Verletzte Helfer (Leben lernen, Bd. 222)
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-89090-7 (ISBN)
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Helfen kann überfordern und auszehren. Diese Erfahrung teilen viele Traumatherapeuten und Helfer in Kriegs- und Krisenregionen, aber auch in der therapeutischen Praxis. Der Autor benennt im Detail die Stressfaktoren und zeigt, wie einer Verletzung der Helfer wirksam vorgebeugt werden kann.
Menschen zu helfen, die schweren traumatischen Belastungen ausgesetzt sind, ist ein riskantes Unterfangen. Psychotherapeuten und Helferteams, die in Krisenregionen, nach Naturkatastrophen oder auch in der therapeutischen Praxis mit schwerstem Leid und Verstörung konfrontiert sind, geraten an ihre Grenzen - oder überschreiten diese.
Der bekannte Traumatherapeut und -forscher Christian Pross hat die Situation von Helfern in aller Welt erforscht und analysiert:
- Die typischen, weil strukturell bedingten Spannungen und Spaltungsmechanismen in Helferteams,
- Charakteristische Haltungen: zwischen Selbstaufopferung und narzisstischen Größenphantasien,
- Überlastungssymptome: Erschöpfung, Depression, Angst, Sucht.
Darauf aufbauend hat er herausgefunden, was Helfern wirklich hilft. Überforderte Helfer, auch einzeln arbeitende Therapeuten, werden sich und ihre Arbeitsbedingungen darin wieder finden. Und sie erhalten wertvolle Hinweise, wie sie ihre Kräfte bewahren, Ressourcen nutzen und ihr Engagement erhalten können.
Christian Pross, Prof. Dr. med., Arzt für Allgemeinmedizin, Ausbildung in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie und zum Supervisor (DGSv), ist Mitbegründer und war von 1992 bis 2004 Leiter des Behandlungszentrums für Folteropfer in Berlin, ab 2009 Wissenschaftlicher Leiter einer Arbeitsgruppe Psychotraumatologie-Forschung am »Zentrum Überleben« in Berlin; Lehrtätigkeit an der Universität; Mitglied im United Nations Subcomittee on Prevention of Torture. 2008 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.
Prof. Dr. med. Luise Reddemann ist Nervenärztin, Psychoanalytikerin und Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin. Seit gut 50 Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit Trauma und Traumafolgestörungen. Von 1985 bis 2003 war sie Leiterin der Klinik für Psychotherapie und psychosomatische Medizin des Ev. Johannes-Krankenhauses in Bielefeld und entwickelte dort ein Konzept zur Behandlung von Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen, die »Psychodynamisch imaginative Traumatherapie« (PITT). Luise Reddemann führt zahlreiche Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen durch. Im Rahmen ihrer Honorarprofessur an der Universität Klagenfurt für medizinische Psychologie und Psychotraumatologie widmet sie sich den Arbeitsschwerpunkten Resilienz sowie Folgen von kollektiven Traumatisierungen. Luise Reddemann war Mitglied im Weiterbildungsausschuss der Deutschen Akademie für Psychotraumatologie, im Wissenschaftlichen Beirat der Lindauer Psychotherapiewochen und in der wissenschaftlichen Leitung der Psychotherapietage NRW. Luise Reddemanns Bücher und CDs im Verlag Klett-Cotta haben auch bei Betroffenen weite Verbreitung gefunden und vielen Menschen geholfen, mit einer traumatischen Erfahrung besser fertig zu werden. Weitere Informationen zu Luise Reddemann finden Sie unter: www.luise-reddemann.de
Vorwort von Luise Reddemann
Prolog - Zwei Geschichten
Einleitung
Statistik
Methodik
Danksagung
1. Phasen der Organisations- und Gruppenentwicklung 1.1 Die Kultur von Non-Profit-Organisationen
1.2 Gruppenbildung
2. Die Pionierphase von Traumazentren 2.1 Aufbruchstimmung - Forming
2.2 Wachstum, Klimaveränderungen, Konflikte - Storming
3. Einrichtungen mit niedrigem Stress-und Konfliktpegel - vom Norming zum Performing, von der Differenzierung zur Integration 3.1 Exkurs über die Niederlande
4. Einrichtungen mit hohem Stress- und Konfliktpegel im Spiegel von Organisationsanalysen 4.1 Organisation A: Steckenbleiben in der Pionierphase - permanentes Storming
4.2 Von der Pionierphase zur Diff erenzierung - vom Storming zum Norming
5. Die Kultur von Traumazentren mit hohem Stress- und Konfliktpegel 5.1 Moralischer Anspruch, Märtyrerkomplex, Selbstaufopferung
5.2 Therapie als Kampf
5.3 Realitätsferne
5.4 Überidentifikation: Opfer sind bessere Menschen
5.5 Der charismatische Pionier
5.6 Die Kehrseite - Narzisstische Größenfantasien
5.7 Quellen des Narzissmus in Traumazentren
6. Symptome von Stress und Überlastung 6.1 Überarbeitung, Workaholismus
6.2 Erschöpfung, Unlust
6.3 Familiäre Spannungen, Trennung
6.4 Depressionen
6.5 Ausstiegswunsch
6.6 Körperliche Erkrankungen
6.7 Sucht
6.8 Albträume
6.9 Weltbild erschüttert
6.10 Schlafstörungen
6.11 Gereiztheit
7. Ressourcen der Helfer 7.1 Familie, Kinder
7.2 Realistische Ziele
7.3 Dokumentieren, Forschen, Publizieren, Lehren
7.4 Ausbildung, Weiterbildung
7.5 Eigenes Trauma als Antriebskraft
7.6 Kulturelle Aktivitäten
7.7 Austausch unter Kollegen
7.8 Politisches Engagement, Öff entlichkeitsarbeit
7.9 Humor
7.10 Erfolgserlebnisse
7.11 Patientenarbeit
7.12 Sport, Natur
7.13 Aus-Zeiten, Sabbatjahr, Ausstieg
7.14 Geselligkeit, Freunde
7.15 Reisen
7.16 Reframing statt Containing
7.17 Sinngebung, tradierte Lebensweisheiten
8. Eigenes Trauma, Ressource und Risiko 8.1 Motiv: Selbsterkenntnis und Selbstheilung
8.2 Professionell bearbeitetes Helfer-Trauma
8.3 Unbearbeitetes Helfer-Trauma
9. Reinszenierung des Traumas 9.1 Geheimdienstgeschichten, Bespitzelung, Verdächtigungen
9.2 Feindprojektionen
9.3 Misstrauen, sich verfolgt fühlen
9.4 Besessen- und Fasziniertsein vom Schrecklichen
9.5 Angst
9.6 Täter - Opfer
9.7 Aggression
9.8 Zurück in der Zelle
10. Struktur von Einrichtungen mit hohem Stress- und Konfliktpegel 10.1 Strukturlosigkeit
10.2 Der permanente Notfall, »ambulance chasing«
10.3 Basisdemokratie
10.4 Leitung nur pro forma, zum Schein
10.5 Endlose Diskussionen, »wie der Hamster im Rad«
10.6 Fraktionierung, Grabenkämpfe
10.7 Die Kontrolleure kontrollieren sich selbst
10.8 Grenzverletzungen
11. Quellen der Strukturlosigkeit 11.1 Team-Mythos
11.2 Nischenkultur, informelle Leiter, »kleine Könige«
11.3 Mangelnde Professionalität und Qualifikation
12. Paradoxien - Aus Machtmissbrauch verhindern wird Machtmissbrauch 12.1 Die basisdemokratische Variante des Paradoxon
12.2 Die despotische Variante des Paradoxon
13. Persönlichkeitsfaktoren 13.1 Fünf Geschichten
13.2 Spaltung - Zwei Gesichter
14. Raum geben für die Bearbeitung des Destruktiven
15. Der Drahtseilakt zwischen Nähe und Distanz - Ohne Leidenschaft verliert die Einrichtung ihre Seele
Einleitung
Die Erkenntnis, dass Ärzte und Angehörige von helfenden Berufen selbst verletzt und hilfsbedürftig, dass ihre Verletzung eine Triebkraft zur Ergreifung dieses Berufes sein kann, ist so alt wie die Heilkunde selbst. Nach der griechischen Mythologie litt der medizinische Lehrer Äskulaps, Chiron der Centaur, an einer unheilbaren Wunde, die ihm Herkules zugefügt hatte 1 . Kleinman fand in seinen biografischen Studien über Ärzte heraus, dass dem Motiv, diesen Beruf zu ergreifen, häufig eine eigene chronische Erkrankung oder die eines nahen Angehörigen zugrunde lag. Andere zu heilen diente ihnen dazu, die eigene Verletzung zu überwinden. »Durch das Verletztsein weiß der Heiler, wie Leiden sich anfühlt. Es gibt keine bessere Ausbildung in der Expertise über Krankheiten« 2 . Die meisten Schriften Freuds tragen die Spuren seines Lebens und seiner persönlichen Konflikte. Sein Werk »Die Traumdeutung« sei ein Ausbruch von Selbstoffenbarung im Dienst der Wissenschaft, schreibt sein Biograf Peter Gay 3 . Von Freud stammt die Erkenntnis, dass der Analytiker nur über das Durcharbeiten seiner eigenen Neurose in der Lage sei, andere zu analysieren. C. G. Jung konstatierte, »nur der verletzte Helfer heilt« 4 . Der amerikanische Militärpsychiater Abram Kardiner, ein Pionier der Behandlung von Kriegsneurosen (shell shock), schreibt in seiner Autobiografie, dass die »endlosen Albträume« seiner frühen Kindheit - Armut, Hunger, Vernachlässigung, häusliche Gewalt und der frühe Tod seiner Mutter - die Richtung seiner geistigen Interessen beeinflusst hätten und ihn befähigten, sich mit den traumatisierten Soldaten zu identifizieren 5 . Die tägliche Konfrontation mit Leid und Elend hinterlässt ihre Spuren. Insbesondere, wenn es sich um von Menschenhand zugefügtes Leid handelt. Steven Miles, Internist und Autor eines Buches über Folter durch US-Militärs im »Krieg gegen den Terror«, schreibt über diese Spuren: »Die Arbeit an den Fragen, die dieses Buch hervorbrachten, veränderte mich. Wenn ich einen ganzen Tag unzählige Berichte über Akte willkürlicher Brutalität gelesen hatte, träumte ich manchmal, ich sei in Abu Ghraib 6 und ich wachte mit pochendem Herzen und schweißgebadet vor Angst auf. Anschließend überfiel mich eine Traurigkeit, und manchmal hörte ich auf zu schreiben, weil es mir sinnlos erschien« 7 .
Die Konfrontation hinterlässt nicht nur Spuren im einzelnen Helfer, sondern auch in Helfergruppen und Institutionen. In den letzten 30 Jahren sind überall auf der Welt Behandlungszentren für Kriegsopfer, Opfer häuslicher und sexueller Gewalt, politischer Verfolgung und Folter mit großem Engagement, Optimismus und Idealismus gegründet worden. Fast alle diese Einrichtungen haben eine krisenhafte Entwicklung durchlaufen. Die Aufbruchstimmung der Pionier- und Aufb auphase weicht nach einigen Jahren einer tief greifenden Ernüchterung angesichts von internen Spannungen, chronischen unlösbaren Konflikten, einhergehend mit Symptomen von Erschöpfung bei den Helfern, einer hohen Fluktuation und zahlreichen Spaltungen. Ein anschauliches Bild davon zeichnet Norbert Gurris aus einer Einrichtung für traumatisierte Flüchtlinge:
»Die Arbeit wurde ausgedehnt, manchmal auf Abend-, Nacht- und Wochenendstunden. Überstunden und Urlaubstage wurden eher dem Verfall überlassen. Vorübergehende Phasen von euphorischer Hyperaktivität wechselten sich ab mit Zusammenbrüchen, die im Volksmund wohl als hysterisch angesehen würden. Die Gefühle von Ohnmacht und Verzweiflung machten sich in gegenseitigen Beschuldigungen und Anfeindungen im Team Luft. Junge Praktikanten schilderten panische Ängste, psychisch krank zu werden angesichts des Modellverhaltens der festen Mitarbeiter. Streichungen von Mitteln durch den Träger des Projekts führten zum Verschwinden von Kollegen quasi über Nacht. Bei den verbliebenen Mitarbeitern breiteten sich Fantasien von Krieg und Verfolgung in der eigenen Einrichtung aus« 8 .
Ebenso be
Erscheint lt. Verlag | 24.9.2009 |
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Reihe/Serie | Leben lernen ; 222 |
Vorwort | Luise Reddemann |
Zusatzinfo | mit 13 farbigen Schaubildern |
Sprache | deutsch |
Maße | 135 x 210 mm |
Gewicht | 431 g |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Angst / Depression / Zwang |
Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Klinische Psychologie | |
Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Traumatherapie | |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Akuttrauma • Beratung • Helfer • Notfallseelsorge • Psychologie • Psychotherapie • Psychotraumatologie • Rettungswesen • Trauma • Trauma-Ambulanz • Trauma (psych.) • Trauma (Psychologie) • Traumazentrum • Traumtherapie |
ISBN-10 | 3-608-89090-4 / 3608890904 |
ISBN-13 | 978-3-608-89090-7 / 9783608890907 |
Zustand | Neuware |
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