird, führt zu komplexen ethischen und rechtlichen Fragen im Umgang mit den Betroffenen. Der Bericht diskutiert verschiedenste ethische und rechtliche Aspekte: den Begriff der Autonomie und die moralische Kompetenz der professionellen Helfer, die Schnittstellenproblematik in der Versorgung von Demenzkranken, vorsorgende Patientenverfügungen sowie Gestaltungsmöglichkeiten am Lebensende.

Vorwort der Robert Bosch Stiftung zur Reihe «Gemeinsam für ein besseres Leben mit Demenz» 6
Inhalt 8
1 Einleitung 10
2 Was ist ein gutes gemeinsames Leben mit Demenz? 14
Menschen mit Demenz brauchen einen Rahmen, in dem sie sich entwickeln können 15
3 Kritik normativer Grundbegriffe als Orientierungswerte für ein besseres Leben mit Demenz 18
3.1 Prolegomena zum Leitwert «Gesundheit» 18
3.2 Autonomie als grundlegendes Werteprinzip 23
4 Moralische Kompetenz im Umgang mit Menschen in Demenzprozessen 34
5 Pflegebedürftig mit Demenz und das SGB XI 42
5.1 Pflegebedarf und Pflegebedürftigkeit 44
5.2 Pflegebedürftigkeit und Begutachtung im SGB XI 48
5.3 Pflegeleistungen für Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz im ambulanten Bereich 52
5.4 Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz im SGB XI 54
5.5 Der Teilleistungscharakter der Pflegeversicherung 55
5.6 Der erweiterte Pflegebedürftigkeitsbegriff (nach dem Papier der AG II des Bundespflegeausschusses vom 10. Juni 2002) 58
Fazit 63
6 Aspekte zur Schnittstellenproblematik bei der Pflege von Menschen mit Demenz 64
6.1 Schnittstellen zwischen SGB V und SGB XI 66
6.2 Schnittstellen zwischen Rehabilitation und Pflege 67
6.3 Schnittstellen zwischen Heim und Krankenhaus 68
6.4 Schnittstellen zwischen verschiedenen Helfersystemen 69
7 Patientenverfügungen und Demenz 72
7.1 Die Rechtslage 2005 74
7.2 Aktuelle Entwicklung im Bundestag 78
7.3 Patientenautonomie am Lebensende 82
8 Inszenierte Kommunikation 86
8.1 Der Status der Person und die Frage personaler Identität 87
8.2 Inszenierung von Kommunikation 92
8.3 Person als Thema theologischer Anthropologie 93
8.4 Konsequenzen relational vermittelter Autonomie 97
9 Gestaltungsmöglichkeiten am Lebensende 100
9.1 Kurative und palliative Behandlungsformen 100
9.2 Elemente des langfristigen Planens («advance care planning») 102
9.3 Ethische Fragen am Lebensende 105
9.4 Ein «gutes Sterben» für Menschen mit Demenz – Sterbeort und letzter Wunsch 113
9.5 Netzwerk Abschiedskultur 117
10 Rechtliche Rahmenbedingungen für den Erhalt von Autonomie und Selbstbestimmung 122
10.1 Verbesserung des Anlegerschutzes 126
Literatur 128
Über die Autorinnen und Autoren 136
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2 Was ist ein gutes gemeinsames Leben mit Demenz? (S. 13-14)

Helmut Wallrafen-Dreisow und Armin Stelzig

Ein gutes gemeinsames Leben mit Demenz bedarf grundsätzlich erst einmal keiner anderen Bedingungen als ein Leben ohne Demenz. Wann ist ein Leben gut? Woran wird dies gemessen? An welchen Werten? Eine allgemeingültige Definition des «guten Lebens» gibt es nicht. Sind Lebensqualität und gutes Leben gleich zu setzen? Sind die Kriterien für ein «gutes Leben» – zumindest innerhalb eines Kulturkreises – objektivierbar? Sind hier die Befriedigung von Bedürfnissen zu nennen, die Erreichung von Zielen, subjektives Glücksempfinden, um nur einige mögliche Werte zu nennen? Oder ist es vielmehr die Summe all dessen? Habe ich alles, damit ich gut leben kann? Welche Ressourcen brauche ich und über welche verfüge ich? Können Ressourcen unabhängig von Zielen betrachtet werden? Welche Werte bestimmen unsere Ziele? Gelingt es mir, meine Ressourcen so einzusetzen, dass ich meine Ziele erreiche? Und habe ich dann ein gutes Leben?

Die Definition eines guten Lebens eines bestimmten Individuums obliegt – sofern es nicht um Verantwortlichkeit gegenüber anderen geht – dem Individuum selbst und ist Ausdruck seiner Selbstbestimmung. Im Kontext von Demenz ist die Frage zu beantworten, wie Autonomie erhalten bleiben kann. Die Definition von Lebensqualität kann (und muss) im Unterschied dazu auch objektiv messbar sein (mit Berücksichtigung der subjektiven Einschätzung durch Individuen) und stellt auf das Vorhandensein wie auch immer gearteter Lebenschancen und -bedingungen ab.

Menschen mit Demenz brauchen einen Rahmen, in dem sie sich entwickeln können

Bei Menschen mit Demenz ändern sich die kognitiven Fähigkeiten. Sie können sich in fortgeschrittenen Phasen nicht mehr reflexiv in Beziehung zu sich und ihrer Umwelt setzen, entwickeln aber neue Formen der Weltvergegenwärtigung. Dazu gibt es die unterschiedlichsten Beispiele, die im Alltag mit demenziell erkranktenMenschen zu beobachten sind.

Frau Schmitz wiederholt automatisierte Handlungsabläufe und streicht den Nachtisch über den Tisch oder «faltet» die Tischdecke. Herr Meier schlägt mit dem Kaffeelöffel gegen ein Glas, weil er als ehemaliger Fernsehtechniker immer noch löten muss. Frau Schulz schafft sich eine neue Struktur und läuft den immer selben Weg, oder sie muss permanent fragen: «Was soll ich tun?» Herr Müller ist auf der Suche und muss laufen. Frau Anders erzählt gern – immer die gleiche Geschichte. Herr Müller hat Angst und will immer Nähe. Frau Jansen teilt sich gerne mit und schreit.

Geht man von der Einzigartigkeit eines jeden Menschen aus, dann ist jede Ausdrucksform eines Menschen, auch die eines Menschen mit Demenz, sinnvoll und berechtigt. Das, was Personen, die sich verstandesmäßig ändern, äußern, ist weder pathologisch noch entwürdigend. Die Menschen müssen nicht prinzipiell behandelt, therapiert, gepflegt und erst recht vor sich selbst bewahrt werden. Medizinische und pflegerische Behandlungen sind nur in dem Maße erforderlich, wie seelisches und körperliches Leiden auftreten oder auftreten können, und sind darauf zu beschränken.

Erscheint lt. Verlag 1.1.2007
Verlagsort Bern
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie
Schlagworte Altenpflege • Angehörige • Autonomie • Demenz • Demenzkranke • Eid • Ernährung • Ethik • Geriatrie • Gerontologie • Gerontopsychologie • Gesundheit • Gesundheitssystem • Gesundheitswissenschaften • Krankheit • Medizin • Moral • Palliativmedizin • Patientenverfügung • Pflege • Recht • Versorgung
ISBN-10 3-456-94398-9 / 3456943989
ISBN-13 978-3-456-94398-5 / 9783456943985
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