Die Ordnung der Hermaphroditen-Geschlechter - Maximilian Schochow

Die Ordnung der Hermaphroditen-Geschlechter

Eine Genealogie des Geschlechtsbegriffs
Buch | Hardcover
296 Seiten
2009
De Gruyter (Verlag)
978-3-05-004630-3 (ISBN)
79,95 inkl. MwSt
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Anhand historischer Quellen, die sich dem hermaphroditischen Körper zuwandten, diskutiert diese Studie die Entstehung von Geschlechtlichkeit, die Praktiken der Geschlechtseinschreibung in die Körper und die hiermit korrespondierenden Effekte. Dabei werden naturgeschichtliche, medizinische und juridische Diskurse des 15. bis 19. Jh.s analysiert. Die Hermaphroditen-Beschreibungen des 15. Jh.s, beispielsweise von Paracelsus, erschüttern durch das Fehlen der Definition von Intersexualität über die doppelte Anzahl der Geschlechtsteile, das Fehlen der modernen, wohlbekannten Verbindung von Hermaphrodit und Geschlecht die Vertrautheit unseres Wissens über Hermaphroditen. Solch eine Verbindung taucht erstmals in den Hermaphroditen-Diskursen des beginnenden 17. Jh.s auf. Sie wird in jenen medizinischen Traktaten produziert, die nach der "Wahrheit des Geschlechts" hermaphroditischer Körper fragen. Und genau diese Frage ist es, die den Moment markiert, da im abendländischen Denken das Geschlecht erfunden wurde.
Anhand historischer Quellen, die sich dem hermaphroditischen Körper zuwandten, darunter zahlreichen Abbildungen, diskutiert diese Studie die Entstehung von Geschlechtlichkeit, die Praktiken der Geschlechtseinschreibung in die Körper und die hiermit korrespondierenden Effekte. Dabei werden naturgeschichtliche, medizinische und juridische Diskurse des 15. bis 19. Jh.s analysiert. Die Hermaphroditen-Beschreibungen des 15. Jh.s, beispielsweise von Paracelsus, erschüttern durch das Fehlen der Definition von Intersexualität über die doppelte Anzahl der Geschlechtsteile, das Fehlen der modernen, wohlbekannten Verbindung von Hermaphrodit und Geschlecht die Vertrautheit unseres Wissens über Hermaphroditen. Solch eine Verbindung taucht erstmals in den Hermaphroditen-Diskursen des beginnenden 17. Jh.s auf. Sie wird in jenen medizinischen Traktaten produziert, die nach der "Wahrheit des Geschlechts" hermaphroditischer Körper fragen. Und genau diese Frage ist es, die den Moment markiert, da im abendländischen Denken das Geschlecht erfunden wurde.

Maximilian Schochow (Dr. rer. pol.) arbeitet am Institut für Politikwissenschaft der Universität Leipzig.

1;Inhalt;6
2;Danksagung;10
3;Prolog;12
4;I. Exegese der Leiber;32
4.1;1. Von den Geschlechtern und ihren Eigenschaften;32
4.2;2. Die Korrespondenzen: Chiromantia, Physiognomia & Substantia;44
4.3;3. Von den Wundergeburten und Monstern;57
4.4;4. Von den Geschlechtern der Hermaphroditen;75
5;II. Krisenfiguren I;92
5.1;1. Der Fall Marie/Marin le Marcis;92
5.2;2. Columbus Hermaphroditen;102
6;III. Geschlecht als Tableau;112
6.1;1. Aporien der Geschlechterbegriffe;112
6.2;2. Die Taxonomie des Geschlechts;126
6.3;3. Spiele der Wahrheit:29 Die ehelichen Werke und die Impotenz;139
6.4;4. Juridische Diskurse und die Produktion von Devianz:;157
6.5;Traktate über die Hermaphroditin Sempronia;157
6.6;5. Von wahren und falschen Hermaphroditen:;178
6.7;Anna Wilde und Marguerite/Arnaud Malaure;178
7;IV. Krisenfiguren II;199
7.1;1. Die medizinisch-chirurgische Produktion der Frau :;199
7.2;Der ärztliche Blick und die chirurgischen Interventionen;199
7.3;2. Die medizinisch-chirurgische Produktion des Mannes :;220
7.4;Der ärztliche Blick und die chirurgischen Interventionen;220
8;V. Epilog: Entwicklungslehren des Geschlechtssystems &;246
9;Kategorien der Hermaphroditen;246
10;Abbildungsverzeichnis;268
11;Abkürzungsverzeichnis;270
12;Quellenverzeichnis;271
13;Literaturverzeichnis;287
14;Personenverzeichnis;295

"Insgesamt besticht Schochows Studie durch eine beeindruckende Quellensammlung und -exegese, die auf eindrückliche Weise die Historizität des Wissens über Geschlecht demonstriert und die sicherlich für die weitere historische Geschlechterforschung von Belang sein wird." Eveline Kilian für: IASL Online, 31.03.2011 "Schochows [...] Arbeit, [lässt] die 'eigene Historiziäten sich artikulieren' [...]" Markus Rackow in: Sexuologie, 17 (2010) 1-2 "[...] die Arbeit von Schochow [sollte] für weitere Untersuchungen herangezogen werden, da sie einige Ideen und Leseweisen, teilweise ausführlich mit Beispielen unterlegt, in die Diskussion bringt und so unbedingt Anregungen für nachfolgende Forschungsarbeit bietet." Heinz-Jürgen Voß in: querelles-net, 11 (2010) 1 "Schochows Werk [stellt] eine herausragende Bereicherung der Forschung dar. Zumeist vereint er die positiven Errungenschaften von biowissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher Wissenschaftsgeschichte und ermöglicht so neue Erkenntnisse für beide Teile des 'hermaphroditischen' Wissenschaftskörpers." Florian Mildenberger in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 57 (2009) 12

I. Exegese der Leiber (S. 31)

1. Von den Geschlechtern und ihren Eigenschaften Alles was die Natur gebiert / das formiert sie nach dem Wesen der Tugendt so im selbigen ist / vnd seindt also zuverstehen. Wie das gemüt / die Eigenschafft / die Natur desselbigen Menschen ist / demselbigen nach gibt sie ihm auch den Leib / mit seiner Figur: also das die Figur / der Leib / die Tugendt gleich in Einer Concordantz seindt / vnd ein jedlichs zeigt dz ander an: Als die Tugendt zeigt an die Form / Figur / Corpus vnd Substantz: Also zeigen auch an dieselbigen das Wesen im selbigen.

Wenn es stimmt, dass bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts kein Geschlecht im Sinne der Beschreibung Scultets der Dichotomie von weiblichen und männlichen Geburts- und Zeugungsgliedern existiert, dann stellt sich die Frage: Wie lässt sich eine Geschichte erzählen, deren Gegenstand nicht vorkommt?

Wie können Aussagen über ein Element getroffen werden, das dem Diskurs des sechzehnten Jahrhunderts vollkommen fremd ist? Und wenn es richtig ist, dass dieses Geschlecht, das Scultet beschreibt, bis zum Anfang des siebzehnten Jahrhunderts nicht denkbar ist, wie sind dann die zahlreichen Geschlechter, die in den Folianten des sechzehnten Jahrhunderts auftauchen, zu fassen? Anders gewendet: Geschlechterbegriffe sind dem sechzehnten Jahrhundert nicht fremd, es sind sogar unendlich viele Geschlechter bis zu diesem Zeitpunkt im Umlauf, nur eben jenes Geschlecht, von dem Scultet berichtet, existiert nicht.

Vielleicht ist ein Perspektivwechsel der Schlüssel zu den Archiven, in denen die Geschlechter des sechzehnten Jahrhunderts wispern? Möglich, dass die Frage nach den Geschlechterdiskursen des sechzehnten Jahrhunderts den modernen Blick auf das Geschlecht jenes, von dem Scultet spricht neu ausrichtet?

In einem ersten Schritt wäre also zu fragen, welche Geschlechter bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts in den Archiven flüstern. Welche Ordnungen und welche Differenzen lassen sich in den Geschlechterdiskursen des sechzehnten Jahrhunderts lokalisieren?

Es existieren beispielsweise, so Ryff, die Geschlechter der Krankheiten, die der Feber vnd Leybliche gebrechen . Paracelsus beschreibt seinerseits vier Krankheiten, die die Vernunft rauben: Ein geschlecht die da Lunatici heissen / vnd Eins / die da Insani heissen / vnd Eins die Vesani heissen / vnd Eins die do Melancholici heissen.

Jenseits davon gibt es die Geschlecht[er] der Brunnen , unter anderem jene zu Zürich. Mair wiederum berichtet in seinem Geschlechter-Buch von den unzähligen Geschlechtern der Päpste, Kaiser, Könige oder Fürsten , die sich in Chroniken beziehungsweise Geschlechter-Register[n] tummeln und in Form von Genealogien und Stammbäumen aufgelistet werden.

In den Lüften ziehen die geshlecht[er] der federspile ihre Bahnen und repräsentieren einen Teil der Geschlechter der Tiere. Auf der Erde wimmelt es von den Geschlecht[ern] der Kräuter , die sich aus dem dunklen Erdreich empor strecken und dem Lauf der Sonne und anderer Planeten folgen.

Und es existieren die Geschlechter der Menschen: Gott der Himlische Vatter [hat] / den Menschen anfäncklich / an leib vnd seel / schön / gerecht vnd volkömlich on allen fehl vnnd gebrechen erschaffen / vnd das menschliche geschlecht ordentlicher weiß außgebraittet vnnd erweitert .

Erscheint lt. Verlag 16.9.2009
Zusatzinfo 62 b/w ill.
Verlagsort Basel/Berlin/Boston
Sprache deutsch
Maße 170 x 240 mm
Gewicht 865 g
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie
Studium Querschnittsbereiche Geschichte / Ethik der Medizin
Sozialwissenschaften Ethnologie
Schlagworte 15. Jahrhundert • 19. Jahrhundert • 20th and 21st Century Philosophy • Abbildungen • Adel • Anthropologie • Aphrodite • Begriff • Bilder • Biology • Definition • Denken • Diskurs • Effekt • Effekte • Entstehung • Evolution • evolutionary biology • EW5 • Fragen • Gender identity • Gender identity, History • Genealogie • Geschichte • Geschlecht • Geschlechter • Geschlechterrolle / Geschlechterbeziehung • Hermaphrodit • Hermaphrodite • historisch • History • Identity • Intersex people • Intersex people, Identity • intersexuality • Intersexuality, History • Körper • Life Sciences • Medizin • Moment • Natur • Ordnung • Philosophie • Philosophy • Quelle • Quellen • Reibung • Rock • Science • Sex • sex role • Sex role, History • Sexualit • Sexualität • Theilemann • Wahrheit • Zahl • Zwitter
ISBN-10 3-05-004630-9 / 3050046309
ISBN-13 978-3-05-004630-3 / 9783050046303
Zustand Neuware
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